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26. April 2024

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Ungekühlt

Ungekühlt© piqs.de/felix wilhelm

Von einem Quanten-Chip, der Infrarotbilder schnell und ohne aufwendige Kühlung aufnehmen kann, versprechen sich Forscher der TU Wien viele spannende Anwendungsmöglichkeiten.

Ein Schiff ist gekentert – weit draußen am Meer. Schwimmen irgendwo noch hilfesuchende Überlebende herum? Mit einer Wärmebildkamera, auf einer Drohne montiert, lässt sich das auch bei Nacht rasch feststellen.
Doch für Kameras, die Infrarotstrahlung detektieren, gibt es auch noch viele andere Einsatzszenarien. Man könnte sie zum Beispiel in der Umwelttechnik verwenden, um bestimmte Chemikalien nachzuweisen. An der TU Wien gelang es nun, einen neuartigen Infrarot-Detektor zu entwickeln, der mehrere Vorteile vereint: Er ist schnell, muss nicht gekühlt werden und lässt sich spezifisch auf bestimmte Wellenlängen optimieren.
„Grundsätzlich gibt es heute zwei Typen von Detektoren für Infrarotstrahlung“, erklärt der Gottfried Strasser, Leiter des Zentrums für Mikro- und Nanostrukturen an der TU Wien. „Thermische Detektoren, die auf Wärme reagieren, und photonische Detektoren, in denen die einfallende Strahlung quantenphysikalische Prozesse auslöst.“

Groß und schwer
Geräte der ersten Gruppe sind nicht besonders schnell und auch nicht präzise, aber es genügt, um beispielsweise ein Wärmebild eines Gebäudes zu erstellen und zu sehen, an welchen Stellen die Wärmedämmung verbessert werden muss.
In photonischen Detektoren versetzt das Infrarotlicht Elektronen in einen höheren Energiezustand versetzt – und diese Zustandsänderung wird dann gemessen. Ein großes Problem ist aber der Dunkelstrom: Der Detektor erwärmt sich im Betrieb, dadurch werden dieselben elektronischen Vorgänge ausgelöst wie durch das Infrarotlicht. So wird eine Kühlung mit flüssigem Stickstoff benötigt. Das macht die Detektoren teuer, groß und schwer.

Neuer Ansatz
An der TU Wien ging man einen anderen Weg: Man baute einen Array aus Quantenkaskaden-Detektoren. Sie bestehen aus mehreren Schichten mit jeweils unterschiedlichen elektronischen Eigenschaften. Spannung muss keine angelegt werden, das Bildrauschen ist gering, eine Kühlung ist nicht nötig.
Die Wellenlänge, auf die der Detektor optimiert ist, lässt sich gezielt anpassen. Das bietet besonders interessante Möglichkeiten: Jedes Molekül hat einen ganz spezifischen Infrarot-Fingerabdruck, anhand dessen man es zweifelsfrei identifizieren kann. Eine Infrarot-Kamera, die hochspezifisch Strahlung mit ganz bestimmten Wellenlängen abbildet, könnte man daher nutzen, um auf einen Blick die Verteilung unterschiedlicher Moleküle zu ermitteln.

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red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 21.09.2016