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20. April 2024

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Sexuelle Inflation

Sexuelle Inflation© piqs.de/seierseier

Die Trivialisierung der Sexualität führt zu einer „Porno-Panik“. Es gibt aber auch positive Seiten.

„Es ist mir ein Anliegen, das Thema Sexualität transparenter zu machen. Denn auch wenn wir eine unglaubliche sexuelle Trivialisierung erleben, ist doch noch immer sehr viel tabuisiert und im Schatten“, sagte Gerti Senger, klinische Psychologin und Paartherapeutin, bei einer Podiumsdiskussion in Wien. Die Inflation des Sexuellen im Alltag schwäche die individuelle Sexualität.
Das Problem der Gegenwart sei es nicht, sexuelle Wünsche zu erfüllen, sondern sie überhaupt zu haben, zitierte Senger bei einem vom Wissenschaftsministerium veranstalteten „Science Talk“ den österreichischen Philosophen Günther Anders. Durch die Überflutung an sexuellen Reizen, Themen und Bildern entstehe oft der Wunsch nach etwas ganz Besonderem, Ausgefallenem oder Bizarrem.

Müde und gleichgültig
„Bei den Jungen bemerke ich eine unglaubliche sexuelle Müdigkeit und Gleichgültigkeit“, so Senger, die das in Kontrast zu einer „heißen sexuellen Grundstimmung“ in ihrer eigenen Jugend stellte: „Es ist eine kalte sexuelle Welt, in der wir jetzt leben.“
Die ältere Generation wiederum verfalle zum Teil der „Porno-Panik“. Wenn der Großvater die Welt der Online-Pornos entdeckt, soll die Frau plötzlich „Sachen machen, die sie 40 Jahre lang nicht gemacht hat“, erzählte Senger aus ihrer therapeutischen Praxis. „Diese Freiheiten, die heute möglich sind, haben meiner Meinung nach ganz neue Zwänge gebracht.“
Die neue sexuelle Freizügigkeit habe aber auch ihre positiven Seiten. „Noch nie hatte eine Generation vor uns das Glück, alles mit jedem tun zu können“, warf die Ärztin und Psychotherapeutin Elia Bragagna ein. Die Sexualität und die sexuelle Gesundheit sollten vom Kindergarten über Schule und Universität einen ebenso wichtigen wie unaufgeregten Stellenwert haben, um gestärkte Individuen zu bekommen.

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APA-Science/red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 14.11.2016