Unabhängiges Magazin für Wirtschaft und Bildung

26. April 2024

Search form

Search form

A schöne Leich’ als österreichisches Begräbnis erster Klasse

A schöne Leich’ als österreichisches Begräbnis erster Klasse© Volker Plass/gruenewirtschaft.at

Bei der Regierungsreform der Gewerbeordnung ist von den groß angekündigten Modernisierungen de facto nichts übrig geblieben. Die Regierung riskiert nun sogar Konflikt mit Verfassungsgerichtshof.

Ein Gastkommentar von Volker Plass (Unternehmer und Bundessprecher der Grünen Wirtschaft Österreich). Gelernte Österreicher wissen, was man unter einer »Schönen Leich’« versteht: Eine opulente Bestattung mit allem, was dazugehört.

Fristgerecht zu Allerseelen hat uns die Bundesregierung an einem solchen »Begräbnis erster Klasse« teilhaben lassen und wortgewaltig ihre endgültigen Pläne zur angeblichen »Reform« der österreichischen Gewerbeordnung präsentiert.

Sozialpartner pachten das Gewerbe des Beton-Anmischers
Von dem noch Anfang Juli angekündigten großen Wurf mit einigen vielversprechenden Aspekten, ist nun praktisch nichts mehr übrig geblieben. Die Sozialpartner haben wieder einmal mit vereinten Kräften bewiesen, dass hierzulande das Gewerbe des „Beton-Anmischers“ das allerwichtigste ist.
Österreich wird auch in Zukunft eines der starrsten und bürokratischsten Gewerberechte Europas haben. Das Motto »Verbieten und Verhindern« steht dabei an oberster Stelle. Besonders zwei immens wichtige Punkte fehlen im nunmehr vorliegenden Gesetzesentwurf.
Die versprochene Evaluierung der 80 streng reglementierten Gewerbe hat ergeben, dass kein einziges(!) davon freigegeben wird. Und das, obwohl der Verfassungsgerichtshof längst klar gestellt hat, dass die Erwerbsfreiheit nur aus ganz gravierenden Gründen eingeschränkt werden darf.
Die Zugangsbeschränkungen zu den meisten reglementierten Gewerben dürften deshalb schlicht und einfach verfassungswidrig sein. Und entsprechend der Anleitung »Wie mache ich mich besonders lächerlich?« kommt jetzt mit dem Hufschmied sogar noch ein 81. reglementiertes Gewerbe dazu.

Reglementierte Gewerbe entrümpeln
Eine Entrümpelung der vollkommen veralteten Zugangsbeschränkungen könnte sehr leicht erfolgen: Freigegeben werden alle Gewerbe, von denen keinerlei Gefahr ausgeht, bei denen sich die Kunden problemlos selbst ein Urteil über die angebotene Leistung bilden können und die im Rest Europas bereits fast überall frei zugänglich sind.
Zwei Beispiele: Warum verlangen wir von jungen Leuten, die eine Schneiderei oder eine Bäckerei aufsperren wollen, eine Meisterprüfung, wenn ohnehin ein Großteil unserer Textilien aus Fernost importiert und ein Großteil unserer Backwaren in Supermärkten hergestellt werden? Sollten wir uns nicht freuen, dass solche Betriebe überhaupt noch gegründet werden?
Ja, alle Hinweise auf Qualitätssicherung und Lehrlingsausbildung sind natürlich ernst zu nehmen. Dies kann aber nicht bedeuten, dass wir mit mittelalterlichen Berufsverboten agieren.
Gute Qualität wird sich am Markt immer durchsetzen, und sehr viele Lehrlinge werden auch heute schon in vollkommen unreglementierten Branchen – etwa im Einzelhandel – ausgebildet.

Universal-Gewerbeschein für alle freien Gewerbe
Auch der in Aussicht gestellte Universal-Gewerbeschein für alle freien Gewerbe wurde wieder fallen gelassen. Allein mit dieser Maßnahme hätte man pro Jahr mehr als 40.000 vollkommen sinnlose Anmeldeverfahren streichen können.
Das wäre endlich einmal jener »Bürokratieabbau« gewesen wäre, den speziell die Wirtschaftskammer immer von allen anderen fordert. In einem freien Land und in einer freien Wirtschaft geht es den Staat schlicht und einfach nichts an, mit welchen legalen und vollkommen frei zugänglichen Tätigkeiten Unternehmer ihr Einkommen erwirtschaften!
Die Sozialpartner haben beide Reformansätze aus purem Eigennutz verhindert. Bei den reglementierten Gewerben hat sich die Wirtschaftskammer traditionell immer schon quer gelegt, da ihr Wettbewerbsverhinderung und Protektionismus zugunsten der etablierten Betriebe seit jeher wichtiger waren, als unternehmerische Freiheit.

857 Wirtschaftskammer-Fachgruppen und 859 unterschiedliche Kollektivverträge
Und der Universal-Gewerbeschein wurde bekämpft, weil dieser mit einem Schlag auch die vollkommen veralteten Strukturen der Sozialpartner in Frage gestellt hätte: Wenn die Gewerbeordnung plötzlich schlank und einfach würde – wozu bräuchten wir dann noch 857 Wirtschaftskammer-Fachgruppen und 859 unterschiedliche Kollektivverträge?
Außerdem hätte dieser Schritt der Wirtschaftskammer große Einbußen bei den Grundumlagen gebracht, da viele Mehrfach-Mitgliedschaften plötzlich obsolet geworden wären.
Eine Zuordnung der Angestellten zu den richtigen Kollektivverträgen müsste gar nicht über die Wirtschaftskammer-Fachgruppen erfolgen, dies könnte im Zuge der Anmeldung bei der Krankenkasse geschehen. Und auch die Strukturen der Wirtschaftskammer könnte man wesentlich einfacher gestalten.
Dass in einem vereinten Europa und in einer globalisierten Wirtschaft die spezifischen Interessen jeder Branche in einem Bundesgremium und in neun zusätzlichen Landesgremien vertreten werden, ist vollkommen absurd und zudem unglaublich teuer.

Das kleine Glück Österreichischer Kammerfunktionäre
Auch wenn man an der Kammer-Pflichtmitgliedschaft nicht rütteln will, hätte man zumindest innerhalb der Wirtschaftskammer ein wenig Freiwilligkeit einführen können: Mit nur 100 Euro Grundumlage würde jedes Unternehmen eine Basismitgliedschaft in der Kammerorganisation erwerben.
Sollte es noch zusätzlich an einer branchenspezifischen Interessenvertretung interessiert sein – zum Beispiel an einer Tischlerinnung – wären dafür zusätzliche freiwillige Beiträge zu bezahlen.
Viele Unternehmen würden dann feststellen, dass sie die alten Fachgruppen und Innungen gar nicht mehr benötigen würden und ihnen ein schlankes und effizientes Bundesgremium anstelle der alten Zehnfach-Strukturen vollkommen reicht. Dies würde aber tausenden Kammerfunktionären ihr kleines Glück rauben und deswegen wurde die Reform verhindert.
Fazit: In der ganzen Welt müssen sich die Interessenvertretungen am realen Leben orientieren. Nur in Österreich können wir die Gewerbeordnung nicht ändern, weil es Wirtschaftskammer-Fachgruppen gibt.

Der Autor Volker Plass ist Unternehmer und Bundessprecher der Grünen Wirtschaft Österreich.

Links

Volker Plass, Economy Ausgabe Webartikel, 15.11.2016