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© Pexels/ Dom J

Kon­so­li­die­rung ohne Tabus

Ohne Gegen­steue­rung dro­hen in Öster­reich hohe Bud­get­de­fi­zite jen­seits von EU-Gren­zen. Fis­kal­rat errech­net Kon­so­li­die­rungs­be­darf von min­des­tens sechs Mil­li­ar­den Euro für 2025 und emp­fiehlt lang­fris­tige Strukturreformen. 

Der Fis­kal­rat erwar­tet für die Jahre 2024 und 2025 ein gesamt­staat­li­ches Bud­get­de­fi­zit rund um vier Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP) und das bedeu­tet eine klare Ver­feh­lung der vor­ge­ge­be­nen Ober­grenze von drei Pro­zent. „Ohne ein umfas­sen­des Kon­so­li­die­rungs­pa­ket wird die Euro­päi­sche Kom­mis­sion Mitte Jän­ner 2025 die Eröff­nung eines Ver­fah­rens wegen eines über­mä­ßi­gen Defi­zits emp­feh­len“, so Chris­toph Badelt, Prä­si­dent des Fis­kal­ra­tes. Als Folge der hohen Bud­get­de­fi­zite steigt die Schul­den­quote kon­ti­nu­ier­lich von rund 79 (Anm. aus dem Jahr 2023) auf 85 Pro­zent des BIP (Anm. im Jahre 2028) an.

Hohe Bud­get­de­fi­zite und deut­li­cher Anstieg der Schuldenquote
Die posi­ti­ven Bud­get­ef­fekte der hohen Infla­tion der letz­ten Jahre dre­hen sich ab 2024 ins Gegen­teil. Die Aus­ga­ben stei­gen u. a. für Pen­sio­nen und Gehäl­ter der öffent­lich Bediens­te­ten infla­ti­ons­be­dingt stark an, wäh­rend die Ein­nah­men­dy­na­mik nach­lässt. Zusätz­lich belas­ten wirt­schafts­po­li­ti­sche Maß­nah­men der Ver­gan­gen­heit und die schlechte wirt­schaft­li­che Lage die öffent­li­chen Finan­zen. Der Fis­kal­rat pro­gnos­ti­ziert für 2024 und 2025 hohe Bud­get­de­fi­zite im Umfang der ange­führ­ten rund vier Pro­zent des BIP.

Mit­tel­fris­tig lau­fen wei­tere Kri­sen­hil­fen, Kon­junk­tur­stüt­zun­gen und Kli­ma­schutz­maß­nah­men aus, wäh­rend alters­spe­zi­fi­sche Aus­ga­ben für Pen­sio­nen, Gesund­heit und Pflege sowie Aus­ga­ben im Rah­men des neuen Finanz­aus­gleichs und für die Anschaf­fung mili­tä­ri­scher Güter zuneh­men. Dies führt gemein­sam mit der erwar­te­ten kon­junk­tu­rel­len Erho­lung bis 2028 zu einem leich­ten Rück­gang des Bud­get­de­fi­zits auf 3,5 Pro­zent des BIP. Im Gegen­satz zu den Vor­jah­ren reicht das nomi­nelle BIP-Wachs­tum nicht aus, um den Anstieg der Schul­den­quote zu ver­hin­dern. Die Schul­den­quote soll bis 2028 auf 85 Pro­zent des BIP stei­gen und damit 14 Pro­zent­punkte über dem Vor­kri­sen­wert von 2019 liegen.

Hohe und ins­be­son­dere auch struk­tu­relle Kon­so­li­die­rungs­an­stren­gung erforderlich
Die vom Fis­kal­rat pro­gnos­ti­zier­ten Werte für das Defi­zit und die Schul­den­quote sind weder öko­no­misch noch EU-recht­lich akzep­ta­bel. Die Ein­hal­tung der Fis­kal­re­geln als gemein­same uni­ons­recht­li­che Ver­pflich­tung aller EU-Mit­glied­staa­ten ist wich­tig, um die lang­fris­tige Trag­fä­hig­keit der Staats­fi­nan­zen zu gewähr­leis­ten. Aller­dings sol­len aus der Sicht des Fis­kal­ra­tes auch fle­xi­ble Ele­mente und Ver­hand­lungs­spiel­räume der Fis­kal­re­geln genutzt werden.

Dar­aus ergibt sich dann das große Kon­so­li­die­rungs­er­for­der­nis mög­lichst kon­junk­tur­ge­recht über den Anpas­sungs­zeit­raum zu ver­tei­len. Möchte Öster­reich ein Ver­fah­ren ver­hin­dern, darf bereits im Jahr 2025 die Defi­zit­ober­grenze von 3 Pro­zent des BIP nicht über­schrit­ten wer­den. Dies erfor­dert bis Mitte Jän­ner 2025 die Mel­dung eines geplan­ten Kon­so­li­die­rungs­pa­kets für 2025 in Höhe von zumin­dest 6,3 Mrd Euro an die Euro­päi­sche Kom­mis­sion. Nach Prü­fung ent­schei­det dann die EU-Kom­mis­sion über ein Ver­fah­ren. Aus Sicht des Fis­kal­ra­tes würde der not­wen­dige Kon­so­li­die­rungs­be­darf zur Ver­mei­dung eines Ver­fah­rens bis Ende 2025 sogar 7,4 Mrd Euro betragen.

Kon­so­li­die­rungs­be­darf erfor­dert weit­rei­chen­des Maßnahmenbündel
Ohne Eröff­nung eines ÜD-Ver­fah­rens gel­ten in den Fol­ge­jah­ren die Vor­schrif­ten der Schutz­vor­keh­rung zur Schul­den­rück­füh­rung als schärfs­tes Kri­te­rium. Damit steigt der jähr­li­che Kon­so­li­die­rungs­be­darf im Fall eines von der öster­rei­chi­schen Regie­rung gewähl­ten Anpas­sungs­zeit­raums von 4 Jah­ren auf rund 16 Mrd. Euro im Jahr 2028 an. Bei einer Ver­län­ge­rung des Anpas­sungs­zeit­raums auf 7 Jahre redu­ziert sich der Kon­so­li­die­rungs­be­darf auf 11,6 Mrd Euro im Jahr 2031. 

Die Wahl des 7‑jährigen Anpas­sungs­zeit­raums setzt jedoch zusätz­li­che öffent­li­che Inves­ti­tio­nen und Refor­men vor­aus, die Kos­ten ver­ur­sa­chen und damit den Kon­so­li­die­rungs­be­darf erhö­hen und das erfor­dert ein weit­rei­chen­des Maß­nah­men­bün­del, das sich sowohl auf die Aus­ga­ben- als auch auf die Ein­nah­men­seite bezie­hen sollte. Die Kon­so­li­die­rungs­last sollte dabei aus­ge­wo­gen zwi­schen den unter­schied­li­chen Bevöl­ke­rungs­grup­pen erfol­gen und auch auf makro­öko­no­mi­sche Rück­kopp­lungs­ef­fekte Bedacht neh­men — auch, um eine wei­tere Ver­schär­fung der bereits ange­spann­ten kon­junk­tu­rel­len Lage zu vermeiden.

Grund­le­gende Struk­tur­re­for­men und Poten­tial für die Zukunft
Um einen mög­lichst flie­ßen­den Über­gang der Kon­so­li­die­rungs­wir­kun­gen sicher­zu­stel­len, soll­ten auch Struk­tur­re­for­men umge­setzt wer­den, die ihre Bud­get­wir­kung erst in der mitt­le­ren Frist ent­fal­ten. Dazu zäh­len die The­men Bil­dung, Gesund­heit oder Pflege und die wei­tere Anhe­bung des effek­ti­ven Pen­si­ons­an­tritts­al­ters durch gezielte Maß­nah­men zur Ver­län­ge­rung des Erwerbs­le­bens. Ein wich­ti­ger Bestand­teil der Fis­kal­po­li­tik müs­sen auch Bud­get­spiel­räume für Zukunfts­in­ves­ti­tio­nen sein, Bud­ge­t­ri­si­ken zu mini­mie­ren und Vor­sorge für erfor­der­li­che Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesse zu treffen. 

Dazu ist eine ent­spre­chend stra­te­gi­sche und zwi­schen den gebiets­kör­per­schaft­li­chen Ebe­nen abge­stimmte Vor­ge­hens­weise erfor­der­lich, um ins­be­son­dere Her­aus­for­de­run­gen, wie etwa die Stär­kung der Wett­be­werbs­fä­hig­keit Öster­reichs, den Fach­kräf­te­man­gel, den Zugang zu hoch­wer­ti­ger Bil­dung für alle Bevöl­ke­rungs­grup­pen und die Effi­zi­enz­stei­ge­rung in den dyna­mi­schen Aus­ga­ben­be­rei­chen des Gesund­heits- und Pfle­ge­we­sens zu meis­tern. Beim Thema För­der­we­sen soll eine Gesamt­stra­te­gie die Mini­mie­rung von Ziel­kon­flik­ten, Dop­pel­glei­sig­kei­ten und Mit­nah­me­ef­fek­ten sowie Trans­pa­renz und Treff­si­cher­heit ins Zen­trum der Reform­be­mü­hun­gen rücken. 

Autor: red/czaak
19.12.2024

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