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23. April 2024

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Die Geburtsstunde der Zeitung

Die Geburtsstunde der Zeitung© piqs.de/vaticanus

Eine Untersuchung von 16.000 handgeschriebenen Zeitungen wirft ein neues Licht auf die Geschichte des modernen Nachrichtenwesens.

Im späteren 16. Jahrhundert ließen sich zwei Brüder aus dem berühmten Kaufmannsgeschlecht der Fugger Nachrichten aus aller Welt per Post nach Augsburg senden. Bezahlte Informanten haben damals für wohlhabende Abonnenten Nachrichten gesammelt und handschriftlich verfasst.
Die Brüder Fugger haben diese Nachrichten binden lassen und jahrgangsweise gesammelt. Diese Sammlung, die seit dem 17. Jahrhundert Teil der kaiserlichen Bibliothek in Wien ist, „dokumentiert zeitlich genau das Vorfeld der Entstehung der gedruckten Zeitung“, so Katrin Keller. Bislang wird die Entstehung des periodischen Zeitungswesens in Europa mit dem Jahr 1605 verbunden, als in Straßburg die erste gedruckte Wochenzeitung erschien. Dieses Geburtsdatum der europäischen Presse sei jedoch zu diskutieren, sagt die Historikerin des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung.

Europaweites Pressenetzwerk
Katrin Keller erschloss gemeinsam mit Nikolaus Schobesberger und Paola Molino die Sammlung in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt. Sie ist nun auch digitalisiert worden und der internationalen Forschung als Datenbank zugänglich. Damit lässt sich zugleich ein beachtliches Informationsnetzwerk belegen, das im späten 16. Jahrhundert existierte. Gut sichtbar werden so die großen Nachrichtenzentren wie Rom, Venedig oder Augsburg; manche Nachrichten kamen aber auch aus Übersee, aus Indien, Nordafrika und dem Nahen Osten.
Bislang wurde die Sammlung zwar als bedeutend, meist aber als Ausnahme oder Einzelstück verstanden. Das FWF-Projekt konnte zeigen, dass in anderen Archiven, etwa in Marburg, Dresden oder München, umfangreiche Bestände an von Hand geschriebenen Nachrichten bestehen, die auf die Anfänge des modernen Pressewesens weisen.
Die Zeitung war vorrangig ein Instrument politischer Kommunikation. Sie diente politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungsträgern möglichst umfassende Kenntnis über ihre Gegenwart zu erlangen: Zwei Drittel der Berichte vermittelten Informationen über militärische Ereignisse, wichtige Vertragsverhandlungen, fürstliche Hochzeiten oder politische Entwicklungen. Aber auch Geschichten über Entdeckungsfahrten nach Übersee sind in den Fuggerzeitungen zu finden.

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red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 24.11.2016