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26. Juli 2024

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Der V8 – ein Requiem

Der V8 – ein Requiem

Der amerikanische V8-Motor alias Detroit Iron hat eine fast hundertjährige Geschichte auf dem Buckel. Doch die Tage des Brot-und-Butter-Aggregats des US-Motorenbaus sind gezählt.

Ein klassischer V8-Motor guter, alter amerikanischer Bauart hat nicht viele Spezifikationen: Er ist entweder ein Small Block oder ein Big Block, je nach Cubic Inch (cui, Hubraum). Horse-power ist Nebensache. Das technische Layout ist denkbar einfach und basiert auf einer 90-Grad-V-Anordnung zweier Vierzylinder-Blöcke mit zentraler Nockenwelle und einer mächtigen Kurbelwelle darunter.
Der V8 ist ein legendäres Stück aus der Geschichte des Motorenbaus – erstmals eingesetzt 1914 –, aber die derzeit erratischen Zustände der Auto-industrie lassen eines sicher erscheinen: Seine Tage sind gezählt. Heutzutage gelten weniger Cubic Inches als Miles per Gallon (mpg, amerikanische Verbrauchsangabe). Die Realität holt die Ikone ein.
Die Zeit ist also reif für einen Rückblick auf den Blubbermotor. Den klassischen Small-Block-V8, wie er millionenfach in ikonischen Gefährten wie dem Chevy Caprice, Corvette 
oder Pontiac Trans Am, in Fords, Cadillacs, Oldsmobiles, Dodges und Buicks eingesetzt wurde, gab es in Größen von 265 cui (4,3 Liter) bis 327 cui (5,7 Liter). Ein Big Block wiederum ist alles, was mehr als 360 cui (5,9 Liter) hat, und hier reichte die Palette bis zu enormen Monstern wie dem 500 cui (8,2 Liter), den man in den 1970er Jahren in Serien-Cadillacs vorfand, und zu Mega-Versionen wie dem 572 cui (9,4 Liter) V8 von General Motors, der als Tauschmotor für alle Autos angeboten wurde, „die genug Platz unter der Haube haben“, wie es noch im Jahr 2002 hieß.
Viele dieser Motoren, vor allem die Brot-und-Butter-Small-Blocks für die weit verbreiteten Fullsize-Limousinen, wurden jahrzehntelang fast unverändert, mit nur geringfügigen Modernisierungen, hergestellt. Die Vorteile eines V8 waren lange unschlagbar: ein behutsamer Kraftaufbau beim Wegfahren, eine Laufruhe ideal für lange Highway-Fahrten, genug Kraft und Drehmoment für Anhängelasten, lange Lebensdauer und einfache Reparatur. Fans addieren hierzu noch den V8-Blubbersound, brachiale Gewaltentfaltung beim beherzten Gaspedaldruck und letztlich das entspannte Cruisen.

Blubb, blubb, blubb
Aber: Ein V8 hat aus heutiger Sicht auch eine Menge Nachteile. Ein BMW-Techniker führte in einem Gespräch kürzlich den „verheerenden Wirkungsgrad“ der amerikanischen V8-Motoren ins Treffen, der alten sowieso, aber auch der neuen Achtzylinder, mögen sie nun Vortec oder Northstar oder wie auch immer heißen. Im Vergleich mit einem Hightech-V8-Turbodiesel von BMW mögen die Detroit Irons durchaus sprichwörtlich ein wenig abstinken, aber wer hat behauptet, dass BMW-V8 jemals das Zeug zu einer Ikone haben werden?
Nun ja, zu den Nachteilen. Der größte ist sicherlich der enorme Benzindurst der riesigen Triebwerke, der seinen Höhepunkt im Stadtverkehr bei Stop and Go erreicht, auf der Autobahn aber so schlimm auch wieder nicht sein muss. Ein weiterer Nachteil ist der langsame Beschleunigungsaufbau beim Überholen. Und andere sind sicherlich auch der imposante Ölverbrauch und so manche Probleme beim Kaltstart.
Demgegenüber sind amerikanische V8-Motoren leicht zu reparieren, nahezu unverwüstlich und auf Laufleistungen jenseits der 300.000 Kilometer angelegt. Der Auto dieser Zeilen durfte folgende V8-Autos vorübergehend sein Eigen nennen und aus vollen Zügen genießen: Chevy Caprice 1984, Pontiac Trans Am 1976, Chevrolet Chevelle 1972 und Dodge Charger 1974. Die imposanten Limousinen boten Fahrerlebnisse, die man nicht missen möchte. Abgesehen von den Tankstopps. Besonders die Caprice mit dem 100-Liter-Tank zeigte sich hier unbarmherzig.

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

Begierige Benzinpreiszocker

Begierige BenzinpreiszockerBilderbox.com

Hinter steigenden Rohölpreisen stehen Spekulanten, die an jedem echt oder virtuell verkauften Barrel gut verdienen.

Hatten Sie bis vor Kurzem auch bei jedem Blick auf die Quittung an der Tankstelle oder auf die Abrechnung Ihres Heizöllieferanten einen gotteslästerlichen Fluch auf den Lippen? In der Zwischenzeit haben sich die Preise auf den Rohölmärkten ja wieder etwas erholt, und die Geldmärkte dieser Welt sorgen längst für andere weit ernstere Probleme. Aber spätestens mit der anstehenden Erhöhung der Erdgaspreise zum Jahreswechsel wird es wieder Diskussionsstoff genug geben, und all die schlechten Erfahrungen könnten erneut durchlebt werden.
Ein schwacher US-Dollar, künstlich gesteuerte Knappheiten sowie Preistreiberei durch die Opec (Organisation Erdöl exportierender Länder) und später insbesondere der enorm gestiegene Verbrauch von Rohstoffen durch das Wirtschaftsboomland China wurden bei den Erklärungsversuchen für die heurige Belastungswelle vorgeschoben. Im Sommer wurde von Börsengurus wie George Soros erstmals angeprangert, dass es sich bei der irrwitzig gestiegenen Preisspirale vor allem um reine Spekulationsblasen handele, die von Investoren, welche ihr Geld vor allem in Anlagen von Ölkonzernen pumpten, de facto „hausgemacht“ seien.
An der Wall Street und an der Rotterdamer Handelsbörse reagierte man prompt und wies wortreich darauf hin, dass „das übliche Märchen von den Spekulanten“ falsch sei und man stattdessen Fakten zur Kenntnis nehmen solle. Diese Fakten wären etwa schlechte Fundamentaldaten als Hauptpreistreiber sowie eine über alle Erwartungen hochgeschnellte Nachfrage, die das natürliche Wachstum verfügbarer Kapazitäten der globalen Raffinerien weit 
überstiegen.

Preisübertreibung
Es war ein netter Versuch der Börsianer, die Preisentwicklung auf dem Ölmarkt der breiten Öffentlichkeit gegen-über zu verniedlichen. Analysten der niederländischen Bank ABN Amro nannten im Juli das Kind beim Namen: „Es gibt derzeit eine massive spekulative Preisübertreibung auf dem Markt. Bis Ende Juni 2008 sind laut einem Bericht von S&P (Standard & Poor’s, Anm. d. Red.) zirka 40 Milliarden US-Dollar allein durch Spekulanten in den Rohölmarkt gelangt, wovon das Gros in die Energierohstoffe Erdöl und Erdgas geflossen ist. Dieses Kapital kann natürlich ebenso schnell wieder vom Markt abgezogen werden.“
Erste klare Worte zum Thema. Natürlich weiß jeder, dass am Freitag der Preis für Diesel, Super- oder Normalbenzin an der Zapfsäule nicht steigt, weil China mehr Treibstoff braucht oder ein Kronprinz in Abu Dhabi ein neues Touristenzentrum errichtet, sondern weil die Privatnutzung des Kfz am Wochenende so stark steigt, dass man, ganz im Sinne des Prinzips von Angebot und Nachfrage, die Preise ideal anheben kann, um noch mehr Gewinn zu erwirtschaften. Dieses Prinzip gilt auch für Marktspekulationen. So wurde mittlerweile bekannt, dass etwa eine 5000-Dollar-Wette des berüchtigten US-Traders Richard Arens eine Spekulationswelle lostrat, die den Erdölpreis erstmals über die 100 Dollar-pro-Barrel-Grenze trieb. „In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden 60 Prozent der Operationen auf dem US-Ölmarkt mit virtuellem Erdöl und dessen vielfachem Weiterverkauf gemacht“, stellte etwa der Abgeordnete zum EU-Parlament Robert Goebbels fest. „Die Folge ist eine blutige Spur der Verwüstung in der Weltwirtschaft.“
Indessen rufen EU-Minister lautstark zur Bekämpfung übertriebener Spekulationen auf den Ölmärkten auf. Doch die Möglichkeiten sind beschränkt. So musste EU-Ratsvorsitzender Jean-Louis Borloo vor Kurzem eingestehen, dass es langfristig leider klar sei, dass „die Spekulanten weiterhin ihre Spielchen spielen können, solange nicht weltweit radikale Maßnahmen dagegen ergriffen werden“. Egal ob der Ölpreis also steigt oder fällt – vor allem die Spekulanten werden weiter an jedem echt oder virtuell verkauften Barrel Rohöl verdienen. Ebenso unabhängig bleiben die Konsumenten auf der Strecke. Oder haben Sie die gesunkenen Ölpreise aktuell in Ihrer Geldbörse bemerkt?

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

Holpriger Weg für das indische Billigauto

Holpriger Weg für das indische Billigauto

Er soll der ultimative „Volkswagen“ für den kleinen Mann werden, doch ausgerechnet dieser hatte etwas gegen die Errichtung der Fabrik zur Herstellung des indischen Billigkleinwagens Tata Nano. Wochenlange Bauernproteste im kommunistisch regierten Bundesstaat Westbengalen zwangen den Konzernriesen Tata in die Knie.

Das indische Volksauto, der Tata Nano, hat seine erste Konfrontation mit dem Volk nicht bestanden. Die Fabrik, die zur Massenherstellung des Kleinstwagens zum geplanten Endverkaufspreis von 100.000 Rupien (knapp 1500 Euro) in Indien im Bundesstaat Westbengalen geplant war, muss aufgrund von Bauernprotesten gegen Landenteignungen verlegt werden. Damit ist der geplante Marktstart Ende des Jahres hinfällig.
Vor Ärger schäumend verkündete Konzernchef Ratan Tata Anfang Oktober den Umzug der Fabrik in den Bundesstaat Gujarat. Er wolle nicht, dass das Werk unter Polizeischutz produziere, sagte Tata, oder riskieren, „dass Bomben geworfen werden“.
Dabei hat alles so vielversprechend angefangen. Der Kleinstwagen wurde auf der „New Delhi Auto Expo“ im Jänner 2008 vorgestellt und löste aufgrund seiner beinharten Billigkalkulation weltweit Erstaunen aus. Er wolle, so Tata, Entwicklungs- und Schwellenländern – angefangen beim 1,1 Milliarden-Volk Indien – eine umfangreiche Motorisierung ermöglichen.

Verarmter Landstrich
Bei der Standortsuche für ein Nano-Werk wurde Tata zunächst in Westbengalen fündig. Die dortige kommunistische Regierung zeigte großes Interesse an der Industrialisierung des verarmten Landstrichs, stellte dem Tata-Konzern Land und Lizenzen für die Fabrik in der Provinz Singur nahe Kalkutta zur Verfügung und hoffte auf Tausende Arbeitsplätze.
Doch, Volksregierung und -auto hin oder her, der Standort wurde erst durch die Enteignung von Farmland möglich, ein in Indien üblicher Weg der Industrialisierung. Damit begannen die Probleme. Schwer verärgerte Bauern, die sich durch die Enteignungen in ihrer Existenz bedroht sahen und aus ihrer Sicht viel zu geringe Entschädigungen erhielten, organisierten Protestveranstaltungen, die nicht selten in Gewalt ausarteten. Unter Führung von Mamata Banerjee, der Chefin der lokalen nationalistischen Trinamool-Congress-Partei, kam es zu Zufahrtsblockaden zur Fabrik, die im Oktober bereits zu 90 Prozent fertiggestellt war und für die Investitionen von 350 Mio. Dollar schon zum größten Teil geflossen waren. Nach wiederholten Auseinandersetzungen zwischen protestierenden Bauern, zu denen sich auch maoistische Rebellen gesellten, und Sicherheitskräften, Angriffen auf Werksbussen, ermüdenden Diskussionen mit politischen Vertretern und dem Selbstmord eines Werksarbeiters aus Verzweiflung über die Einstellung der Arbeit reichte es dem Tata-Chef: „Wenn mir jemand die Waffe an den Kopf hielte, würde ich nicht weglaufen. Aber jetzt fühlt es sich so an, als hätte Mamata Banerjee den Abzug betätigt.“
Die nationalistische Politikerin zeigte sich dann doch etwas überrascht über Tatas Entscheidung, schließlich ging es ursprünglich nur um höhere Entschädigungen für die Bauern. Dass nun das Werk abgezogen wird, hat Banerjee auch massive Kritik in den eigenen Reihen eingetragen. Sie musste schließlich zugeben, dass sie zunehmend die Kontrolle über die Proteste verloren hatte und am Ende keine Deeskalation der Lage erreichen konnte.
Während die Probleme in Westbengalen deutlich zeigten, dass die indische Regierung die Globalisierungskonflikte zwischen Investitionsinteressen der boomenden Großindustrie und den Heerscharen verarmter Bauern noch lang nicht im Griff hat, spitzt sich auch die Debatte um den Tata Nano selbst als billiges Massenauto zu.
Wie von Tata geplant, könnte der Nano einen Produktionsausstoß von einer Mio. Stück pro Jahr erreichen, was angesichts der Tatsache, dass es sich nicht unbedingt um ein Ökomobil handelt, fatale Folgen für die Umwelt in den Zielländern haben könnte. Ratan Tata selbst musste zugeben, dass die knappe Kalkulation für das Auto keine speziellen ökologischen Sonderfaktoren berücksichtigen könne, aber seine Vision sei eben die Motorisierung der Massen und weniger die Ökologisierung des Verkehrs.
Bedenkt man, dass Indien nicht über eine ausreichende Straßeninfrastruktur verfügt, die Millionen des Kleinstautos aufnehmen könnte, liegen noch einige Stolpersteine auf dem Weg zum Massenauto. Zudem würde der Nano, falls er wirklich –- wie angedacht – große Verbreitung in ärmeren Ländern findet, ein gutes Stück zur Verschlechterung der Treib-hausgasbilanz und damit zur Erd-erwärmung beitragen.
Der Tata-Konzern lässt sich hier allerdings nicht beirren. Schwellenländer wie Indien hätten das gleiche Recht auf allgemeine Motorisierung wie der Westen, erklärte Ratan Tata auf Vorwürfe von Umweltschützern. Es sei unfair, ihnen nun die Bürde des Klimaschutzes aufzuerlegen, den der Westen seinerseits lange Zeit ignoriert habe.

Albtraum der Umwelt
Rajendra Pachauri, der Chef des Weltklimarates der UNO, ebenfalls Inder, sagte, der Tata Nano bereite ihm bereits jetzt Albträume. In Indien seien derzeit nur 30 von 1000 Menschen motorisiert; mit dem Billigauto stünden hier riesige Veränderungen und infrastrukturelle Herausforderungen an. Und der CO2-Bilanz Indiens werde der Wagen nicht sonderlich gut tun, meinte Pachauri.
Ratan Tata dagegen meint, der Nano verbrauche mit fünf Liter auf 100 Kilometern nicht mehr als die derzeit in Indien massenhaft verwendeten Motorroller. Der Nano sollte aber Millionen Menschen aus der wachsenden indischen Mittelschicht das erste Mal eine Perspektive auf ein eigenes Auto eröffnen. Außerdem, so Tata, könnte ein Nano locker zwei Motorräder ersetzen, was der Umwelt sogar zugutekäme.
Der World Business Council for Sustainable Development rechnet damit, dass sich die Autoquote in Indien bis 2050 von drei auf zehn Prozent der Bevölkerung erhöhen wird und auch die Zahl der gefahrenen Kilometer deutlich ansteigen werde. Neben dem Schadstoffausstoß würde dies früher oder später zu einem Verkehrskollaps führen, wenn die indische Regierung mit dem Ausbau der Infrastruktur nicht rechtzeitig nachkomme.
Die Probleme dürften wohl länger auf die Schwellenländer beschränkt bleiben. Eine Massenmotorisierung durch Kleinstwagen wie den Tata Nano im Westen schließt der deutsche Autoexperte Ferdi-nand Dudenhöffer aus. Dem Wagen fehle es an sämtlichen üblichen Basis-Komfortelementen (Servolenkung, Fensterheber) und Sicherheitsstandards wie ABS oder Airbags. Mit einem entsprechenden Ausstattungs-Upgrade für westliche Ansprüche plus Steuern und Abgaben würde ein Nano nicht unter 6000 Euro zu verkaufen sein. Dudenhöffer: „Da ist man bei uns mit einem gut erhaltenen Gebrauchtwagen auf jeden Fall besser bedient.“

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

Paradigmenwechsel:
 Vom Diener zum Herrn

Paradigmenwechsel:
 Vom Diener zum HerrnDPA/Weißbrod

Die zuliefernde Industrie profitiert vom Elektroauto und wird zum Motorenlieferanten. So steigert sie ihren Anteil an der Wertschöpfung auf Kosten ihrer Kunden, der einst mächtigen Autokonzerne

Vor vier Monaten blickte die deutsche Automobilzuliefer-industrie optimistisch in die Zukunft und feierte sich unter dem Motto „Erfolgreiche Internationalisierung“ auf ihrer „1. Jahrespressekonferenz“ in Frankfurt ebenso kraftstrotzend wie selbstbewusst selbst. Zu Recht, wie es scheint. Seit 1995 ist sie dreimal so stark gewachsen wie die gesamte deutsche Industrie und schuf 77.000 Arbeitsplätze. In Europa ist sie mit ihren 328.000 Mitarbeitern die mit Abstand stärkste. Ihr Umsatz von 75,4 Mrd. Euro (2007), davon 44 Prozent im Ausland erwirtschaftet, liegt höher als jener der Industrien in Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien zusammen.
„Deutsche Zulieferer sind Innovationstreiber und ein unverzichtbarer Faktor für den Erfolg der Automobilhersteller“, lobte Mathias Wissman, der Geschäftsführer des Verbands Deutscher Automobilhersteller, die Leistung der 502 seiner 601 Mitgliedsunternehmen. Wie aber konnten viele den Anschluss bei der Entwicklung neuer Antriebstechnologien, dem Übergang vom Verbrennungs- zum Elektromotor, verpassen? Vorsprung durch Technik hat Toyota als einziger Hersteller mit Batteriekompetenz. Experten sehen Toyota in der Hybridtechnologie fünf Jahre vorausfahren.
Spätestens seit dem Pariser Autosalon hat die deutsche Automobilbranche eine rasante Verfolgungsfahrt aufgenommen. Bosch, weltweit größter Autozulieferer, hat die Zahl der Mitarbeiter für die Hybridtechnologie vervierfacht und will Weltmarktführer werden. Im Gegensatz zu japanischen Zulieferern will Bosch komplette Systeme anbieten.

Batterie im Mittelpunkt
Lange fehlte es der deutschen Automobilbranche an Innovationsstrategien, die sich an den großen Trends der Industrie orientieren. Das Elektroauto, früher als Spielwiese für realitätsfremde Forscher belächelt, hat mittlerweile das Potenzial, das gesamte Geschäftsmodell der Autoindustrie zu verändern. Denn nunmehr entwickeln nicht die Autobauer, sondern die Zulieferer die Zukunft des Autos. Der Kern des Elektroautos ist nicht mehr der Motor, sondern die Batterie. Aber wie sieht die-se Zukunft aus?
Mit dem Elektroauto wird nicht nur die Antriebstechnologie als Kernelement des Fahrzeugs neu erfunden, die mit den Herstellern von Batterien neue Akteure, die bisher mit dem Autobau überhaupt nicht verbunden waren, auftreten lässt. Es werden auch eine ganz neue Form der Karosserie und ein revolutionäres Design entwickelt, um Gewicht und Energie zu sparen. Zulieferer, die sich mit Konstruktionen aus Aluminium und ultraleichten Stählen beschäftigen, besetzen also ein strategisches Zukunftsfeld.
Nicht jeder Autohersteller wird es sich leisten können, den elektrischen Antriebsstrang selbst zu entwickeln. Nur Global Playern und Kooperationen ist dies vorbehalten. Bosch, dessen Unternehmen mit dem koreanischen Batterieexperten Samsung verbündet ist, und Continental, mit 16 Prozent bei dem japanischen Lithium-Ionen-Spezialisten Enax eingestiegen, haben erkannt, wie stark das Elektroauto die Branche verändern wird und dass die Automobilhersteller selbst die Verlierer sein könnten.
Continental nahm kürzlich als weltweit erster Hersteller die Serienproduktion von Lithium-Ionen-Batterien für den Einsatz in Autos mit Hybridantrieb auf. Vor diesem strategischen Hintergrund folgt die Übernahme von Continental durch die wesentlich kleinere Schaeff-ler-Gruppe einer großen industriellen Logik.
Schaeffler bietet ein Paradebeispiel für den Domino-Effekt, den die Bankenkrise ausgelöst hat. War die Finanzierung von Innovationen bisher für kleine Betriebe schwierig, se-hen sich nun auch große Unternehmen vor dem Hintergrund der Bankenkrise diesen Problemen ausgesetzt, und es laufen, wie das Beispiel Schaeffler zeigt, sogar Übernahmen Gefahr, nicht zustande zu kommen.
Kein anderes Land der Welt habe eine so innovative und leistungsstarke Zulieferindustrie wie Deutschland, sagte Wissmann auf der bereits erwähnten Veranstaltung. Doch auch wenn er Recht behält: In wenigen Jahren wird sie um 100.000 Arbeitsplätze schrumpfen.

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

Endzeitstimmung für die "Big Three"

Endzeitstimmung für die dpa/Ingo Wagner

Die amerikanische Autoindustrie ist wirtschaftlich an einem Tiefpunkt ihrer Geschichte angelangt. Über den drei großen Herstellern General Motors, Ford und Chrysler hängt das Damoklesschwert des Bankrotts. Die aktuelle Finanzkrise verschlimmert die Situation beträchtlich und bedroht Hunderttausende Arbeitsplätze.

Bob Lutz ist sicherlich ein interessanter Mann. Der ehemalige Kampfpilot der US-Marines hat eine Bilderbuchkarriere in der US-Autoindustrie hinter sich, und zwar bei allen der „Big Three“ von Detroit. Nachdem er 1963 bei General Motors (GM) begann, ist er nach Stationen bei Ford und Chrysler 2001 wieder bei GM gelandet und kümmert sich jetzt dort um die weltweite Produktenwicklung des abwechselnd mit Toyota größten beziehungsweise zweitgrößten Autokonzerns der Welt.
Vor knapp zwei Jahren war Bob Lutz in Wien, um ein neues Cadillac-&-Corvette-Experience-Center zu eröffnen, und gab dem Autor dieser Zeilen eines seiner raren Interviews. Schon damals wurde GM von Bankrott-Gerüchten umrankt, was Lutz allerdings als Spekulationen „in den europäischen Medien“ abtat, die „unwahrer nicht sein“ könnten. Ein Chapter-11-Verfahren nach US-Konkursrecht würde bei einem Autokonzern „gar nicht funktionieren“, sagte Lutz.
Wie die Wirtschaftsgeschichte lehrt, sind auch Spitzenmanager nicht vor Fehleinschätzungen gefeit. Zwar ist GM (noch) nicht in Konkurs, aber das mit Pomp und Trara und fünf Mio. Euro gelaunchte Cadillac-Center in Wien-Simmering jedenfalls ist bald nach dem Lutz-Besuch pleitegegangen. Das Konzept, an einer absoluten No-Location auf einem benzinpreissensiblen Minimarkt wie Österreich Luxus-Cadillac, Nischen-Corvettes und anachronistische Hummer zu verkaufen, ging seltsamerweise nicht auf.

Mangel an Innovation
Dies soll nur als kleines Beispiel dafür dienen, dass Entscheidungen, die in Riesenkonzern-apparaten wie GM, Ford oder Chrysler fallen, sich am Ende der geplanten Wertschöpfungskette oftmals verheerend auswirken können. Gerade General Motors befindet sich eigentlich seit den 1990er Jahren in einer Abwärtsspirale, als der Mangel an Innovationskultur in De-troit dazu führte, dass die japanische Konkurrenz in den USA Oberhand gewann. Was in dieser Zeit von GM an missratenen Fahrzeugen auf den Markt gebracht wurde, spottet ohnehin jeder Beschreibung.
Heute befindet sich General Motors in einer Zwickmühle aus hohen Sozialkosten, schlechten Produkten und verlorener Wettbewerbskraft. Das Unternehmen, das rund 270.000 Menschen beschäftigt, verbuchte bei einem Umsatz von rund 180 Mrd. Dollar im Jahr 2007 einen Rekordverlust von fast 39 Mrd. Dollar.
Das zusammengekaufte Markenimperium, das über die letzten 20 Jahre nur notdürftig über Badging zusammengehalten wurde (technisch identische Autos bekamen unterschiedliche Markennamen), steht auf dem Prüfstand. Fast alle Marken machen Verluste: Opel/Vauxhall, Saab, Buick, Saturn, GMC, Pontiac, Corvette, Holden. Der unsägliche Hummer steht zum Verkauf, Oldsmobile wurde eingestellt, einzig die Entscheidung, die südkoreanische Kleinwagenmarke Daewoo weltweit als Chevrolet zu vermarkten, erwies sich als richtig.

Schreibtischtäter
Wie GM steht auch die US-Auto-Ikone Ford vor dem Abgrund: Die aktuelle Finanzkrise ließ den ohnehin schon angeschlagenen Aktienkurs ins Bodenlose stürzen, und zuvor war Ford bereits genötigt, seine Töchter Jaguar und Land Rover nach Indien zu verkaufen. Auch hier wieder das gleiche Bild: Irgendwelche Schreibtischtäter in Detroit ruinierten das Image etwa von Jaguar mit dem Vorstoß in die Mittelklasse und einer missratenen Modellpolitik derart nachhaltig, dass sich Stammkunden abwandten und Neukunden nicht einsahen, für einen Ford mit Jaguar-Emblem Premiumpreise zu zahlen.
Ein ähnliches Schicksal steht der verlustreichen Tochter Volvo bevor: Die viel gerühmte Ikone der schwedischen Autoindustrie ist drauf und dran, an die chinesische Shanghai Automotive Industry verkauft zu werden. Die Verluste der Ford Motor Company für 2007 betrugen 2,7 Mrd. Dollar. Düster sieht es auch für Chrysler aus: Das Unternehmen im Besitz des Finanzinvestors Cerberus verbuchte für 2007 ein Minus von drei Mrd. Dollar. Frisches Geld zu besorgen ist für Cerberus angesichts der Kreditkrise derzeit nahezu unmöglich. Letzten Meldungen zufolge wird nun ein Merger mit GM angedacht.
Die US-Regierung – möglicherweise unter einem demokratischen Präsidenten – wird alle Hände voll zu tun haben, um diesem Schlamassel zu entkommen.

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

Hybrid oder richtiges Auto

Hybrid oder richtiges Auto

Die neue Fahrzeugtechnologie kommt nur schwer aus dem 
Starthaus. Denn trotz Benzinpreis und Öko-Bedenken wählen die meisten ihr Auto immer noch nach PS und Image aus.

Nicht erst seit Präsidentschaftskandidat Barack Obama im US-Wahlkampf lautstark die Forderung an Autoindustrie und Konsumenten stellte, im Sinne der Umwelt und der Erdölressourcenproblematik in den nächsten zehn Jahren mindestens eine Mio. Hybridfahrzeuge auf den Straßen der USA fest zu etablieren, sind die Fahrzeuge der „grünen Generation“ in aller Munde. Auch auf den bedeutenden Verkaufsmessen wie etwa bei der Pariser Motor Show stellten Hersteller heuer so viele neue Hybrid-Modelle vor wie nie zuvor.
„Die heurigen Automessen spiegeln die Zeiten, in denen wir leben, wider“, erläutert Global-Insight-Analyst Nigel Griffiths. „Man sieht jetzt nach laufenden katastrophalen Verkaufszahlen vor allem bei Herstellern aus den USA und dem EU-Raum enormen Handlungsbedarf. Marken wie Chevrolet und Co springen nun spät, aber doch auf den Zug auf. Neuvorstellungen wie etwa der Chevy Volt, ein echter Plug-in-Hybrid, also ein Fahrzeug, das an der Steckdose aufgeladen wird, sind ein klarer Beweis dafür. Neue Konzepte vom Vorreiter Toyota oder den SUV in Hybrid-Version à la Hyundai darf der Mitbewerb einfach nicht verschlafen. Die Produzenten hoffen heuer besonders darauf, dass Autos wie diese den Kunden endlich das nötige Vertrauen in die neue Technologie vermitteln, ohne die sichtlich einzementierten persönlichen Ansprüche an das eigene Image zu beschädigen.“

Vorurteile sterben langsam
Da liegt auch der Knackpunkt. Bislang steht die überwiegende Mehrheit der Konsumenten dem Thema Hybrid noch sehr reserviert gegen-über. Egal ob Spritpreise explodieren oder die Diskussion um Schadstoffemissionen lautstark geführt wird: Die Verkaufszahlen weisen darauf hin, dass bei der Anschaffung eines Neuwagens noch immer vor allem auf PS, Höchstgeschwindigkeit und Design Wert gelegt wird. Auch die gängigen Argumente, dass der Anschaffungspreis von Hybridfahrzeugen weitaus höher sei oder es den Modellen an Attraktivität mangle, aber ebenso enorme Wissenslücken scheinen in Umfragedaten britischer, deutscher oder französischer Automobilverbände immer wieder auf.
Alte Vorurteile sterben eben nur langsam. Dabei haben Hybridfahrzeuge den Konsumenten sehr viel zu bieten. Sie verringern die Emission von Schadstoffen selbst im Vergleich zu den effektivsten und sparsamsten gängigen Kleinwagen um zirka 25 bis 35 Prozent. Auch die Fahrleistung ist beachtlich. Lediglich kleine Vierzylinder-Modelle kommen Hybridfahrzeugen in Sachen Verbrauch und Leistung nahe. In vielen Ländern offerieren Versicherungen Hybridfah-rern gesenkte Tarife. Manche Staaten haben begonnen, den Umsteigern auf die neue Technologie steuerliche Vorteile bei Anschaffung und Abschreibung zuzugestehen. Das Argument, dass Reparaturen kostspieliger oder komplizierter seien, ist obsolet, da Mechaniker durch die Implementierung der neuesten Elektronik auch bei herkömmlichen Modellen zusehends zu Computerfachleuten werden.
Zudem gewähren vor allem asiatische Hersteller acht bis zehn Jahre dauernde Garantien auf sämtliche hybridspezifische Komponenten. So garantiert Toyota etwa bei den Batterien eine Reichweite von rund 300.000 gefahrenen Kilometern. Und Tests des US-Automobilklubs AAA haben ergeben, dass die Bremsblöcke durch die regenerative Technologie eines Hybriden weit weniger beansprucht und daher später getauscht werden, als dies bei allen herkömmlichen Fahrzeugen der Fall ist. Die Liste der Vorteile ist lang.
Hauptproblem Kaufunwilliger bleibt derzeit jedoch der Anschaffungspreis. Natürlich steht fest, dass zwei Motoren, zusätzliche Systeme und komplexe Mechanik mehr kosten und Ersparnisse diese Kosten, wenn überhaupt, dann nur sehr langfristig amortisieren. Doch das Umdenken hat eingesetzt. Und wenn erst die derzeitigen Modelle, die vielerorts noch als Nischenprodukte ihr Dasein fristen, wesentlich weiter entwickelt und perfektioniert sind, wenn Nachfrage und Angebot für die Masse reizvoll werden, Herstellungskosten sinken und Umsätze steigen – dann darf den Hybridfahrzeugen, ganz im Sinne der Branche, die sie als große Chance zum Überleben sieht, eine lukrative Zukunft in Aussicht gestellt werden.

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

Treibstoffalternative Erdgas setzt zum Sprung an

Treibstoffalternative Erdgas setzt zum Sprung anDPA/Uli Deck

Kurze Reichweiten und ein lückenhaftes Tankstellennetz bemängeln Erdgasauto-Gegner. Doch immer mehr Fahrzeuge von der Stange und ein flächendeckendes Tankstellennetz sind bereits Realität.

Alternative Antriebe werden immer interessanter für Fuhrparks und auch für Privatpersonen. In den ersten neun Monaten des heurigen Jahres wurden in Österreich 1226 Pkw mit einem alternativen Antrieb neu zugelassen, um 438 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Damit sind aber erst lediglich 0,5 Prozent der Neuwagen halbwegs umweltschonend unterwegs, rechnet der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) vor. Am höchsten ist der Anteil in Vorarlberg und Wien, am niedrigsten in Kärnten.
Die beliebteste Alternative ist der Hybridantrieb: 653 Benziner mit Elektromotor wurden in Österreich heuer verkauft, um 48 mehr als in den ersten drei Quartalen des Vorjahres. Die stärksten Zuwächse verzeichnet Erdgas: 318 neu gekaufte Pkw fahren nur mit Erdgas (plus 199), 236 Benzin-Pkw haben auch einen Erdgasantrieb (plus 172). Insgesamt sollen österreichweit mehr als 2500 Erdgas-Autos unterwegs sein. Zum Vergleich: Der gesamtösterreichische Pkw-Bestand machte im Vorjahr rund 4,25 Mio. aus.
Erdgas hilft sparen, das belegt auch der Öamtc. Österreichweit gibt es (flächendeckend) 122 Tankstellen, bei denen die derzeit 18 erhältlichen Modelle mit Erdgas betankt werden können. Der Preis für ein Kilo Erdgas liegt momentan bei rund 0,898 Euro. „Ein VW Touran mit Erdgasbetrieb rechnet sich bereits ab 6700 Kilometern – im Vergleich zu einem Benziner“, so der Öamtc. Vergangenes Jahr rentierte sich der erdgasbetriebene VW demnach erst ab 8000 Kilometern. Nächstes Jahr wird er sich schon ab 6500 Kilometern auszahlen. Ein Minus eines erdgasbetriebenen Fahrzeugs ist die Reichweite von maximal 300 Kilometern, so der Autofahrerclub.

20 Prozent weniger CO2
Aber nicht nur positiv auf die Geldbörse wirkt sich Erdgas aus, sondern auch im Vergleich zu Benzin und Diesel auf die Umwelt. Aufgrund des günstigen Verhältnisses des Methans von Wasserstoff zu Kohlenstoff (4:1) wird die CO2-Freisetzung bei Erdgas im Vergleich zu anderen technischen Kraftstoffen um bis zu 20 Prozent reduziert. Bei der NOX- (Stickstoff) und Partikelfreisetzung beträgt die Reduktion bis zu 90 Prozent. Weitere Vorteile stellen die hohe Oktanzahl von 130 für Erdgas und der hohe Energiegehalt dar: Ein Kilogramm Erdgas entspricht energetisch etwa 1,4 Liter Diesel oder 1,5 Liter Benzin. Um zehn Euro kann man mit einem Erdgasauto bis zu 190 Kilometer zurücklegen. Mit einem vergleichbaren Benziner kommt man rund 95 Kilometer und mit einem Dieselfahrzeug rund 125 Kilometer weit.
Um die Attraktivität von Erdgasautos unter Beweis zu stellen, hat die OMV am 15. Oktober alle hierzulande erhältlichen Modelle in Melk präsentiert. Darunter auch den beim Pariser Autosalon präsentierten VW Passat TSI Ecofuel mit einem auf Erdgas optimierten Turbo-Motor. Er schafft mit einer Erdgasfüllung bis zu 420 Kilometer und in Kombination mit dem Benzintank über 800 Kilometer. Damit liegt er gleichauf mit seinen Diesel-Pendants.
Aber auch die Modelle anderer Hersteller stellten ihre Alltagstauglichkeit unter Beweis, die auch der Flotten-Manager Peter Umundum von der Post bestätigt. „Wir haben bis heute 353.000 Kilometer mit Erdgasautos zurückgelegt und konnten beachtliche Treibstoffeinsparungen verzeichnen. Deshalb planen wir für das Jahr 2009, rund 1,1 Millionen Kilometer mit Erdgasfahrzeugen zurückzulegen“, so Umundum.
Auch der Flughafen Wien setzt bei der Flugzeugabfertigung auf den Einsatz von Erdgasautos. Vorerst sind 37 VW Caddys angeschafft worden. In den kommenden zwei Jahren soll die „Bodenverkehrsdienst-flotte“ auf 100 der alternativ betriebenen Fahrzeuge aufgestockt werden. Bei der Investi-tion in den Fuhrpark sei „Augenmerk auf die Emissionsfrage“ gelegt worden, betont Gerhard Schmid, Vorstandsdirektor beim Flughafen Wien.
Auch in den Nachbarländern Österreichs wird Erdgas als Alternativtreibstoff immer beliebter. In Italien ist der Anteil traditionell sehr hoch. Fast 600 Tankstellen versorgen hier derzeit 480.000 Fahrzeuge. In Deutschland sind es 720 und in der Schweiz 109 Tankstellen. Bei den östlichen Nachbarn besteht dagegen noch Nachholbedarf, der in den nächsten Jahren jedoch aufgeholt werden soll.
Alles in allem steht einer breiten Akzeptanz von Erdgas nichts mehr im Weg. Doch allein die Konsumenten werden entscheiden, ob Elektroantriebe doch nicht rechts überholen werden.

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

Der weite Weg zum Elektroauto

Der weite Weg zum ElektroautoDPA/Uli Deck

Toyota hat allen gezeigt, wie Hybrid-Autos auf dem Markt funktionieren. Nächster logischer Schritt sind Plug-in-Fahrzeuge, die bei Stillstand aufgeladen werden. Dazu fehlen allerdings (noch) die nötigen Tankstellen.

economy: Wie lange wird es noch dauern, bis Elektro-autos marktfähige Serienreife erlangen, sprich: eine wirkliche Alternative zum Benzin-Auto darstellen?
Hubert Berger: Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass es in etwa sechs bis acht Jahren sogenannte Plug-in-Hybride geben wird, deren Reifegrad dann ein starkes Marktwachstum mit einem jährlichen Zuwachs von 20 bis 30 Prozent bringen wird. Dabei handelt es sich im Prinzip um Elektroautos, deren Batterien über Stromtankstellen oder die eigene Haussteckdose geladen werden. Für längere Fahrstrecken werden diese Fahrzeuge aber immer noch kleine Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzellen enthalten, um die erforderliche elektrische Energie bereitzustellen.

Was ist der heutige Stand der Technik?
Wir befinden uns zurzeit in der breiten Einführungsphase von sogenannten Micro-Hybrid- oder Mild-Hybrid-Antrieben. Damit können bei vergleichbar geringem Zusatzaufwand Treibstoffeinsparungen im Bereich von zehn Prozent erzielt werden, indem der Verbrennungsmotor bei Leerlauf sofort abgestellt und bei Bedarf mittels eines entsprechend dimensionierten Startergenerators sofort wieder in Betrieb gesetzt wird. Vollhybride werden zurzeit von den Herstellern mehr aus Prestigegründen auf dem Markt platziert. Ihre Produk-tion ist aufgrund der Komplexität sehr teuer und die Treibstoffersparnis aufgrund begrenzter Speichermöglichkeit der elektrischen Energie nicht dem Mehraufwand entsprechend. Ich sehe aber als Vorteil, dass Hersteller die Full-Hybrid-Technologie beherrschen und damit Erfahrung sammeln und auch jederzeit andere Varianten inklusive des reinen Elektrofahrzeugs auf den Markt bringen können.

Wo liegen noch die Engpässe?
Genereller Engpass ist in allen Varianten die Speicherung der elektrischen Energie. Bei Batterien wurden zwar in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Die verfügbare Energiedichte liegt aber immer noch etwa um den Faktor 30 unter der in einem vergleichbaren Volumen an fossilem Brennstoff enthaltenen Energie.

Was ist der Stand der Entwicklung in der Speichertechnik, Stichwort Lithium-Ionen-Batterien?
Auf die Lithium-Ionen-Technologie werden große Hoffnungen gesetzt. Mittels neuar-tiger nanostrukturierter Anodenmaterialien gelingt es zumindest in einzelnen Forschungslabors bereits, eine Verzehnfachung gegenüber bisherigen Energiedichten zu demonstrieren. Wenn dabei bis zu einer Serienreife auch noch viele Randprobleme zu lösen sein werden, ist das zumindest ein Beweis dafür, dass die Lösung des Speicherproblems grundsätzlich möglich sein müsste. Batterien mit zehnfacher Energiedichte würden dank des hohen Wirkungsgrades von Elektroantrieben Reichweiten wie heutige Dieselfahrzeuge ermöglichen – und das bei einem Primärenergieeinsatz entsprechend zwei Liter Benzin auf 100 Kilometern.

Welche Elektroautokonzepte erweisen sich schon heute als recht brauchbar?
Grundsätzlich stehen bereits heute Elektroautos für Reichweiten von 60 bis 100 Kilometer zur Verfügung, die für den Stadtverkehr völlig ausreichen. Generell ist zu sagen, dass hinsichtlich des Stadtverkehrs eher die fehlende Infrastruktur, also die Stromtankstellen, das Problem darstellen – und nicht so sehr die begrenzten Energiespeicher.

Wird es über kurz oder lang echte Elektroautos geben, oder wird die Hybrid-Version Benzin/Elektro das Maß der Dinge sein?
Das reine Elektroauto wird meiner Ansicht nach aufgrund der eingeschränkten Reichweite leider noch geraume Zeit auf sich warten lassen, was die breite Markteinführung betrifft. Um hier keine Zeit zu versäumen, wird es ganz wichtig sein – neben der Weiterentwicklung der Batterien – die entsprechenden Infrastrukturen aufzubauen. Als Beispiel sei nur angeführt, dass wir dann Zigtausende Stromtankstellen benötigen werden, um die Batterien sozusagen an allen Ecken aufladen zu können, weil durch die Vermeidung von Tiefentladung die Lebensdauer von Batterien wesentlich erhöht werden kann. Um einen entsprechenden Komfort zu bieten, müssen solche Stromtankstellen sehr intelligent und vollständig automatisiert ausgeführt sein.

Mit welcher Intensität wird Ihres Wissens die Forschung vorangetrieben? Gibt es dafür ausreichend Budget und Zeit?
Dank des Wettbewerbsdrucks, den insbesondere Toyota mit dem fast unerwarteten Erfolg seiner Hybrid-Technologie erzeugt hat, wird weltweit nunmehr sehr viel in die alternative Antriebstechnologie investiert. Im Vergleich zum Forschungs- und Entwicklungsaufwand für die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors erscheint mir das aber noch immer sehr wenig. Es ist schon zu vermuten, dass hier ein krampfhaftes Festhalten am Verbrennungsmotor aus Tradition längste Zeit mit im Spiel war.

Zur Person

Hubert Berger ist Fachhochschulprofessor im Studiengang für Elektronik und Technologiemanagement an der Fachhochschule Joanneum in Kapfenberg und leitet dort das Transferzentrum für Industrielle Elektronik.
Foto: H. Berger

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

Strom-Mobile groß im Kommen

Strom-Mobile groß im KommenKTM Power Sports

Die Mobilität der Zukunft beschäftigt viele Forscher. Die zentrale Frage lautet: Wie kann der Schadstoffausstoß verringert werden? Bei Arsenal Research ist der Verkehr der Zukunft ein zentrales Forschungsthema.

„Wir bekommen täglich Anfragen für Projekte betreffs Elektroantrieb herein“, verweist Franz Pirker, Leiter des Geschäftsfeldes Monitoring, Energie und Antriebtechnik, auf einen wahren Hype rund um elektrisch betriebene Fahrzeuge. „Schon vor drei Jahren haben wir eine Entwicklungsumgebung für die Erforschung des Elektroantriebs eingerichtet“, erklärt Pirker. Ein guter Teil seiner 28 Mitarbeiter ist mit dem Elektro- und Hybridantrieb (Kombination von konventionellem Diesel-/Benzin-Antrieb und Elektro-antrieb) beschäftigt.
Bis dato war das Elektro-auto laut Pirker eher mit dem „negativen Öko-Touch“ belegt. Vor allem die Batterie wurde als Nachteil empfunden. Tatsache ist: Wenn die Batterie leer ist, steht das Auto. Es geht darum eine leistungsfähige, langlebige Batterie zu entwickeln. „Da haben die Forscher weltweit in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung erzielt“, berichtet Pirker. Außerdem sei das Netz für Stromtankstellen stark erweitert worden. Derzeit sind es 1600 in ganz Österreich, die meisten davon gibt es in Niederösterreich (rund 700).
Insgesamt gilt es, die drei Faktoren Energiespeicher, elektrischer Antrieb und Leistungselektronik optimal in Einklang zu bringen. Eine große Herausforderung für die Forscher ist in diesem Zusammenhang auch das Hybrid-Auto, das ein optimales Zusammenspiel von traditionellem und elektrischem Antrieb erfordert.

KTM mit Elektromotor
Dass Fahrspaß und Umweltverträglichkeit keinen Widerspruch bilden müssen, beweist das soeben präsentierte Projekt Zero Emission Motorcycle von Arsenal Research mit dem Motorradhersteller KTM. Das innovative Elektrozweirad besticht durch null Lärmbelästigung und null Abgasentwicklung. Das neue Motorrad verfügt über einen Elektromotor, eine Batterie sowie eine ausgeklügelte Leistungselektronik.
Der Entwicklungsprozess läuft im Wesentlichen immer gleich: „Anhand des Anforderungsprofils des Kunden machen wir eine Gesamtfahrzeugsimulation, dabei werden alle relevanten mechanischen, elektrischen und thermischen Komponenten in mathematisch-physikalische Modelle zusammengeführt, so entsteht ein virtuelles Fahrzeug“, erklärt Pirker. Die Simulationsergebnisse bilden die Grundlage für die Entwicklung des erforderlichen Elektroantriebs, der zunächst auf dem Prüfstand getestet wird. Danach folgen reale Testfahrten und die Entwicklung eines Prototyps. Das neue Motorrad ist für Spritztouren in Gelände und für den urbanen Bereich gedacht.
„Alle Fahrzeughersteller beschäftigen sich zurzeit mit dem Elektroantrieb“, weiß Pirker. In China werden bereits mehr Elektroscooter als herkömmliche Motorräder verkauft. Der Grund dafür ist die Umweltproblematik. In 148 chinesischen Städten sind benzinbetriebene Zweiräder verboten. Auch die USA, allen voran im Bundesstaat Kalifornien, forcieren aus dem gleichen Grund den Elektroantrieb. „2012 werden die ersten Elektroautos für den Massenmarkt in Europa kommen“, prognostiziert Pirker.

Zurück in die Vergangenheit
Dabei ist das Elektroauto beileibe keine neue Erfindung. Um 1900 waren in den USA 40 Prozent der Automobile Dampfwagen, 38 Prozent Elektrowagen und 22 Prozent Benzinwagen. In New York fuhr 1901 jedes zweite Gefährt mit Strom. Der Höhepunkt der Elektroautowelle wurde 1912 erreicht: 20 Hersteller bauten 33.842 Elektroautos. Bekannte US-Elektroautohersteller dieser Zeit waren Detroit Electric, Columbia Automobile Company, Baker Motor Vehicle und Studebaker Electric. Ob das Elektroauto in Zukunft wieder diesen Stellenwert erlangen wird, sei dahingestellt.
„Wichtig ist es, das richtige Fahrzeug für einen bestimmten Weg zu wählen“, hat Pirker einen wichtigen Grundsatz parat. Im urbanen Bereich und für kürzere Strecken, aber auch für Pendler habe das Elektroauto enormes Potenzial, für Langstrecken „etwa wenn eine Familie im Sommer 1000 Kilometer in den Süden fährt, ist noch für längere Zeit ein herkömmlicher Diesel-/Benzin-PKW die richtige Wahl“, meint Pirker. Oder aber die Familie fährt mit der Bahn.

Telematik total
Im Geschäftsfeld Verkehrstechnologien bei Arsenal Research geht es um innovative Lösungen rund um Verkehrs-sicherheit und Verkehrstelematik, um den Verkehr auf Schiene und Straße sicherer, komfortabler und effizienter zu gestalten. Floating Car Data (FCD), intelligente Sensoren und künstliche Intelligenz bilden die Grundlage für Telematiksysteme zur Erfassung, Prognose und Steuerung von Verkehrsströmen. Besonders Augenmerk legt Martin Linauer, Leiter des Geschäftsfelds Verkehrstechnologien, auf die Entwicklung des Verkehrs-analysesystems Fleet. „Vor allem Großstädte benötigen in Zukunft immer ausgeklügeltere Verkehrsmanagementsysteme, um die beschränkte Infrastruktur optimal nutzen zu können“, glaubt Linauer. Fleet berechnet auf Knopfdruck den Verkehrszustand und die Fahrtzeiten im städtischen Straßennetz. Die dafür notwendigen Daten werden nach dem Floating-Car-Data-Prinzip von rund 3000 mit GPS ausgestatteten Wiener Taxis über Funk laufend an die Leitzentrale übermittelt. Aus diesen Daten wird alle 15 Minuten bei Arsenal Research ein aktuelles Verkehrslagebild des gesamten Wiener Straßennetzes erstellt. Fleet wird mittlerweile auch in Düsseldorf und seit Kurzem in Budapest eingesetzt. Weitere Schwerpunkte der Forscher von Arsenal Research sind Verkehrswege (etwa Straßenzustandserfassung durch das mobile Labor Roadstar, Lärmschutz, Bauwerksmonitoring und -sicherheit) sowie die Entwicklung eines automatischen Regelsystems zur Steuerung von Menschenströmen, etwa bei Großevents.

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

Mit Vollgas ins Hybrid-Zeitalter

Mit Vollgas ins Hybrid-ZeitalterF. Dudenhöffer

Die Halbwertszeit von Horrornachrichten aus der Automobilbranche wird immer kürzer. Zu lange wurde Gas gegeben, obwohl die Kurve längst in Sicht war. Jetzt beginnen die Räder zu blockieren.

economy: Herr Professor Dudenhöffer, die Automobilbranche befindet sich weltweit in der Krise. Wodurch ist sie gekennzeichnet? Sind das eher konjunkturelle oder strukturelle Probleme?
Ferdinand Dudenhöffer: Beides kommt zusammen. Mit der Bankenkrise schlittern wir in eine Rezession, die auch die Automobilbranche deutlich spüren wird. In diesem Jahr werden weniger Autos verkauft als im letzten Jahr. 2009 wird es auch so sein. Der Wachstumskurs der letzten Jahre wird drei Jahre zum Stillstand kommen, weil die Märkte wie China oder Brasilien das, was derzeit in Westeuropa und Amerika wegbricht, nicht kompensieren können. Auch strukturell gibt es große Änderungen, weil mit der Elektrifizierung des Antriebs ein Kernelement des Fahrzeugs neu erfunden und umgesetzt wird. Und das ist ein großer Umbruch. Für die Zulieferer noch größer als für die Hersteller.

Was ist endgültig passé?

Verabschieden muss man sich von Fahrzeugen, die nicht mehr in die Zeit passen. Das sind vor allem amerikanische Fahrzeuge. Wenn man Fahrzeuge baut, die im Treibstoffverbrauch nach heutiger Einschätzung jenseits von Gut und Böse liegen, kann man die keinem Kunden mehr mit noch so vielen Rabatten verkaufen.

Downsizing heißt also das neue Zauberwort?
Downsizing muss nicht nur „klein“ sein. Das hat BMW mit seiner Strategie Efficient Dynamics gut umgesetzt. Das bedeutet nicht mehr als: Wir wollen aus dem Tropfen Benzin mehr herausquetschen, und dieses „Mehr“ nehmen wir für die Sparsamkeit. Gleichzeitig wollen wir aber die Fahrfreude und Emotion vom Auto nicht aufgeben. Dieser Spagat wird in der Zukunft noch wichtiger sein.

Autofahren wird zunehmend unbezahlbar. Wann kommen denn die Ultra-Low-Cost-Cars nach Europa?
Wir haben schon den Dacia Logan in Europa, der sich 
eigentlich sehr viel besser, als man gedacht hat, verkauft. In Österreich wie in Deutschland, wo die Verkäufe im letzten Jahr von 17.000 auf 25.000 hochgingen. Das hat alle, glaube ich, überrascht. Denn das Low-Cost-Car war für die New Countries gedacht, die neuen Länder, Entwicklungsländer, wie Indien, China, Russ-land. Das absolute Low-Cost-Car, das 3000 oder 4000 Euro kostet, das kann ich mir in Europa aber nicht vorstellen. Hier können Sie kein Auto mehr ohne Klimaanlage, Airbag oder ESP verkaufen. Daher braucht es ein Grundgerüst in Europa, aber für Indien und andere Länder ist ein Tata-Mobil oder der Nana durchaus eine sehr, sehr wichtige Entwicklung. Downsizing also ja, aber auf höchstem technologischen Niveau.

Strombetriebene Autos werden in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. Welche Hersteller haben denn dabei die Nase vorn?
Toyota ist der einzige ernst zu nehmende Hersteller von Hybridfahrzeugen. Die haben fünf Jahre Vorsprung in der Technik und bereits deutlich über eine Mio. Fahrzeuge gebaut. Und diese Stückzahl werden sie schon bald in einem Jahr verkaufen. Aber die Franzosen und die Deutschen sind stark im Begriff, den Vorsprung 
aufzuholen.

Wie hoch beziffern Sie die Forschungs- und Entwicklungskosten bis 2015 beziehungs-weise 2025 in die neue Antriebstechnologie?
Es ist schwer, eine Zahl für alle zu nennen. Es ist ja so, dass einige in Joint Ventures unterwegs sind, meinetwegen BMW mit Mercedes und General Motors, um sich die Kosten für die Hybridtechnologie zu teilen. Dann muss man sehen, wie es weitergeht im Porsche/VW-Verbund, ob man da große Synergien schöpfen kann. Wichtig ist sicher, dass man die hohen Entwicklungskosten, die man hat, teilen kann. Die Batterie ist beim Elektroauto und beim Hybrid das Spannende. Da werden sicherlich die Zulieferer auch gefordert, damit Investitionen in Höhe mehrerer Millionen in eine Richtung gehen, die ihnen erlaubt, eine wichtige Marktstellung einzunehmen.

Forciert die beschriebene Entwicklung nicht auch die weitere Fusionierung der Automobilhersteller und -zulieferer? Und werden neue Unternehmen entstehen?
Auf jeden Fall entstehen neue, und zwar in China, Indien und sicherlich auch in Russland. An eine Fusionitis glaube ich nicht unbedingt.

Bis vor zwei Jahren waren Sie eher skeptisch im Hinblick auf die Zukunft des Elektroautos. Was hat sich so gravierend verändert? Und handelt es sich dabei wirklich um eine Motorrevolution?
Wir waren gegenüber den Hybrid-Fahrzeugen noch nie strittig und haben in früher Stunde schon gesagt: Hybrid wird sehr wichtig und eine Durchbruchstechnologie werden. Wir waren eher skeptisch gegenüber den Brennstoffzellenautos. Das sind wir heute auch noch, weil die Brennstoffzellentechnik und die Wasserstoffinfrastruktur mit Riesenkosten verbunden ist. Was sich allerdings beim Hybrid-Fahrzeug gezeigt hat, ist, dass durch neue Batterietechnik und diese Plug-ins das Hybrid-Fahrzeug Stück für Stück elektrischer werden kann, und das hat man vor drei oder vier Jahren noch nicht so stark erkennen können.

Verändert sich mit neuen Antriebssträngen auch unsere Mobilität?

Ja, ich glaube, da wird sich einiges verändern – auch durch neue Infrastrukturen. Wir werden in Zukunft, wenn wir parken, die Steckdose mitnutzen. Eine gravierende Rolle spielen dabei in einigen Jahren die Stromkonzerne. Sie werden in Zukunft einen Teil von dem bereitstellen, was heute die Mineralölgesellschaften machen.

Gibt es denn genügend Strom und Wasserstoff, um die Autowelt der Zukunft zu elektrifizieren? Und wie wird sich der Strompreis entwickeln?

Beim Strom ist es das Schöne, dass wir ihn aus verschiedenen Quellen – Kohle, Kernkraft, Wind, Wasser und Sonne – gewinnen können. Das ist beim Benzin ja nicht der Fall. Wir müssen nur schauen, dass wir das CO2-Problem dabei mitlösen. Energie ist die Schlüsselfrage für unsere gesamte Wirtschaft und damit auch für das Auto: Der Teil, der auf das Auto entfällt, der ist sehr gut und nach meiner Einschätzung machbar. Der Energiebedarf in der Welt von morgen und übermorgen wird riesig sein. Da sind wir gefordert, die Aufgaben zu lösen. Das war in der Vergangenheit auch immer so, dass man es mit neuen Energiequellen und neuen Energieformen immer wieder geschafft hat, ein riesiges Potenzial anzuzapfen.

Jeder spricht von Elektroautos, fast niemand mehr von Ethanol- und Biodieselfahrzeugen. Warum eigentlich?
Weil es falsch ist. Weil Politiker so wankelmütig sind und das jetzt fallen gelassen wird. Aber wir werden in der Zukunft auch diese Dinge brauchen. Es ist absolut sinnvoll, wenn wir einen Energie-Mix haben, und als Energiemix brauchen wir Öl, das auf dem Acker wächst.

Wann werden Sie denn das erste Mal elektrisch zur Arbeit fahren, Herr Professor Dudenhöffer?
Das wird sicher noch vier bis fünf Jahre dauern, da Lithium-Ionen-Batterien anfangs noch sehr teuer sein werden. Aber ich freue mich schon darauf.

Economy Ausgabe 66-11-2008, 01.11.2008

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