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29. März 2024

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Bestens statt nur billig für 35 Milliarden Euro

Bestens statt nur billig für 35 Milliarden Euro(C) FEEI

Umfangreiche Wifo-Studie der Elektro- und Elektronik-Industrie belegt ungenügende Anwendung des Bestbieterprinzips bei Bundesvergabe und negative volkswirtschaftliche Auswirkungen.

Mit der Novelle des Bundesvergaberechts bei öffentlichen Vergaben ist auch das so genannte Bestbieterprinzip als Standardverfahren vorgesehen. Wie sich das Prinzip des „technisch-wirtschaftlich günstigsten Angebots“ in der Vergaberealität niederschlägt, hat nun eine vom Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) und dem Fachverband Metalltechnische Industrie in Auftrag gegebene Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo analysiert.

Untersuchung von 18.600 Vergaben belegt ungenügende Anwendung von Bestbieterprinzip
In den vergangenen sechs Jahren wurden rund 18.600 Vergaben in ganz Österreich untersucht. Das Ausschreibungsvolumen beläuft sich dabei auf 35,2 Mrd. Euro oder zirka elf Prozent des BIP wobei im sogenannten Oberschwellenbereich etwas mehr als die Hälfte mittels Bestbieterprinzip vergeben. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass das vom Gesetzgeber vorgesehene Bestbieterprinzip deutlich zu kurz kommt, im europäischen Vergleich befindet sich Österreich damit im Mittelfeld.
„Die enorme Wirkungskraft der öffentlichen Beschaffung kann sich zu wenig entfalten“, kritisiert Brigitte Ederer, FEEI-Präsidentin. „Trotz des Einsatzes von preisfremden Kriterien wie Qualität oder Nachhaltigkeit dominiert der Preis die Auswahl. Vielfach werden Bestbieterausschreibungen mithilfe von Feigenblattkriterien zu verdeckten Billigstbietervergaben. Diese österreichische Besonderheit sucht im europäischen Ländervergleich ihresgleichen.“ „Der vorhandene Spielraum in Bestbieterverfahren wird nicht genützt und wertvolle Hebelkraft für heimische Unternehmen wird vertan“, ergänzt Christian Knill, Präsident des Fachverbands Metalltechnische Industrie.

Effektives Instrument zur Stärkung von wirtschaftspolitischen Impulsen
Das Bestbieterprinzip könnte aber ein effektives Instrument sein, um Innovation, Technologien und Wertschöpfung in Österreich zu stärken. „Was am Ende zählt, ist nicht nur der billigste Preis. Die öffentliche Hand muss bei Investitionen gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten wichtige Impulse setzen, der beste Bieter ist im Endeffekt der mit vielseitigen, zukunftssicheren Lösungen“, so Knill weiter. Konkret belegt die Wifo-Studie, dass bei rund 20 Prozent der Bestbietervergaben das Gewicht des Preises über 95 Prozent beträgt und damit das beherrschende Kriterium ist. Das entspricht jedem fünften Auftrag und bei etwa einem Drittel (34 Prozent) hat der Preis immer noch 90 Prozent Gewicht.
Andere preisfremde Kriterien wie Lieferung, Nachhaltigkeit oder Service, die in anderen Ländern ebenfalls zur deutlichen Verringerung des Preises herangezogen werden, werden in Österreich laut FEEI „überdurchschnittlich oft als Feigenblattkriterien eingesetzt und haben de facto keinen Einfluss auf das Ergebnis.“ Auffallend ist zudem die hohe Gewichtung auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die in der Studie untersucht wurden: In keinem anderen untersuchten EU-Land ist die Preisgewichtung so stark und häufig ausgeprägt wie in Österreich.

Forderungen nach gesetzlicher Festschreibung von Mindestgrenzen
Um Österreich zu einem Vorzeigeland für Vergabeverfahren zu machen, fordern die Unternehmen der Elektro- und Elektronikindustrie sowie der Metalltechnischen Industrie eine gesetzliche Verankerung von mindestens zwei preisfremden Kriterien. „Um das Problem der so genannten Feigenblattkriterien zu verhindern, soll darüber hinaus eine Maximalgewichtung des Preises gesetzlich festgeschrieben werden, etwa 60 bis 80 Prozent“, erläutert Knill.
Als zielführend sieht der FEEI, Kataloge mit inhaltlich substantiierten Qualitätskriterien zu erstellen, um Auftraggebern und Beschaffern die Auswahl an preisfremden Kriterien zu erleichtern. Wesentlich für die Stärkung des Bestbieterprinzips ist auch die laufende Schulung der Personen und Entscheidungsträger in den ausschreibenden Stellen. Dies erfordert Ressourcen sowie fachliche und technische Kompetenz auf der Auftraggeberseite was insbesondere bei komplexen Projekten der Fall ist.
Brigitte Ederer appelliert als FEEI-Präsidentin: „Um Chancen im wahrsten Sinne ‚vergeben‘ zu können, möchten wir den Entscheidungsträgern Mut machen. Die öffentlichen Beschaffer sollen innovativen österreichischen Unternehmen die Chance geben, auch am Heimmarkt aktiv und erfolgreich zu sein!“

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red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 07.02.2017