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29. März 2024

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Asyl in der Krise

Asyl in der KriseBilderbox.com

Flüchtlinge ohne Aussicht auf ein gerechtes Asylverfahren, Misshandlungen und Menschenrechtsverletzungen – der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sowie das UN-Flüchtlingshochkommissariat raten kategorisch von Ausweisungen von Flüchtlingen in dieses Land ab: Asylchaos in Griechenland.

Die Liste der von Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Rechtsbrüche in Griechenland liest sich wie die Anleitung zu einem asylpolitischen Supergau. Das von der Finanzkrise schwer gezeichnete Land, ist nicht nur durch seine Lage an der EU-Außengrenze, sondern auch durch das Dublin-II-Abkommen in diese Problemlage geschlittert. Dublin-II sollte die faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU regulieren, resultierte aber in einen „nicht-Zuständigkeits“-Wettstreit unter den Mitgliedsstaaten. Den schwarzen Peter zogen die Länder mit EU-Außengrenze, die praktisch für jedes Asylverfahren in die Pflicht genommen werden können. Länder wie Österreich können Flüchtlinge in sogenannte „sichere Drittstaaten“ ausweisen lassen.

Zweifelhafte Unterstützung
Das krisengebeutelte Griechenland ist wohl derzeit der schwächste Partner in dieser Sache. Doch gerade dort passieren mittlerweile 90 Prozent aller EU-weiten, illegalen Grenzübertritte. Immer mehr Länder leisten dem Ruf des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte deshalb Folge. Österreich ist nicht darunter.
Griechenland versucht die Grenzen dicht zu machen, schafft aber auch das nicht aus eigener Kraft. Das Unternehmen „Frontex“ wurde eingeschaltet, eine EU-Agentur für die „operative Zusammenarbeit“ mit Grenzschutzpersonal an den europäischen Außengrenzen. 175 seiner 272 Beamten hat „Frontex“ von November bis Jänner unter österreichischer Beteiligung stationiert. Die Zusammenarbeit wurde vor kurzem bis März 2011 verlängert.
Österreich weigert sich Griechenland Hilfestellung zu leisten, indem es zum Beispiel Flüchtlinge aus dem überforderten Land aufnimmt. "Griechenland muss schon selbst dafür sorgen, dass es das in den Griff bekommt", hieß es 2009 dazu aus dem Innenministerium. Eine kuriose Aussage, half die österreichische Flugpolizei doch erst kurz zuvor Flüchtlinge im Mittelmeer aufzuspüren.
Das Asylrecht aufrecht zu erhalten scheint der EU ein eher sekundäres Bedürfnis. Flüchtlinge erhalten weiterhin die Aufforderung das Land zu verlassen, oder einen Asylantrag zu stellen – in einem Land, das längst keine mehr bearbeitet. Allein von Jänner bis Oktober 2010 kam es in Griechenland laut Frontex zu geschätzten 75,000 illegalen Grenzübertritten. Das entspricht etwa den Einwohnern von Villach und Kufstein zusammen. Die Situation hat zweifelsfrei europäische Ausmaße. Wird von der EU keine bessere Lösung gesucht, gibt es nur Verlierer. Allen voran die Flüchtlinge selbst, aber auch der Mitgliedsstaat Griechenland, und von der Glaubwürdigkeit der EU ganz zu schweigen.

Emanuel Riedmann, Economy Ausgabe 999999, 01.10.2010