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© Pexels.com/Egor Kamelev

Wenn Flie­gen Hun­ger haben

Die Med-Uni Inns­bruck hat die Rolle eins spe­zi­el­len Pro­te­ins bei der Nah­rungs­auf­nahme von Frucht­flie­gen unter­sucht und dabei inter­es­sante Aus­wir­kun­gen auf Hun­ger und Sät­ti­gungs­ge­fühl gefun­den. Ähn­lich­kei­ten beim Men­schen sind möglich.

Die For­schung mit der Fruchtfliege
(red/​mich/​cc) Dro­so­phila wird seit mehr als hun­dert Jah­ren als Modell­or­ga­nis­mus für die Gene­tik her­an­ge­zo­gen. 75 Pro­zent der Gene von Dro­so­phila sind auch im Men­schen vor­han­den. Des­halb gibt es Flie­gen­mo­delle u.a. für Fra­ge­stel­lun­gen der Krebs­for­schung, Ent­wick­lungs­bio­lo­gie und Neu­ro­wis­sen­schaf­ten. Sie ist ein­fach gene­tisch zu mani­pu­lie­ren und es gibt unzäh­lige Mög­lich­kei­ten sie mole­ku­lar­bio­lo­gisch zu untersuchen.

Das im jet­zi­gen Pro­jekt der Med-Uni Inns­bruck geson­dert unter­suchte Chro­ma­tin-Pro­tein CHD1 kommt in allen Orga­nis­men vor, von der Hefe bis zum Men­schen. Im Gehirn sorgt es dafür, dass wäh­rend des soge­nann­ten Tran­skrip­ti­ons­pro­zes­ses die Chro­ma­tin-Ver­pa­ckung der DNA sta­bil bleibt. Fehlt es, wird die Akti­vi­tät von Genen, die Hun­ger und Sät­ti­gungs­ge­fühl steu­ern, nicht mehr kor­rekt regu­liert und das führt zu ver­rin­ger­ter Nah­rungs­auf­nahme und ver­kürz­ter Lebensdauer. 

Stark ver­kürzte Lebenszeit
Frucht­flie­gen füh­len sich immer satt, wenn in ihrem Gehirn das Pro­tein CHD1 fehlt. Sie hören auf zu fres­sen und ihr Meta­bo­lis­mus weist starke Stö­run­gen auf. Dar­über hin­aus erhö­hen sich kri­ti­sche Ent­zün­dungs­mar­ker und sie ster­ben bald. „Ihre Lebens­zeit von durch­schnitt­lich 80 Tagen ver­kürzt sich auf ein Drit­tel“, erläu­tert Alex­an­dra Lus­ser vom Insti­tut für Mole­ku­lar­bio­lo­gie der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Innsbruck. 

Im Zuge wei­te­rer For­schung soll nun auch der Frage nach­ge­gan­gen wer­den, ob diese CHD1-Expres­sion im nor­ma­len Alte­rungs­pro­zess abnimmt, die Chro­ma­tin­struk­tur dadurch schlech­ter und ent­spre­chend das gesunde Altern beein­flusst wird. „Wer­den Gene im Zuge der Tran­skrip­tion abge­le­sen, kann es zum Ver­lust von His­to­nen kom­men und diese müs­sen ersetzt wer­den. Sonst kommt es zu Schä­den in der DNA oder zur uner­wünsch­ten Akti­vie­rung von Abschnit­ten des Genoms“, so Lusser. 

Gehirn­zel­len tei­len sich prak­tisch nicht mehr
Dies geschieht einer­seits wäh­rend der nächs­ten Zell­tei­lung und ande­rer­seits direkt wäh­rend der Tran­skrip­tion durch den Ein­bau soge­nann­ter His­ton­va­ri­an­ten. Da sich Gehirn­zel­len im Laufe des Lebens prak­tisch nicht mehr tei­len, ist der Aus­tausch aus­schließ­lich auf den Tran­skrip­ti­ons­pro­zess beschränkt. So kommt es, dass im mensch­li­chen Gehirn im Alter von 14 Jah­ren bereits ein Haupt­teil der His­tone His­ton­va­ri­an­ten sind. Im aktu­el­len Pro­jekt konn­ten die For­scher nach­wei­sen, dass bei der Frucht­fliege im Alter von 40 Tagen ca. 40 Pro­zent der His­tone aus­ge­tauscht sind.

In ihren Unter­su­chun­gen mit Dro­so­phila haben die Wis­sen­schaft­ler nun fest­ge­stellt, dass der Anteil der His­ton­va­ri­ante H3.3 im Gehirn stark redu­ziert ist, wenn CHD1 fehlt. Die Tran­skrip­tion im Gehirn gerät außer Kon­trolle. „Ein Groß­teil der Gene wird hoch­re­gu­liert, es wer­den mehr Gene tran­skri­biert als nor­mal. Durch das feh­lende H3.3 wird Chro­ma­tin nicht mehr so dicht gewi­ckelt und Gen­orte, die nicht tran­skri­biert wer­den soll­ten, wer­den tran­skri­biert“, unter­streicht Lusser.

Ähn­li­che Aus­wir­kun­gen beim Menschen
„Bereits abge­le­sene Gene wer­den stär­ker abge­le­sen. Dar­un­ter sind viele Neu­ro­pep­tide, die Hun­ger und Sät­ti­gung regu­lie­ren sowie anti­mi­kro­bielle Pep­tide, die einen Teil des Immun­sys­tems aus­ma­chen. Das hat zur Folge, dass sich die Fliege in einem kon­stan­ten Ent­zün­dungs­zu­stand befin­det“, ergänzt Lus­ser den Vor­gang. Inter­es­sant dabei ist nun, dass bei Wie­der­ein­füh­rung von CHD1 ins Gehirn alle Defekte beho­ben wer­den und die Flie­gen haben eine ganz nor­male Lebenszeit. 

Das Pro­tein wird in allen Zel­len gebil­det. Es kann über­all feh­len, nur nicht im Gehirn. Dann geht es der Fliege gut. Für die Wis­sen­schaf­te­rin ist es durch­aus vor­stell­bar, dass sich ein CHD1-Man­gel beim Men­schen ähn­lich aus­wir­ken könnte. Sie gibt aber zu beden­ken : „Da es beim Men­schen sie­ben CHD1-Unter­ty­pen gibt, deren Rol­len und Zusam­men­wir­ken schwer ein­zu­gren­zen sind, ist der Pro­zess viel komplexer.“

Autor: red/mich/cc
14.10.2021

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