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26. April 2024

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Fluch und Segen

Fluch und Segen© piqs.de/pedro szekely

Große Wasserreservoirs waren ein Eckpfeiler der Maya-Kultur. Sie könnten aber auch den Grundstein zu ihrem Niedergang gelegt haben.

Im neunten Jahrhundert, als die klassische Periode der Maya zu Ende ging, ist etwas Dramatisches passiert. Was genau, ist bis heute umstritten. Innerhalb kurzer Zeit erlebte die blühende Hochkultur einen Einbruch, die Bevölkerungszahl ging stark zurück; monumentale Steinbauten, wie man sie vorher auf Yucatán errichtet hatte, wurden danach nicht mehr gebaut.
Eine mögliche Erklärung liefern nun Modellrechnungen der TU Wien. Gerade die Bewässerungstechnik, die den Maya in Dürrezeiten oft wichtige Dienste geleistet hat, könnte die Gesellschaft verwundbar gegenüber großen Katastrophen gemacht haben. Daraus können wir auch für unsere eigene Zeit wichtige Schlüsse ziehen: Wenn man mit technischen Maßnahmen bloß oberflächliche Symptome einer Ressourcenknappheit bekämpft, wird die Gesellschaft verwundbar.

Sozio-Hydrologie
„Das Wasser beeinflusst die Gesellschaft und die Gesellschaft beeinflusst das Wasser“, sagt Linda Kuil, Dissertantin im FWF-Doktoratskolleg Wasserwirtschaftliche Systeme an der TU Wien. „Der Vorrat an Wasser bestimmt, wie viel Nahrung zur Verfügung steht und beeinflusst somit das Bevölkerungswachstum. Umgekehrt wird bei einer Bevölkerungszunahme auch in den natürlichen Wasserkreislauf eingegriffen – etwa durch den Bau von Wasserreservoirs.“
Weil Wasser und Gesellschaft einander unmittelbar beeinflussen, genügt es nicht, beides getrennt voneinander zu beschreiben. Daher versucht man an der TU Wien heute, die Wechselwirkungen zwischen Soziologie und Hydrologie in mathematische Modelle zu fassen. So entstand das Forschungsgebiet der Sozio-Hydrologie.
Wie sich zeigt, können Wasserreservoirs tatsächlich helfen, kleinere Dürreperioden gut zu überstehen. Während die Maya-Bevölkerung in der Simulationsrechnung ohne Reservoirs nach einer Dürre zurückgeht, kann sie mit geeigneten Wasservorräten immer noch weiterwachsen. Doch genau das macht die Population verwundbarer: Das Verhalten bleibt gleich, der Wasserbedarf pro Kopf wird nicht gesenkt, aber die Bevölkerung wächst weiter. Kommt es dann abermals zu einer Dürre, kann das zu schlimmen Konsequenzen führen – mit einem Populationseinbruch, der dramatischer ist, als er ohne Wasserreservoirs gewesen wäre.

Bewusster Umgang
Ob das tatsächlich der Grund für den Niedergang der Maya-Kultur war, wird sich wohl nie eindeutig klären lassen. Auch Kriege oder Epidemien könnten eine Rolle gespielt haben.
„Wenn man es mit knappen Ressourcen zu tun hat, dann sind die scheinbar einfachsten Lösungen nicht immer die besten“, meint Kuil. „Man muss das Verhalten ändern, man muss die Abhängigkeit der Gesellschaft von dieser Ressource überdenken und den Verbrauch reduzieren – sonst kann es trotz kluger technischer Lösungen passieren, dass die Gesellschaft nicht sicherer sondern im Gegenteil immer katastrophenanfälliger wird.“

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red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 28.09.2016