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08. Februar 2025

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Österreichs Physiotherapie braucht noch mehr Ausbildung

Österreichs Physiotherapie braucht noch mehr Ausbildung© Pexels.com/karolina grabowska

Neue Studie am IMC-Krems liefert grundlegende Daten zur Qualifikation von österreichischen Physiotherapeuten. Primär geht es um das Wissen im Umgang mit schwerwiegenden Erkrankungen und die dann nötigen Entscheidungen.

(red/czaak) Österreichs Physiotherapeutinnen und -therapeuten brauchen noch mehr Training und praktische Erfahrung. Es geht um das bessere Erkennen von ernsthaften Gesundheitsproblemen und sodann klinisch relevante Entscheidungen zum Wohle der Behandelten zu treffen. Das ist das Fazit einer Studie unter der Leitung des IMC-Krems, die kürzlich auch im Fachjournal BMC Primary Care veröffentlicht wurde.

Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung
Insbesondere die Entscheidungsfähigkeit, ob eine physiotherapeutische Behandlung fortgeführt („keep“) oder der/die Betroffene an den Arzt zurück überwiesen werden sollen („refer“), könnte durch gezielte Fortbildung und spezialisierte Trainingsprogramme weiter verbessert werden. Die Ergebnisse machen deutlich, dass gezielte Maßnahmen wünschenswert und notwendig sind, um das Wissen der Fachkräfte vor allem im Umgang mit schwerwiegenden Erkrankungen zu erweitern.


Auch Österreich ist auf die Expertise seiner Physiotherapeuten angewiesen, um die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung zu bewahren oder nachhaltig zu fördern. Gut ausgebildete Fachkräfte spielen besonders bei der Rehabilitation nach Verletzungen oder bei der Betreuung chronisch Erkrankter eine entscheidende Rolle. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Jessica Janssen und Wolfgang Lackenbauer vom Institut für Therapie- und Hebammenwissenschaften am IMC Krems hat in einer aktuellen Studie erstmals Basisdaten zur Entscheidungskompetenz der Fachkräfte für Physiotherapie erhoben – und dabei durchaus Verbesserungsbedarf festgestellt.


Klinische Vignetten mit roten Fahnen

Für die Studie wurden 479 Physiotherapeutinnen und -therapeuten befragt. Auf dem Prüfstand stand dabei ihre Entscheidungskompetenz, ob fiktive Patienten aufgrund ihrer Fallbeschreibung („klinische Vignette“) weiter behandelt („keep“) oder zur erneuten Abklärung an Ärztin bzw. Arzt zurück überwiesen werden sollten („refer“). "Besonderes Augenmerk haben wir auf das Erkennen sogenannter „Red Flags“, also Warnzeichen für eine ernsthafte Erkrankung gelegt", sagt Jessica Janssen.

Dass bei der Einschätzung des weiteren Vorgehens Verbesserungsbedarf besteht, zeigten die Studienergebnisse sehr deutlich. Bei kritischen klinischen Vignetten entschieden nur 54 Prozent der teilnehmenden Fachpersonen richtig, bei Fällen mit muskuloskelettalen Erkrankungen waren es immerhin 71 und bei unkritischen medizinischen Fällen fast 80 Prozent. Lediglich 2 Fachkräfte konnten alle 12 vorgestellten Fälle komplett richtig beurteilen. Insgesamt zeigte sich somit, dass das Erkennen der "Red Flags", also Anzeichen für schwerwiegende Erkrankungen, noch mehr gezielter Schulungen bedarf.


Fortbildung und Kooperation

Passend zu diesem Ergebnis gaben auch mehr als die Hälfte der befragten Therapeuten an, dass sie sich eine verstärkte Fortbildung im Bereich schwerwiegender Erkrankungen, die sich bei Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems verbergen können, wünschen. „Unsere Studie zeigt, dass es ein deutliches Potenzial und eine Bereitschaft für eine Professionalisierung der Physiotherapie in Österreich gibt. Hier sollten also gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich der klinischen Entscheidungsfindung und der Erkennung von „Red Flags“ angeboten werden“, erklärt Wolfgang Lackenbauer. Ein enger Austausch und eine interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen physiotherapeutischem Fachpersonal und Ärzten sind allerdings entscheidend für eine bestmögliche Versorgung der Patienten.

Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die Notwendigkeit, in die Aus- und Weiterbildung von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten zu investieren, so das IMC-Krems in einer Ausendung. Mit der richtigen Ausbildung und einem verstärkten Fokus auf das Erkennen von „Red Flags“ können sie die Versorgung ihrer Patienten weiter verbessern und gleichzeitig das Gesundheitssystem entlasten. Auch künftige Forschungsinitiativen könnten spezifische Trainingsprogramme fördern, die sowohl die klinische Entscheidungsfindung als auch die interprofessionelle Zusammenarbeit weiter fördern, so das IMC-Krems.

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red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 21.01.2025