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18. Juni 2025

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Höchster Stand seit zwölf Jahren

Höchster Stand seit zwölf Jahren© Pexels.com/jeffrey czum

Unternehmensinsolvenzen in Westeuropa steigen 2024 auf höchsten Stand seit zehn Jahren. Allein gegenüber 2023 zeigt sich Steigerung um über zwölf Prozent, im Vergleich zu 2021 um rund siebzig Prozent.

(red/czaak) Im Jahr 20a24 ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Westeuropa erneut deutlich gestiegen. Das zeigt eine aktuelle Analyse der Creditreform Wirtschaftsforschung. Demnach erhöhten sich die Fallzahlen gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent auf insgesamt 190.449 Fälle (2023: 169.792). Das ergibt den höchsten Stand seit 2013.

„Drei Jahre Stagnation und wirtschaftliche Flaute haben nicht nur Deutschland im Griff. Europa leidet insgesamt unter einer schwachen konjunkturellen Entwicklung. Der deutlich verschärfte Wettbewerb hat zu einem signifikanten Anstieg der Insolvenzen geführt“, sagt Patrik Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss. „Seit dem bisherigen Tiefpunkt im Jahr 2021 ist die Zahl der Firmenpleiten in Westeuropa um fast 70 Prozent gestiegen – und ein weiterer Anstieg zeichnet sich ab“, so Hantzsch.

Breiter Anstieg in nahezu allen Ländern und besonders betroffene KMU
Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform in Österreich erläutert die Ursachen: „Hohe Zinsen, steigende Energiepreise, eine insgesamt schwache Nachfrage sowie geopolitische Unsicherheiten belasteten die Stabilität vieler Unternehmen. Besonders betroffen waren kleine und mittlere Betriebe, die oft nur über geringe finanzielle Rücklagen verfügen.“

In 15 der 17 untersuchten westeuropäischen Staaten nahmen die Insolvenzzahlen zu. Lediglich in Dänemark und Großbritannien wurden Rückgänge verzeichnet. Besonders stark fiel der Anstieg in Griechenland (plus 43 Prozent), Irland (plus 32) und den Niederlanden (plus 32) aus. Auch in den großen Volkswirtschaften Deutschland (plus 23), Frankreich (plus 17) und Italien (plus neun Prozent) wurde ein deutlicher Zuwachs registriert. In fast allen untersuchten Ländern liegen die aktuellen Fallzahlen inzwischen klar über dem Niveau von 2019, das als Vergleichsgröße aus der Zeit vor der Corona-Pandemie dient.

Baugewerbe besonders in Mitleidenschaft gezogen
„Mit dem Auslaufen der pandemiebedingten Sonderregelungen hat sich der erwartete Nachholeffekt eingestellt. Dass die Zahl der Insolvenzen inzwischen deutlich über dem Vor-Corona-Niveau liegt, hängt jedoch auch mit einer Reihe anhaltender Krisen und struktureller Versäumnisse der Vergangenheit zusammen. Die Unternehmen haben kaum Gelegenheit sich zu erholen und weiterzuentwickeln“, erklärt Hantzsch.

Am stärksten betroffen war 2024 das Baugewerbe, das einen Zuwachs von 15 Prozent verzeichnete. Steigende Baukosten, hohe Finanzierungskosten und eine schwächelnde Nachfrage erhöhten den wirtschaftlichen Druck auf die Branche. Auch im Dienstleistungssektor nahm die Zahl der Insolvenzen mit plus 14 Prozent überdurchschnittlich zu. Im Verarbeitenden Gewerbe schwächte sich der Anstieg gegenüber dem Vorjahr auf plus neun Prozent ab, im Handel beträgt das Plus acht Prozent.

Entwicklung in Mittel- und Osteuropa
„Das Baugewerbe zählt zu den Hauptleidtragenden der aktuellen Wirtschaftsschwäche. Bereits in den vergangenen Jahren ist der Anteil dieses Sektors am Insolvenzgeschehen gestiegen. Inzwischen entfällt nahezu jede fünfte Unternehmensinsolvenz in Westeuropa auf diesen Bereich“, so Weinhofer. Der Anteil des Handels hingegen sei leicht auf 30 Prozent zurückgegangen, laut Weinhofer „ein Hinweis auf eine beginnende Konsolidierung in dieser Branche“.

Auch in den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen, wenngleich die Fallzahlen in vielen Fällen noch unter dem Niveau von 2019 liegen. Besonders deutlich war der Anstieg zuletzt in Polen, Lettland, Slowenien, Litauen und Estland. Ein starker Rückgang in Ungarn beeinflusste jedoch das Gesamtbild spürbar: Mit 39.681 registrierten Fällen lag die Gesamtzahl der Insolvenzen in Osteuropa dadurch deutlich unter dem Vorjahreswert von 64.917.

Die Türkei und die steigenden Insolvenzzahlen in den USA
In der Türkei stieg die Zahl der Unternehmensaufgaben um 21 Prozent auf 32.591 Fälle. Das war der sechste Anstieg in Folge. Ein starker Zuwachs wurde hier im Handel verzeichnet. „Häufige Ursachen für Unternehmensinsolvenzen in Osteuropa sind schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Finanzierungschwierigkeiten, gestiegene Kosten sowie eine schwache Kaufkraft“, ergänzt Hantzsch.

In den Vereinigten Staaten nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zu – um 17 Prozent auf 30.009 Fälle. Trotz eines moderaten Wirtschaftswachstums belasteten weiterhin hohe Zinsen und zurückgehende Konsumausgaben die Unternehmen. Die Fallzahlen blieben aber unter dem Vor-Corona-Niveau. Noch 2018 und 2019 wurden in den USA jeweils fast 40.000 Unternehmensinsolvenzen registriert.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 20.05.2025