Zum Inhalt

Bunte Uni­kate im Pulverschnee

Fast die gesamte tief ver­schneite Alpin­zone wird von den uni­for­men Mas­sen­pro­duk­ten der gro­ßen Ski-Her­stel­ler beherrscht. Nur eine kleine Firma namens „Edel­wi­ser“ leis­tet nach­hal­ti­gen Widerstand. 

Was haben der rus­si­sche Prä­si­dent Vla­di­mir Putin und die (noch nicht gekür­ten) Gewin­ner der heiß umkämpf­ten ORF-Ski-Chall­enge gemein­sam ? Wohl nur eines : Sie wer­den noch in die­ser Win­ter­sai­son den Genuss erle­ben, einen für sie ganz per­sön­lich pro­du­zier­ten Ski zu fah­ren. Einen Ski, der nicht aus der uni­for­men Fabri­ka­tion eines der gro­ßen Her­stel­ler stammt, son­dern ein hand­ge­fer­tig­tes Uni­kat ist, das sich durch sein indi­vi­du­el­les Design und die inte­grierte Anbrin­gung des Namens sei­nes Besit­zers aus der Masse deut­lich her­vor­hebt. Nur wer ganz genau hin­sieht, wird durch ein an die­sen ein­zig­ar­ti­gen Gerä­ten unschein­bar ange­brach­tes Typen­schild mit Seri­en­num­mer und Logo die Manu­fak­tur erken­nen kön­nen, wel­che die­sen Ski her­ge­stellt hat : Es sind Erzeug­nisse der bis­lang noch recht wenig bekann­ten Marke Edel­wi­ser. Und die gleich­na­mige Firma resi­diert erstaun­li­cher­weise weder in Tirol noch in Salz­burg, son­dern am Julius Tand­ler-Platz im neun­ten Wie­ner Gemein­de­be­zirk. Schon im Gang vor dem Büro von Edel­wi­ser erwar­tet den Besu­cher ein bun­tes Ensem­ble diver­ser Car­ver. Die Palette reicht von redu­zier­ten, sehr ele­gan­ten Designs über Exem­plare, die mit poe­tisch-phi­lo­so­phi­schen Zita­ten oder bekann­ten Fir­men- Slo­gans bedruckt sind, bis hin zu total flip­pig gestal­te­ten Ski­ern, deren Ober­flä­chen wie Aus­schnitte aus Rosen­bee­ten, ori­en­ta­li­schen Tep­pi­chen oder flüs­si­gen Lava­strö­men wirken.

Bezahlt wird im Voraus
Bemer­kens­wert daran : Bis auf einige wenige Pro­to­ty­pen stam­men die Designs zumeist von den Kun­den selbst. Denn : Alle Edel­wi­ser wer­den nur „on demand“ gefer­tigt. Das heißt : Der Kunde ordert den Ski im gewünsch­ten Design und bezahlt im Vor­aus. Erst dann wer­den die Schier gebaut und ver­edelt. Und rund 20 Tage spä­ter wird das End­pro­dukt in aller Regel aus­ge­lie­fert. Das Unter­neh­men Edel­wi­ser ver­folgt mit die­ser, für die Schi­p­ro­duk­tion recht unge­wohn­ten Ver­fah­rens­weise einen Denk­an­satz, der inzwi­schen nicht mehr nur von indi­vi­dua­lis­ti­schen Ein­zel­kun­den, son­dern auch von einer wach­sen­den Zahl von Fir­men­kun­den gern in Anspruch genom­men wird. Letz­tere sehen die mit ihrem Logo ver­se­he­nen Skier vor allem als ein idea­les Instru­ment zur Gestal­tung ihrer Kun­den­be­zie­hung : Als wert­vol­les Geschenk an pro­mi­nente Kun­den oder als wirk­sa­mes Mar­ke­ting Tool bei Fir­men-Events. Und auch der Preis stimmt : Mit 420 bis 580 Euro kos­ten die Edel­wi­ser kaum mehr als ein han­del­süb­li­cher Car­ving-Ski der bes­se­ren Kate­go­rie beim Sport­händ­ler. Der „Luxus der Indi­vi­dua­li­sie­rung“ ver­trägt sich anschei­nend durch­aus mit einer fai­ren Preis­ge­stal­tung. Wer nach all die­sen Infor­ma­tio­nen den heim­li­chen Ver­dacht hegt, die Marke Edel­wi­ser sei zwar eine inter­es­sante Geschäfts­idee, bedeute jedoch bei nähe­rem Hin­se­hen nur die gefäl­lige Ver­schö­ne­rung von 08/15-Ski­ma­te­rial, der irrt gewal­tig. Denn : In der bekannt kri­ti­schen Hard­core Car­ving-Szene, siehe www. carving-ski.de im Inter­net, wer­den die Edel­wi­ser schon längst nicht mehr als Geheim­tipp gehan­delt. Sie genie­ßen nicht nur wegen ihrer Design-Phi­lo­so­phie, son­dern vor allem wegen ihrer beson­de­ren Fahr­ei­gen­schaf­ten bereits einen veri­ta­blen Kult­sta­tus. Und diese offene Wert­schät­zung der Car­ver-Szene ver­teilt sich glei­cher­ma­ßen auf die Per­sön­lich­kei­ten der Fir­men­grün­der wie auf die in den Ski­ern ver­wen­dete Tech­no­lo­gie. Gleich nach der ers­ten Über­ra­schung, die eher pro­dukt­äs­the­ti­scher Natur ist, erwar­tet den Besu­cher des Wie­ner Büros eine wei­tere : Edel­wi­ser erweist sich als neu­ar­tige Form eines Fami­li­en­be­triebs. Nicola und Erwin Wer­de­nigg, beide Mitte 40, ent­schlos­sen sich vor drei Jah­ren zum ris­kan­ten Unter­neh­men der Ent­wick­lung eines „Cus­to­mi­zed Ski“. Die bei­den waren über­zeugt davon, dass die immer schnel­ler auf­ein­an­der fol­gen­den Pro­dukt­zy­klen der Mas­sen­ski-Indus­trie längst nicht den Bedürf­nis­sen so man­cher Kun­den entsprechen.

Car­ving als Befreiungsakt
Ver­stärkt wurde diese „Ahnung“ durch das Fak­tum, dass Nicola und Erwin schon seit Lan­gem zum Urge­stein der Car­ver- Szene zähl­ten. Vor allem Nicola, die eins­tige A‑Ka­der-Renn­läu­fe­rin, die 1976 unter ihrem Mäd­chen­na­men Spieß bei der Olym­pia- Abfahrt in Inns­bruck den vier­ten Rang belegte, hatte die Anfänge der Car­ving-Bewe­gung spon­tan als „Befrei­ung von der vor­herr­schen­den, bru­tal-har­ten Form des Ski­laufs“ emp­fun­den, erin­nert sie sich. Ihre Begeg­nung mit dem bis heute ver­kann­ten Car­ving-Pio­nier Rein­hard Fischer, der bereits in den 80er Jah­ren mit der Idee eines stär­ker tail­lier­ten Skis bei der Indus­trie auf Unver­ständ­nis gesto­ßen war, gab für Nicola den Ausschlag.

Die staat­lich geprüfte Ski­leh­re­rin und zugleich lei­den­schaft­li­che Quer­den­ke­rin wurde zur begeis­ter­ten Use­rin und zur Pro­pa­gan­dis­tin des von Fischer inzwi­schen in Zusam­men­ar­beit mit einer klei­nen deut­schen Ski-Manu­fak­tur (VR) ent­wi­ckel­ten aller­ers­ten Radi­kal-Car­ving-Skis namens „Sno­wri­der“. Nicola im Ori­gi­nal­ton : „Rein­hard Fischers Idee hat das Ski­fah­ren wie­der span­nend gemacht. Wir sind aber erst am Anfang einer Ent­wick­lung.“ Dass der pro­to­ty­pi­sche Car­ving-Ski „VR Sno­wri­der“ jedoch man­gels adäqua­ter Ver­mark­tung keine brei­tere Bekannt­heit erlangte, diese Tat­sa­che emp­fand Nicola als über­aus schmerz­haft. Den­noch : Genau die­ser per­sön­li­che Zugang zu den ursprüng­li­chen Wur­zeln des Car­ving gepaart mit ihrer Renn­läu­fer- Kom­pe­tenz und der nun­mehr wie­der unge­brems­ten Freude am Ski­lauf ließ Nicola Wer­de­nigg erken­nen, wie zukunfts­si­cher Fischers Ori­gi­nal- Kon­struk­tion bereits Anfang der 90er Jahre ange­legt war. Näm­lich als 162 bis 172 Zen­ti­me­ter kur­zer „All­moun­tain“ Car­ving- Ski, der durch seine Sand­wich- Bau­weise aus hoch­wer­ti­gen Mate­ria­lien und sei­nen rela­tiv brei­ten „Shape“ von allem Anfang an für einen größt­mög­li­chen Ein­satz­be­reich kon­zi­piert wurde. Kurz : Ein Ski, der von sei­nen „his­to­ri­schen Genen“ her die Fahr­freude eines Snow­boards mit­bringt, mit einem Radius von zwölf bis 13 Meter bei allen Pis­ten­ver­hält­nis­sen extrem wen­dig und sprit­zig reagiert, durch seine Breite wie­derum wun­der­bar durch pulv­ri­gen Tief­schnee glei­tet. Und trotz alle­dem auch bei hoher Geschwin­dig­keit ganz ruhig – fast wie auf unsicht­ba­ren Schie­nen – seine Spur in den Schnee schnei­det. Alles in allem eine sel­tene Kom­bi­na­tion von Eigen­schaf­ten, deren Letz­tere die Ex-Renn­läu­fe­rin beson­ders freute, liegt doch ihre per­sön­li­che Downhill- Höchst­ge­schwin­dig­keit bei atem­be­rau­ben­den 140 km/​h.

Der Kunde wird Produzent
Was also lag näher, als diese viel­sei­tige Kon­struk­tion von Rein­hard Fischer als Basis für einen ebenso all­tags­taug­li­chen wie hoch per­for­man­ten Ski zu neh­men, mit indi­vi­du­el­len Designs für den Kun­den zu ver­edeln und in neu­ar­ti­gem Stil zu ver­mark­ten. Die Marke „Edel­wi­ser“ war damit gebo­ren. Und wäre ohne das glei­cher­ma­ßen visio­näre wie hand­fest-prak­ti­sche Mar­ke­ting-Talent des Mit­be­grün­ders, nament­lich Erwin Wer­de­nigg, wahr­schein­lich eine tech­no­lo­gisch fein gespon­nene Idee geblie­ben. Aus sei­ner gewach­se­nen Kom­pe­tenz als Kauf­mann und Medi­en­kon­su­lent war ihm eines klar : Das Kon­zept eines indi­vi­dua­li­sier­ten Skis ist der klare Beweis für die These des US-Busi­ness-Vor­den­kers Alvin Toff­ler, dass der Kunde im Zeit­al­ter des Inter­net ten­den­zi­ell zu einem neuen Typus eines Pro­du­zen­ten wird. Denn : Er kann online in eine Reihe kon­sti­tu­ie­ren­der Fak­to­ren der Her­stel­lung (in der Causa „Edel­wi­ser“ eben in das Ober­flä­chen-Design) ein­grei­fen und sein Pro­dukt rela­tiv preis­güns­tig personalisieren.

Skier als Medienflächen
Erwin Wer­de­nigg ent­wi­ckelte daher unter Hoch­druck eine eigene Web­site, die nicht nur als kos­ten­güns­tige Mar­ke­ting-Platt­form die Edel­wi­ser-Mes­sage in wei­teste Kun­den­kreise aus­zu­strah­len ver­mag, son­dern dem Kauf­wil­li­gen in Form des „Inter­ac­tive Ski Desi­gner“ zusätz­lich ein Online Tool zur Hand gibt, sei­nen per­sön­li­chen Ski auch gleich zu ent­wer­fen. Der indus­tri­elle Pro­duk­ti­ons­pro­zess muss, so Wer­de­nigg, quasi aus der Natur der Sache her­aus von einem min­des­tens ebenso inno­va­ti­ven Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess beglei­tet wer­den. Zugleich wird der eigen­hän­dig ent­wor­fene Ski zu einer pro­ba­ten Medi­en­flä­che für den Eigen­tü­mer, auf der er seine sub­ti­len oder pla­ka­ti­ven Bot­schaf­ten sen­den kann, was wie­derum den Wert des Skis über seine Nut­zung als Frei­zeit­ge­rät hin­aus in eine neue Dimen­sion hebt. In der der­art gestei­ger­ten Iden­ti­fi­ka­tion erkennt Wer­de­nigg einen bei­der­sei­ti­gen Nut­zen für Kun­den und Pro­du­zen­ten : Zufrie­dene Kun­den wer­den frei­wil­lig zu emo­tio­nal enga­gier­ten Kom­mu­ni­ka­to­ren. Zumal sie oft spon­tan ange­spro­chen wer­den, woher sie „ihren außer­ge­wöhn­li­chen Ski“ denn hät­ten ? Die Kun­den­be­geis­te­rung bezieht Wer­de­nigg in sein Mar­ke­ting gezielt mit ein. Denn : Der poten­zi­elle Kunde wird durch einen über­zeug­ten „Edel­wi­ser“ meist gut bera­ten. Und bei einem Ver­kaufs­ab­schluss lukrie­ren beide : Der Neu­kunde bekommt einen Preis­vor­teil und der „Bot­schaf­ter“ einen Bonus. Kurz : ein klug ange­leg­tes Kon­zept einer leben­di­gen Kun­den-Com­mu­nity, das durch­aus auf­ge­hen könnte. 

Aus­ge­wähl­ter Arti­kel aus Print­aus­gabe 01/2006

Autor: Jakob Steuerer
Economy Ausgabe: 01-01-2006
02.02.2017

Weitere aktuelle Artikel

Sie sind die Groß­el­tern der heu­ti­gen Invest­ment­klubs. Rüs­tig und sehr aktiv. Die rund 20.000 Spar­ver­eine Öster­reichs stel­len in der Finanz­welt nur ein Rand­phä­no­men dar, vom­Aus­ster­ben sind sie jedoch weit entfernt. Sie tref­fen sich jeden Don­ners­tag­abend um zu plau­dern, zu essen, ein Gla­serl Wein oder­Bier zu trin­ken und um zu spa­ren. Karl, Erika und Hermi gehö­ren […]
Erfolg­rei­ches Change Manage­ment soll die Mit­ar­bei­ter nicht ver­un­si­chern, son­dern will sie zu pro­fi­ta­blen Inno­va­tio­nen moti­vie­ren. Ultra-coole Zam­pa­nos der Vor­stands­ebe­nen sind in die­sem Pro­zess meist weni­ger gefragt. In Zei­ten wie die­sen – also in Zei­ten stän­di­ger Ver­än­de­rung – ein Top-Mana­ger zu sein, ist kein leich­tes Schick­sal. Zuge­ge­ben, ein durch­aus lukra­ti­ves. Aber eben kein leich­tes. Josef Acker­mann […]
Der anhal­tende Wan­del im heu­ti­gen Busi­ness bewirkt einen Zwang zur stän­di­gen Erneue­rung der Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur. Kos­ten müs­sen run­ter. Märkte ändern sich. Ver­än­de­rungs­pro­zesse, die irri­tie­ren können. Die Zei­ten wer­den rauer. Der Kampf um Markt­an­teile wird här­ter. Aber auch dyna­mi­scher : Wachs­tum und Rück­gang wech­seln in schnel­le­ren Zyklen. Und als ein­zige Kon­stante bleibt uns bald wohl nur noch : die […]
Öster­reich setzt moderne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie ein, um den Gü­ter­ver­kehr auf der Was­ser­straße anzu­kur­beln. Als ers­tes EU-Mit­glied stellt das Donau­land eine Infra­struk­tur zur Ortung der Schiffe bereit. Alle zehn Jahre wird es ruhig auf der Donau. Zuletzt war sie 1996 so zuge­fro­ren wie im heu­ri­gen stren­gen Win­ter auch. Etwa drei Wochen war­te­ten die Schiff­füh­rer der Gü­ter- und […]
Der hei­mi­sche Ver­si­che­rungs­riese Uniqa will für Auto­fah­rer, die nur wenig mit ihrem Fahr­zeug unter­wegs sind und dabei auch weni­ger unfall­träch­tige Stra­ßen benut­zen, eine spe­zi­elle, wesent­lich güns­ti­gere Ver­si­che­rung auf den Markt bringen. Hier sind Erspar­nisse von bis zu 30 Pro­zent vor­stell­bar. Uniqa selbst geht von Ein­spa­run­gen im zwei­stel­li­gen Pro­zent­be­reich aus, nennt aber keine kon­kre­ten Zah­len. Wer­muts­trop­fen […]
magnifier
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram