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19. März 2024

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Der dreidimensionale Blick in den Tumor

Der dreidimensionale Blick in den Tumor© TU-Wien_Krebs_in_3D

Tumore wurden bisher nur mittels dünner Schnitte analysiert. TU-Wien entwickelt in Zusammenarbeit mit TU-München Technik, die erstmals dreidimensionale Einblicke ermöglicht und Phatologiemethoden massiv verbessern könnte.

(red/mich/cc) Nach einer Krebsoperation stellt sich oftmals die wichtige Frage, ob Krebszellen zurückgeblieben sind - oder der ganze Tumor entfernt werden konnte. Um das herauszufinden, wird der Tumor in der Pathologie untersucht und mittels dünner Schnitte mikroskopisch analysiert. Die TU-Wien hat nun gemeinsam mit der TU München eine neue Analysemethode entwickelt.

Den Forschern gelang dabei das Tumorgewebe durchsichtig zu machen und mit einem speziellen Ultramikroskop zu durchleuchten. Damit kann das entnommene Gewebe in 3D bzw. dreidimensional analysiert und letztlich die Zuverlässigkeit der Diagnose deutlich gesteigert werden. Die neue Technik wurde bereits im renommierten Fachjournal „Nature Scientific Reports“ veröffentlicht.

Lebensrettende Gewebeproben
„Unter dem Mikroskop kann man sehen, ob der entfernte Tumor von einem Saum gesunden Gewebes umgeben ist“, erläutert Hans Ulrich Dodt vom Institut für Festkörperelektronik der TU-Wien. „Man sagt dann, der Tumor wurde im Gesunden entfernt, die Patienten müssen sich oft „nur“ noch erholen. Ist es nicht so, muss eventuell nachoperiert oder zusätzlich bestrahlt werden. Besonders nach Brustkrebsoperationen kommt das immer wieder vor“, so Dodt.

Das Problem dabei ist, dass man auf diese Weise niemals den gesamten Tumor vollständig untersuchen kann. „Üblicherweise wird alle 5 Millimeter ein ungefähr 4 Mikrometer dicker Schnitt entnommen. Das bedeutet, dass nur etwa ein Tausendstel des gesamten Tumorvolumens auch tatsächlich untersucht wird“, unterstreicht der TU-Forscher. In kritischen Bereichen können die Dünnschnitte auch enger gelegt werden, aber das gesamte Gewebe kann auf diese Weise nicht erfasst werden.

Eine regelrechte Revolution für die Pathologie
Mit Hilfe der sogenannten Ultramikroskopie ist es nun möglich, den ganzen Tumor dreidimensional sichtbar zu machen. Im Rahmen ihrer universitätsübergreifenden Dissertation (TU-Wien und Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien) entwickelte Inna Sabdyusheva ein chemisches Verfahren zur „Klärung“ der Brustkrebs-Proben, wo diese durchsichtig werden ohne ihre Struktur zu verändern und die Krebszellen damit bei der folgenden Durchleuchtung im Ultramikroskop weiter zu erkennen sind.

Die Untersuchungen wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Pathologischen Institut der TU-München und betreffend Gewebeproben mit der Chirurgie des AKH Wien durchgeführt. „Diese Methode wird die Pathologie revolutionieren“, resümiert Hans- Ulrich Dodt. „In kürzerer Zeit als bisher kann eine größere Verlässlichkeit bei den Untersuchungen erzielt werden und die neue 3D Methode erlauben ganz neue Einblicke in die Krebsentwicklung“, betont der Experte. Die sehr große Menge an Bilddaten soll zusätzlich ganz neue Chancen im Kontext Diagnostik und künstliche Intelligenz eröffnen.

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red/mich/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 06.11.2020