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29. März 2024

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Rekordjahr 2020 für europäische Start-Ups

Rekordjahr 2020 für europäische Start-Ups© Pexels.com/Bali Demiri

6.700 Finanzierungsrunden macht Plus von 60 Prozent. In Österreich 65 Prozent. Telepass-Gruppe in Europa sowie Bitpanda, PlanRadar und Adverty in Österreich mit größten Beträgen, so neue EY-Studie.

(red/czaak) Weder die Corona-Pandemie noch der Brexit hatten 2020 in Europa Auswirkungen auf die Finanzierungen von Start-Ups. Sowohl die Anzahl als auch das Geldvolumen erreichten im vergangenen Jahr neue Rekordwerte. 6.700 europäische Finanzierungsrunden ergeben ein Plus von exakt 58 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Volumen machte einen Sprung um 17 Prozent auf rund 36,5 Milliarden Euro.

Vor allem im zweiten Halbjahr zog das Finanzierungsvolumen deutlich an und erreichte mit 21,2 Milliarden Euro den höchsten Wert für ein Halbjahr überhaupt. Die drei größten Finanzierungen fielen in diesen Zeitraum, darunter der italienische Anbieter von Mobilitäts-Serviceleistungen, The Telepass Group, mit knapp 1,1 Milliarden Euro. Das britische Versicherungs-Start-Up Inigo erhielt mehr als 700 Millionen Euro und der Batteriehersteller Northvolt aus Schweden 526 Millionen Euro.

Großbritannien vor Frankreich und Deutschland
Bei den Märkten führt Großbritannien, hier hat sich die Anzahl der Finanzierungsrunden trotz Brexit mit 2.113 mehr als verdoppelt und das Finanzierungsvolumen stieg um ein Viertel auf 13,9 Milliarden Euro. In Deutschland steig die Anzahl von 704 auf 743, das Finanzierungsvolumen reduzierte sich um 15 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro. Frankreich als drittgrößter Start-Up-Standort Europas zählte 2020 nur noch 619 Finanzierungsrunden, nach 736 im Vorjahr. Dafür stieg das Volumen um über 3 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro.

Das sind die wichtigsten Ergebnisse des Start-Up-Barometers der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Als Start-Ups werden dabei Unternehmen gewertet, die nicht älter als zehn Jahre sind. „Die Corona-Krise hat viele Herausforderungen für Unternehmen noch offensichtlicher gemacht, dafür hatten viele Start-Ups die passsenden Lösungen und das hat sie bei Kapitalgebern attraktiv gemacht“, erläutert Thomas Gabriel, Partner Strategy bei EY-Parthenon. „Bedarf und Lösungen betrifft insbesondere die Themen Digitalisierung, die Anfälligkeit von Logistikketten oder die große Bedeutung der Sicherheit von IT-Netzwerken“, so Gabriel.

Wien punktet im europäischen Vergleich
In Österreich ist 2020 der Gesamtwert des Investitionsvolumens von 183 Millionen Euro auf 212 Millionen Euro (plus 16 Prozent) gestiegen. Damit belegt Österreich Rang 16 im europäischen Vergleich. Parallel stieg auch die Zahl der Finanzierungsrunden von 88 auf 145. Im vergleichenden Standort-Ranking bleibt Österreich mit Platz Neun unter den Top-10-Start-Up-Standorten in Europa.

In Wien stieg das Investitionsvolumen um fast 30 Prozent von 140 auf rund 177 Millionen Euro und das ergibt den Sprung in die europäischen Top-20 (von 23 auf Rang 16). Die Anzahl der Finanzierungsrunden hat sich gegenüber dem Vorjahr von 46 auf 92 verdoppelt, macht Platz Elf in Europa. Die größte Finanzierung holte sich der Neobroker Bitpanda mit 45,6 Millionen Euro. PlanRadar (Software für Baudokumentation) folgt mit 30 Millionen Euro und als Dritter dann das Marketing-Analytics-Unternehmen Adverity mit 26,3 Millionen Euro.

Kleinteilige Investments in Österreich
Generell ging das Gros der Summe erneut an einige große und bereits mit viel Kapital ausgestattete Unternehmen. In Österreich gab es viele kleine Finanzierungen mit einem Durchschnittsvolumen von knapp 17 Millionen Euro bei den Top-10 Deals. Die Schweiz liegt hier bei 67 Millionen Euro, Deutschland bei 154 Millionen Euro. Aus Sicht von EY brauche es auch in Österreich mehr Großinvestoren.

Bedingt durch die Corona-Krise ist die Situation bei vielen heimischen Start-Ups weiter angespannt. „Die Mehrzahl der Start-Ups ist nur für einige Monate durchfinanziert und dann benötigen sie frisches Geld. Das Anstoßen von privaten Investitionen, wie es zum Beispiel durch den Covid-Start-Up-Hilfsfonds geschafft wurde, ist dafür essenziell. Eine Neuauflage wäre daher gerade in der aktuellen Situation ein dringend notwendiger Impuls“, so Florian Haas, Leiter des Start-Up-Ökosystems bei EY.

US-Investoren als neuer Trend
Die anhaltende Niedrigzinspolitik und vermögende VC-Investoren machen Haas für 2021 optimistisch. „Profitieren werden vor allem Tech- und Health-Unternehmen, weil dort starke Skalierungen möglich sind. Bei den größten Finanzierungsrunden wie Bitpanda, PlanRadar oder Adverity haben immer US-Investoren in heimische Tech-Unternehmen investiert. Dieses Muster werden wir auch 2021 sehen“.

Europas Start-Up-Hauptstadt ist eindeutig London. Hier wurden im vergangenen Jahr 1.370 Deals gezählt, mehr als in Frankreich (351) und Deutschland (313) zusammen. Wien schafft es nach der Verdoppelung auf Platz elf. „In Großbritannien hat sich ein Ökosystem aus Start-Ups, Inkubatoren und Geldgebern gebildet, das konsequent auf Internationalisierung setzt. London als internationale Finanzmetropole ist hierfür ein gutes Sprungbrett“, unterstreicht EY-Stratege Gabriel.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 11.05.2021