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27. April 2024

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Religiöse Selektion

Religiöse Selektion© Bilderbox.com

Durch die Klassenbildung an Volksschulen werden soziale Unterschiede verschärft.

Die soziale Durchmischung in österreichischen Volksschulen ist schlecht. Das liegt allerdings nicht nur an der Wohngegend oder dem Schulprofil. Laut einer Studie können die ohnehin schon eklatanten Differenzen sogar noch einmal verschärft werden, weil Kinder nach ihrem sozialen Status verteilt werden.
Michael Sertl und Claudia Leditzky von der Pädagogischen Hochschule Wien beschreiben in der Zeitschrift „Erziehung & Unterricht“ zwei dominante Kriterien: Ganz im Sinne der in Österreich vorgeschriebenen Koedukation bemühen sich Schulleiter um ein möglichst ausgewogenes Verhältnis von Burschen und Mädchen, das zweite wesentliche Kriterium ist aber bereits das Religionsbekenntnis.

Ghettos
Selbst wenn so nur die Erstellung des Stundenplans erleichtert werden soll, führt die Aufteilung der Schüler nach ihrer Religion fast zwingend auch zu Klassen, in denen Kinder mit deutscher Muttersprache und einer gewissen Bildungsaffinität überrepräsentiert sind, während in anderen Klassen solche Schüler fehlen. An manchen untersuchten Schulen wurden sogar bewusst Kinder mit derselben Muttersprache in Klassen zusammengefasst, damit leichter Gruppen für den muttersprachlichen Unterricht gebildet werden können.
Es geht aber auch anders: So berichteten Schulleiter, dass sie Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache ganz bewusst möglichst gleichmäßig auf alle Klassen verteilen, um Ghettobildung vorzubeugen.

Verdrängung
Ein weiterer Grund sind Schulen mit bestimmten Schwerpunkten wie Zweisprachigkeit oder speziellen pädagogischen Konzepten: Indem vor allem Eltern aus der bildungsbewussten Mittelschicht dorthin drängen, kommt es zu Konkurrenz- und Verdrängungseffekten beim Wettbewerb um die wenigen Schulplätze an diesen Einrichtungen. Dasselbe passiert, wenn es an einer Schule Schwerpunkt- und Schulversuchsklassen gibt. Zu einer Homogenisierung können außerdem die Wünsche der Eltern führen, dass ihr Kind dieselbe Klasse wie seine Freunde besuchen soll.
Gleichzeitig geben in der Studie viele Schulleiter an, sich um eine „möglichst große Ausgewogenheit und Balance der Ungleichheiten“ zu bemühen: So werden ehemalige Vorschüler in der Regel gleichmäßig auf die verschiedenen ersten Volksschulklassen verteilt; dasselbe gilt für Schüler, die im Aufnahmegespräch als unkonzentriert, noch nicht altersadäquat oder leistungsschwach aufgefallen waren.

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APA-Science/red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 01.09.2016