
Wohnungsmieten als Wachstumshindernis
In Deutschland steigen Mieten bei Neuverträgen um bis zu 75 Prozent. Experten sehen negative Auswirkungen auf sozialen Zusammenhalt und Wachstum von Städten.
Der Mietmarkt in deutschen Großstädten spaltet sich zunehmend. Während die Mieten bei bestehenden Verträgen nur moderat zulegten, stiegen diese bei Neuverträgen in den sieben größten deutschen Städten seit 2013 um rund 75 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des deutschen ifo Instituts.
Berlin an Spitze bei Differenz zwischen Bestandsmieten und Neuverträgen
„Diese Entwicklung droht zum sozialen Sprengstoff und zum Wachstumshemmnis für Städte zu werden : Wenn Arbeitskräfte sich Wohnen in den Metropolen nicht mehr leisten können, verlieren die Städte an wirtschaftlicher Kraft“, sagt Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Innovationsökonomik und Digitale Transformation sowie einer der Studien-Autoren.
Die ifo-Forscher berechneten zudem, wie stark Mieten in bestehenden Verträgen und in Neuverträgen auseinanderfallen : Im Durchschnitt beträgt der Unterschied 4,48 Euro pro Quadratmeter, was einem Aufschlag von 48 Prozent entspricht. Besonders groß ist die Differenz in Berlin mit rund 70 Prozent, gefolgt von München mit 45 Prozent und Hamburg mit 37 Prozent. In Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf liegen die Aufschläge zwischen 30 und 36 Prozent.
Der Mietmarkt wird zur Lotterie
„Auf dem Wohnungsmarkt öffnet sich zunehmend eine Schere : Während Mieterinnen und Mieter im Bestand von regulierten und stabilen Preisen profitieren, zahlen Wohnungssuchende bei Neuverträgen deutlich höhere Mieten“, sagt Simon Krause, ifo-Forscher und Koautor der Studie. „Das kann bei gleicher Lage und gleicher Wohnungsgröße mehrere hundert Euro Unterschied bedeuten und damit wird der Mietmarkt zu einer Lotterie“, unterstreicht Krause.
Die Studie beleuchtet erstmals die Folgen für die Mietbelastung getrennt nach Bestand und Neuvermietungen. Im Bestand liegt die durchschnittliche Mietbelastung bei Haushalten mit niedrigem Einkommen seit Jahren stabil bei rund 35 Prozent. Bei Neuvermietungen steigt sie dagegen deutlich und erreicht in Großstädten inzwischen fast 50 Prozent.
Die Mobilität der Menschen und ihre Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt
„Angesichts der großen Differenz zwischen der Miete in bestehenden Verträgen und Neuverträgen bleiben die Menschen lieber in ihren günstigen Wohnungen, auch wenn diese nicht mehr zu ihrer Lebenssituation passen. Das senkt die Mobilität der Menschen und beeinträchtigt ihre Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt“, sagt Pascal Zamorski vom ifo-Institut und ebenso Koautor der aktuellen Studie.
„Die Politik müsse stärker auf der Angebotsseite ansetzen und den Wohnungsbestand effizienter nutzen. Entscheidend seien niedrigere Kosten beim Bau sowie bei Kauf bzw. Verkauf, schnellere Genehmigungen und gezielte Förderung bezahlbarer Wohnungen. Die Regulierung von Mietpreisen könne zwar dämpfend wirken, löse aber das Problem des knappen Wohnraums nicht“, so die Analyse der ifo-Experten. (red/cc)