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Neue Quan­ten­ma­te­ria­lien am Com­pu­ter entworfen

Eine neues Design­prin­zip kann die Eigen­schaf­ten von bis­her kaum erforsch­ten Quan­ten­ma­te­ria­lien vor­her­sa­gen. For­scher von TU Wien und texa­ni­scher Rice Uni­ver­sity ent­de­cken erst­mals via Com­pu­ter ein hoch­kor­re­lier­tes topo­lo­gi­sches Halbmetall.

Wie kön­nen neu­ar­tige Mate­ria­lien mit ganz bestimm­ten Eigen­schaf­ten gefun­den wer­den – zum Bei­spiel einem spe­zi­el­len Zusam­men­spiel von Elek­tro­nen, wie man es für Quan­ten­com­pu­ter benö­tigt ? Meist ist das eine sehr kom­pli­zierte Auf­gabe über die Pro­duk­tion bestimm­ter Ver­bin­dun­gen, in denen poten­zi­ell erfolg­ver­spre­chende Atome in bestimm­ten Kris­tall­struk­tu­ren ange­ord­net sind. Dann folgt eine genauere Unter­su­chung, etwa im Tief­tem­pe­ra­tur­la­bor der TU Wien.

Die Gesetze der Quantenphysik
Aktu­ell ist es nun durch eine Koope­ra­tion von Rice Uni­ver­sity (Texas), TU Wien und ande­ren inter­na­tio­na­len For­schungs­in­sti­tu­tio­nen gelun­gen, geeig­nete Mate­ria­lien am Com­pu­ter auf­zu­spü­ren. Aus der unüber­schau­bar gro­ßen Anzahl von mög­li­chen Mate­ria­lien wer­den durch neue theo­re­ti­sche Metho­den beson­ders viel­ver­spre­chende Kan­di­da­ten iden­ti­fi­ziert. Mes­sun­gen an der TU Wien zeig­ten dann, dass die gesuch­ten Mate­ri­al­ei­gen­schaf­ten tat­säch­lich mess­bar sind und die Methode ent­spre­chend funk­tio­niert. Die Ergeb­nisse wur­den nun im Fach­jour­nal „Nature Phy­sics“ publiziert.

Auf der Suche nach neu­ar­ti­gen Quan­ten­ma­te­ria­lien mit ganz beson­de­ren Eigen­schaf­ten arbei­ten die Rice Uni­ver­sity in Texas (US) und die TU Wien schon bis­her erfolg­reich zusam­men. 2017 wurde von den bei­den For­schungs­grup­pen dann erst­mals ein soge­nann­tes „Weyl-Kondo Halb­me­tall“ prä­sen­tiert – ein Mate­rial, das unter ande­rem für die For­schung an Quan­ten­com­pu­ter-Tech­no­lo­gien eine wich­tige Rolle spie­len könnte. „Es kommt zu sehr star­ken Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen den Elek­tro­nen, sie über­la­gern sich nach den Geset­zen der Quan­ten­phy­sik als Wel­len, gleich­zei­tig sto­ßen sie ein­an­der durch ihre elek­tri­sche Ladung ab“, erklärt Silke Büh­ler-Paschen vom Insti­tut für Fest­kör­per­phy­sik der TU Wien.

Die gleich­blei­ben­den Löcher in einem gequetsch­ten Doughnut
Genau diese starke Wech­sel­wir­kung führt zu Anre­gun­gen der Elek­tro­nen, die wie­derum nur mit sehr auf­wän­di­gen mathe­ma­ti­schen Metho­den beschrie­ben wer­den kann. In den nun aktu­ell unter­such­ten Mate­ria­lien spielt außer­dem die Topo­lo­gie eine wich­tige Rolle – sie ist ein Teil­ge­biet der Mathe­ma­tik, das sich mit geo­me­tri­schen Eigen­schaf­ten befasst, die durch kon­ti­nu­ier­li­che Ver­for­mung nicht ver­än­dert wer­den. Dazu gehört etwa die Zahl der Löcher in einem Dough­nut, die auch dann gleich­bleibt, wenn das Dough­nut leicht gequetscht wird. Auf ähn­li­che Weise kön­nen elek­tro­ni­sche Zustände im Mate­rial sta­bil blei­ben, auch wenn das Mate­rial leicht gestört wird und darum sind diese Zustände für prak­ti­sche Anwen­dun­gen wie Quan­ten­com­pu­ter so nützlich.

Das Ver­hal­ten aller stark mit­ein­an­der wech­sel­wir­ken­den Elek­tro­nen im Mate­rial exakt zu berech­nen ist unmög­lich – kein Super­com­pu­ter der Welt ist dazu imstande. Doch auf Basis der bis­he­ri­gen Erkennt­nisse gelang es nun, ein Design­prin­zip zu ent­wi­ckeln, das auf Basis ver­ein­fach­ter Modell­rech­nun­gen zusam­men mit mathe­ma­ti­schen Sym­me­trie­über­le­gun­gen und einer Daten­bank aus bekann­ten Mate­ria­lien Vor­schläge lie­fert, in wel­chem die­ser Mate­ria­lien die theo­re­tisch erwar­te­ten topo­lo­gi­schen Eigen­schaf­ten vor­lie­gen könnten.

Die kluge Sym­me­trie des Systems
„Drei sol­che Kan­di­da­ten hat diese Methode gelie­fert, eines die­ser Mate­ria­lien haben wir dann her­ge­stellt und in unse­rem Labor bei tie­fen Tem­pe­ra­tu­ren ver­mes­sen“, so Silke Büh­ler-Paschen. „Und tat­säch­lich deu­ten diese ers­ten Mes­sun­gen dar­auf hin, dass es sich um ein hoch­kor­re­lier­tes topo­lo­gi­sches Halb­me­tall han­delt – das erste, das auf theo­re­ti­scher Basis mit Hilfe eines Com­pu­ters vor­her­ge­sagt wurde.“ Ein wich­ti­ger Schlüs­sel zum Erfolg war, die Sym­me­trien des Sys­tems auf kluge Weise auszunutzen. 

“Wir haben pos­tu­liert, dass stark kor­re­lierte Anre­gun­gen immer noch gewis­sen Sym­me­trie­an­for­de­run­gen unter­lie­gen. Des­halb kann ich viel über die Topo­lo­gie eines Sys­tems aus­sa­gen, ohne auf Ab-Ini­tio-Berech­nun­gen zurück­grei­fen zu müs­sen. Diese sind oft erfor­der­lich, sind aber bei der Unter­su­chung stark kor­re­lier­ter Mate­ria­lien eine beson­dere Her­aus­for­de­rung”, ergänzt Qimiao Si von der Rice Uni­ver­sity. „Final weist nun alles dar­auf hin, dass wir ein robus­tes Ver­fah­ren gefun­den haben, um Mate­ria­lien zu iden­ti­fi­zie­ren, die die Eigen­schaf­ten auf­wei­sen, die wir haben möch­ten“, resü­miert Si.

Autor: red/mich/cc
06.10.2022

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