Medikamente statt Operation in der medizinischen Therapie
Medizinische Universität Innsbruck publiziert mehrfach prämierte Erkenntnisse zur Therapie bei verkalkten Herzklappen. Internationale Forschungsarbeit basiert auf Daten von 300.000 PatientInnen.
(red/czaak) Die Diagnose Aortenklappenverkalkung ist sehr häufig: Jede/r Zehnte über 80 ist davon betroffen. Bisher ist die einzige Behandlungsmöglichkeit ein operativer oder interventioneller Eingriff. Nun liefert ein ForscherInnenteam der Medizin Uni Innsbruck neue Erkenntnisse zur Entstehung der Verkalkung der Aortenklappe im Herzen. Ein Mechanismus, der für die Erkennung von Viren bekannt ist, spielt eine entscheidende Rolle. Die Forschungsarbeit liefert wichtige Grundlagen für die Entwicklung einer medikamentösen Therapie.
Renommiertes Fachjournal Circulation veröffentlicht die Ergebnisse aus Innsbruck
Grundsätzlich verhindert die Aortenklappe bei jedem Herzschlag den Rückstrom von Blut in die linke Herzkammer. Mit fortschreitendem Alter kann es hier zu einer Verkalkung und damit Verengung kommen, die Diagnose lautet dann Aortenstenose. Manchmal sind auch jüngere PatientInnen mit einem angeborenen Fehler der Klappe betroffen. Diese wird durch eine Operation oder einen Klappenersatz behoben, bisher gibt es allerdings keine medikamentöse Therapie. Die Aortenstenose gehört zu den häufigsten Todesursachen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Österreich.
Ein Team von ForscherInnen an der Medizinischen Universität Innsbruck entwickelt nun neue Therapiemöglichkeiten. Eine aktuelle Forschungsarbeit, wo auch Daten von 300.000 PatientInnen berücksichtigt wurden, liefert neue Erkenntnisse über die Entstehung der Verkalkung, über mögliche Risikomarker und für die Entwicklung medikamentöser Therapien. Eines der weltweit renommiertesten Fachjournale in der Herzmedizin, Circulation, veröffentlichte nun die Ergebnisse.
Mechanismus zur Virenbekämpfung führt auch zur Verkalkung der Aortenklappe
„Die neuen Einblicke in den Entstehungsmechanismus der Klappenverkalkung sind bedeutend, um diese Erkrankung frühzeitig erkennen und in Zukunft auch medikamentös behandeln zu können“, erklärt Can Gollmann-Tepeköylü von der Univ.-Klinik für Herzchirurgie und Erstautor der Circulation-Publikation. Eine große Rolle bei der Entstehung der Aortenstenose spielt ein Rezeptor, der bisher vor allem für seine Aufgabe bei der Virenbekämpfung bekannt war: Der sogenannte Toll-Like Rezeptor 3 (TLR 3) kommt unter anderem auf der Oberfläche von Zellen des Herzens und von Immunzellen vor und hat zur Aufgabe, Viren zu entdecken.
„Allerdings erkennt das menschliche Immunsystem auch körpereigene Schäden und nicht nur Viren, die eindringen“, erklärt Can Gollmann-Tepeköylü. „Durch die hohe mechanische Belastung der Aortenklappe wird das Immunsystem aktiviert und sorgt über eine Entzündungsreaktion für eine Verknöcherung und damit Verstärkung der Aortenklappe. Dieser angeborene Mechanismus wird insbesondere im Alter in Gang gesetzt.“ Ziel der weiteren Forschungsarbeit ist es daher, mit einem Medikament in den Mechanismus rund um den Virenerkenner TLR3 einzugreifen und eine Verkalkung der Aortenklappe zu verhindern. Verschiedenste Wirkstoffkandidaten werden in aktuell laufenden Studien getestet.
Möglicher Risikomarker entdeckt
Voraussetzung für diese Therapieoption ist die frühzeitige Diagnose und auch hier ist das Forscherteam einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Durch die Analyse der Daten von rund 300.000 PatientInnen in Kooperation mit der kanadischen McGill University haben die ForscherInnen Genvarianten entdeckt, die ein wichtiger Risikomarker für die Entstehung einer Aortenstenose sein könnten.
„Mit Hilfe dieser gefundenen Varianten könnte es möglich werden, frühzeitig zu erkennen, wer ein hohes Risiko für die Entstehung einer Aortenstenose hat“, erklärt Johannes Holfeld, Herzchirurg und weiterer Autor der Studie. Damit kann diese in Innsbruck begonnene Forschungsarbeit wichtige Grundlagen für die weitere Therapieentwicklung liefern. Translationale Forschung - die Entwicklung neuer Therapien, die aus Grundlagenerkenntnissen im Forschungslabor entstehen und dann klinisch getestet werden können - das ist der Schwerpunkt des Teams um Johannes Holfeld.
Erfolgreiche Forschung durch gute Zusammenarbeit
Die Erkenntnisse ermöglicht hat eine enge Zusammenarbeit zwischen den Experten mehrerer Fachabteilungen. So fungiert als gleichgereihter Erstautor Michael Graber, der wie Can Gollmann-Tepeköylü an der Univ.-Klinik für Herzchirurgie im Herzchirurgischen Forschungslabor tätig ist. Die korrespondierenden Autoren sind der Herzchirurg Johannes Holfeld und der Pneumologe und Internist Ivan Tancevski. Insgesamt waren 44 AutorInnen aus Innsbruck sowie insbesondere Kanada, den USA und Europa beteiligt.
Die wissenschaftliche Forschungsarbeit ist bereits mehrfach von nationalen und internationalen Fachgesellschaften ausgezeichnet worden und unterstreicht die Expertise am Standort Innsbruck im Bereich der Herzklappen-Forschung. Die Arbeit ist in Kooperation mit dem Tiroler Forschungszentrum VASCAGE entstanden und wurde vom FWF gefördert.