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24. Juli 2024

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Abgeschwächter Strukturwandel im Handel

Abgeschwächter Strukturwandel im Handel©piqs.de/neil h

Eine Strukturanalyse der KMU Forschung Austria für die Wirtschaftskammer (Sparte Handel) sieht 2017 ein Abschwächen des Strukturwandels im heimischen stationären Einzelhandel. Die Zahl der Geschäfte sinkt zwar weiter, jedoch weniger stark als in den Vorjahren. Die Einzelhandelsverkaufsflächen bleiben konstant hoch.

Den österreichischen Konsumenten stehen aktuell 37.400 Einzelhandelsgeschäfte mit einer Verkaufsfläche von rd. 14 Mio m² zur Verfügung. Die Einzelhandelsverkaufsfläche liegt hier mit 1,6 m² pro Einwohner weiter im europäischen Spitzenfeld - Platz 3 im EU-28-Ranking nach Belgien und den Niederlanden. Der EU-28-Durchschnitt an Verkaufsflächendichte beträgt rd. 1,2 m² .
Von diesen 37.400 Einzelhandelsgeschäften liegen nun aktuell 6.060 in den von der KMU-Forschung (Mitglied der Austrian Cooperative Research) analysierten 22-Top-Geschäftsstraßen. Der Angebotsmix in den Innenstädten verändert sich dabei weiter hin zu Gastronomie & Dienstleistungen. Während die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte und die Einzelhandelsverkaufsfläche in den Top-Innenstadtlagen 2017 um jeweils -1 % gegenüber 2016 gesunken sind, steigt die Gesamtfläche durch Gastronomie- und Dienstleistungsbetriebe weiter an. 6.160 Einzelhandelsgeschäfte befinden sich in den 235 Einkaufs- und Fachmarktzentren (EKZ/FMZ), die in Summe knapp 2,9 Mio m² Verkaufsfläche auf sich vereinen (ein Teil davon in innerstädtischen Geschäftsstraßen).

Verkaufsflächenrückgang gestoppt, Reduktion Geschäfte abgeschwächt
Bereits 2016 waren erste Anzeichen erkennbar, dass sich der Strukturwandel im stationären Einzelhandel abschwächt. In diesem Sinne kann 2017 als Jahr der Konsolidierung angesehen werden. Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte sinkt mit -1 % bzw. -400 Geschäften deutlich geringer als in den Vorjahren. Der Verkaufsflächenrückgang kommt überhaupt zu einem Stopp. Der Konjunkturaufschwung 2017 beschert dem stationären Einzelhandel steigende Quadratmeterumsätze und die Konzentration hat sich stabilisiert.
Parallel flachen in den letzten Jahren auch die Wachstumskurven bei den EKZ/FMZ ab und die Dynamik bei den Fachmarktagglomerationen (FMA) schwächt sich ebenso ab. Im aktuell verfügbaren Basisjahr 2016 beherbergen die 253 Fachmarktagglomerationen 2.980 Einzelhandelsgeschäfte mit einer Einzelhandelsverkaufsfläche von knapp 4,3 Mio m². Mittlerweile entfallen 34 Prozent aller Einzelhandelsgeschäfte und 52 Prozent der gesamten Einzelhandelsverkaufsfläche in Österreich auf Einkaufs-/Fachmarktzentren sowie Fachmarktagglomerationen.

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red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 10.09.2018

„Wir sind kein Selbstbedienungsladen für US-Konzerne!“

„Wir sind kein Selbstbedienungsladen für US-Konzerne!“© piqs.de/rossina bossio bossa

Schulterschluss gegen Verwässerung der EU-Urheberrechtsreform. VOeZ sowie Film- und Musikwirtschaft warnen anlässlich der kommenden EU-Abstimmung zum Urheberrecht vor existentieller Ausbeutung der Contentwirtschaft und fordern entsprechende Rahmenbedingungen für eine funktionierende Medien- und Creativ-Branche.

„Ein neues EU-Urheberrecht muss die europäische Contentwirtschaft auch effektiv vor der kommerziellen Ausbeutung durch Dritte schützen“, deklarieren sich der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖeZ), der Verband der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI) sowie der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft. Anlass ist die Abstimmung des EU-Parlaments über eine Reform des EU-Urheberrechts am 12. September. Die Verbände warnen eindringlich vor einer Verwässerung der Kriterien für den urheberrechtlichen Leistungsschutz und begrüßen die von Medienminister Gernot Blümel sowie den beiden EU-Abgeordneten Lukas Mandl und Axel Voss zuletzt in Wien bekundete Unterstützung.
Im Rahmen der zur Abstimmung kommenden Verordnung geht es im Wesentlichen um große Sharing-Plattformen und Anbieter wie etwa Youtube, die zwar mit Film- und Musikinhalten Milliarden-Umsätze machen, aber für die urheberrechtlich geschützten Inhalte keine Vergütung an die Kulturschaffenden leisten. Dies sei auch ein Wettbewerbsnachteil für europäische Start-Ups, die mit einem monopolartig agierenden Unternehmen konfrontiert werden, das die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte der Kunstwirtschaft nicht respektiert.

Die Existienz der europäischen Medien- und Kreativ-Wirtschaft
„Die europäische Contentwirtschaft ist kein Selbstbedienungsladen für US-Konzerne. In einem globalen digitalen Markt braucht es faire Rahmenbedingungen, damit wir den zukünftigen Fortbestand einer funktionierenden Medienlandschaft sowie der Beschäftigungsverhältnisse sicherstellen“, unterstreicht Gerald Grünberger, Geschäftsführer des VOeZ.
„Die aktuelle Version mit einer klaren Verpflichtung der Internet-Plattformen zur Lizenzierung genutzter Inhalte nun ohne gesonderte Uploadfilter ist für die Kreativwirtschaft nicht die Wunschlösung - aber akzeptabel. Jetzt appellieren wir an alle Abgeordneten, mit der Zustimmung Existenz und Zukunft der europäischen Kreativbranchen zu sichern“, betont auch Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI).
„Die Film- und Musikwirtschaft appelliert an die Abgeordneten des EU-Parlaments, eine effektiv durchsetzbare Lizenzierung gegenüber den großen Online-sharing Services bei der nächsten Sitzung des EU Parlaments nicht weiter zu verhindern. Stellen Sie sich auf die Seite der Urheber und der Kreativen!“, ergänzt Werner Müller, Geschäftsführer des Fachverbandes der Film- und Musikwirtschaft.

Alle Künstler- und Musiker- sowie alle Journalisten- und Medienverbände
Im Vorfeld der Abstimmung hat sich der VÖZ gemeinsam mit den führenden Journalisten- und Verlegerverbänden Europas EFJ (European Federation of Journalists), IFJ (International Federation of Journalists), EMMA (European Magazine Media Association), ENPA (European Newspaper Publishers‘ Association) und NME (News Media Europe), die zusammen die Interessen zehntausender europäischer Medienhäuser und Journalisten vertreten, dafür ausgesprochen, das Verlegerrecht (Artikel 11) in jener Fassung zu beschließen, die der Rechtsausschuss des EU-Parlaments bereits am 20. Juni empfohlen hat.
Zudem wandten sich mehr als 20.000 Musikschaffende aus ganz Europa an die EU-Institutionen und forderten einen fairen Schutz ihrer Rechte gegenüber den großen Internet-Plattformen. Zahlreiche österreichische Künstler wie die Wiener Philharmoniker, Conchita, Thomas Spitzer (EAV), Thomas Stipsits, Karl Markovics oder Erwin Steinhauer werben in persönlichen Videobotschaften an die EU-Abgeordneten für eine Unterstützung der Copyright-Richtline. Und zuletzt appellieren mehr als 1.200 Kunstschaffende aus Österreich in einem Offenen Brief mit Nachdruck an das EU-Parlament, der geplanten Novelle zum europäischen Urheberrecht zuzustimmen.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 10.09.2018

„Jetzt geht es erst richtig los.“

„Jetzt geht es erst richtig los.“©Credit: Wirecard AG; Der Wirecard Vorstand mit Alexander von Knoop (CFO), Markus Braun (CEO, CTO), Susanne Steil (CPO) und Jan Marsalek (COO); v.l.n.r.

Fintechkonzern Wirecard wird statt Commerzbank im Leitindex DAX der Deutschen Börse aufgenommen.

Markus Braun, Österreichischer Vorstandschef der erst vor 19 Jahren gegründeten Wirecard AG, prognostiziert für Zukunft noch größere Wachstumsdynamik. Neben digitalen Zahlungsabwicklungen steht dabei auch die erst kürzlich gestartete Blockchain-Technologie für die Digitalisierung kompletter Wertschöpfungsketten im strategischen Fokus. Damit eröffnet sich Wirecard branchenübergreifend und weltweit alle Unternehmen, Institutionen sowie die öffentliche Verwaltung als Zielgruppe.

(Christian Czaak) Nach einer vergleichsweise einzigartigen Börsenrallye des digitalen Payment-Spezialisten Wirecard mit rd. + 170 Prozent Kurszuwachs im letzten Jahr oder rd. 435 Prozent in den letzten drei Jahren (Stand Montag, 10.9.2018 – 19 Uhr) wechselt der internationale Dienstleister für elektronische und mobile Zahlungsformen in den Leitindex des deutschen Aktienmarkts. Im Gegenzug muss das seinerzeitige Dax-Gründungsmitglied Commerzbank den Platz frei machen. Ab 24. September 2018 wird die bisher im Tec-Dax notierte Wirecard die (klassische) Großbank Commerzbank in der Top-Liga der europäischen Finanzbörsen ablösen.
Relevant für die Aufnahme in den erlauchten Kreis der 30 Top-Konzerne im Deutschen Aktienindex sind Börsenumsatz bzw. Handelsvolumen sowie Börsenwert und Marktkapitalisierung des jeweiligen Unternehmens. Beim Börsenwert etwa hatte Wirecard zuletzt nicht nur die Commerzbank (weit) überholt, sondern auch die Deutsche Bank hinter sich gelassen. Derartige Index-Änderungen sind primär für Fonds wichtig, die Börsen-Indizes exakt nachbilden, etwa sogenannte ETFs. Hier wird dann entsprechend umgeschichtet, was im Normalfall entsprechenden Einfluss auf die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen hat.

Wachstum bei Umsatz und Gewinn wird sich noch beschleunigen
„Ich glaube, dass die nächsten zehn Jahre an Wachstumsdynamik die letzten zehn Jahre bei weitem in den Schatten stellen werden. Der Einzug in den DAX ist für uns nur ein Zwischenschritt“, kommentierte Vorstandsboss Markus Braun gegenüber Reuters die aktuelle Entwicklung. Angesprochen auf das Gefühl von Stolz in Blickrichtung der Verdrängung der Commerzbank meinte Braun: „Stolz ist ein Thema der Rückschau, wir schauen in die Gegenwart und stark in die Zukunft.“
Die aktuellen mittelfristigen Prognosen sagen die Verdoppelung des Umsatzes auf mehr als drei Milliarden Euro bis 2020 voraus. 30 bis 35 Prozent sollen davon als Betriebsgewinn übrig bleiben. Im laufenden Geschäftsjahr soll etwa der Betriebsgewinn von zuletzt 413 auf bis zu 560 Millionen Euro anwachsen. Braun sieht sich auch durch die Geschäftsentwicklung im aktuellen Quartal bestätigt. „Das stützt die Prognose und macht uns sehr optimistisch“, so der Österreicher, der in Wien in Sozial- und Wirtschafts-Wissenschaften promovierte und über viele Jahre an TU- und Uni-Wien im Bereich der angewandten Computer-Wissenschaften forschte und 2002 von der KPMG-Consulting zu Wirecard kam.

Österreichische Expertise und internationale Partnerschaften
Angesprochen auf die weitere strategische Positionierung, kündigt Markus Braun die Konzentration auf organisches Wachstum an und weitere Kooperationen mit verschiedenen Branchenbereichen. Banken und Finanzdienstleister seien dabei Partner und keine Konkurrenten, etwa wie die französische Großbank Credit Agricole oder Versicherungen und zu den Partnerunternehmen gehören auch IT-Konzerne wie Apple oder Microsoft. Neben Braun sind beim Wirecard Konzern auch weitere Österreicher im Management. Im Vorstand sitzen noch Susanne Steidl und Jan Marsalek und die in Österreich ansässige Wirecard CEE führt der Kärntner Roland Toch als Managing Director.
Die 1999 gegründete Firma aus dem Münchner Vorort Aschheim beschäftigt sich mit innovativen Dienstleistungen rund um die Abwicklung von Zahlungen im Internet sowie über mobile Endgeräte (E- und M-Commerce). Bestandteil sind dabei auch gut eingeführte Zahlungsarten anderer Nationen und Kulturen wie etwa WeChat oder Alipay, die beide stark im asiatischen Raum verwendet werden und über Wirecard dann etwa auch von österreichischen Händlern oder Tourismusbetrieben für asiatische Gäste angeboten werden können.

Zukunftsträchtige Blockchain-Technologie
Zuletzt wurde mit der zukunftsträchtigen Blockchain-Technologie ein komplett neues Segment eröffnet, welches weltweit Unternehmen und Institutionen aus nahezu allen Branchen sowie die öffentliche Hand für nahezu alle Beschaffungs- und Abrechnungsvorgänge verwenden können (economy berichtete). Wirecard konzentriert sich zum Start auf die Verknüpfung von Händlern und Produzenten um alle Geschäftsprozesse fälschungssicher in sogenannten "Smart Contracts" zu erfassen.
Diese Smart Contracts sind digitale Verträge auf der Basis von Blockchain-Technologien und erstrecken sich von der Produktion über den Handel bis zur Zahlungsabwicklung. Hier sind alle Schritte von Wertschöpfungsketten, von Vertrag über Qualitäts-Sicherung und Logistik bis zu Herkunftsgarantie und Bezahlung in einer dezentralen Datenbank abgebildet. Die Digitalisierung erreicht damit de facto alle weltweiten Warenwirtschaftsströme, wo bis dato noch sehr viele Prozesse analog passieren.

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Reuters/Onvista/red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 10.09.2018

Technologie kann auch Gesundheit

Technologie kann auch Gesundheit©TU Wien

Die TU-Wien entwickelt im Rahmen einer industriellen Kooperation ein Medizinprodukt, das weit verbreitete Nahrungsallergien wie Gluten lindern oder sogar vollständig beseitigen kann und bereits ab 2021 in Apotheken erhältlich sein soll.

In Europa leiden zahlreiche Menschen an der sogenannten Zöliakie, einer Empfindlichkeit oder Allergie gegen die besser geläufigen Gluten - ein Protein in Grundnahrungsmittel wie Getreide bzw. Weizen, Gerste oder Roggen. Bestehende Behandlungsmethoden greifen ins Immunsystem ein, mögliche Nebenwirkungen müssen daher sehr sorgfältig untersucht werden. Erste klinische Studien laufen hier, Prognosen für die nächsten Jahre erwarten allerdings kein marktfähiges Produkt.

Die TU Wien entwickelte nun aktuell ein Medikament, das nicht in das Immunsystem eingreift, sondern die Gluten-Moleküle direkt attackiert und unschädlich macht. Damit ist auch das Zulassungsverfahren deutlich einfacher und das Medizinprodukt soll bereits 2021 in den Apotheken erhältlich sein.

Moleküle wie Schlüssel und Schloss
„Unser Körper produziert Antikörper, die genau zu eindringenden Antigenen passen, wie ein Schlüssel zum Schloss – durch diese Immunreaktion werden diese Antigene unschädlich gemacht“, erklärt Oliver Spadiut, Leiter der Forschungsgruppe Integrierte Bioprozessentwicklung an der TU Wien. „Wenn man nun ein neuartiges Antikörpern-Fragment findet und herstellt, das an das eindringende Gluten-Molekül andockt und es blockiert, ohne aber das Immunsystem anzuregen, dann kann man die Symptome der Zöliakie unterdrücken“, so Spadiut.
Ziel des Forschungsprojekts war nun, einen Komplex aus zwei neuartigen Antikörper-Fragmenten herzustellen, die das Gluten-Molekül gewissermaßen molekular umklammern, sodass es keine weiteren Auswirkungen im Darm mehr haben kann. „Man muss dazu bestimmte Bakterien so umprogrammieren, dass sie genau das gewünschte Antikörper-Fragment herstellen und das ist ein höchst komplizierter Prozess“, betont TU-Experte Spadiut.

Extrem komplexer Prozess
Wenn die Proteine nicht exakt auf die gewünschte Weise gefaltet werden, entstehen dann sogenannte „Einschlusskörperchen“ – kleine Partikel, die aus fehlerhaft gefalteten Proteinen bestehen. Das TU-Team musste daher einen Prozess entwickeln, diese Einschlusskörperchen wieder aufzufalten und aus ihnen die gewünschten Proteine zu gewinnen.
Solche Prozesse sind allerdings bisher nicht ausreichend studiert und daher nicht sehr effizient. „Man muss die chemischen Abläufe sehr genau verstehen und auf komplizierte Weise steuernd eingreifen“, so Spadiut. „Daher hat es eine Weile gedauert – aber nun haben wir ein Verfahren entwickelt, das gut reproduzierbar ist, auf industriellen Maßstab skaliert werden kann und eine sehr gute Ausbeute des gewünschten Produkts liefert.“

Angewandte Forschung bis zur Marktreife
Unterstützt wurde das Projekt vom Industriepartner SCIOTEC Diagnostic Technologies, der das neue Medizinprodukt auf den Markt bringen wird. „Es wird sich um ein Präparat handeln, das Zöliakie-Patienten zusammen mit glutenhaltigen Lebensmitteln einnehmen können, um die Zöliakie-Symptome zu lindern“, ergänzt Oliver Spadiut.
„Ob die Symptome dadurch ganz zum Verschwinden gebracht werden oder nur abgeschwächt werden, muss sich erst zeigen, das ist auch individuell unterschiedlich. Wir rechnen jedenfalls fest damit, dass das Produkt bereits im Jahr 2021 in gewöhnlichen Apotheken zu haben sein wird“, unterstreicht TU-Forscher Spadiut.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 09.09.2018
Unabhängiges Magazin für Wirtschaft und Bildung 24.07.2024
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„Das ist eine Schicksalsfrage des Standortes.“

„Das ist eine Schicksalsfrage des Standortes.“ © piqs.de/fotomomente naujoks

Österreichs Industrie fordert dringend Ausbau der HTL-Angebote. Im Bildungssystem muss dringend gehandelt werden und das betrifft primär Mängel im sogenannten MINT-Bereich. Diese Fächer werden seitens der Industriellenvereinigung besonders für fehlende bzw. nötige Stellenbesetzungen verantwortlich gemacht.

MINT betrifft technische Fächer wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Absolventen aus diesen Fächern sind gemeinsam mit HTL-Abgängern sehr gefragt in der Wirtschaft. "Der Fachkräftemangel vor allem in diesem Bereich zählt nach wie vor zu den zentralen Herausforderungen der Unternehmen", erläutert Peter Koren, Vizegeneralsekretär der Industriellenverenigung (IV).

Eine Schicksalsfrage des Standortes
Einer IV-Erhebung zu den MINT-Fächern aus dem Vorjahr zufolge gibt es in den Bereichen Technik/Produktion und IT große unternehmensseitige Rekrutierungsprobleme bei Hochqualifizierten (57 Prozent), gefolgt von Forschung/Entwicklung (44 Prozent) sowie Management/Personalführung und Verkauf/Marketing (je 19 Prozent). Wenige Probleme gibt es bei Administration/Büro (7 Prozent).
Aus der Sicht Korens sei die Sicherstellung des MINT-Nachwuchses „eine Schicksalsfrage des Standortes“, was sich durch die Digitalisierung noch verstärken könnte. "Entscheidend wird dabei unter anderem sein, dass nun die HTL ausgebaut wird und dabei auch Megatrends wie Digitalisierung und Industrie 4.0 verstärkt berücksichtigt werden", so Koren weiter.

Drei Mal so viele "MINT-Schulen"
Die IV selbst hat eine Reihe an Handlungsempfehlungen formuliert, darunter Bildungs-und Berufsberatung als eigener Unterrichtsgegenstand in allen Schultypen sowie in Summe eine Verdreifachung der Anzahl von "MINT-Schulen" und "MINT-Kindergärten" bis 2022.
Zudem brauche es regionale Plattformen zur Erhebung von Ausbildungsbedürfnissen und schulischen Entwicklungsplänen. Um dem Pädagogenmangel an HTLs gegenzusteuern sollte es die Förderung eines attraktiven Quereinstiegs für fachtheoretische und fachpraktische Pädagogen an HTLs geben.

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APA-Science/red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 07.09.2018

Künstliche Intelligenz braucht Strategie

Künstliche Intelligenz braucht Strategie© piqs.de/nimmersat

Betriebliche Innovation über den Einsatz Künstlicher Intelligenz in den Bereichen Industrie 4.0 oder Internet of Things (IoT) wird großes unternehmerisches Potential vorhergesagt. In Europa wird die Umsetzung durch fehlende Strategien und ganzheitliche Ansätze gebremst, der Kontinent läuft Gefahr gegenüber den USA und Asien ins Hintertreffen zu geraten, so die Ergebnisse einer umfangreichen Studie im Auftrag von Fujitsu Technologies.

Die enormen Geschäftspotenziale von Künstlicher Intelligenz (KI) werden derzeit in Europa durch eine mangelnde strategische Ausrichtung gebremst. Unternehmen laufen Gefahr, die Chance zu verpassen, KI zur Transformation ihrer Unternehmen zu nutzen. Das zeigt eine Studie der Marktforscher Pierre Audoin Consultants im Auftrag von Fujitsu. Die Ergebnisse basieren auf einem umfassenden Bericht, der die Vorteile von KI für die Innovation von Geschäftsanwendungen aufzeige und einen nützlichen Leitfaden für Führungskräfte darstellt, so Fujitsu in einer Aussendung.

Nur elf Prozent verfügen über KI-Strategie
Für die Studie wurden IT-Spezialisten und Entscheider aus 240 Unternehmen in ganz Europa aus den Bereichen Automotive, Fertigung und Handel befragt. Trotz eines eindeutigen Verständnisses der Vorteile von KI auf funktionaler Ebene, zunehmender Akzeptanz und der weit verbreiteten Einbeziehung von Führungskräften in die KI-Planung, sieht nur jedes vierte befragte Unternehmen KI als strategisch wichtig an. Nur elf Prozent verfügen über eine KI-Strategie.
Unter den Unternehmen aus der Produktionsbranche wird die vorausschauende Wartung als das größte Potential von KI gesehen. 75 Prozent der Befragten stufen diese als "sehr wertvoll" ein. Die Studienautoren führen dies darauf zurück, dass termingerechte Produktion oder die Lieferung bestellter Produkte für einen reibungslosen Ablauf in der Produktion enorm wichtig sind. Die Vorhersagen basieren hier auf der Analyse und dem Einsatz von Algorithmen auf den Laufzeitdaten einer Maschine. Auch die Anpassungsfähigkeit von Fertigungsprozessen an neue Produkte zu erhöhen (70 Prozent) und die Produktionseffizienz durch die Automatisierung der KI-gestützten Fertigung zu steigern (60 Prozent), wurde von den Befragten als sehr wertvoll eingestuft.

Zahlreiche betriebliche Einsatzgebiete
Die meisten Befragten waren sich zudem einig, dass KI zahlreiche weitere Vorteile mit sich bringt: Ein besseres Verständnis des Kunden in Vertrieb und Marketing, die Erkennung und Prävention von Betrug im Finanz- und Rechnungswesen, die Automatisierung der Supply Chain-Planung und Erfüllung im Supply Chain Management, die Verbesserung der Cyber-Sicherheit in der IT und die Verbesserung der vorausschauenden Wartung in den Produktionsabteilungen.
Neben rechtlichen und Compliance-Fragen wurden die mangelnde Verfügbarkeit von KI in Lösungen (für 61 Prozent ein großes Hindernis) sowie interne Kultur und Prozesse (52 Prozent) als die größten bremsenden Faktoren eingeschätzt. Drei von fünf Befragten sind „frustriert“ von der geringen Geschwindigkeit, mit der KI in IT-Lösungen integriert wird. Das verdeutlicht die hohe Nachfrage nach entsprechenden Technologien.

Strategischer Ansatz unverzichtbar
„Es scheint, als ob KI derzeit von funktionalen Bedürfnissen getrieben wird, mit einem klaren Verständnis der Angebote und Initiativen, die in ganz Europa im Gange sind. Überraschend ist der fehlende strategische Rahmen“, erläutert David Snelling, promovierter Artificial Intelligence Experte bei Fujitsu International.
„Führungskräfte müssen sich stärker in interne Diskussionen einbringen, um das volle Potential dieser disruptiven Technologie ausschöpfen zu können. Nur wenn Unternehmen einen strategischen Ansatz verfolgen, die interne Kultur ändern und Engpässe beseitigen, können sie wegweisende neue Anwendungen einsetzen, die Geschäftsmöglichkeiten und Kundennutzen radikal verbessern“, betont Snelling.

Fast die Hälfte der Unternehmen wendet KI bereits an
70 Prozent der Unternehmen planen, ihre bestehenden Geschäftsanwendungen innerhalb der nächsten zwei Jahre mit KI-Technologie auszustatten. Ein übergreifendes Verständnis des funktionalen Wertes von KI treibt die Bereitschaft zur Implementierung deutlich voran. So erwarten etwa fast 80 Prozent der Befragten einen hohen Nutzen aus der Automatisierung von Arbeitsabläufen, um die menschliche Interaktion zu reduzieren. 73 Prozent glauben, dass dies zu einer schnelleren Abwicklung von Geschäftsprozessen führen wird und 72 Prozent sagen mehr und bessere Handlungsempfehlungen voraus, wie z.B. vorausschauende Wartung, neue Produkte oder Dienstleistungen.
Für die Studie "What AI can do for business applications" wurden IT-Spezialisten und Entscheider aus 240 Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern in der DACH-Region (Österreich, Schweiz, Deutschland), Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien sowie in den nordischen Ländern (Finnland, Schweden, Dänemark) aus den Bereichen Produktion, Dienstleistungen, Handel und Transport befragt.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 07.09.2018

HTL-Schüler siegen bei Drohnen-WM in USA

HTL-Schüler siegen bei Drohnen-WM in USA © HTL_WrNeuStdt

Bei der Weltmeisterschaft für Drohnen in Kalifornien erreichten gleich zwei Teams der HTL Wiener Neustadt (NOe) Topplätze. Beim sogenannten Botball-Bewerb standen praktische Einsätze in Landwirtschaft, Tourismus und Industrie im Mittelpunkt.

Im Bewerb mit Flugdrohnen traten im Team airtems Joel Klimont, Konstantin Lampalzer, Daniel Honies und Christoph Käferle, alle Schüler der HTL-Wiener Neustadt, an. Dabei mussten bis zu drei autonome Drohnen in einem Käfig sich auf dem Boden bewegende Roboter identifizieren und darauf landen sowie starten. Je mehr erfolgreiche Lande- und Startvorgänge die Drohnen innerhalb von drei Minuten absolvieren, desto mehr Punkte gab es. Das Team airtems schaffte das im internationalen Teilnehmerfeld am besten und gewann erstmals den WM-Titel.

Autonome Roboter pflücken Datteln
Die Aufgabenstellung für das Team unic mit Ida Hönigmann, Manuel Eiwen, Matthias Guzmits, Cornelius Kahofer, Peter Kain, Christoph Schnabl, Simon Lindenthal und Sebastian Rohrer war wiederum aus Landwirtschaft und Tourismus motiviert. „Der Anbau von Datteln hat eine lange Tradition am diesjährigen Austragungsort der WM in Indian Wells.
Die autonomen Roboter mussten innerhalb von zwei Minuten Datteln pflücken, in Behälter geben und die Ernte einbringen. Eine weitere Aufgabenstellung war, Touristen über eine Bergseilbahn hinauf und hinunter auf den Mount San Jacinto zu bringen“, erklärten Ute Hammel (Direktorin) sowie die Teambetreuer Manfred Stifter und Harald Haberstroh (beide HTL-Professoren) die fachliche Herausforderung.

Bestätigung für Wissensstandort Niederösterreich
„Die Erfolge der HTL Wiener Neustadt waren nicht zuletzt ausschlaggebend für das neue Robotic-Studium an der FH Wiener Neustadt. Damit haben sie zu einer ganz besonderen Schwerpunktsetzung in der Region beigetragen. Einmal mehr sind wir sehr stolz auf unsere klugen Köpfe“, betont Klaus Schneeberger, Bürgermeister von Wiener Neustadt und Aufsichtsratvorsitzender der Standortagentur ecoplus Niederösterreich.
Der Aufenthalt der HTL Wiener Neustadt konnte mit der Unterstützung des Landes Niederösterreich und ecoplus realisiert werden. Für Landeschefin Johanna Mikl-Leitner beweist die HTL Wiener Neustadt seit vielen Jahren mit mehrfachen Europa- und Weltmeistertiteln „ihre umfassende Kompetenz sowie ein überdurchschnittliches Engagement der Schüler und der HTL Lehrer“. „Hier glänzen individuelle Talente, die im Rahmen der Zusammenarbeit zu Teamplayern wurden,“ ergänzt Petra Bohuslav, NOe-Wirtschafts- und Technologie-Landesrätin.

Der Wettbewerb
Botball ist ein internationaler Robotik-Wettbewerb mit dem Ziel Jugendliche für Forschung und Technik zu begeistern. Bei den von Einrichtungen wie der Weltraumagentur NASA gesponserten Wettbewerben erhält jedes Team den gleichen Bausatz – hat also die gleichen Voraussetzungen beim Start. Wie die Komponenten zusammengebaut und programmiert werden, bleibt jedem Team überlassen. Mit den so konstruierten und programmierten Robotern treten die Teams dann gegeneinander an.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 07.09.2018

Sicherheit für autonomes Fahren

Sicherheit für autonomes Fahren© FH_StPoelten

Die FH St. Pölten (NOe) entwickelt neue Methode für sicheren Informationsaustausch zwischen Fahrzeugen mittels Funkdaten.

Neue technische Errungenschaften wie das Internet der Dinge (IoT) oder die direkte drahtlose Kommunikation zwischen Objekten erhöhen den Bedarf an effizienter Verschlüsselung und Informationssicherheit. Ein Projekt der FH St. Pölten entwickelt aktuell ein neues Verfahren zur Verschlüsselung von Daten für den Bereich des autonomen Fahrens und das Internet der Dinge. Die Technik soll auch mit zukünftigen Technologien noch sichere Kommunikation ermöglichen.
 
Funkdaten statt mathematischer Verfahren
Beim autonomen Fahren müssen Fahrzeuge miteinander kommunizieren, also Informationen und Daten austauschen. Manipulierte Kommunikation ist hier nicht nur eine Frage der IT-Sicherheit, sie kann Menschenleben gefährden. Ein wesentlicher Punkt in der Kommunikation zwischen den Fahrzeugen ist die sichere Verschlüsselung der Information.
Neben den bisher dafür eingesetzten mathematischen Verfahren, erfordert nun die digitale kabellose Kommunikation mit sensiblen Daten mit Anwendungen im Bereich IoT oder dem autonomen Fahren neue Verfahren, die auch bei zukünftigen Technologien wie etwa Quantencomputering entsprechende Sicherheit gewährleisten. Das von der FH St. Pölten durchgeführte Projekt „KIF - Kryptografie mit Integration von Funkmessdaten“ entwickelte dafür nun einen neuen Ansatz, wo statt mathematischer Verfahren zum Genieren der Schlüssel Funkdaten verwendet werden.

Verschlüsselung von Kommunikation
„Verkehrsinfrastruktur wird erfahrungsgemäß für mindestens 20 Jahre ausgelegt. In spätestens 15 Jahren werden Quantencomputer mit ausreichenden Geschwindigkeiten für die praktische Anwendung erwartet. Derzeitige Verfahren zur Objekt-/Daten-Authentifizierung und Datenintegritätsprüfung sind dann aus Sicherheitsgründen nicht mehr verwendbar. Daher suchen wir bereits jetzt nach einer quantencomputersicheren Methode auf Basis physikalischer Methoden, die auch dann noch sicher ist“, erläutert Ernst Piller, Leiter des Projekts sowie des Instituts für IT-Sicherheitsforschung der FH St. Pölten.
Basis der neuen Methode ist das Erzeugen und Verteilen von kryptografischen Schlüsseln auf Basis der Messung von Funkkanaleigenschaften einer hochfrequenten Funkübertragung: Bei beiden Objekten (jeweils Sender und Empfänger), zum Beispiel Fahrzeuge, werden Funksignale sowie reflektierende Echos des Signals und deren Verzögerung gemessen. „Dieses Muster aus Hauptsignal und verzögerten Echos ist zufällig und nur an den beiden Empfängerseiten gleich. Daraus lassen sich Zufallsdaten erzeugen, die zum Generieren des Schlüssels verwendet werden und die von potentiellen Angreifern nicht abgehört werden können“, erklärt Piller.
 
Forschungsprojekt KIRAS des Bundes
Laut Piller gibt es bereits ähnliche Ansätze, das Projekt der FH St. Pölten berücksichtigt aber einige spezifische Faktoren, die für das autonome Fahren gelten und die sichere Kommunikation erschweren: mögliche hohe Fahrzeuggeschwindigkeit, schnell wechselnde Fahrzeuge, hohe Anzahl an Fahrzeugen, meist sehr kurze Kommunikationszeiten und Störungen aus dem Umfeld. Ziel ist ein kostengünstiges Produkt für den praktischen Einsatz.
Das gesamte Forschungsprojekt inklusive des Projektes KIF (Hochsichere, langzeitige Kryptografie für kabellose Kommunikation mit Integration von Funkmessdaten) wird vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) im Rahmen des österreichischen Förderprogramms für die Sicherheitsforschung KIRAS finanziert. Partner im Projekt sind die Cryptas it-Security GmbH, das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA), die ASFINAG und das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (BMLVS).

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 07.09.2018

Oben und Unten als existenzielle Frage

Oben und Unten als existenzielle Frage© piqs.de/gisi

Wo ist im Weltraum oben und unten? Die Internationale Astronomische Union einigte sich auf einen neuen Referenzrahmen für Richtungsangaben im All. Die TU-Wien leistete dafür einen wichtigen Beitrag.

Wenn Raumfahrzeuge zu fremden Planeten geschickt werden oder wenn die Bewegung der Erde untersucht wird kommt in Zukunft ein Referenzsystem zum Einsatz, an dessen jüngster Realisierung die TU-Wien maßgeblich mitgewirkt hat. Aktuell wurde bei der Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) in Wien entschieden, den neuen himmelfesten Referenzrahmen (ICRF3) anzunehmen, um Richtungen im Weltraum noch genauer als bisher angeben zu können. Er basiert auf der präzisen Vermessung von über 4000 extragalaktischen Radioquellen.

Ein Koordinatensystem fürs Universum
So wie man bei der Vermessung von Berggipfeln ein Referenzsystem benötigt (etwa Längen- und Breitengrade der Erde auf Basis des Meeresniveaus), muss auch für Richtungsangaben im Weltraum ein verlässliches Referenzsystem existieren. „Die Fixsterne zu verwenden, die wir am Nachthimmel sehen, ist keine gute Idee“, erklärt Johannes Böhm vom Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien. „Sie verschieben sich im Lauf der Zeit ein kleines bisschen gegeneinander, womit man alle paar Jahre ein neues Referenzsystem definieren müsste, um die nötige Genauigkeit zu erhalten.“
Anders sieht es jedoch mit extragalaktischen Radioquellen aus: „Wir kennen heute hunderttausende Objekte im Weltraum, die extrem intensive, langwellige Strahlung aussenden“, so Böhm. „Dabei handelt es sich um supermassereiche Schwarze Löcher im Zentrum fremder Galaxien, auch Quasare genannt, die teilweise Milliarden Lichtjahre von uns entfernt sind.“ Diese Strahlungsquellen sehen von der Erde betrachtet praktisch punktförmig aus, und durch ihre gewaltige Entfernung eignen sie sich optimal zum Festlegen eines weltweit gültigen Referenzsystems. Vergleichsweise kleine Verschiebungen zwischen den Quasaren spielen hier keine Rolle mehr.

Verschiedene Radioteleskope miteinander vergleichen
Um die größtmögliche Präzision zu erreichen ist einiges an Aufwand nötig: Es genügt nicht, mit einem Radioteleskop ein Bild aufzunehmen, und daraus die Richtung der Radioquelle abzulesen. Stattdessen werden die Daten unterschiedlicher Radioteleskope miteinander verglichen. „Jede Radioquelle liefert ein Signal mit einem gewissen Rauschen“, erklärt David Mayer, Assistent im Team von Johannes Böhm.
„Wenn man dieses Rauschen gleichzeitig mit zwei verschiedenen Radioteleskopen misst, die idealerweise tausende Kilometer voneinander entfernt sind, dann kann man die Zeitdifferenz zwischen dem Eintreffen des Signals am ersten und am zweiten Radioteleskop sehr genau bestimmen. Und daraus wiederum lässt sich dann die Richtung, aus der das Signal kommt, mit extremer Präzision berechnen.“

Leistungsstarke Rechner des Vienna Scientific Cluster
Diese Berechnungen benötigen sehr leistungsstarke Rechner und erfolgen unter anderem am Vienna Scientific Cluster (VSC-3). So wurden Lösungen für den Referenzrahmen ICRF3 von einigen Forschungsgruppen weltweit beigesteuert, neben der TU Wien waren etwa auch das Goddard Space Flight Center der NASA oder das Observatoire de Paris beteiligt. Damit kann die Position der Radioquellen am Sternenhimmel mit einer Genauigkeit von etwa 30 Mikro-Bogensekunden angeben werden und das entspricht ungefähr dem Durchmesser eines Tennisballs auf dem Mond, von der Erde aus gesehen.
Bei der Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) in Wien wurde nun entschieden, diese Hochpräzisions-Radioquellenkarte als internationales Referenzsystem zu verwenden. Man wird es beispielsweise nutzen, um die Position von Raumfahrzeugen anzugeben, aber auch für die Überwachung der Erde ist das Referenzsystem wichtig, etwa wenn man die Präzission der Erdrotationsachse oder das Wandern der Pole untersucht.

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red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 07.09.2018

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