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Kin­der und ihre psy­chisch kran­ken Eltern

Gemein­sa­mes For­schungs­pro­jekt von Med­Uni Inns­bruck und Lud­wig Boltz­mann Gesell­schaft und wei­te­ren Part­ner ent­wi­ckelt Hilfs­pro­gramm für betrof­fene Fami­lien in Tirol. Nach erfolg­rei­cher Pilot­phase muss nun die nach­hal­tige Wei­ter­füh­rung finan­ziert werden.

Erhe­bun­gen zufolge wächst jedes vierte Kind mit einem psy­chisch kran­ken Eltern­teil auf – und mit einem ent­spre­chend erhöh­ten Risiko, spä­ter selbst psy­chisch oder kör­per­lich zu erkran­ken. Kin­der von psy­chisch erkrank­ten Eltern­tei­len lei­den häu­fig mit, oft­mals im Stil­len. Viele über­neh­men dabei früh viel Ver­ant­wor­tung, füh­len sich min­der­wer­tig oder gar schul­dig. Und ebenso viele fürch­ten sich dann vor Stigmatisierung. 

Ver­gleichs­weise kos­ten­güns­tige Vorsorge
Für diese betrof­fe­nen Kin­der und Jugend­li­chen fehlt es bis­her auch in Tirol an einer flä­chen­de­cken­den, nied­rig­schwel­li­gen Prä­ven­ti­ons­struk­tur. Um das zu ändern, wurde vor fünf Jah­ren unter der Lei­tung der Sozi­al­for­sche­rin Jean Paul von der Univ.-Klinik für Psych­ia­trie I der Med Uni Inns­bruck das Pilot­pro­jekt „Vil­lage“ gestar­tet und Tirol als Modell­re­gion eta­bliert. Nun ist diese Pilot­phase aus­ge­lau­fen und es geht um Fort­set­zung und nach­hal­tige Etablierung.

„Im Ver­gleich zu den Kos­ten, die für die psych­ia­tri­sche Behand­lung von Kin­dern anfal­len, wenn Prä­ven­tion ver­ab­säumt wird, ist die Teil­nahme am „Village“-Programm mit rund Euro 1.130 pro Fami­lie bzw. Euro 630 pro Kind kos­ten­güns­tig“, so die Med Uni Inns­bruck in einer Aus­sendung. Eine nach­hal­tige flä­chen­de­ckende Finan­zie­rung ist bis­her aber den­noch nicht gelungen. 

Regio­na­les und pra­xis­ge­rech­tes Forschungs-Programm
„Unbe­strit­ten ist der drin­gende Hand­lungs­be­darf zur früh­zei­ti­gen Unter­stüt­zung betrof­fe­ner Fami­lien und dazu bedarf es sek­toren­über­grei­fen­der Zusam­men­ar­beit. Es ist erfor­der­lich, dass der Prä­ven­tion poli­tisch jener Stel­len­wert ein­ge­räumt wird, der inter­na­tio­nal, u.a. von der WHO, schon lange gefor­dert wird“, betont Wolf­gang Fleisch­ha­cker, Rek­tor der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Innsbruck

Von der Lud­wig Boltz­mann Gesell­schaft und der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Inns­bruck mit drei Mil­lio­nen Euro För­de­rung aus­ge­stat­tet, erar­bei­tete das For­schungs­team mit Ver­tre­te­rIn­nen von 14 Tiro­ler Orga­ni­sa­tio­nen sowie zwei Erwach­se­nen mit geleb­ter Erfah­rung auf Basis wis­sen­schaft­li­cher Ana­ly­sen zunächst ein Kon­zept für ein Unter­stüt­zungs­pro­gramm. Im Fokus stand dabei ins­be­son­dere die direkte Betei­li­gung von Betroffenen. 

Unter­schied­li­che Per­spek­ti­ven für umfas­sen­des Gesamtbild
Eine Gruppe jun­ger Erwach­se­ner, die mit psy­chisch erkrank­ten Eltern­tei­len auf­ge­wach­sen sind, brachte wäh­rend des gesam­ten For­schungs­pro­zes­ses ihre Sicht­wei­sen ein. „Die Ein­be­zie­hung der Gesell­schaft im All­ge­mei­nen und Betrof­fe­nen im Beson­de­ren machen diese wis­sen­schaft­li­chen Pro­jekte enorm wert­voll. Das Zusam­men­brin­gen ver­schie­de­ner Akteure erlaubt die Ein­be­zie­hung unter­schied­li­cher Per­spek­ti­ven, um ein Gesamt­bild zu erhal­ten“, so Elvira Wel­zig und Marisa Radatz, Geschäfts­füh­re­rin­nen der Lud­wig Boltz­mann Gesellschaft. 
Ziel war, die Fami­lien direkt in der psych­ia­tri­schen Pra­xis abzu­ho­len. Sechs psych­ia­tri­sche Kran­ken­haus­ab­tei­lun­gen und zehn nie­der­ge­las­sene Ärz­tIn­nen betei­lig­ten sich am Scree­ning- und Zuwei­sungs­pro­zess. Sie unter­brei­te­ten psy­chisch erkrank­ten Müt­tern und Vätern von min­der­jäh­ri­gen Kin­dern das Ange­bot, als Fami­lie an dem kos­ten­lo­sen Pro­gramm teil­zu­neh­men. Im Rah­men ergän­zen­der Fami­lien- und Netz­werktref­fen unter Anlei­tung von geschul­ten Koor­di­na­to­rIn­nen sollte dann ein Unter­stüt­zungs­netz für die Kin­der ent­ste­hen, wo Ver­wandte, Nach­barn, Leh­re­rIn­nen, Trai­ne­rIn­nen und Sozi­al­ar­bei­te­rIn­nen inklu­diert sind.

Ver­bes­se­run­gen für Fami­lien ver­sus Pro­blem der Stigmatisierung 
Ins­ge­samt wur­den im Ver­lauf des Pro­jekts 96 Fami­lien zuge­wie­sen, von denen 30 das Pro­gramm mit vor­an­ge­hen­der und abschlie­ßen­der Befra­gung absol­vier­ten. Die vor Pro­gramm­be­ginn erho­be­nen Daten geben Hin­weise auf eine erheb­li­che Belas­tung der befrag­ten Kin­der und Eltern, was etwa Gesund­heits­zu­stand, Stig­ma­ti­sie­rung und über­mä­ßige Ver­ant­wor­tung im Haus­halt betrifft. Nach Pro­gramm­ende zeig­ten sich Ver­bes­se­run­gen bei Kin­dern und Eltern beim Gesund­heits­zu­stand und bei Wis­sen und Kom­mu­ni­ka­tion über psy­chi­sche Krank­heit inner­halb und außer­halb der Fami­lie. Ebenso ver­bes­ser­ten sich die Eltern-Kind-Bezie­hung und die Bereit­schaft der Eltern, Unter­stüt­zung anzunehmen. 

„Die Eltern waren mit dem Pro­gramm sehr zufrie­den, die Kin­der gaben gemischte Zufrie­den­heits­werte an“, resü­miert Jean Paul. Kaum jedoch änder­ten sich das Aus­maß der Stig­ma­ti­sie­rung und die Bewer­tung der Lebens­qua­li­tät. Bereits die zu Pro­jekt­be­ginn ange­stell­ten Ana­ly­sen erga­ben, dass in Tirol ein hohes Maß an gesell­schaft­li­cher Stig­ma­ti­sie­rung besteht. Das For­schungs­team setzte dahin­ge­hend wäh­rend der gesam­ten Lauf­zeit beglei­tende Maß­nah­men zur Sen­si­bi­li­sie­rung für das Thema, etwa mit Bei­trä­gen in klas­si­schen und sozia­len Medien.

Autor: red/czaak
04.11.2022

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