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Endlich Urlaub

Endlich Urlaub©piqs.de/feliciano guimares

Die Aufregungen der letzten Woche rund um die Ösi-Journaile und feminine Kampf-WeipsInnen waren anstrengend. Im aktuell fünften Teil der sommerlichen Entschleunigungstexte träumt daher unser aller Shlomo Abdullah vom wohlverdienten Urlaub. Davor suchen ihn allerdings noch diverse Traumata heim und, passend, so muss Kasandra, Shlomos beste aller Ehefrauen zur Ordnung rufen. Der Flieger in den dann wirklich schwer verdienten Urlaub wartet nicht.

(Christian Czaak) Bis dato war der Sommer für Shlomo Vorbereitungen und Umsetzungen lesbarer Geschichten abseits von beruflich wertvollen Themen gewidmet. Nach dem bisherigen Höhepunkt im vierten Teil in Form einer geschlechtsgesellschafts- und ein wenig auch medienpolitischen Auseinandersetzung rund um eine, auch den Reaktionen entsprechend dramaturgisch passende und dankenswerter Weise männlich dominierte Erörterung der politischen Situation in Österreich mit darauf folgenden weiblich zentrierten philosophischen Erkenntnissen, reagierte Shlomo mit rund 22.000 Zeichen (inklusive Abstand) oder rund fünf Maschinschreibseiten.

Die LeserInnen reagieren, beziehungsweise müssen reagieren
Ein (nahezu) halber Kurzroman also und daraufhin gab es entsprechend auch direkte Reaktionen von Leserinnen sowie Lesern und ein ordentlicher Schreiber ist dafür nicht nur dankbar, sondern manchmal regelrecht euphorisch, besonders dann, wenn diese Reaktionen das vollständige Leseverständnis spiegeln und zudem auch die im Text erörterte Problematik. Bei einigen Kritiken ging es auch um grundsätzliches und das liest sich dann so: „Es wäre besser, Sie treten Ihren Urlaub bald an“, schrieb Petra K.. „Diese komischen Entschleunigungsgeschichten passen aber so was von nicht. Wenn schon keine üblichen Berichte, dann bitte lieber gar nix“, kam wiederum von Herbert M..
Es gab aber auch verhaltene Zustimmung: „Mit Fußball (Anm. das war Teil drei) konnte ich nichts anfangen aber für die Frauengeschichte gebe ich vier von fünf Punkten“, wertete Siegfried L.. „Viel zu lange generell, viel zu lange Schachtelsätze (Anm. dieses Problem ist uns bereits bekannt), mehrere unpassende Abschweifungen“, urteilte wiederum Birgit Z. Versöhnlich dafür Hans A.: „Super. Viele lustige Passagen, treffende Beschreibungen. Oft gelacht.“ Und auch Ute F.: „Bitte diese Kolumnen beibehalten. Die zweite (Anm. die mit dem politischen Spaziergang) war fad aber alle anderen waren lustig zu lesen, einmal was anderes.“ Zum besseren Verständnis noch: „echte“ Leserbriefe waren nur die ersten zwei Anführungen, alle anderen waren proaktiv eingeholte Sichtweisen von Freunden und bekannten Lesern.

„Dotti, die Blondine“ oder „Wer schreibt so spät den Text am Spind“
Grundsätzlich war diese männlich schreiberische Reaktion auf die Spiegeltext-Reaktionen eigentlich gar nicht geplant aber manchmal muss man sich auch über Grundsätze hinweg setzen und als verantwortungsbewusster Schreiber konnte Shlomo ja nicht einfach nur nix schreiben. Wobei, einmal nix, beziehungsweise von Nix schreiben? Das wär’ schon was. Shlomo erinnert sich an die Philosophie-Vorlesungen seines Publizistik-Studiums, recherchiert in der gehobenen belletristischen Literatur und im Bereich der Sachbuchautoren, öffnet die Kiste aus seiner Jugendzeit zum Thema Trivialliteratur mit Straßenfegern wie „Dotti, die Blondine“ (Verlag Sexer Nummer 92) oder „Die Stadt der Toten“ (Jerry Cotten Nummer 612) - und gerät regelrecht ins Schwärmen. Zwischen Ovid, Sophokles, Wittgenstein, Popper oder dann eben Dotti und Jerry muss es doch noch was geben. Eine Art Zwischenstromland geistig-schreiberischer Ergüsse.
Shlomo beginnt nun einmal den Titel zu formen. „Wer schreibt so spät den Text am Spind. Es ist der Mann, geformt bei Frau und Wind.“ Pfah. Auch wenn da Shlomos Traumata aus seiner Zeit beim Bundesheer durchblitzen, er beschließt trotzdem und vorsorglich die Anmeldung beim kommenden Literaturfestival der Vorstadtautoren, äh, natürlich -autorinnen. Wenn Shlomo das macht, darf er gendertechnisch ja nicht angreifbar sein. In der Jury sitzen auch hier sicher Expertinnen und die verstehen nicht einmal fiktiven literarischen Spaß. Wobei, als Spaß wäre das eh nicht gemeint. In Zeiten, wo Feministinnen die zumindest sprichwörtliche Weltfrauschaft übernehmen, muss Shlomo die (bitte ebenso sprichwörtliche) Fahne der weißen silberhaarigen Schwanzträger hochhalten. Und das „innen“ soll, entsprechend politisch korrekt, die ja auch vorhandenen männlichen Feministen mit einbeziehen.

Kasandra wird schrill
Hier wird Shlomo aber nun unsicher: heißt es „männliche Feministen“ oder doch, und politisch möglicherweise weitaus korrekter, „männliche FeministInnen“. Puh. Das birgt eventuell einige Sprengkraft in sich. Neben Expertinnen braucht Shlomo nicht auch noch das Feuilleton gegen sich. Das deutsche natürlich. Die Ösis schreiben zwar auch Feuilleton in die Pagina einzelner Bücher, vulgo Teile, ihrer tagesperiodengleichsamen Druckwerke – aber der oder die folgenden Inhalte sind dann sicher nicht feuilletonistisch, bestenfalls tonistisch. Tonistisch?! Shlomo ist jetzt erregt, geistig, das ist zielführender, zumindest jetzt. Hat er gar ein neues Wort definiert? Er, der ohnehin schon tausende Zeichen im Sekunden- oder zumindest Minutentakt aus dem Hirngelenk schütteln kann. Winkt ihm ein Platz in der philosophischen Ahnengalerie österreichischer Geistesgrößen?
„Shlomo!“ Oh je, aus der Traum. Kasandra ruft und an Tonalität und zeitlicher Kürze ihrer ganz eigenen Zischsprache erkennt Shlomo in der Sekunde den Ernst der Lage. Kasandra braucht Aufmerksamkeit. „Jaaah?“ „Alles eingepackt?!“ Shlomo wird nervös. Der Urlaub. Der Familienurlaub! Luke und Helen (die Kinder) mischen sich jetzt auch noch ein: „Wir sind fertig Papa. Du auch?!“. Shlomo schluckt kurz, jetzt braucht er einen Trick: „Natürlich bin ich fertig, nur das Handy ist noch nicht ganz aufgeladen. Geht doch bitte schon vor zum Auto.“ „Papa...?“ „Shlomooh!“ Jetzt wird Kasandra schrill. Bitte nicht. Es ist Urlaub und der soll entsprechend beginnen. Shlomo beschließt das Handy unterwegs zu laden, er hat sich extra so ein Gerät angeschafft. Rückblickend nun in weiser Voraussicht. Und nicht jeder Text muss fertig werden. Schließlich ist Entschleunigung angesagt. Für das passende Musikwerk muss aber noch Zeit zur Auswahl sein. Kasandra hin oder her. Der Weg zum Urlaub will auch passend liedlich umrahmt sein. Außerdem hat Mick Jagger gerade seinen 75. Geburstag gefeiert. Was eigentlich eine eigene Geschichte wäre. „Shlomooooohhh!“

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 31.07.2018
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Der ewige Kampf der Geschlechter

Der ewige Kampf der Geschlechter© piqs.de/dflam

Der vierte Abschnitt der sommerlichen Entschleunigungstexte handelt, systemimmanent etwas umfangreicher, von ärgerlichen Erfahrungen und Verwunderungen über feminine Ösi-JournalistInninnen, Nach einem männlich dominierten Spiegel-Bericht über das politische Österreich gab es entsprechende Diskussionen bis rauf zu Kasandra, der Ehefrau unseres ja extra sommerlich konzipierten Shlomo Abdullahs.

(Christian Czaak) Im Urlaub sollte gewöhnlich mehr Zeit für persönliche Vorlieben bleiben und dazu gehört für unseren und nunmehr hoffentlich schon auch ein wenig Ihrigen Shlomo Abdullah auch das ausgiebige Lesen von Zeitungen und Magazinen. Bücher eher nicht, dafür hat Shlomo zu wenig Sitzfleisch. Auf Grund einer mittlerweile schon neunundzwanzig Jahre laufenden beruflichen Vorgeschichte hat Shlomo dafür einen etwas anderen, vergleichweise kritischeren Zugang zu Medien und daraus resultiert, dass er, primär als Leser, von österreichischen Medien nur mehr ein Wochenmagazin namens Falter im Abonnement bezieht plus, sozusagen werbetauglich, seinen bis dato schon nahezu unendlichen Horizont mit der Tageszeitung für den (zumindest seinerzeit) „großen Horizont“, vulgo „Die Presse“, noch ausweitet - oder dann möglicherweise zeitweise doch wieder endlicher macht.

Der Falter gilt unter lesenden Experten und nach sogenannter landläufiger Meinung als politisch sehr links, Die Presse weitgehend als bürgerlich und nur mehr manchmal, in zunehmend abnehmender Form als konservativ. Das Land Österreich ist aber mittlerweile sehr klein, die Grenzen daher möglicherweise auch im übertragenen (geistigen) Sinn eng gesteckt und um diese gesellschaftspolitisch auch entsprechend eng konträren Positionen für diese knapp bemessene Region etwas zu durchlüften, bezieht Shlomo auch die deutschen Wochenzeitungen Die Zeit und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) sowie das Wochenmagazin Der Spiegel im Abo. Die Zeit und Der Spiegel gelten politisch als linksliberal, die FAS auch als bürgerlich-konservativer (insbesondere nach dem Ableben des weitsichtigen Frank Schirrmacher) und so sollte zumindest eine halbwegs ausgewogene, beziehungsweise gesellschaftspolitisch belastbare inhaltliche Basis zur Informationssichtung Gültigkeit haben.

Eine messertödliche Beziehungstat als „natürliche Auslese“
Aus seinerzeitiger (beruflicher) Nähe poppt bei Shlomo dann auch noch täglich die Online-Tageszeitung derStandard.at auf und das seit nunmehr 23 Jahren. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und Shlomo das allergrößte und so ist diese Zeitung sozusagen die inhaltliche Spange für die Vergleichbarkeit bestimmter Themen und journalistischer Zugänge, in Summe auch Mainstream-Journalismus genannt. Bis dato galt die seinerzeitige Qualitätszeitung Der Standard auch als linksliberal, nun arbeiten die verstärkt sozialmedial abgesaugten Userposter, vulgo Online-Leser, gleichermaßen ver- und entsprechend massenhafttauglich gestärkt an einer medienpolitischen Verschiebung in Richtung national-reaktionärer Meinungsraum.
Und das zunehmend durchzogen mit totalitären oder zumindest autokratischen und manchmal auch gewaltbereiten oder zumindest sehr verrohten Einflüssen. Erst kürzlich bezeichnete ein/e PosterIn eine messertödliche gegenseitige Beziehungstat eines Elternpaares in direkter Anwesenheit ihrer drei kleinen Kindern als „natürliche Auslese“, was (wieder einmal) durch die zuvor bei vergleichsähnlicher Kritik schon mehrmals medieneigengelobte Wartung des Forums als Ort der überschautwachten Meinungsäußerung augenscheinlich „durchrutschte“ - und auch von keinem anderen User (Leser) gemeldet wurde.
Dafür schrieb der neue, mehr als acht Monate im Amt befindliche Standard-Chefredakteur Martin Kotynek seinen ersten Text. Thema war eine zuvor von mehreren anderen ChefredakteurInnen gestartete Initiativverteidigung der Pressefreiheit, an die sich der Standard erst nach einer zweitägigen Schrecksekunde, weil nicht gleich mit einbezogen (warum wohl?), anschloss und worauf Die Presse-Chefredaktor Rainer Nowak „Welcome!“ in Richtung Kotynek twitterte und ein anderer, vergleichsweise nicht ganz so prominenter Publizist „Good Morning“.

Der Spiegel-Aufmacher mit dem Titel „Der kleine Braune“
Aber das mit dem verrohenden Standard-Forum ist eine bereits vergangenes Frühjahr beleuchtete andere Geschichte. Shlomo hat sich seit damals als aktiver Post(l)er verabschiedet, nimmt aber das Forum seither als Gradmesser für bestimmte gesellschaftspolitische Tendenzen, beziehungsweise bezüglich deren Abzweigungen mit sodann naturgemäß (ent)menschlich(t) möglichen Entgleisungen. Zurück zum eigentlichen Thema, zurück zu Urlaub und Entschleunigung aber zuvor noch zurück zum aktuellen Ärger und dieser nimmt seinen Ausgang in einer Titelgeschichte des deutschen Spiegel über Österreich.
Der Autor Ullrich Fichtner, als auch lesender Spiegel-Abonnent bekanntermaßen erfahrener Spezialist für internationale politische Entwicklungen, schildert auf vergleichsweise umfangreichen rund zehn Seiten unter dem Aufmacher-Titel „Der kleine Braune“ die aktuellen politischen Entwicklungen in Österreich. Anlässlich der österreichischen Übernahme des EU-Ratsvorsitzes geht es um journalistisch altbewährte Themen wie, dem Sinn nach, politische Tendenzen nach rechts, Flüchtlinge, Migration, soziale Erkältungen oder Vergleiche mit autokratischen Entwicklungen in anderen europäischen Ländern.

Nationalkonservative Strömungen und anti-europäische Abwege
Autor Fichtner führt eigenen Angaben zufolge in Summe mehr als dreißig Gespräche und lässt sodann im Text zahlreiche Einheimische zu Wort kommen, von kleineren und größeren freiheitlichen Gemeinde- und Landespolitikern über sozial benachteiligte Frauen und jüdisch-stämmige linksliberale Intellektuelle bis hin zu Journalisten wie Florian Klenk, immer motivierter Chefredakteur des Falter oder Anneliese Rohrer, langjährige Chefreporterin von Die Presse und nunmehr immer mit offenem Visier in alle politischen Richtungen klartext-schreibende Kolumnistin ebendort. Aus Shlomos Lesersicht liest sich Fichtners-Text kritisch-objektiv und unaufgeregt, er, der Text, kommt weitgehend ohne die nun schon länger und auch quer durch alle (sogenannten) Qualitäts-Medien üblichen tendenziösen Formulierungen und Meinungen aus.
Hauptthema und Botschaft des Textes ist die (gesellschafts)politische Situation in Österreich, ein wenig aus historischer Sicht und primär im Kontext verschiedenartiger Entwicklungen von Demokratie in Europa mit ihren aktuellen nationalkonservativen Strömungen und einer möglichen Gefahr von anti-europäischen Abwegen. In Summe ein journalistisch guter und absolut professioneller Text mit zahlreichen verschiedenen Sichtweisen auf Basis einer sicher umfangreichen Recherche und eben weitgehend ohne persönliche Meinungsmache des Autors.
Mit dem Material kann sich Shlomo ein eigenes Bild machen und/oder vorhandene Eindrücke sowie Gewissheiten verdichten und so soll das ja auch sein mit ordentlichen journalistischen Texten. Fehlen tut Shlomo nur ein wirtschaftpolitischer Aspekt, immerhin hat etwa der deutsche Infineon-Konzern gerade einen milliardenschweren Ausbau der Niederlassung in Kärnten beschlossen und bei der Vorstellung politische Rahmenbedingungen und Qualität des Standortes Österreich als Entscheidungsgrundlage angeführt.

Schwarz und Weiß als mediale Modefarben unserer Zeit
Shlomo steht mit seiner Sichtweise zum Spiegel-Text(er) allerdings weitgehend allein da. Während Chefredakteur Rainer Nowak in Die Presse noch eine Art „im eigenen Saft braten“ beklagt, weil seiner - in einem Leitartikel - geäußerten Ansicht nach zu viele gleich denkende sowie sich gut kennende und schätzende linksliberale Journalisten und Denker wie eben Klenk und die auch befragten Doron Rabinovici, Robert Misik oder Robert Menasse zu Wort kamen. Und nicht etwa auch die Bundesregierung oder der Bundeskanzler, der zudem (sträflicherweise laut Nowak) „als 31-jähriger Kleinbürgersohn aus Wien mit dem Gesicht eines milden Apostels“ beschrieben wird.
Nowak gibt generell zu bedenken, dass „zu umfangreiche Recherche die Geschichte zerstört“, da so „die angedachte These eines journalistischen Stückes nicht verifiziert werden kann“ und „der Beitrag womöglich ein differenziertes Bild zeige und im schlimmsten Fall nur Grautöne liefert obwohl doch Schwarz und Weiß die medialen Modefarben unserer Zeit sind.“ Shlomo mag auch die Weiß beeinträchtigenden Grautöne und teilt diese Meinung nicht aber er schätzt Rainer Nowak als Journalist wie Blattmacher und auch auf Grund seines, Nowaks, subtilen Humors und denkt sich daher nur, dass in dem Nowak möglicherweise auch ein gar nicht so kleiner Literat mit möglichen philosophischen Neigungen steckt – auch wenn er wahrscheinlich sicher nicht wie Shlomo im vorstädtischen Hernals sozialisiert wurde und vergleichsweise eher gut-, bitte gut- und nicht etwa auch kleinbürgerliche Wurzeln hat.

Zwei Frauen als journalistische Speerspitze eines ausrastenden Ösi-Mobs
Rainer Nowak ist in weiterer Fichtner-Folge aber nur eine sprachlich und inhaltlich auf Augenhöhe argumentierende Art Eisbrecher eines nun regelrecht ausrastenden Ösi-Mobs und das in dem Fall nur gedanklich schreiberische „Ausrasten“ für den journalistischen Bereich ist dabei, geschlechtskorrekt, weiblich geführt. Als Erste startet die ORF-Unterhaltungspräsentationsmoderatorin Martina Rupp auf Facebook mit „warum wird im ganzen Spiegel-Artikel nur eine einzige Frau zitiert?!“ – und gleich drauf sekundiert eine der wirklichen Leit- und Leuchtfigurinnen (zumindest bis zur Wiener Stadtgrenze) des heimischen Feminismus, parallel auch Infochefin des privaten TV-Senders „Puls4“, Frau Corinna Milborn, über ihren Twitter-Kanal: „Lasst uns helfen – wer wurde nicht gefragt und hätte was gesagt?“ Die Worte „uns“, „nicht“ und „hätte“ sind von ihr exakt so und in dieser Formulierung angeführt.
Shlomo muss den Kopf heftig schütteln. Soll er sich weiblich-feminine Seelenerkundung bei seiner Kasandra suchen? Nein danke, wirklich nicht, beziehungsweise zumindest jetzt noch nicht. Shlomo fühlt sich hier inhaltlich berufen genug, will sich erst selbst in die weitere Entwicklung einlesen und dazu dient einmal der Erklärungskommentar von Spiegel-Autor Ullrich Fichtner im auf die Spiegeltext-Erscheinung folgenden Falter (da das Falter-Archiv nur für Abonnenten zugänglich und Link nicht geht, ist Fichtners erklärender Faltertext anschließend im textlichen Original angefügt). Wobei, Erklärung? Eher eine rechtfertigende Bestätigung und dafür denkt sich Shlomo: eigentlich Hut ab. Ein g’standener Spiegel-Redakteur, der auf kritisches LeserInnen-Feedback mit einem eigenen Text reagiert verdient Respekt und dazu auch (noch) der Falter, der dem Raum gibt. Shlomo recherchiert intensiver - und liest die Leserbriefseite des nächsten Spiegel. Spätestens jetzt zahlt sich das Abo aus.

Die typisch österreichische Doppelmoral und journalistische Twitterblasen
In der Tat, von fünf publizierten Leserbriefen (vier Männer und eine Frau) sind vier negativ und nur einer dem Text zustimmend. Der Tenor geht in Richtung „nur linke Ideengeber“, „oberflächlich, arrogant, besserwisserisch, „Sie stellen ein Land genüsslich in die braune Ecke“, „linkes Gesinnungsgebläse“. Keine einzige der abgedruckten Kritiken bezieht sich auf fehlende weibliche Sichtweisen. Shlomo weitet die Recherche aus und liest nun auch Fichtners Replik im Falter ganz. Dieser schreibt da nun sogar von zwei Teilen der Kritik und schildert bereits für den ersten Teil hässliche Begriffe wie „Arschloch“, „Dummschwätzer“ und, dass er als „Vorhut einer linken Meinungsdiktatur“ bezeichnet wird. Diese Begriffe waren in den Leserbriefen nicht gefallen, sie können daher nur über die weitgehend journalistische Twitter-Blase gekommen sein. Shlomo ist jetzt entsprechend auf den zweiten Teil gespannt, da können ja dann eigentlich nur mehr strafrechtlich relevante Sachen folgen.
Es kommt aber zumindest atmosphärisch (für Männer) noch schlimmer. In Erinnerung und Anwendung der Männer seither und in alle Ewigkeit verfolgenden #MeToo-Debatte, erzählt Fichtner von einem „Twitter-Gewitter“ und bezieht sich dabei auf die angeführten schreiberischen Ergüsse von Frau Rupp und Frau Milborn bezüglich der im Österreich-Text fehlenden weiblichen Stimmen. Allerdings, und da wird Shlomo nun hellöhrig, beziehungsweise hellaurig, Fichtner berichtet, er hätte sich sehr wohl um mehrere Interviews mit Frauen bemüht – und: diese hätten ihm aber abgesagt und eine dieser absagenden Damen würde nun sogar gegen ihn, Fichtner, „zetern“. Shlomo kommt sogleich der Begriff Doppelmoral in den Sinn. Typisch österreichisch und aus Shlomos Sicht geprägt vom (nicht nur) in Österreich vorherrschenden Katholizismus.

Der zentrale Anlass für Shlomos Ärger
Shlomo wurde, wie nun bereits hoffentlich hinlänglich bekannt, in der Wiener Vorstadt sozialisiert, lebt nun seit knapp zehn Jahren am Land und kennt die Charaktere vieler, sogenannter gläubiger Menschen, die brav und wirklich jeden Sonntag in die Kirche gehen. Mit der christlichen Nächstenliebe oder liberaleren Positionen ist es abseits der Kirche dann aber oftmals ganz schnell vorbei. Im Mittelpunkt stehen dann überwiegend sehr nationale Sichtweisen und zunehmende Tendenzen und das gilt für viele (Bundes)Länder, insbesondere auch Tirol, wo Shlomo neben Wien und dem niederösterreichischen Weinviertel ebenfalls Familie hat. Aber das ist eventuell eine andere Geschichte, zurück zum eigentlichen Thema und zum Ärger Shlomos, der sich nun der zentralen Ursache nähert.
Spiegel-Autor Fichtner schreibt eine politische Geschichte über Österreich, erntet dafür mehrteilige Kritik und sowohl der Spiegel als Medium wie auch der Autor selbst stellen sich er- und aufklärend diesen Kritiken. Fichtner sogar auf einer ganzen Seite im Falter und über die sogenannten Sozialen Medien. So weit, so gut und fair - auch nach publizistischen und redaktionellen Kriterien, zumindest nach denen, die Shlomo gelernt hat. Jetzt folgt aber noch ein Akt und der ärgert Shlomo regelrecht maßlos. Im aktuellen Falter, zwei Wochen nach der Spiegel-Geschichte und eine Ausgabenwoche nach der erklärenden Fichtner-Rechtfertigung, lässt (letztendlich) Falter-Chefredakteur Klenk nochmals Frau Corinna auf einer ganzen Seite gegen Fichtners-Geschichte schwadronieren.

Das Prinzip der schulischen Erziehung zur Gleichstellung
Unter dem Titel „Wenn Frauen keine Stimme haben“ wärmt Frau Corinna bereits bekannte und bereits entkräftete Vorwürfe auf. Fichtners Erklärung, dass keine Frauen reden wollten, wird als „Ausrede“ abgekanzelt. Einmal in femininer Fahrt, wirft sie Fichtner vor „sich an keine einzige der führenden intellektuellen Frauen des Landes“ gewandt zu haben. Shlomo fällt jetzt in der Schnelle außer Elfriede Jelinek (die sich nicht äußert) und Eva Menasse leider keine weitere ein aber vielleicht meint Frau Corinna hier sich selbst und verwendet hier abermals (wie bei ihrem Twitter-Erguss) den Pluralis Majestatis? Shlomo kommt gar nicht zum Überdenken einer Antwort, Frau Corinna nimmt weiter Fahrt auf: „Fichtner evoziert die Zeit der Kaffeehausliteraten, in der dieser öffentliche Raum Männern vorbehalten war und Frauen sich auf private Salons beschränken mussten“ ... „Männer haben Stimme, Frauen gehören ins Haus.“ Evoziert bedeutet übrigens in der Nachschau „hervorrufen“.
Shlomo ist jetzt kurzfristig beeindruckt von dieser Wortwahl und ja, alle Frauen gehören wirklich nicht ins Haus. Corinna Milborn spannt dann noch den Bogen zur aktuellen Politik, wo „im Regierungsprogramm nicht die Gleichheit (von Mann und Frau) sondern die Ungleichheit festgeschrieben ist“, es stehe nämlich „Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden.“ Ein weiter Weg von Fichtners Geschichte weg, Shlomo kann ihr auf diesem geistigen Höhenweg nicht mehr folgen.
Aber dann steigt Milborn dankenswerter Weise wieder herunter in die Gegenwart: „In den Schulen strich die Regierung ersatzlos das Unterrichtsprinzip der Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern.“ Ein Prinzip streichen? Jetzt wird es zumindest philosophisch und Shlomo nimmt sich vor, die praktische Anwendung dieses Prinzips beim nächsten Elternsprechtag in der Schule genauer zu hinterfragen. Blöderweise gibt es in der Volks- und Mittelschule sowie im Polytechnikum in Shlomos Heimatgemeinde nur zwei Männer unter insgesamt rund vierzig Lehrkräften. Die männerlosen Welten in der kindlichen Frühpädagogik, ha, Shlomo wird Infochefin Milborn dieses Thema für eine ihrer TV-Sendungen vorschlagen und da kann sie eigentlich nicht ablehnen.

Shlomo hätte auch einen Platz in der Milborn-Kiste
In weiterer Folge berichtet Milborn von Folgewirkungen „wenn Frauen einen Platz in der Öffentlichkeit fordern“. Sie schreibt von „gereizten bis aggressiven Reaktionen von Männern“ und das hätte einen Grund. Milborn: „Dieser heißt Machtverlust. Hätten mehr Frauen Öffentlichkeit, würden weniger Männer vorkommen.“ Shlomo muss an den sprichwörtlichen kleinen Maxi denken, wobei: besser an die Maxima. Frau Corinna bringt aber ein Beispiel zur Untermauerung ihrer These: „Ich komme nicht deshalb vor, weil ich ein Mann bin!“ schrieb ihr einer der Protagonisten aus der Geschichte. „Nein, du kommst vor, weil du viel zu sagen hast. Aber wärst du eine Frau und hättest du ebenso viel zu sagen, wärst du nicht vorgekommen. So einfach.“ Shlomo muss das noch mal lesen – aber es steht da tatsächlich genau so. Puh. Shlomo denkt an die Paar-Therapien mit seiner Kasandra und an einen Satz des Psychotherapeuten: „Männer haben mehr rationale Fähigkeiten, Frau ticken einfacher, dafür emotionaler.“
Milborn schlussfolgert sodann: „Wer eine gleichgestellte Gesellschaft will, muss sich darum bemühen, dass Frauen Öffentlichkeit bekommen. Das ist nicht einfach und auch ich scheitere wöchentlich daran und stelle mich jede Woche der Kritik.“ Ist jetzt wöchentlich viel oder wenig, welche Relevanz hat diese Zeitangabe? Welche Relevanz hat dieser ganze Artikel nach den ohnehin schon umfassend erfolgten Erläuterungen und Gegenerläuterungen? Eigentlich unfassbar denkt sich Shlomo. Er wird nahezu aggressiv – und passt damit jetzt in die Milborn-Kiste. Aber nur bedingt. Shlomo ärgert sich als Publizist und zahlender Abonnent und Leser des Falter über diese inhaltliche und formatbedingte Platzverschwendung. Und er ärgert sich über die unaufhörlichen femininen Prügel gegen alle Männer und die aus seiner Sicht aufgepoppte Doppelmoral. Wehe ein deutscher Journalist hätte es gewagt eine österreichische Geschichte (auch eine über Deutschland) zu kritisieren. Mehr hätte er (oder sie) nicht gebraucht.

Shlomos subjektive Sichtweise
Shlomos Grant und Vorwurf der Doppelmoral bezieht sich aber auch auf den Falter-Chefredakteur Florian Klenk. Dieser, ansonsten bekannt für generell markige, offene und auch politisch klartext-vermittelnde Sprüche und Texte, wird im Spiegel-Text auch zu seiner politischen Sichtweise über Österreich befragt. Ort der Befragung ist das innerstädtische Restaurant „Zum Schwarzen Kamel“, bekannt für seine gesprächsintimen Nischen und Spiegelwände. Klenks Antwort: „Urteile über Österreich sind schwer, weil man nie weiß, woran man ist. Es ist wie mit diesen Nischen hier, mit den Spiegeln. Wenn einer vorbeigeht, sieht man ihn von vorn im Spiegel, obwohl er in Wahrheit von hinten kommt. Und kommt einer von rechts, sieht man ihn zuerst im Spiegel links. So ist das bei uns.“
Aha. Aus Shlomos Sicht ist das zwar eine schöne Metapher und möglicherweise auch literarisch wertvoll. Aber warum redet Klenk nicht von den ja auch allwöchentlich im Falter behandelten Themen rund um Justiz, Geheimdienst, Militär, Exekutive, rechte Liederbücher, Integrationsprobleme, Kulturbudgets, Genderdebatten, Medienpolitik, ORF-Knebelungen? Jetzt hätte er Gelegenheit auch über die Landesgrenzen hinaus Gehör zu finden. Shlomo kann nur medienpolitische Vermutungen anstellen, für eine Stellungnahme Klenks bleibt keine Zeit und außerdem ist dieser Text hier ja eine Art Kommentarg(l)osse. Subjektiv, aus der Sicht Shlomos als Mann, als Publizist und als zahlender Falter-Abonnent. Da braucht es keine anderen Sichtweisen.

Kasandra weigert sich
Jetzt muss bitte nur noch Kasandra den Text gegenlesen. Doch sie weigert sich. „Die lange Wurst?! Das glaubst’ ja selber nicht. Keine Zeit für so einen Scheiß! Die Kinder wollen essen, ich muss einkaufen, das Haus gehört geputzt und bis morgen gehören noch mehrere Texte für eine Webseite illustriert!“ Sie will nicht einmal eine Meinung zur kurz erzählten Debatte abgeben. Shlomo wird nachdenklich, er wird ihr zumindest die Hausarbeit abnehmen. Damit bleibt zumindest die Hoffnung nicht als ewiggestriger Schwanzträger dazustehen und, bei aller lustvollen schreiberischen Zuspitzung und Polemik, niemanden ernsthaft oder persönlich mit seinen Ausführungen verletzt zu haben.
Eventuell wäre bei dieser schwierigen Thematik generell mehr Differenzierung angebracht, mehr genaues und faires Maß. Shlomo will bei sich selbst anfangen. Aber erst beim nächsten Mal, nun er ist müde geworden und die Tinte der Tastatur ist auch nahezu aufgebraucht (Shlomo kann auch Metaphern). Jetzt nur noch die Auswahl des gewohnt passenden Musikstücks und dann ist Schluss. Aber nur für heute, Shlomo muss wachsam bleiben. Diese Thematik wird ihn und die Gesellschaft noch länger verfolgen. Und niemand soll am Schluss sagen Männer hätten keine Empathie.

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Der Text von Spiegel-Autor Ullrich Fichtner aus dem Falter Nr. 28 vom 11. Juli 2018.

Was ist da eigentlich los?

Hat der deutsche Spiegel ein verzerrtes Bild von Österreich gezeichnet? Der Spiegel-Autor Ullrich Fichtner antwortet (im Falter) auf die Kritik.

Gemessen an den österreichischen Reaktionen auf meinen Artikel "Kleiner Brauner" bin ich ein beschissener Journalist, oberflächlich, herablassend, parteiisch. Österreich als Nation werde in meinem schlecht recherchierten "Scherzartikel" in den Dreck gezogen. Ich sei "die Vorhut einer linken Meinungsdiktatur", die alle Österreicher in schlimmster Spiegel-Manier als Hinterwäldler und Trottel hinstelle, ein "Dummschwätzer", der Klischees und "Gesinnungsgebläse" produziere und offenkundig ein "Arschloch" sei. Und das war, sportlich gesagt, nur die erste Halbzeit.

Die zweite wurde Ende vergangener Woche gespielt, als es im Zuge eines Twitter-Gewitters weitere Vorwürfe hagelte. Einigen Leserinnen war nämlich aufgefallen, dass da ja auf zehn Seiten nur eine einzige Frau zu Wort komme (nochmals danke, Anneliese Rohrer!). Meine Entgegnung, ich hätte mich schon um Interviews mit Frauen bemüht, aber leider viele Absagen erhalten, wirkte wie Öl ins feministische Feuer, und es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre auch noch durch die #MeToo-Arena geschleift worden. Es hat sogar eine Frau gegen mich mitgezetert, der ich ein Treffen angeboten hatte, die mich aber lieber an einen ihrer männlichen Kollegen verwies. Was sagt man da?

Um den Beruf des Journalisten kreisen in unseren demokratisch verunsicherten Gesellschaften viele Missverständnisse. Befragungen von Spiegel-Lesern ergeben zum Beispiel, dass gar nicht wenige Leute glauben, die Regierung oder Frau Merkel persönlich könne bei unserer Redaktion Artikel "bestellen". Das hätte ich bis vor zwei Jahren einfach so stehen lassen. Heute füge ich sicherheitshalber an: Das kann sie natürlich nicht. Genauso wenig kann jemand Frauenquoten für Interviewpartner verlangen oder einen repräsentativen Ausländeranteil im Personal einer Recherche. Wozu auch?

Der Stolz jeder unabhängigen, freien Presse liegt darin, keinen Weisungen zu folgen, selbst wenn sie gut gemeint sind. Das beginnt bei der Themenwahl. Im konkreten Fall muss man als Österreicher (und als Österreicherin) wissen, dass sich der Rest der Welt generell nicht besonders für die inneren Angelegenheiten Österreichs interessiert. Das Land wird nur interessant, wenn es über sich hinausweist. Das ist der Fall, so sehr das manchen nerven mag, wenn es um die Nazi-Vergangenheit und ihre (mangelhafte) Aufarbeitung geht, und es ist der Fall, wenn zu befürchten steht, dass auch Österreich auf anti-europäische Abwege geraten könnte. Dann fragt man sich als Europäer, als Deutscher ganz schlicht: Was ist da eigentlich los in Österreich? Und so beginnt, was man Recherche nennt.

Der Blick von außen kann für Einheimische sehr interessant sein, weil Fremde das nationale Kleinklein nicht kennen und sich folglich nicht darin verstricken können. Jeder Jugendliche in Österreich dürfte größere Detailkenntnis über den Alltag seines Landes haben als ein deutscher Reporter wie ich. Der Zugereiste interessiert sich also gezwungenermaßen fürs Große und Ganze, aber wenn er sich ordentlich Mühe gibt, dann kann es geschehen, dass er mit seinem Abstand wichtige Dinge schärfer sieht. Dinge, die Einheimischen oft gar nicht mehr auffallen. Sprachduktus. Denkmuster. Kollektive Gewissheiten. Fromme Lügen.

Ein Journalist betreibt immer auch Soziologie, und dafür braucht er eine Haltung und ein Handwerk. Die Haltung leitet sich idealerweise nicht aus Ideologie, sondern aus allgemeinen Grundrechten und menschlicher Empathie ab. Und das Handwerk des Journalisten ist, wenn man es richtig versteht, auch kein Spaziergang. Man muss sehr viel lesen und gegeneinander abwägen, und dabei geht es nicht darum, zur Wahrheit vorzustoßen, sondern darum, möglichst wenig Unsinn zu erzählen. Seriöse Journalisten erarbeiten sich gut vertretbare Positionen, wofür sie sich mit historischen, ökonomischen, sozialen, politischen Fakten vollsaugen. Und das sind alles nur die Vorarbeiten.

Die eigentliche Erkundung kommt danach, es folgen Ortsbegehungen, Interviews, Reisen, und am besten würde man nun alles Angelesene wieder vergessen, um nicht nur das bereits Bekannte wiederzuerkennen. Man muss offen bleiben. Szenen suchen, die sprechen. Menschen finden, die für etwas stehen. Und dabei ist viel Zufall im Spiel, auch gendermäßig.
Mir wird vorgeworfen, ich hätte meine Interviewten bewusst einseitig ausgesucht und den ersten Bezirk Wiens praktisch nicht verlassen. Wer das sagt, hat nicht gelesen. Der relativ größte Raum des Textes wird auf meine Begegnung mit einem Kärntner Bürgermeister von der FPÖ verwendet, der aber keineswegs als Nazi karikiert, sondern in seinen sachlichen Bemerkungen sehr ernst genommen wird. Mein Spektrum der Befragten war auch sonst groß, es ging von ganz links bis ganz rechts, aber viele Gespräche gingen eben nur in mein Hintergrundwissen ein, allein schon aus Platzgründen.

Einmal saß ich beim Verein "Asyl in Not" und habe dort vor der Tür, im Wuk, mit einer Bosnierin geredet, die schlecht Deutsch sprach und Angst davor hatte, das Wohngeld gestrichen zu bekommen. Beim Bau des Textes fiel diese Szene heraus, es gibt dafür keinen tieferen Grund, es schien mir einfach ein textliches Erfordernis. Dasselbe gilt für einen mühsamen Abstecher zum Peršmanhof in den Karawanken, wo ich mit slowenischen Arbeitern ins Gespräch kam, die die im Hochwald versteckte Partisanen-Gedenkstätte gerade renovierten. Auch das war ein guter Moment, aber wer als Reporter ausführlich recherchieren darf, muss am Ende unter Schmerzen 90 Prozent des gesammelten Materials wieder wegwerfen. Im besten Fall fließt es in die Verdichtung des Textes ein, in die Urteile.
Sie sind, das gebe ich zu, stellenweise recht hart, und vielleicht war es unnötig, den Herrn Bundeskanzler als "Kleinbürgersohn" zu titulieren. Es ist nur so: Die heimische Bewunderung für Sebastian Kurz, das fällt jedem auf, der dieser Tage Österreich besucht, kennt ja keine Grenzen, und sie trägt deshalb oft unfreiwillig komische Züge. Und wenn dann zum Beispiel in Zeitungen steht: "Berlin liegt Kurz zu Füßen", dann hat man als Journalist, egal ob einheimisch oder ausländisch, den Auftrag zum Widerspruch. Es ist nämlich blanker Unsinn.

Ein "Kleiner Brauner" stiftet Unruhe in der Medienwelt

Die EU-Ratspräsidentschaft nahm der deutsche Spiegel zum Anlass für eine zehnseitige Reportage über Österreich. Reporter Ullrich Fichtner interviewte mehr als 30 Menschen. In seinem Artikel zu Wort kamen dann allerdings deutlich weniger Gesprächspartner - und nach der Ansicht vieler die falschen: In seinem Leitartikel beklagte Rainer Nowak, Chefredakteur der Presse, Fichtner habe "Journalisten und Schriftsteller, deren politische Meinungen selten voneinander abweichen, die einander alle gut kennen und schätzen" interviewt. Zu diesen zählten neben Falter-Chefredakteur Florian Klenk etwa Schriftsteller Doron Rabinovici und Datum-Chefredakteur Stefan Apfl. Auf Facebook kritisierte ORF-Moderatorin Martina Rupp, dass im Artikel nur eine Frau wörtlich zitiert wurde - die Journalistin Anneliese Rohrer. Puls4-Infochefin Corinna Milborn twitterte die Namen von Kolleginnen mit dem Kommentar: "Lasst uns helfen - wer wurde nicht gefragt und hätte was gesagt?" Im nächsten Falter wird Milborn auf Fichtners Replik antworten.

Anmerkung der economy-Redaktion: Der Text „Was ist da eigentlich los?“ stammt von Der Spiegel-Autor Ullrich Fichtner und ist im Falter Nr. 28 vom 11. Juli 2018 erschienen. Da Falter-Texte online nur für Falter-Abonnenten abrufbar sind, führt economy den Text nun anstatt eines üblichen Links an. Auch der kollegialen Ordnung halber (und nach Rücksprache mit Shlomo sowieso) nachfolgend der Link zu Aboanboten des Falters: https://shop.falter.at/abos/falter-abos/falter-klassik-abo.html

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Es hat etwas gefehlt

Es hat etwas gefehlt© Bilderbox.com

Im dritten Teil zur Entschleunigung des Sommers lässt Shlomo die soeben zu Ende gegangene Fußball-WM Revue passieren und erörtert warum das frühe Aus von Deutschland nur ihn schmerzte, wieso Kroatien zumindest erster Weltmeister der Herzen geworden ist, warum Frankreich würdiger Meister der Welt wurde und wieso Russland als Veranstalter einen sehr guten Job gemacht hat.

(Christian Czaak) Wie nun bereits schon (immerhin) zwei Mal übermittelt, fahren wir während der Sommermonate die betriebliche Betriebsamkeit herunter und widmen uns Geschichten der menschlichen Betriebsamkeit, die ansonsten möglicherweise nur reduziert oder zumindest zu wenig, beziehungsweise zu gering beleuchtet werden - und daher entsprechend richtig, von der Basis über die Seiten bis zum Überbau, ausgeleuchtet gehören.

In der Fußball-Kantine
Im aktuellen Text mit neuerlichem Verwendungsverbot von Begriffen wie Optimierung, Effizienz, Konsolidierung oder (gar) Return of Investment (ROI) erinnert sich unser (neuerliche Anm.: extra konzipierter) Shlomo Abdullah an die Höhepunkte der nunmehr auch schon wieder abgelaufenen Fußball-WM und entdeckt dabei überraschenderweise auch mehrere Mittel- sowie einige Neben- wie Tiefpunkte. Er versucht hier nun entsprechend auch etwaige gesellschaftspolitische Ursachen zu ergründen und daher stellt sich auch diesmal die Frage: Kann das funktionieren?
Am Rückweg seines letzten Entdeckungsspazierganges (Anm.: Der mit den regelrecht epochal schillernden türkisfarbenen Schlingpflanzen...) muss Shlomo an das letzte WM-Spiel des deutschen Teams denken. Der Jugendfußball-Verein der burgenländischen Heimatgemeinde am Zweitwohnsitz von Shlomos Schwester Mariella hat das Spiel während des saisonalen Abschlussfestes in der Kantine übertragen und rund dreißig Kinder zwischen neun und elf Jahren sowie mehrere Väter waren anwesend. In der Schlussphase des Spiels nahmen die emotionalen Erregungszustände aller Anwesenden zu und jung wie alt outeten (deutsch: äußerten) sich als augenscheinlich mögliche Deutschland-Ha..., äh, Nichtfreunde.

Die Kleinheit des Landes und die Köpfe seiner Menschen
„Der kaun ned amoi an Hydranten überspü’n.“ „Deutschland ausse!“ „Ha, diesmal ist Schluss mit dem ewigen Glück!“ „Das sind bessere Badekicker.“ „Da sind ja wir noch besser!“ „Ausse, ausse, ausse mit da S... !“ Shlomo fühlt sich an seine eigene Jugend in der Wiener Vorstadt erinnert. Auf der Zweier-Stiege am Wiener-Sportclub-Platz an der Hernalser Alszeile am Fuße des Schafberges klang es spätestens kurz vor Schluss der jeweiligen Partie nahezu gleich und das war bitte gegen Ende der 1960-er. Aber hier im Burgenland und jetzt? Kinder von gutsituierten Landwirten, Managern, Tourismusbetriebsfamilien oder Richtern und Juristen sprechen Wiener Vorstadtdialekt? Das kann nur mit den Deutschen zu tun haben. Echt jetzt, weil bereits in der Volksschule wird hier, wie auch in Shlomos Weinviertler Heimatgemeinde die Antwort „römisch-katholisch“ auf die Frage nach dem Religionsbekenntnis von Familie und Kindern mit einem „Ah, sehr gut!“ kommentiert.
Shlomo denkt an einen Satz seiner einstigen Deutsch-Professorin - eine, nicht nur optisch strenge Dame mit Brille und hochgesteckten Haaren, mit schicken Kostümen und mit, für die damalige Zeit (in den frühen 1970-ern), hochhackigen Schuhen und als solch’ überaus weiblich-mütterliche Erscheinung, möglicherweise, Inhalt erster erotischer Gedanken und eventueller Träume pubertierender Burschen aus dieser Wiener Vorstadt. Aber weg vom Abschweifen und zurück zum bewussten, eventuell situationserhellenden Satz dieser Deutsch-Expertin: „Die Kleinheit des Landes (Anm.: Österreich) setzt sich, zumindest manchmal, dann auch in den Köpfen seiner Menschen fort.“

Die Sprache der Wiener Vorstadt
Das hat was denkt sich Shlomo. Er selbst äußert sich, auch als grundsätzlicher Verteidiger von Außenseitern und Minderheiten, als Deutschland-Anhänger und wird ungläubig und erstaunt angesehen – von der Seite und von hinten, dann wagen sich Erste auch neben und leicht vor ihn. Shlomo spürt und sieht (sodann) die bohrenden Blicke und bekräftigt: „Ich mag das Deutsche-Fußballteam.“ Sozusagen als ergänzende Erläuterungsuntermauerung folgt: „Schaut’s euch doch die Bundesliga an. Absolut hochwertig! Und unsere? A bessere Bodbatie!“ Auch Shlomo kann noch die Sprache der, seiner Wiener Vorstadt. Auch nach fast zehn Jahren im niederösterreichischen Weinviertel. Egal, was heißt schon Weinviertel und zehn Jahre - auf jeden Platz dieser Welt und auch mit sechsundneunzig würde er seine Sozialisierung nicht vergessen. Niemals.
Aber woher kommt nun wirklich dieses grundsätzliche Deutschland-Bashing? Oder ist es einfach nur eine Reaktion auf die ja umgekehrt auch oftmals geäußerte Verspottung. Stichwort Ösis und so. Wobei, seit der neuen österreichischen Regierung und mehreren Artikel und Kommentaren in deutschen Leitmedien wie Der Spiegel, Die Zeit oder FAS (Frankfurt Allgemeine Sonntagszeitung) sowie Auftritten in televisionären deutschen Gesprächsschauen kann sich das schon verändert haben und einige Aktionen könnten nun sogar vorbildliche Wirkung haben. Allerdings nicht im fußballesterischen Sinne sondern im gesellschaftspolitischen. Womit Shlomo wieder die enge Verzahnung dieser beiden Bereiche bewusst wird.

Die Kleinen gegen die Großen
Fußball ist wie Politik und Politik ist wie Fußball. Und das trifft wiederum nicht nur auf Deutschland sondern auch auf Frankreich zu. Und auf Kroatien sowieso. Shlomo denkt an die medial aufgebauschten „Skandale“ rund um die türkisch-präsidialen Gespräche der deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan und unfaire Schuldzuweisungen der deutschen Fußballmanager. Das wäre etwaig eine Erklärung für die Antipathie. Es muss aber doch anders begründet sein. In Frankreich haben die meisten Stars wie Mbappe, Dembele, Matuidi oder Pogba Migrationshintergrund und das ist medial nicht einmal eine Randnotiz. Wie auch immer, den WM-Titel hat sich Frankreich spielerisch verdient. Das frühe Ausscheiden Deutschlands hat ein spielerisches und dramaturgisches Loch aufgerissen. Shlomo hat das deutsche Team in Folge vermisst, ebenso wie die Brasilianer.
Die Kroaten (und auch die Russen) haben dieses Loch mit ihrer Leidenschaft nahezu geschlossen. Die Krönung wäre der Finalsieg und WM-Titel gewesen. In der Politik können die Kleinen gegen die Großen weitgehend nicht mehr bestehen, in der Wirtschaft dank des Internets immer öfter schon. Im Fußball und im Sport generell schon, da kann auch David gegen Goliath siegen und zumindest moralisch aus dem Spielverlauf haben das die sympathischen Kroaten bei dieser WM gemacht. Unvergesslich der nach dem Halbfinalsieg vor Glück weinende Dejan Lovren mit dem fingerformenden Herzen in die Kamera und die simple und wahrscheinlich gerade deshalb so mitfühlende Aussage des kroatischen Teamchefs Zlatko Dalic nach dem formal verlorenen Finale: „Ich wäre so gerne Weltmeister geworden.“

Die Piefkes und die Ösis
Für Shlomo sind die Kroaten die Weltmeister der Herzen. Und die Russen ein weltmeisterlicher Veranstalter, der mit entsprechend russischen Mitteln mögliche Krawallbrüder, vulgo Hooligans, bereits lange im Vorfeld landesweit und nachhaltig zum Verstummen brachte. Deutschland ist spielerisch verdient ausgeschieden, für das weitere Turnier war es trotzdem schade. Wenn genügend Zeit vergangen ist, wird Shlomo all das zumindest mit den Vätern der Weinviertler-Fußballjugend erörtern. Dem Vernehmen nach haben mehrere Väter zumindest auch für Kroatien die Daumen gedrückt, einige für Frankreich. Beim nächsten Turnier könnte dann Deutschland an diese Stelle rücken. Es sei denn Österreich wird doch noch zum David, dann kann Deutschland ruhig auch noch mal den (fallenden) Goliath spielen.
Und dann müssen die Piefkes zum Lachen tatsächlich in den Keller gehen und die Ösis dürfen sich wenigstens kurzfristig auf die Schenkel klopfen. Alles aber bitte nur sprichwörtlich. Shlomo hält inne, er erinnert sich an seine elterliche Vorbildwirkung. Luke und Helen, seinen Kindern, diese Begrifflichkeiten zu erläutern, könnte möglicherweise schwierig werden. Oder gar peinlich. Kinder vergessen nahezu nichts und probieren insbesondere neue Worterkenntnisse gerne in der Praxis aus. Auch Kasandra, Shlomos Frau, wäre mit Sicherheit nicht begeistert, höflich formuliert, und die entsprechenden Folgen will sich Shlomo lieber gar nicht erst ausmalen. Nicht jetzt, es ist Urlaubszeit. Lieber ein passender Song, gewidmet allen Vätern und allen Siegern wie Verlierern wenn sie von der getanenen Arbeit heim kommen.

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Shlomo traut seinen eigenen Augen nicht

Shlomo traut seinen eigenen Augen nicht©piqs.de/wengert61

Im zweiten Teil unserer sommerlichen Geschichten zur Entschleunigung absolviert unser Shlomo Abdullah einen lang vermissten Spaziergang durch die benachbarten Weingärten. Er macht dabei auf den ersten Blick unglaubliche Entdeckungen, kann dann aber neuerlich die Verbindung zur Realität herstellen.

(Christian Czaak) Wie bereits zuletzt an dieser Stelle zur Kenntnis gebracht reduzieren wir über die Sommermonate die betrieblich wichtigen Geschichten und bringen dafür ausgleichende Momentaufnahmen des privaten Betriebs. Diesmal möchte sich (der extra konzipierte) Shlomo in der Natur entspannen und den Kopf frei kriegen für eine kurze Überdenkung der letzten Monate. Abermals fragen wir: Kann das funktionieren?
Luke und Helen, die Kinder, kommen vom letzten Schultag retour und winken freudig mit ihren Zeugnissen. Als dann auch Kasandra, Shlomos Frau, strahlt, ergreift er die sich bietende Chance durch die Gunst dieses glücklichen Augenblicks und nimmt sich Zeit ganz für sich allein. Shlomo bricht zu einem Spaziergang in die nahe liegenden Weingärten auf. Die letzten Monate wollen zumindest einen Moment lang überdacht werden und die Ausgangsbasis für die nächsten sechs Monate vorbereitet sein.

Die Ansätze eines neuen Pfades
Wie gewohnt (im betrieblichen Alltag) nimmt Shlomo den kurzen, jedoch weitaus beschwerlich gefährlicheren Weg steil bergab in eine Art Schlucht und von dort steil bergauf in die ersten Weingärten. Das ganze dauert dafür nur rund sechseinhalb Minuten und dann steht er am Beginn Kilometer langer Felder. Endlich einmal allein. Nur Natur. Kein Verkehrsgeräusch. Keine menschlichen Stimmen. Unendlich weiter Himmel.
Shlomo blickt herum und entdeckt die Ansätze eines neuen Pfades. Viele können hier noch nicht gegangen sein. Und wenn es viele waren, dann erst für kurze Zeit. Der mögliche Weg ist zu Beginn von roten und grünen Blumen gesäumt, dazwischen vereinzelt blaue Gewächse. Dann erscheinen einige Stellen frisch begangen und ein fest getretener schwarzer Boden wird sichtbar, unterbrochen nur von einigen lehmig-klebrigen braunen Flecken. Nach einigen Metern muss Shlomo abrupt inne halten.
Er erblickt zahlreiche pinkfarbene Pflanzen und es scheint als ob diese erst kürzlich gepflanzt wurden. Trotzdem sind sie schon groß gewachsen und bedecken an der Stelle bereits den Großteil der Umgebung. Viele dieser neuartigen Pflanzen sind aber knapp unter der besonders farbenträchtigen Blüte geknickt. Es scheint, sie sind zu schnell gewachsen und für den schmalen Stiel war dann die vergleichsweise sehr große Blüte einfach zu schwer.

Eine regelrecht epochal schillernde Pflanze
Schade, diese Farbe bringt Abwechslung in die gewohnte Umgebung. Shlomo wird nachdenklich und wünscht der nächsten Generation dieser Pflanzen mehr Gleichgewicht zwischen Stamm und Blütenkopf. Und dann, mitten in tiefgründigen Gedanken über die Natur als immer ausgleichende Kraft, wird er regelrecht geblendet. Geblendet von der Strahlkraft einer nahezu epochal schillernden türkisfarbenen Pflanze, die auf einmal nach der nächsten Wegkurve erscheint.
Einer Schlingpflanze gleich überwuchert sie all die roten, grünen, schwarzen, blauen und pinkfarbenen Blumen und auch die braunen Flecken sind nur mehr bei genauem Hinsehen erkennbar. Eine sprichwörtliche kurzfristige Laune der Natur? Oder doch ein neues und nachhaltiges Gewächs, dass sich nach schillernder Geburt einen Platz erkämpfen wird und dann den anderen Blumen den Platz für die zumindest in der Natur übliche Vielfalt lässt? Die kommende Zeit wird es zeigen, Shlomo wird in Bälde Nachschau halten.
Nun muss er aber zurück, Kasandra und die Kinder warten sicher schon. Noch in Gedanken an die ja sicher kommenden Entwicklungen mit all den möglichen Eventualitäten auf Grund un- oder manchmal auch vorhersehbarer Ereignisse erinnert er sich an einen gut dazu passenden Song seiner (absoluten) Lieblingsband.

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Daten - oder Wissen schafft

Daten - oder Wissen schafft© Bildderbox.com

Data Science. Neue Ansätze bei Management und Auswertung von Daten.

Aktuelle IT-Infrastrukturen beinhalten meist intern gewachsene Systeme und externe Cloud-Dienste. Dazu kommen Internet-of-Things (IoT) Lösungen, wo weitere Geräte und Maschinen vernetzt werden. Die dabei entstehenden Datenströme gilt es nun sinnvoll zu nutzen.
Im praktischen IT-Betrieb müssen zunehmend unterschiedliche Komponenten zu einem Gesamtsystem verbunden werden. Eine Folge solcher heterogener Architekturen ist eine aufwändige Administration mit dem Thema Daten im zentralen Mittelpunkt. Damit nun Unternehmen hauseigene IT-Systeme bedarfsorientiert in externe Cloud-Umgebungen ausweiten können, hat Fujitsu eine Art Cockpit auf Basis eines sogenannten Enterprise Service Catalog Managers entwickelt, und das Hasso-Plattner-Sofware-Institut (HPI) im deutschen Potsdam hat die Fujitsu-Anwendung nun im Praxisbetrieb eingesetzt.
Ausgangsbasis war die IT-Infrastruktur des HPI, die primär Wissenschaftlern für Forschungsprojekte zur Verfügung steht und die mit Partnern wie Fujitsu, HP oder SAP betrieben wird. Für das Management dieser entsprechend umfangreichen Systemlandschaft nutzte das HPI bis dato eine eigene Lösung, die bei der Verwaltung jedoch sehr ressourcenaufwändig war.
„Die neue Fujitsu-Anwendung hat uns schon beim ersten Test überzeugt, insbesondere das Management unserer heterogenen Infrastruktur ist damit weitaus übersichtlicher und einfacher,“ so Bernhard Rabe vom HPI. „Unternehmen können Usern einen nutzungsbezogenen Zugang zu Cloud-Diensten zur Verfügung stellen, wo auch das Identity Management oder die Abrechnung der Services beinhaltet ist,“ ergänzt Wilhelm Petersmann von Fujitsu.

Wertvolle Information aus unübersichtlichen Datenmengen
Ein zentrales Thema bei heterogenen IT-Infrastrukturen ist Auswertung und Nutzung der entstehenden Datenströme, auch Data Science genannt. Die unternehmerischen Einsatzgebiete sind vielfältig, im Bereich der Fertigungsindustrie können etwa Maschinen automatisiert gewartet werden bevor sie ausfallen (engl. Predictive Maintanace). In Branchen mit vielen Kundenkontakten können Verkaufsprozesse unterstützt werden, bei Online-Shops lassen sich Kundenwünsche vorhersagen und über Speicherung und Analyse bestimmter Verhaltensmuster lassen sich auch Betrugsversuche in Echtzeit erkennen (engl. Fraud Detection).
Ein Unternehmen an dieser Schnittstelle zwischen großen Datenmengen (Big Data) und ihrer Verwertung im betrieblichen Geschäft ist die österreichische Advanced Information Management Consulting (AIMC). „Wir destillieren aus unübersichtlichen Datenmengen wertvolle Informationen, die dann mit dem Kunden aufbereitet werden und als Entscheidungsgrundlage für die Optimierung von Produkten und Prozessen oder für neue Geschäftsmodelle dienen“, so Martin Weigl, Geschäftsführer von AIMC. Ein Schwerpunkt liegt auch im Bereich Medizin, wo AIMC die selbstlernende Wissensplattform Medical Content Analytics zur Auswertung unstrukturierter Arztbriefe entwickelt hat.
Aktuell hat sich nun Kapsch an der 2002 gegründeten AIMC beteiligt und erste gemeinsame Projekte im Bereich Industrie 4.0, Gesundheitswesen und Tourismus gestartet. „Bei allen Digitalisierungsprojekten und IoT-Lösungen geht es letztlich um Daten und daraus Handlungen abzuleiten. Auch personenbezogene Daten aus unterschiedlichsten Quellen zusammenzuführen und sinnvoll zu interpretieren, ist die zukünftige Aufgabe solcher Data Scientists,“ erläutert Jochen Borenich, Mitglied des Vorstands bei Kapsch BusinessCom.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 03.07.2018

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