Zum Inhalt
© pexels/anna shvets

Pen­si­ons­re­form auch bil­dungs­po­li­ti­sche Herausforderung

Men­schen mit höhe­rer Bil­dung leben im Durch­schnitt län­ger. Wenn Pen­si­ons­re­for­men das nicht berück­sich­ti­gen, kön­nen sie Unge­rech­tig­kei­ten ver­grö­ßern, so Modell­be­rech­nun­gen von TU Wien und Öster­rei­chi­scher Aka­de­mie der Wissenschaften.

(red/​czaak) Das Pen­si­ons­sys­tem muss refor­miert wer­den, um lang­fris­tig finan­zier­bar zu blei­ben – und dafür gibt es eine Reihe von Mög­lich­kei­ten. Das Pen­si­ons­an­tritts­al­ter kann erhöht oder Pen­sio­nen gekürzt wer­den, Pri­vat­pen­sio­nen kön­nen geför­dert wer­den und vie­les mehr. Doch nicht jede Pen­si­ons­re­form wäre im sel­ben Maß fair, denn unter­schied­li­che Bevöl­ke­rungs­grup­pen wer­den auf unter­schied­li­che Weise getrof­fen. Men­schen mit guter Aus­bil­dung stei­gen (teil­weise viel) spä­ter ins Berufs­le­ben ein, zah­len somit bis zur Pen­sio­nie­rung weni­ger lange ins Pen­si­ons­sys­tem ein, haben danach aber eine höhere Lebens­er­war­tung, wie die Sta­tis­tik zeigt.

An der TU Wien und dem Insti­tut für Demo­gra­phie der Öster­rei­chi­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten (ÖAW) wurde nun ein mathe­ma­ti­sches Modell ent­wi­ckelt und an die his­to­ri­schen Gege­ben­hei­ten in Öster­reich ange­passt. Wird damit unter­sucht, wie sich unter­schied­li­che Pen­si­ons­re­for­men auf unter­schied­li­che Bevöl­ke­rungs­grup­pen aus­wir­ken wür­den, dann zeigt sich : Schlecht gemachte Pen­si­ons­re­for­men kön­nen bestehende Ungleich­hei­ten in der Bevöl­ke­rung sogar noch ver­grö­ßern. Die Ergeb­nisse wur­den im „Jour­nal of Pen­sion Eco­no­mics and Finance“ publi­ziert. Ent­schei­dende Erkennt­nisse die­ser Arbeit flie­ßen bereits ins Lang­frist­mo­dell des die Poli­tik bera­ten­den Fis­kal­rats ein. 

Bemer­kens­wert gute Erklä­rung der Vergangenheit
Hoch gebil­dete Men­schen ver­die­nen im Durch­schnitt bes­ser und leben auch län­ger. Somit ergibt sich durch das Pen­si­ons­sys­tem eine Umver­tei­lung von unten nach oben, weil wohl­ha­ben­dere Schich­ten län­ger Pen­sion kas­sie­ren. „Unser Modell berück­sich­tigt diese Unter­schiede zwi­schen Bil­dung, Ein­kom­men, Lebens­er­war­tung und Ver­mö­gen und erklärt diese als Kom­bi­na­tion indi­vi­du­el­ler Ent­schei­dun­gen und exter­ner Umstände“ sagt Ale­xia Fürn­kranz-Prs­ka­wetz, Lei­te­rin des For­schungs­be­reichs Öko­no­mie am Insti­tut für Sto­chas­tik und Wirt­schafts­ma­the­ma­tik an der TU Wien. 

„Damit lässt sich klar zei­gen, dass nied­ri­gere Bil­dungs­grup­pen ein gerin­ge­res Ein­kom­men, gerin­ge­res Ver­mö­gen und nied­ri­gere Lebens­er­war­tung haben“, unter­streicht Fürn­kranz-Prs­ka­wetz. „Bil­dungs- oder Pen­si­ons­re­for­men haben natür­lich auch immer eine Aus­wir­kung auf die Ent­schei­dun­gen der Men­schen“, sagt Miguel San­chez-Romero von TU Wien bzw. ÖAW. „So wer­den etwa in einer Gesell­schaft, wo sich Bil­dung für das Indi­vi­duum beson­ders lohnt, die Men­schen ver­su­chen, mög­lichst viel in Bil­dung zu inves­tie­ren. Das blieb bis­her oft unbe­rück­sich­tigt und mit unse­rem Modell lässt sich das nun abbil­den“, so Sanchez-Romero.

Modell von TU Wien und ÖAW funktioniere
Es ist nun mög­lich his­to­ri­sche Daten über Bil­dung, das Pen­si­ons­sys­tem und Lebens­er­war­tung zu ana­ly­sie­ren und zu unter­su­chen, ob das Rechen­mo­dell die Ver­gan­gen­heit kor­rekt nach­bil­det. „Mit unse­rer Ein­tei­lung der Bevöl­ke­rung in unter­schied­li­che Kohor­ten, die in unter­schied­li­chem Maß vom Bil­dungs­sys­tem pro­fi­tie­ren, kön­nen wir den Zusam­men­hang zwi­schen unter­schied­li­chen Daten aus den letz­ten 120 Jah­ren sehr gut erklä­ren. Das inklu­diert die Ent­wick­lung des Bil­dungs­ni­veaus, des Ein­kom­mens und des Ver­hält­nis­ses von Ein­zah­lun­gen und Bezü­gen aus dem Pen­si­ons­sys­tem“, erläu­tert Fürnkranz-Prskawetz.

Basis für das neue Modell sind his­to­ri­sche demo­gra­phi­sche Daten sowie his­to­ri­sche Ent­wick­lun­gen des Pen­si­ons­sys­tems in Öster­reich. Damit kön­nen die his­to­ri­schen öko­no­mi­schen Daten aus­ge­zeich­net repro­du­ziert wer­den – und das macht Mut, dass „die­ses Modell auch einen zuver­läs­si­gen Blick in die Zukunft ermög­licht“, so die Forscher.

Mög­li­cher­weise mehr Scha­den als Nutzen
Aktu­ell wurde nun für sechs unter­schied­li­che Pen­si­ons­re­for­men berech­net, wie sich Ände­run­gen am Pen­si­ons­sys­tem auf die unter­schied­li­chen Kohor­ten aus­wir­ken wür­den. „Man­che Pen­si­ons­re­for­men wür­den zwar dem Staats­bud­get hel­fen, aber der Gerech­tig­keit scha­den“, sagt Miguel San­chez-Romero. So würde etwa das bloße uni­forme nach hin­ten Ver­schie­ben des Pen­si­ons­an­tritts­al­ters dazu füh­ren, dass „gerade bil­dungs­fer­nere Schich­ten, die schon jetzt für jeden ins Pen­si­ons­sys­tem ein­ge­zahl­ten Euro weni­ger her­aus­be­kom­men als die höhere Bil­dungs­schicht, noch schlech­ter daste­hen wür­den“, unter­streicht Sanchez-Romero. 

Pen­si­ons­re­for­men hin­ge­gen, die zusätz­lich auch die Unter­schiede in der Lebens­er­war­tung berück­sich­ti­gen, kön­nen nicht nur die Pen­si­ons­kos­ten redu­zie­ren, son­dern auch bestehen­den Ungleich­hei­ten ent­ge­gen­wir­ken. „Wie man damit umgeht ist eine poli­ti­sche Frage, für die es natür­lich keine klare mathe­ma­ti­sche Ant­wort gibt“, sagt Ale­xia Fürn­kranz-Prs­ka­wetz. „Alles, was wir sagen kön­nen, ist : Unter­schied­li­che Grup­pen wer­den unter­schied­lich getrof­fen, und das muss man berück­sich­ti­gen. Es geht schließ­lich nicht nur um das Sanie­ren des Bud­gets, son­dern es geht auch um Fairness.“ 

Autor: red/czaak
12.12.2023

Weitere aktuelle Artikel

Der Kli­ma­wan­del führt zu stär­ke­ren Hoch­was­ser­ka­ta­stro­phen. TU Wien und Joan­neum Rese­arch ent­wi­ckeln nun erst­mals Modell zur Abbil­dung kom­bi­nier­ter Schutz­maß­nah­men im pri­va­ten und öffent­li­chen Bereich. Jetzt und in Zukunft müs­sen sich viele Gegen­den der Welt auf stär­kere Hoch­was­ser­ka­ta­stro­phen ein­stel­len. Mit indi­vi­du­el­len Schutz­maß­nah­men wie bau­li­che Maß­nah­men oder Ver­si­che­run­gen sowie gemein­same Anstren­gun­gen zur Ver­rin­ge­rung der Hoch­was­ser­ge­fahr wie Damm­bau­ten […]
Öster­rei­chi­sche Elek­tri­zi­täts­ab­gabe 30-mal höher als von EU emp­foh­lene Min­dest­be­steue­rung von Strom bei betrieb­li­cher Nut­zung. Ener­gie­preise für Sta­tis­tik Aus­tria zen­tra­ler Fak­tor für hohe Infla­tion und Teuerungen. Die enorm hohe und ent­spre­chend teure Elek­tri­zi­täts­ab­gabe kos­tet Öster­rei­chi­schen Fir­men und den pri­va­ten Haus­hal­ten Mil­lio­nen Euro und final ist diese auch einer der Haupt­gründe für die ange­spannte wirt­schaft­li­che Situa­tion. Im Rah­men ihrer lau­fen­den […]
Künst­li­che Intel­li­genz und Auto­ma­tion mit siche­ren und sou­ve­rä­nen Daten für ein zukunfts­fä­hi­ges Gesund­heits­we­sen. Ein Exper­ten­kom­men­tar von Alex­an­der Sto­klas, Head of Digi­tal Solu­ti­ons T‑Systems Austria. Der Gesund­heits­be­reich ent­wi­ckelt sich zum Vor­rei­ter beim Ein­satz von Künst­li­cher Intel­li­genz (KI) und Auto­ma­tion. Genauer betrach­tet ist es die logi­sche Ant­wort auf aktu­elle Her­aus­for­de­run­gen : demo­gra­fi­scher Wan­del, Fach­kräf­te­man­gel und Kos­ten­druck tref­fen auf einen hohen Bedarf […]
In Deutsch­land stei­gen Mie­ten bei Neu­ver­trä­gen um bis zu 75 Pro­zent. Exper­ten sehen nega­tive Aus­wir­kun­gen auf sozia­len Zusam­men­halt und Wachs­tum von Städten. Der Miet­markt in deut­schen Groß­städ­ten spal­tet sich zuneh­mend. Wäh­rend die Mie­ten bei bestehen­den Ver­trä­gen nur mode­rat zuleg­ten, stie­gen diese bei Neu­ver­trä­gen in den sie­ben größ­ten deut­schen Städ­ten seit 2013 um rund 75 Pro­zent. […]
Lang­jäh­ri­ger Segel­trai­ner und Autor Rudolf F. Czaak bringt neues Buch her­aus. Trai­nings- und Nach­schlag­werk mit über 160 Sei­ten und 150 Abbil­dun­gen zeigt, wie Boote und Yach­ten sicher allein manö­vrier­bar sind.  Recht­zei­tig vor Weih­nach­ten ver­öf­fent­licht der lang­jäh­rige Skip­per­trai­ner Rudolf Franz Czaak mit „Einhand‑Hafenmanöver welt­weit“ ein kom­pak­tes Trainings‑ und Nach­schla­ge­werk für alle, die Boote und Yach­ten allein sicher manö­vrie­ren […]
magnifier
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram