Die einzige Moral ist der Gewinn
Der Homo Oeconomicus ist ein Kind seiner Zeit. Rational, nutzenmaximierend, anti-intellektuell – und reduzierten Zielvorstellungen des persönlichen und unternehmerischen Vorteils folgend. Ein Individuum, das im Zeitalter der Globalisierung seine Bestimmung hatte.
Das Kernelement des menschlichen Verhaltens mit dem Ziel des Eigennutzes wird am besten im Modell des Homo Oeconomicus beschrieben. Es ist im Grunde eine Wirtschaftstheorie, die – vom Individuum losgelöst – das Verhalten von Menschen in einem ökonomiegetriebenen Umfeld beschreiben will.
Es geht darum festzustellen, wie Menschen auf bestimmte Wirtschaftsbedingungen reagieren, mit dem Ziel, das Angebot auf die erwarteten Bedürfnisse und Reaktionen abzustimmen.
Doch der Homo Oeconomicus kann auch von dieser Sichtweise abgekoppelt betrachtet werden. Seine Grundcharakteristika, nämlich das auf Eigennutz abgestimmte Verhalten, das rationale Denken und klare soziale Lösungen, sind beschreibend für den Erfolgsmenschen im Börsezeitalter und der Ära der Globalisierung.
Profit als Moral
Man kann es auch verkürzt darstellen: Des Homo Oeconomicus einzige Moral ist der Profit, sei es der persönliche oder jener der Unternehmung, die er leitet. Dies steht im Gegensatz zum sozialen Menschen, der darüber hinausgehende Moralbegriffe hat und verfolgt.
Das führt in weiterer Folge dazu, dass ein Homo Oeconomicus „voraussagbar“ ist, wie der Sozialwissenschaftler Gebhard Kirchgässner sagt. Sein soziales Verhalten könne als „gegenseitig desinteressierte Vernünftigkeit“ beschrieben werden, die generell nur davon beeinflusst wird, welche ökomischen Interessen aus einem „Interesse“ an sozialer Interaktion abgeleitet werden können.
Kirchgässner führt auch aus, dass sich das rationale Verhalten des Homo Oeconomicus nicht nur auf wirtschaftliches Handeln per se beschränkt, sondern auch in anderen sozialen Handlungen zum Tragen kommt, etwa in der Liebe oder in der Familie. Charakteristisch für das Verhalten ist aber, das in solchen Konstellation mit Kooperation auf Kooperation und mit Nicht-Kooperation auf Nicht-Kooperation geantwortet wird, will heißen, dass der altruistische Aspekt beim Homo Oeconomicus kaum zum Tragen kommt.
Der Homo Oeconomicus steht im Mittelpunkt des neoklassischen Markt-Modells, er bildet die Grundlage der reinen Ökonomie. Der Homo Oeconomicus beschreibt aber nicht bloß einen Menschen, als Kernelement liberalen Gedankenguts bildet er die Grundlage, nach dessen Vorbild Menschen heute gebildet und geformt werden: als eigennützige und nutzenmaximierende Wesen. Der für die Gesellschaft weniger dienliche Aspekt ist der, dass das Verhalten des Homo oeconomicus darauf abzielt, auf alle Felder menschlichen Handelns anwendbar zu sein.
Der Homo Oeconomicus hatte seinen Platz natürlich vor allem in der Bank- und Börsenwelt, wo er das Banker-Mantra „Gier ist gut“ höchst rational ausleben konnte, indem er den Verlauf der Börsekurse stringent nach Kapitalmarktinformationen und Kursverläufen analysieren konnte und vorauszusagen versuchte.
Doch selbst die Bankenwelt ist sich heute nicht mehr so sicher, ob der rationale Zugang des Homo Oeconomicus der einzig richtige ist.
Das deutsche Bankhaus Metzler habe bereits im November vergangenen Jahres den Tod des Homo oeconomicus verkündet, schreibt etwa das Manager Magazin.
„Das größte Opfer der vergangenen zwei Jahre“, so Metzler, „ist unseres Erachtens keine Bank, sondern eine Kapitalmarkttheorie.“ Die These stets effizienter Kapitalmärkte habe ausgedient. Sie geht sinngemäß davon aus, dass alle Informationen in einem Börsenkurs enthalten sind. Das seien sie aber offenbar nicht, und deswegen ist auch das Konzept des Homo Oeconomicus falsch.
Die Schlussfolgerung des deutschen Wirtschaftsnobelpreisträgers Reinhard Selten: Menschen handeln „nichtkonsistent“, verzichten zum Beispiel lieber ganz auf einen Gewinn als einen geringeren zu akzeptieren. Seltens Schlussfolgerung: „Wir müssen schauen, wie man von der Figur des Homo Oeconomicus wegkommt zu einer realistischeren Theorie.“
So herrscht die Meinung unter Wirtschaftsphilosophen vor, dass die Ökonomie das Leben wieder als Ganzes ins Auge nehmen müsse und nicht nur mehr oder minder verkürzt auf das Einkommen abstellen solle. Vereinfacht geht es also um die ur-ökonomische Frage, wie man die einem zur Verfügung stehende Zeit so aufteilt, dass man ein glückliches Leben führt.