Unabhängiges Magazin für Wirtschaft und Bildung

20. April 2024

Search form

Search form

Die Chinesen kommen

Die Chinesen kommen© piqs.de/robert s donovan

Europa steht zunehmend im Fokus chinesischer Investoren. Österreich ist nur am Rande betroffen.

Chinesische Investoren drängen auf den europäischen Markt: Im vergangenen Jahr investierten sie in 183 Unternehmen in Europa. Und im ersten Halbjahr 2016 haben sie bereits so viele Zukäufe getätigt wie im gesamten Jahr 2014, nämlich 164, ergibt eine Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY (Ernst & Young).
Europaweit tätigten chinesische Unternehmen im ersten Halbjahr Zukäufe im Wert von 72,4 Milliarden US-Dollar nach einem Volumen von knapp 40 Milliarden im Jahr 2015. Besonders groß fällt der Sprung in Deutschland aus: Hier stiegen die Investitionen von 0,5 Milliarden US-Dollar im Gesamtjahr 2015 auf 10,8 Milliarden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres.
Mit 37 getätigten Akquisitionen ist Deutschland das bevorzugte Investitionsziel chinesischer Unternehmen in Europa. Auf dem zweiten Platz steht Frankreich mit 23 Akquisitionen. Österreich wird auf dieser Shoppingtour nur gestreift – 2016 gab es bislang zwei Transaktionen: Die Mehrheitsübernahme der LMF Unternehmensbeteiligungs GmbH durch den Kompressor-Hersteller Kaishan Compressor und der Kauf der Austria Druckguss durch den Automobilzulieferer Zhongding.

Sprunghaft
Wie sehr sich chinesische Investoren in Europa engagieren, zeigt der historische Vergleich: Im Vorkrisenjahr 2007 führten chinesische Investoren insgesamt 51 Transaktionen durch. Zwei Entwicklungen lassen die Investititionen sprunghaft ansteigen: „In Europa wollen sich derzeit viele Private-Equity-Gesellschaften von Beteiligungen trennen. Chinesische Investoren suchen wiederum nach Übernahmezielen in anderen Ländern, da das Wachstum auf dem Heimatmarkt nachlässt“, erklärt Eva-Maria Berchtold, Leiterin Transaction Advisory Services bei EY Österreich.
Chinesische Unternehmen sehen sich gezwungen, neue Geschäftsfelder aufzubauen und sich von der Massenproduktion zur Spezialisierung und Hochtechnologie zu bewegen. „Der kürzeste Weg ist die Akquisitionen ausländischer Marktführer“, ergänzt Yi Sun, Leiterin der China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz.
Aßerdem suchen zurzeit viele chinesische Private-Equity-Gesellschaften passende Übernahmeziele – mit dem Ziel, eine überzeugende Equity Story für einen späteren Börsengang in Hongkong bieten zu können.

Spitzenreiter
Der mit Abstand größte Deal ist die – noch nicht abgeschlossene – Übernahme des schweizerischen Chemieunternehmens Syngenta durch Chemchina um 44 Milliarden US-Dollar. Auf Platz zwei steht die Übernahme des finnischen Onlinespiele-Entwicklers Supercell für 8,6 Milliarden. Die drittgrößte Übernahme läuft derzeit in Deutschland ab: Der chinesische Konzern Midea bietet knapp 4,7 Milliarden für den Roboterhersteller Kuka.
Besonders im Fokus stehen europäische Industrieunternehmen: Von den 164 in Europa getätigten Zukäufen betrafen 45 die Industrie, danach folgen Technologieunternehmen (24) und Energieunternehmen (17).

red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 31.08.2016