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Weni­ger Bud­get­de­fi­zit trotz wirt­schaft­li­cher Eintrübung

Fis­kal­rat errech­net Rück­gang des Bud­get­de­fi­zits auf 2 Pro­zent des BIP im Jahr 2023 und das trotz ange­spann­ter Wirt­schafts­si­tua­tion. Robus­ter Arbeits­markt und nomi­nel­ler pri­va­ter Kon­sum sowie Weg­fall Corona-Stüt­zen und neue Ener­gie­kri­sen­bei­träge Hauptgründe. 

Der Fis­kal­rat errech­net in sei­ner aktu­el­len Pro­gnose trotz der erwar­te­ten wirt­schaft­li­chen Ein­trü­bung einen Rück­gang des Bud­get­de­fi­zits von exakt 3,2 Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP ; 2022) auf 2 Pro­zent des BIP im Jahr 2023. Aus­schlag­ge­bend dafür sind die robuste Ent­wick­lung des Arbeits­mark­tes und des (nomi­nel­len) pri­va­ten Kon­sums, der Weg­fall von tem­po­rä­ren wirt­schafts­po­li­ti­schen Maß­nah­men (u. a. Corona- Maß­nah­men oder stra­te­gi­sche Gas­re­serve) und die vor­ü­ber­ge­hende Ein­he­bung der Ener­gie­kri­sen­bei­träge von Energieunternehmen.

„Die struk­tu­rell wir­ken­den Inde­xie­run­gen des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes und der Fami­lien- und Stu­di­en­bei­hilfe sowie ein­set­zende Maß­nah­men der öko­so­zia­len Steu­er­re­form schwächen diese Ver­bes­se­rung deut­lich ab“, erläu­tert Chris­toph Badelt, Prä­si­dent des Fis­kal­ra­tes. In den Fol­ge­jah­ren soll die Dyna­mik der Staats­aus­ga­ben für soziale Sach­leis­tun­gen, Lan­des­ver­tei­di­gung und Zin­sen­dienst die Ent­wick­lung des Finan­zie­rungs­sal­dos bestim­men, der auch mit­tel­fris­tig deut­lich nega­tiv bleibt, so der Fiskalrat.

Nach Corona-Stüt­zun­gen nun Anti-Teue­rungs­maß­nah­men als fort­ge­setzte Budgetbelastung
Trotz die­ser aus­ge­prägt expan­si­ven Aus­rich­tung der Bud­get­po­li­tik über den gesam­ten Pro­gno­se­ho­ri­zont geht die Schul­den­quote – unge­ach­tet der Erhöhung der Staats­schul­den – kon­ti­nu­ier­lich zurück (2021 : 82,3 Pro­zent ; 2026 : 73,2 Pro­zent des BIP). Diese Ent­wick­lung sei aber mit Vor­sicht zu inter­pre­tie­ren, „da die sich ver­bes­sernde fis­ka­li­sche Situa­tion aus­schließ­lich auf das infla­ti­ons­be­dingt hohe nomi­nelle Wirt­schafts­wachs­tum zurück­zu­füh­ren ist“, so die Exper­ten des Fiskalrats. 

Maß­nah­men zur Abmil­de­rung der Fol­gen der Corona-Pan­de­mie sind zwar rück­läu­fig, aber mit einem Volu­men von 8 Mrd. Euro im Jahr 2022 wei­ter­hin deut­lich bud­get­wirk­sam. Zudem wur­den etli­che Maß­nah­men zur Abfe­de­rung der außer­ge­wöhn­lich hohen Preis­dy­na­mik sowie zur Gewähr­leis­tung der Ver­sor­gungs­si­cher­heit bei fos­si­len Brenn­stof­fen gesetzt. Diese schla­gen 2022 gemein­sam mit der öko­so­zia­len Steu­er­re­form und ande­rer Beschlüsse mit wei­te­ren 24 Mrd. Euro zu Buche, sodass ins­ge­samt das bereits sehr hohe Volu­men wirt­schafts­po­li­ti­scher Inter­ven­tio­nen des Vor­jah­res (2021 : 30,6 Mrd. Euro) noch um 1,5 Mrd. Euro über­trof­fen wird. 

Hohe Infla­tion prägt Ein­nah­men­wachs­tum und Ausgabendynamik
Trotz ein­set­zen­der kon­junk­tu­rel­ler Abküh­lung ab Mitte 2022 bleibt der Zuwachs der Staats­ein­nah­men (+9 Pro­zent) hoch. Die hohe Infla­tion, höhere Lohn­ab­schlüsse, der solide pri­vate Kon­sum und die sta­bile Beschäf­ti­gung sol­len auch 2023 zu einem hohen Ein­nah­men­wachs­tum (+7,3 Pro­zent) füh­ren, das zudem vor­ü­ber­ge­hende Mehr­ein­nah­men durch die Ener­gie­kri­sen­bei­träge wider­spie­gelt. Aller­dings gibt es ab 2023 auch ein­nah­men­re­du­zie­rende Maß­nah­men, etwa die zweite Aus­bau­stufe der öko­so­zia­len Steu­er­re­form oder die Infla­ti­ons­in­de­xie­rung des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes. Nach Aus­lau­fen bzw. Rück­gang tem­po­rä­rer Maß­nah­men im Jahr 2024 wie Anti-Teue­rung oder Corona sol­len sich die Staats­ein­nah­men annähernd im Gleich­klang mit dem nomi­nel­len BIP ent­wi­ckeln, so der Fiskalrat.

Auf­grund der weit­ge­hen­den Neu­tra­li­sie­rung der bud­ge­tä­ren Wir­kung wirt­schafts­po­li­ti­scher Maß­nah­men auf der Aus­ga­ben­seite wird das Aus­ga­ben­wachs­tum 2022 (+3,8 Pro­zent im Jah­res­ab­stand) vor­ran­gig durch auto­ma­ti­sche Inde­xie­run­gen von Sozi­al­leis­tun­gen wie Pen­si­ons­aus­ga­ben oder Pfle­ge­geld und Lohn­er­höhun­gen der öffent­lich Bediens­te­ten bestimmt. Wäh­rend sich hier die hohe Infla­tion aber erst zeit­ver­zö­gert nie­der­schlägt, führt der starke Anstieg der Infla­tion 2022 v. a. im Fall der Vor­leis­tun­gen (+1,3 Mrd. Euro) bereits im glei­chen Jahr zu deut­li­chen Ausgabenerhöhungen. 

Erfül­lung der Maas­tricht-Kri­te­rien ab 2023 und infla­ti­ons­be­dingt hohes nomi­nel­les BIP-Wachstum
Im Jahr 2023 soll sich die hohe Infla­tion schließ­lich auch auf bedeu­tende Aus­ga­ben­ka­te­go­rien wie Pen­sio­nen und Arbeit­neh­mer­ent­gelte über­tra­gen, sodass die Staats­aus­ga­ben im Jahr 2023 – trotz des Aus­ga­ben­rück­gangs auf­grund des Aus­lau­fens tem­po­rä­rer Maß­nah­men bei Corona und Teue­rung – um 4,7 Pro­zent gegen­ü­ber dem Vor­jahr stei­gen. Mit­tel­fris­tig geht das Aus­ga­ben­wachs­tum wie­der zurück, bleibt aber in Ein­zel­be­rei­chen (z. B. soziale Sach­leis­tun­gen, im Spe­zi­el­len für Gesund­heit und Pflege sowie Brut­to­in­ves­ti­tio­nen) erhöht. 

Nach einer Über­schrei­tung der Defi­zit­ober­grenze von 3 Pro­zent des BIP im Jahr 2022 wer­den ab dem Jahr 2023 nach der aktu­el­len Pro­gnose des Fis­kal­rats und unter Zugrun­de­le­gung der soge­nann­ten No-policy-change-Annahme beide Maas­tricht-Kri­te­rien (Defi­zit­ober­grenze von 3 Pro­zent des BIP und rasche Rück­füh­rung der Staats­schul­den­quote) erfüllt. Im Kon­text mit den aktu­el­len Kri­sen­si­tua­tio­nen ist davon aus­zu­ge­hen, dass die EU-Kom­mis­sion ihre bis­he­rige Vor­gangs­weise bei­be­hält, kein Ver­fah­ren wegen eines über­mä­ßi­gen Defi­zits (Anm. ÜD-Ver­fah­ren) einzuleiten. 

Fis­kal­po­li­ti­sche Spiel­räume und nach­hal­tige Absi­che­rung durch Strukturreformen
„Zur Wie­der­erlan­gung fis­kal­po­li­ti­scher Spiel­räume ist die kon­junk­tur­ge­rechte Rück­füh­rung der expan­si­ven Fis­kal­po­li­tik und eine plan­mä­ßige Rück­füh­rung tem­po­rä­rer Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen uner­läss­lich“, unter­streicht Chris­toph Badelt. Es brau­che ein Gesamt- kon­zept für die lang­fris­tige Sta­bi­li­sie­rung der öf­fent­li­chen Finan­zen ein­schließ­lich Gegen­fi­nan­zie­rung von Krisenmaßnahmen. 

„Inves­ti­tio­nen in Zukunfts­be­rei­che wie Digi­ta­li­sie­rung und Öko­lo­gie, ziel­ge­rich­tete Bil­dungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­of­fen­si­ven sowie struk­tu­relle Refor­men, ins­be­son­dere zur gebiets­kör­per­schaft­li­chen Auf­ga­ben- und Finan­zie­rungs­ent­flech­tung, spie­len zur lang­fris­ti­gen Absi­che­rung der fis­ka­li­schen Nach­hal­tig­keit eine bedeu­tende Rolle und soll­ten for­ciert wer­den“, betont Badelt. Die anste­hen­den Ver­hand­lun­gen zum Finanz­aus­gleich 2024 sol­len genutzt wer­den, um v. a. inner­staat­li­che Finan­zie­rungs­ströme und gebiets­kör­per­schaft­s­ü­ber­grei­fende Auf­ga­ben zu entflechten.

Pro­zess zur Reform des EU-Fiskalrahmens
Ein wei­te­rer maß­geb­li­cher Punkt ist die Auf­ga­ben­ori­en­tie­rung zu stär­ken und eine gesamt­staat­li­che För­de­rungs­stra­te­gie zu ent­wi­ckeln. Letz­tere sei erfor­der­lich, um unbe­ab­sich­tigte Mehr­fach­för­de­run­gen und gegen­läu­fige Anreiz­wir­kun­gen von Maß­nah­men zu ver­mei­den. Zudem ist eine stär­kere Aus­schöp­fung des Poten­zi­als res­sort- und gebiets­kör­per­schaft­s­ü­ber­grei­fen­der Koor­di­na­tion und der Mecha­nis­men zur Erhöhung von Trans­pa­renz, Effek­ti­vi­tät und Wir­kungs­ori­en­tie­rung der Haus­halts­füh­rung anzustreben.
Die ös­ter­rei­chi­sche Bun­des­re­gie­rung sollte sich dafür ein­set­zen, dass der Pro­zess zur Reform des EU-Fis­kal­rah­mens rasch abge­schlos­sen wird. Wenn­gleich die stär­kere Rolle der Aus­ga­ben­re­gel gemäß EK-Vor­schlag auf­grund ihrer mit­tel­fris­ti­gen Aus­rich­tung und höhe­ren Steue­rungs­re­le­vanz vom Fis­kal­rat begrüßt wird, sollte der struk­tu­relle Bud­get­saldo als wich­tige bud­get­po­li­ti­sche Ori­en­tie­rungs- und Ana­ly­se­größe eines kon­junk­tur­ge­rech­ten Fis­kal­rah­mens erhal­ten blei­ben. Zudem sollte die Mit­wir­kung der natio­na­len Fis­kal­räte v. a. bei der Ex-ante- und Ex-post-Betrach­tung zukünf­ti­ger Fis­kal­struk­tur­pläne sicher­ge­stellt werden. 

Autor: red/czaak
12.12.2022

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