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19. April 2024

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Wir müssen nur wollen

Wir müssen nur wollenpiqs.de/airb

Die umfangreiche Reduktion der CO2-Emissionen ist machbar. Eine Studie der TU Wien analysiert CO2-Emissionen und die Themen Strom, Wärme und Mobilität in Deutschland und Österreich. Bis 2050 ist die Einsparung eines Großteils der CO2-Emissionen möglich, selbst ohne großen Speicherausbau.

Selbst eine starke Reduktion der CO2-Emissionen in der Strom- und Wärmeerzeugung wäre technisch und wirtschaftlich machbar – das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der TU Wien. Berechnet wurde, durch welche Maßnahmen Deutschland und Österreich bis 2050 bis zu 90% ihres CO2-Ausstoßes in den Bereichen Elektrizität, Wärme und PKW-Verkehr einsparen könnten.
Dabei gehen alle Szenarien von einem starken Ausbau von Photovoltaik und Windenergie aus. Eine Erweiterung der Speichermöglichkeiten (etwa die Errichtung neuer Pumpspeicherkraftwerke) soll dabei gar nicht zwingend nötig sein, würde aber die Stromkosten reduzieren. Im optimalen Fall würden die Stromgestehungskosten bloß um wenige Cent pro Kilowattstunde ansteigen.

Speichern ist nicht das Problem
„Die Speicherung von Energie wird oft als großes ungelöstes Problem der Energiewende dargestellt, weil Wind und Sonne nicht immer Energie liefern“, so Gerhard Totschnig vom der Energy Economics Group der TU Wien. „Die Simulation zeigt aber, dass dies nicht stimmt. Auch ohne Speicherausbau können die CO2 Emissionen in Österreich und Deutschland um 80% reduziert werden“, so Totschnig weiter. Ein optimierter Speicherausbau reduziert die ungenützten Wind- und Photovoltaik-Überschüsse, steigert die Effizienz des Einsatzes der thermischen Kraftwerke und senkt daher die Stromkosten um einige Prozent.
Die eigentliche Herausforderung ist aber nicht das Speichern, sondern der erforderliche hohe Ausbau an Windenergie und Photovoltaik in Kombination mit einer Verbesserung der Energieeffizienz. Österreich ist dabei aufgrund des hohen Anteils an Wasserkraftwerken und wegen der hohen Kapazität an Pumpspeicherkraftwerken in einer besonders guten Situation, doch auch in Deutschland sind drastische Einsparungen des CO2-Ausstoßes machbar.
Im Projekt „Stromspeicher 2050“, gefördert vom Klima- und Energiefonds (Programm „Neue Energien 2020“) wurden an der TU Wien mehrere Szenarien simuliert, die zu einer CO2-Emissionsreduktion von 76 bis 90% für die Sektoren Stromerzeugung, Raumwärme, Warmwasser und PKW-Verkehr führen würden. Genutzt wurde dafür das von der Energy Economics Group der TU Wien entwickelte Modell HiREPS, das detaillierte Darstellungen des österreichischen und deutschen Strom- und Wärmesystems, der Elektromobilität und des Lastmanagements in der Industrie beinhaltet. Damit lassen sich Investitionskosten, Betriebskosten und Strompreise simulieren.

Strom, Wärme, Elektroautos
In den Modellrechnungen wurden verschiedene Maßnahmen auf unterschiedliche Weise miteinander kombiniert: Eine Möglichkeit ist, erneuerbare Energie mit den bereits bestehenden Speichermöglichkeiten in unser Energiesystem zu integrieren. Wenn Produktionsspitzen auftreten, die nicht gespeichert werden können, bleiben die Überschüsse ungenutzt, dafür sind bei dieser Variante die Investitionskosten am geringsten.
Eine zweite Option ist das Errichten neuer Speicher. Dabei muss nicht immer gleich ein Gebirgstal geflutet werden, auch kleinere Pumpspeicherkraftwerke auf Hügeln könnten großen Nutzen bringen. Geprüft wurden außerdem Druckluftspeicher und Power-to-Gas-Anlagen, die elektrischen Strom nutzen um Energie in Form von brennbarem Gas zu speichern.
Die Variante „Power to Heat“ beruht auf der Idee, dass man überschüssigen Strom in Spitzenzeiten für Wärmespeicher nutzen kann – das wird bisher noch nicht in großem Ausmaß gemacht. In Fernwärmekraftwerken könnte man Tauchsieder einbauen, auch Wasserspeicher in Haushalten könnte man immer genau dann erhitzen, wenn der Strom gerade besonders billig ist.
Nicht zuletzt könnte auch die Elektromobilität eine wichtige Rolle spielen. Elektroautos könnten dann geladen werden, wenn mehr Strom zur Verfügung steht als anderswo benötigt wird.

Eine Frage des politischen Willens
Welche Maßnahmen wirtschaftlich sind, hängt auch vom CO2-Reduktionsziel ab. Ein hoher Pumpspeicherausbaubedarf wird erst für nach 2030 simuliert. Eine Verlagerung von Windenergie zu verstärktem Photovoltaik-Ausbau führt durch die regelmäßigen Solarstrom-Einspeisemaxima zu Mittag zu einem höheren Pumpspeicherausbau.
Power-to-Gas wird erst dann wirtschaftlich, wenn man sehr ambitionierte Reduktionsziele anstrebt oder wenn es starke Netzengpässe gibt. Im optimierten Szenario 2050 erreichen Pumpspeicher, „Power to Heat“ und gesteuertes Laden von Elektroautos die gleiche Größenordnung an verschiebbarer Strommenge. „Die Nutzung von Strom für Wärme und Elektromobilität hilft, den erzeugten Strom besser zu nutzen und somit billiger zu machen, doch der Hauptvorteil dieser Maßnahmen ist, dadurch im Sektor Wärme und Verkehr Emissionen einzusparen“, erklärt Gerhard Totschnig.
Die Energiewende ist primär eine Frage des politischen Willens. Auch ihre Auswirkungen auf die Stromkosten hängen von politischen Entscheidungen ab: „Derzeit liegen die Kosten für Privatkunden bei 17 bis 18 Cent pro Kilowattstunde, doch ein großer Teil davon entfällt auf Steuern und Netzgebühren“, erläutert Totschnig. „Nach unseren Berechnungen würde die Kilowattstunde Stromerzeugung durch die CO2-Einsparungen bloß um etwa fünf Cent teurer werden. Nicht inkludiert sind hier aber die Kosten eines Netzausbaus.“
Vorausgesetzt Staat und Netzbetreiber geben sich mit den Einnahmen zufrieden, die derzeit auch eingehoben werden, ergäben sich für einen typischen Haushalt mit einem Stromverbrauch von etwa 3000 kWh pro Jahr Mehrkosten von 150 Euro. „Überschaubar“, laut den TU-Experten.

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red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 18.09.2015