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26. April 2024

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Zwischenstation Deponie

Zwischenstation Deponie© piqs.de/alex proimos

Die Müllhalde als Bergwerk: Ein europäisches Expertennetzwerk arbeitet an Konzepten um aus Abfällen Rohstoffe zu gewinnen.

Von Sand und Kies im Beton bis zu Goldkontakten im Computerchip – alle Rohstoffe, die wir verwenden, sind endlich. Sie werden abgebaut, verarbeitet, genutzt und irgendwann entsorgt. Doch je größer die Rohstoffmengen werden, die wir aus der Erde (der Geosphäre) in unseren Einflussbereich (die Anthroposphäre) verschieben, umso interessanter wird die Frage, ob nicht die Anthroposphäre selbst zur Rohstoffquelle wird.
Solch sekundäre Rohstoffquellen sind Deponien, Halden oder auch abgerissene Gebäude. Ein europäisches Expertennetzwerk (COST Aktion), geleitet von der TU Wien, soll nun untersuchen, wie das gelingen kann. Entscheidend ist dabei, Informationen über die anthropogenen Rohstoffquellen zu sammeln und aufzubereiten, damit sie in Zukunft genauso wirtschaftlich bewertet und vorausschauend beurteilt werden wie Goldminen oder Erdölfelder. „Für die natürlichen Rohstoffvorkommen gibt es ein gut etabliertes Berichtswesen“, sagt Ulrich Kral vom Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft, TU Wien.

Sinnvoll
Ob man anthropogene Ressourcen auf ähnliche Weise klassifizieren und bewerten kann, ist bisher noch nicht geklärt. Dabei wären Richtlinien wichtig, um beurteilen zu können, ob es ökologisch und wirtschaftlich sinnvoller ist, Primärrohstoffe abzubauen, oder Sekundärrohstoffe aus nicht mehr benötigten Produkten und Gütern zurückzugewinnen.
Diese Lücke soll nun die COST Aktion „Mining the European Anthroposphere“ schließen. Die TU Wien hat das Projekt initiiert, insgesamt arbeiten Forschungsteams über 20 europäischen Staaten an dem Projekt. „Unser Hauptaugenmerk liegt auf drei Fallstudien“, erklärt Kral. „Wir beschäftigen uns mit Ressourcen, die in Gebäuden verbaut sind, mit Mülldeponien und mit festen Rückständen aus der Müllverbrennung – drei ganz unterschiedliche anthropogene Quellen.“

Wertvoll
Wenn Häuser abgerissen werden, kann man allerlei wertvolles Material wiederverwenden: Gestein und Schutt kann man für andere, neue Gebäude nutzen, aber auch Bauholz, Metall oder Fensterglas lassen sich wiederverwerten. „Man kann Landkarten erstellen, aus denen ersichtlich ist, welcher Rohstoff wo in welchem Ausmaß enthalten ist“, sagt Kral. „So kann man dann zum Beispiel auf einen Blick erkennen, wo in Wien große Mengen Kupfer verbaut sind und ob damit zu rechnen ist, dass dieses Kupfer in den nächsten Jahrzehnten zurückgewonnen werden kann.“
Auch Deponien müssen keine Rohstoff-Endstation sein. Sie können wertvolle Metalle enthalten, andere Bestandteile lassen sich verbrennen, um Energie zu gewinnen. „Und selbst die Rückstände der Müllverbrennung können noch genutzt werden“, erklärt Jakob Lederer. In manchen europäischen Ländern werden sie im Straßen- und Deponiebau als Kiesersatz eingesetzt und es können noch Metalle zurückgewonnen werden.

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red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 09.09.2016