(K)Ein Disneyland für die Chinesen sein
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Josef Penninger und weitere prominente Forscher warnen die Regierung vor einer Kürzung des Forschungsbudgets. Der heimischen Forschung droht ein Super-GAU. Für sein Institut IMBA sieht er ein gutes Jahr vor sich. „Wir haben viele neue Gene gefunden, die bei Krebs, Schmerz, Fettsucht, Diabetes oder Herzerkrankungen eine Rolle spielen.“
Ende Jänner haben vier hochkarätige Wissenschaftler – Josef Penninger, Anton Zeilinger, Giulio Superti-Furga und Rainer Blatt – auf die Pauke gehauen: Der heimischen Forschung droht ein Super-GAU. Massive Qualitätseinbußen in der Grundlagenforschung und langfristige wirtschaftliche Nachteile für das Land wären die Folge, sollte die Regierung das Forschungsbudget so zusammenstreichen, wie es derzeit geplant ist.
Josef Penninger, Leiter des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Akademie der Wissenschaften (IMBA), spricht nicht primär für sein – finanziell relativ gut aufgestelltes – Institut, sondern für die gesamte Forschungsszene in Österreich: „Wir brauchen ein vernünftiges Budget. Wir können sonst die bestehenden Strukturen nicht ausnützen und vielleicht nicht einmal erhalten. Die mühsame Aufbauarbeit wäre umsonst und die österreichische Forschung um Jahre zurückgeworfen.“ Das Minimum sind die letztes Jahr zugesagten 2,3 Mrd. Euro für die Jahre 2009 bis 2013.
economy: Was hat Ihre Initiative gegen die Forschungsbudgetkürzung bis jetzt bewirkt?
Josef Penninger: Seit 5. Februar ist unsere Initiative „Forschung ist Zukunft“ online. Wir bekamen am ersten Tag 1600 Unterstützungserklärungen. Jetzt haben wir mehr als 8000. Wir werden nicht lockerlassen.
2002 gab es eine Krise wegen unsicherer Finanzierung, 2003, 2004, 2007. Ändert sich nichts?
Ich möchte für das Land eine Vision sehen. Alles, was ich jetzt sehe, ist: Ein Loch wird da gestopft, eines dort, um den Status quo zu halten. Das wird nicht haltbar sein. Man muss sich für die Zukunft bereit machen. Es gibt viele Technologien, wo wir nicht schlecht sind, wie Umwelttechnologie oder Biotech. Wir müssen uns entscheiden. Die Frage ist, ob wir in Zukunft ein Disneyland für die Chinesen sein wollen, die zu uns kommen, um uns in Kostümen aus dem 18. Jahrhundert zu sehen. Oder ob wir etwas anderes wollen. Dann brauchen wir eine Vision, bereits in den Schulen Wissenschaft zu unterrichten, die Unis gut aufzusetzen und den Absolventen Forschungsmöglichkeiten zu bieten. Jetzt herrscht der volkswirtschaftliche Wahnsinn, dass gut ausgebildete Leute weggehen, weil sie woanders bessere Chancen haben. Die Chinesen haben ihre Rohdiamanten nach Amerika geschickt und holen sie jetzt zurück. Wir dagegen schleifen unsere Diamanten mit wahnsinnig viel Geld, schicken sie woanders hin, und die Amerikaner sagen: Super.
Wie geht es dem IMBA in Zeiten der Krise?
Wir stehen heuer noch relativ gut da. Wir haben immer gut gehaushaltet und könnten durchtauchen. Die Initiative dient nicht unserem Selbstinteresse. Aber wenn links und rechts alles zusammenbricht, schauen auch wir schlecht aus. Dann ist es sehr schwer, gute Leute ans IMBA und generell nach Österreich zu holen.
Gibt es Unsicherheit am IMBA? Sagen Ihnen die Leute, dass sie abwandern werden?
Ja, ein paar haben mir das gesagt. Die lesen alle Zeitung.
Sie waren in Kanada sehr erfolgreich. Haben Sie es jemals bereut, nach Österreich zurückgekommen zu sein?
Ja, etliche Male. Ich hätte es mir einfacher vorgestellt.
Wie würden Sie sich selbst bezeichnen, als Immunologe oder Molekularbiologe?
Als Wissenschaftler. Ich studierte Medizin und schrieb meine Doktorarbeit über Immunologie bei Georg Wick in Innsbruck. In Kanada machte ich auch Immunologie – wie sich weiße Blutkörperchen entwickeln und wie diese Zellen Infektionen erkennen, wie deren Rezeptoren funktionieren oder wie sie Signale senden. Als Mediziner interessiert es mich, Modelle menschlicher Erkrankungen zu entwickeln. Wir können genetisch an Tierversuchen menschliche Erkrankungen nachstellen und zeigen, welche Gene für welche Erkrankungen verantwortlich sind. In den letzten Jahren haben wir zu Diabetes gearbeitet, und wir konnten einige Mechanismen aufklären, warum Vogelgrippe und Sars-Infektionen so tödlich sind.
Woran arbeiten Sie derzeit?
Mein halbes Labor hat die letzten vier, fünf Jahre dazu verwendet, um in Fruchtfliegen Modelle für menschliche Erkrankungen aufzubauen. Wir haben Schmerzmodelle und Krebsmetastasenmodelle gemacht. Wir haben dicke und dünne Fliegen gezüchtet, also Fettsuchtmodelle aufgestellt. Wir haben Modelle für Blutentwicklung und Herzerkrankungen. Die Idee dahinter ist, systematisch das genetische Universum eines Organismus abzusuchen. Wir arbeiten mit Genetikern, die uns sagen, welches Gen für Herzerkrankungen oder Schmerzempfindung beim Menschen verantwortlich sein könnte. Dann ändern wir bei der Maus das Gen, das wir bei Fliegen und Menschen gefunden haben, und schauen, ob es stimmt.
Die Maus als Bindeglied?
Bei Fliegen haben wir neue Gene gefunden, die den Schmerz kontrollieren. Das entsprechende Gen haben wir bei Mäusen abgeschaltet. Die Mäuse zeigten genau, was wir in Fliegen vorausgesagt hatten. Die Idee funktioniert also.
Das sogenannte Dream-Gen?
Auch. Wir haben aber auch vollkommen neue Gene. Eine Maus ohne eines dieser neuen Gene hat ein verändertes Schmerzempfinden. Wir haben ein Gen gefunden, das den Fetthaushalt kontrolliert. Heuer sollte ein sehr gutes Jahr für uns werden. Eine Studentin hat etwa ein neues Krebsgen gefunden, das wahrscheinlich ein neuer Marker ist, mit dem wir eventuell Lungenmetastasen bei Frauen mit Brustkrebs voraussagen können. Durch unsere systemischen Untersuchungen in Fliegen sitzen wir auf Hunderten von neuen Genen, die bei Krebs, Schmerz, Fettsucht, Diabetes oder Herzerkrankungen eine Rolle spielen könnten. Die Funktionen der meisten dieser Gene waren bisher unbekannt.
Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen?
Ich will eine Vision für Forschung in Österreich sehen. Alle Studien zeigen, dass Forschung die beste Investition in Krisenzeiten ist. Wir müssen unser Institut IMBA auch größer machen. Wir müssen uns mindestens verdoppeln, um in der Champion’s League langfristig mitspielen zu können.