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22. Juli 2024

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Verantwortung leben

Verantwortung lebenT-Systems

„Engagement für Gesellschaft und Umwelt zahlt sich aus“, sagt Georg Obermeier, der Geschäftsführer von T-Systems Österreich, einer Tochter der Deutschen Telekom.

economy.at: Herr Obermeier, in der Wirtschaft geht es um Gewinnmaximierung. Trotzdem schreibt sich die Deutsche Telekom Nachhaltigkeit auf die Fahnen. Ist das nicht nur ein Lippenbekenntnis?
Obermeier: Die Deutsche Telekom lebt Verantwortung, das ist mehr als nur ein Slogan. Daher bin ich auch froh, in diesem Unternehmen tätig zu sein. Wir denken langfristig und das zahlt sich aus – für die Allgemeinheit aber auch für das Unternehmen.

Können Sie mir ein Beispiel geben, wie die Deutsche Telekom Verantwortung lebt?

Einer der drei Grundpfeiler unserer Nachhaltigkeitsstrategie heißt „Connect the Unconnected“: Wir streben damit an, dass möglichst viele Menschen Anschluss an die Informations- und Wissensgesellschaft finden.

Und was hat die Deutsche Telekom davon?
Als Arbeitgeber wollen wir für junge Menschen attraktiv sein. Mit unserem Engagement – in Österreich etwa im Rahmen der Initiative Jugend Innovativ, bei der wir einen eigenen Preis für Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) vergeben –, fördern wir die Kompetenz der Heranwachsenden. Und wir wecken bei dem einen oder anderen Talent das Interesse an unserer Branche und damit auch an unserem Unternehmen.

Wer treibt Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen voran?
Da treffen sich Führungsebene und Mitarbeiter auf halbem Weg. Generell ist jeder eingeladen mitzumachen und gerade das aktive Engagement unserer Mitarbeiter überrascht mich immer wieder von Neuem. Viele Initiativen, wie zum Beispiel der Computerkurs für unbegleitete jugendliche Migranten basiert auf dem Vorschlag einer unserer Mitarbeiterinnen. Wenn wir sehen, dass eine Idee zu unserem Unternehmen passt, setzen wir diese in der Regel rasch um.

Unternehmen, die sich engagieren, geraten rasch in den Verdacht auf die Tränendrüse drücken zu wollen ...
Wir verstecken unsere gesellschaftlichen Initiativen nicht. Aber wir sehen sie auch nicht als Mittel zur Selbstdarstellung. Vielmehr sehen wir uns als Citizen, als Bürger – in diesem Sinn stehen wir in einem sozialen und ökologischen Austauschprozess mit der Gesellschaft. Das heißt: Wir möchten auch etwas zurückgeben.

Zu Ihrer Branche: Die Informations- und Kommunikationstechnologie gilt als Stromfresser. Und wir produzieren ja tagtäglich immer mehr Daten, das ist nicht gerade nachhaltig.
Die IT-Industrie ist tatsächlich für 2 Prozent des CO2-Ausstosses weltweit verantwortlich. Einen Großteil davon verantworten die Desktops. Da würde es schon viel bringen, wenn sie über Nacht abgeschaltet werden. Mit Green IT Initiativen senken wir den Ressourcenverbrauch signifikant. Beispielsweise können wir Strom sparen, indem wir die Server besser auslasten und die Klimatisierung der Rechenzentren optimieren. Dabei können wir unseren Kunden gegenüber mit dem wirtschaftlichen Nutzen für ihre Unternehmen argumentieren. Denn der größte Kostentreiber im Rechenzentrum ist der Strom.

Die IKT wird also immer nachhaltiger.
Es wird nicht nur die IKT selbst immer nachhaltiger, wir können auch durch die Anwendung von IKT-Lösungen unsere Ressourcen schonen. Zum Beispiel sind in Deutschland 15 Prozent aller Fahrten Dienstreisen. Unified Communications hat da durch Videokonferenzen ein enormes Einsparungspotenzial – und auch hier wiederum nicht nur in Hinblick auf die Ressourcen, sondern auch kostenseitig. Aber zurück zur Nachhaltigkeit: Wir haben errechnet was es bedeutet, wenn die Deutsche Telekom allein in Deutschland die Anzahl ihrer Dienstreisen um 10 Prozent verringert: Das senkt den CO2–Ausstoß um 9000 Tonnen jährlich.

Die meisten Mitarbeiter reißen sich ohnehin nicht um die Dienstreisen. Warum haben sich Videokonferenzen trotzdem noch nicht so richtig durchgesetzt?
Neue Technologie ist immer auch mit einer Investition verbunden. Und die Unternehmen stehen unter einem enormen Kostendruck. Da steht im Vordergrund, ob sich eine Investition in einer angemessenen Zeit amortisieren kann. In der Zukunft werden aber Dienstreisen mit dem Auto oder dem Flugzeug einfach zu teuer sein. Damit wird Unified Communications ein größerer Stellenwert zukommen.

Es werden also die Kosten sein, die uns zur Nachhaltigkeit bringen. Wie groß sind die Einsparungsmöglichkeiten?
Laut einer Studie können in Deutschland durch Investitionen in nachhaltige Lösungen wie Unified Communications, intelligente Gebäude oder Smart Grits ein Viertel der Energie-Kosten eingespart werden.

Diese Innovationen sind auch die Antwort auf den Klimawandel?
Innovation ist immer nur ein Teil der Antwort. Wir alle müssen darauf achten, dass diese positiven Effekte nicht wieder durch Mehr-Konsum verpuffen. Das ist der sogenannte Reboundeffekt. Vereinfacht gesagt: Sie kaufen sich ein neues Auto, das nur mehr halb soviel Sprit braucht. Weil dadurch auch ihre Kosten sinken, können sie es sich nun leisten, wesentlich mehr Kilometer zu fahren, damit steigt der Benzinverbrauch wieder. So kriegen wir diese Problematik also nicht in den Griff.

Wie lautet die Antwort?
Wir sind mit der Verknappung der Ressourcen konfrontiert und dazu sollen immer mehr Menschen am Wohlstand teilhaben. Das ist nur dann realistisch, wenn wir auch unseren Lebensstil ändern. Das heißt aber nicht, dass wir auf Lebensqualität verzichten müssen. Im Gegenteil: Wenn wir bewusster konsumieren, können wir Lebensqualität gewinnen.

Es kommt also dem Verhalten des Konsumenten eine entscheidende Bedeutung zu.
Ja. Der Konsument muss sich die Frage stellen, warum manche Dinge so billig sind. Der Konsument hat Einfluss, er gestaltet durch sein Verhalten den Markt mit. Wenn es etwa für Kinderarbeit keine Nachfrage mehr gibt, werden solche Produkte auch nicht mehr erzeugt werden.

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Christian Stemberger, Economy Ausgabe 999999, 30.11.2010

Globales Zusammenspiel

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In jedem Café und auf jedem Flughafen sieht man sie schon – die flinken Finger, die über die Displays der Smartphones fliegen. Es geht aber um mehr als nur um schicke Endgeräte.

Die Trendforscher haben es schon öfter prognostiziert, nun ist es wirklich soweit. Wir befinden uns mitten in einem Kulturwandel, der die gesamte Arbeitswelt verändert. „Teamarbeit ist heute nicht mehr vom Standort der einzelnen Mitarbeiter abhängig“, sagt Robert Ambrosch, IBM Software Group Österreich. Wissensarbeiter operieren in weltweiten Teams und von jedem Ort aus.
Unified Communications ist das wohl bekannteste Schlagwort dieses Wandels. Die einzelnen Komponenten wie Videokonferenz oder Chat sind keine Neuigkeiten – denn ihr Potenzial spielt eine Unified Communications- und Collaborations-Lösung wie Lotus Sametime erst durch das Zusammenwirken der einzelnen Werkzeuge aus.
Im Zentrum steht dabei der Präsenzstatus. Er zeigt, ob jemand gerade erreichbar ist – und wie. Befindet er sich in einer Besprechung, sehen das seine Kollegen auf einen Blick und verlieren nicht unnötig Zeit beim Versuch ihn anzurufen. Sie verschieben ihre Kontaktversuche auf später oder schreiben ein Mail.

Kommunikationsbedarf
Unified Communications macht das Wissen der über das Unternehmen verteilten Experten unmittelbar verfügbar, denn der richtige Ansprechpartner wird schnell identifiziert und Fragen finden im Chat eine schnelle Antwort. Ist der Kommunikationsbedarf höher, reicht ein Mausklick um vom Chat in einen Video Call zu wechseln. Und die Integration von Desktopanwendungen wie Microsoft Office ermöglicht die standortübergreifende Arbeit an einem Dokument.
„Die erhöhte Flexibilität steigert die Effizienz der Unternehmen“, sagt Ambrosch, „Meetings können ad hoc stattfinden, auch wenn sich die Teilnehmer nicht am selben Ort befinden; und selbst dann, wenn sie nur über ihr Smartphone erreichbar sind.“
Zunächst verändert sich die Arbeitskultur in den Unternehmen. Auf längere Sicht gesehen hat Unified Communications aber das Potenzial, die Organisation der Unternehmen selbst zu ändern. Kurzfristig zusammengestellten Teams kommt eine immer größere Bedeutung zu. Der Standort der Mitarbeiter spielt beim vorhergehenden internen Rekrutierungsprozess keine wesentliche Rolle. Wichtiger sind die individuellen Kompetenzen. Auch beim Anwerben neuer Mitarbeiter ist der Standort der Bewerber unwichtig. Die Integration von Freiberuflern, die nur für die Dauer eines Projektes an Bord kommen, fällt leichter.
Und nicht zuletzt entfällt die Notwendigkeit, möglichst viele Mitarbeiter an einem Standort zusammenzufassen. Die Unternehmen können sich dezentraler aufstellen und ihren Mitarbeitern sogar dorthin folgen, wo diese gern leben möchten.

Christian Stemberger, Economy Ausgabe 999999, 12.11.2010

Wo ein Wille, da Gleichberechtigung

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Der neue Global Gender Gap Index 2010 zeigt auf: Länder wie Island, Norwegen und Finnland sind nicht nur in der Schul-Ausbildung besser, sondern auch in punkto Gleichberechtigung. Österreich liegt abgeschlagen an 37. Stelle.

Österreich liegt in der Gleichberechtigung Frau – Mann weit zurück, zeigt der neue jährliche Global Gender Gap Index 2010, herausgegeben vom World Economic Forum schonungslos auf. Während die Nachbarländer Schweiz (Rang 10) und Deutschland (Rang 13) noch relativ gut abschneiden, rangiert Österreich mit 70,9 Prozent auf Platz 37. Damit liegen Länder wie Cuba, Mocambique, Costa Rica und die Mongolei vor der Alpenrepublik. Dabei hat Österreich gegenüber dem Vorjahr zumindest ein paar Ränge gutgemacht (2009: Rang 42). An der Spitze des Rankings liegen Island (85 Prozent), Norwegen (84 Prozent), Finnland (82,6 Prozent), gefolgt von Schweden (80,2 Prozent) und Neuseeland (78,1 Prozent).
Fakt ist: Die Männer geben in Österreich noch immer den Ton an, ob in der Wirtschaft, in Politik oder Wissenschaft (im speziellen in den Naturwissenschaften). Insbesondere auch bei den Gehältern klafft noch ein ordentliche Kluft zwischen Frauen und Männern – und das bei gleichen Jobs und gleicher Ausbildung.
An den weiterführenden Schulen und Hochschulen sind Frauen mittlerweile genauso stark vertreten wie Männer. Österreich kommt in diesem Bereich laut Ranking sogar an die führenden nordischen Länder heran. Doch die gute Ausbildung der Frauen schlägt sich immer noch nicht voll im Arbeitsleben nieder. So ist die Frauenerwerbstätigenquote in Österreich vergleichsweise niedrig, Frauen stoßen auf dem Weg die Karriereleiter hinauf an die sogenannte „Gläserne Decke“ und bleiben oftmals „in der zweiten Reihe“ (in der Wirtschaft hinter Geschäftsführer oder Vorstand) stehen.

Zu wenig Politikerinnen
Obwohl es mittlerweile einige Ministerinnen gibt (Bures, Fekter, Bandion-Ortner, Heinisch-Hosek) spielen Frauen im politischen Leben in Österreich immer noch eine untergeordnete Rolle. Im Parlament gibt es gut doppelt so viele Männer wie Frauen (72 zu 28 Prozent). Bei Spitzenreiter Island liegt das Verhältnis derzeit bei 57 zu 43 Prozent. Man darf allerdings nicht vergessen, dass die politische Integration der Frauen noch nicht einmal 100 Jahre zurück liegt. Frauen dürfen in Österreich erst seit 1918 wählen.
Wirksame Maßnahmen im wirtschaftlichen Bereich für die Gleichstellung Frau – Mann gibt es: So müssen die Aufsichtsräte größerer Aktiengesellschaften in Norwegen – ASA genannt – seit Anfang 2008 zu mindestens 40 Prozent mit Frauen besetzt werden. Im Jahr 2003 waren nur sieben Prozent aller Aufsichtsratsposten der ASA weiblich, heute sind es 41 Prozent.
Die jetzige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will genau diese Maßnahme auch für Österreich: Sie fordert für Spitzenpositionen in Unternehmen eine Frauenquote. Außerdem sagt Heinisch-Hosek der Einkommensschere den Kampf an und fordert, dass größere Betriebe die Gehälter von Männern und Frauen offen legen müssen. Leider ist es bis dato bei den Forderungen geblieben. „Insgesamt sind wir bei der Gleichstellung auf einem guten Weg, doch es geht noch viel zu langsam“, so Heinisch-Hosek. Erste Frauenministerin in Österreich wurde übrigens 1990 die legendäre Johannna Dohnal (SPÖ), die heuer im Februar gestorben ist.

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Economy Ausgabe 999999, 12.11.2010

Frauen unter dem Totenkopf

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Nicht nur harte Männer waren auf Piratenschiffen zugange, sondern auch Frauen. Die berüchtigsten unter ihnen waren Anne Bonny und Mary Read, die Chinesin Cheng I Sao und de Irin Grace O’Malley.

Frauenemanzipation einmal anders: Das Zeitalter der Piraterie war zwar durchwegs männlich geprägt, jedoch gab es auch Frauen als Freibeuter, und sie standen ihren männlichen Berufskollegen in nichts nach.
Die Zeit vom frühen 16. Jahrhundetr bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts war hart auf See. Auf allen Weltmeeren wüteten Piraten, vom Mittelmeer zur Nordsee bis zur Karibik, dem Chinesichen Meer, dem Indischen Ozean und sogar im Polarmeer. Die Piraterie war stark mit dem Seehandel verknüpft, und so tauchten immer dort die meisten Piraten auf, wo es etwas zu holen gab.
Neben namhaften männlichen Piraten wie Klaus Störtebeker, Bartholomew Roberts, Samuel Bellamy, Edward Low, Jack Rackham und Blackbeard gab es ein paar Frauen, die in die Geschichte der Piraterie eingingen.
Die wohl berühmtesten waren Anne Bonny und Mary Read, die teils einzeln, teils gemeinsam auf Beutefahrt gingen. Anne Bonny, geboren 1690 in Irland, trieb ihr Unwesen in der Karibik. Sie war ein Einwandererkind in den USA und geriet dort ins Matrosenmilieu. Sie übersiedelte auf die Bahamas, dem damaligen bevorzugten Aufenthaltsort der Piratenbanden. Bald fuhr sie auf Piratenschiffen mit, gekleidet als Mann, da Frauen an Bord normalerweise nicht geduldet wurden. Das änderte sich bald, als sie sich mit Kaltschnäuzigkeit und Brutalität gegenüber den männlichen Piraten durchsetzte. Eines Tages gesellte sich eine zweite Frau auf Bonny’s Piratenschiff zur Mannschaft, Mary Read. Die gebürtige Londonerin, etwa gleich alt wie Bonny, kam über die britische Marine zur Piraterie. Als ein Schiff, mit dem sie über den Atlantik segelte, von Piraten gekapert wurde, schloss sie sich ihnen an.
Bonny und Read machten gemeinsam mit Jack Rackham (Calico Jack) die Karibik unsicher und plünderten ein Handelsschiff nach dem anderen, bis sie bei Jamaika von einem britischen Kriegsschiff aufgerieben wurden. Zwar zum Tode verurteilt, wurde die Hinrichtung nicht vollstreckt. Read starb an einer Tropenkrankheit, über Bonnys weiteres Leben und Ende ist nichts bekannt.
Grace O’Malley war eine irische Freiheitskämpferin gegen England und als solche auch eine berüchtigte Piratin in der irischen See. Ihre Raubzüge im 16. Jahrhundert machten den Clan der O’Malley zu einem der reichsten ihrer Zeit. Sie galt als Gegenspielerin der Königin Elizabeth I. von England. 1603 starb die Piratin eines natürlichen Todes.
Eine weitere Gallionsfigur des weiblichen Piratenwesens ist Cheng I Sao, eine ehemalige Prostituierte aus Kanton, China. 1801 heiratete sie den Piratenkapitän Cheng I, der eine große Flotte befehligte. Als Cheng starb, kommandierte sie als „Chengs Witwe“ zu ihrem Hohepunkt eine Flotte von bis zu 1000 Schiffen und 80.000 Mann Besatzung. Die Schiffe fuhren plündernd durchs südchinesische Meer, bis sich die damalige Regierung zu einer Amnestie für die Piraten gezwungen sah, wenn sie ihre Raubzüge aufgeben. Cheng I Sao ließ sich in Kanton nieder und lebte fortan vom Opiumhandel. Sie starb 69jährig.

Economy Ausgabe 999999, 05.11.2010

Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus

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Und weitere Simplifizierungen über Männer und Frauen – von den millionenfach verkauften Beziehungsratgebern bis zu angeblich wissenschaftlichen Ergebnissen aus der Hirnforschung.

„Ich bin wie vom Mars“, sagt N. Maier. „Ich ziehe mich in meine Höhle zurück, wenn es mir schlecht geht. Ich rede mit niemandem über meine Probleme, bis ich sie gelöst habe.“
Kenner der einschlägigen Beziehungsliteratur wissen sofort, worum es hier geht. Um die Einteilung in Mars und Venus, in Mann und Frau. „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“, meint der US-amerikanische Autor John Gray und hat damit eine Goldgrube aufgetan. Nach dem ersten Megaseller, der 1992 auf den Markt kam, hat er 16 weitere Mars-Venus-Bücher für die meist weibliche Kundschaft geschrieben. 40 Millionen verkaufte Bücher, in 45 Sprachen übersetzt, so steht es auf Grays Website.
Die (Mars-)Männer sind schweigsam. Wenn sie Probleme haben, ziehen sie sich in eine innere Höhle zurück. Wenn eine Frau über ein Problem redet, geben sie sofort Ratschläge, wollen handeln. Doch das nervt die (Venus-)Frauen. Denn die wollen ihre Probleme besprechen, ausführlich und immer wieder. Durch das Reden finden sie langsam zu einer Lösung ihres Problems. Damit sich Mars und Venus verstehen, brauchen sie John Gray. Der erklärt ihnen, wie sie besser kommunizieren und für immer und ewig glücklich sind.
So eine Mission strebt auch das australische Erfolgspaar Allan und Barbara Pease an. „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ ist ihr Bestseller. Mit ihrem neuesten Werk bedienen sie ein Uraltklischee: „Warum Männer immer Sex wollen und Frauen von Liebe träumen“. Auch das bringt viel Geld ein: 25 Millionen verkaufte Bücher, in 51 Sprachen übersetzt.
Mann, Frau, ganz großer Unterschied. Darauf läuft es bei den meist einfach gestrickten Beziehungsratgebern hinaus. Die US-Hormonspezialistin Louann Brizendine dagegen zieht Studien aus der Hirnforschung heran, um ihre Thesen zu untermauern. In ihren Büchern „Das weibliche Gehirn“ und „Das männliche Gehirn“ versucht Brizendine zu zeigen, dass wir alle hormongesteuerte Wesen sind. Das Gehirn von Buben in der Pubertät werde mit Testosteron getränkt, weshalb männliche Jugendliche oft missmutig seien, aggressiv und sexgierig. Die Mädchen unterliegen einem Sperrfeuer aus Östrogen und Progesteron. Erst ab 60, wenn bei Männern der Testosteronspiegel niedrig ist und Frauen nur mehr wenig Östrogen haben, könnten sich Mann und Frau wirklich verstehen.

Hirnforschung tappt im Dunkeln
Wissenschaftlich gesichert ist das alles nicht. Eine Mehrheit von Frauenforscherinnen sieht die Gesellschaft als Ursache für die wahrnehmbaren Unterschiede, und Männerforscher kommen zu einem ähnlichen Schluss. Die Hirnforschung tappt noch weitgehend im Dunkeln. Denn bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie sind relativ neu und die meisten Testanordnungen zu ungenau. Selbst wenn bei den Tests, bei denen emotionale Reaktionen auf schockierende Bilder abgefragt werden, bei Männern andere Hirnareale aufleuchten als bei Frauen, zeigt das höchstens, dass es jetzt einen Unterschied gibt, aber nicht, wie dieser Unterschied entstanden ist.
Anerzogen, meinen die einen. Angeboren, meinen die anderen. Die Eltern von Buben und Mädchen wollen immer wieder geschlechtsspezifische Unterschiede in ihren Sprösslingen entdecken. Doch Mama und Papa reden mit ihrem Baby-Mädchen anders als mit ihrem Baby-Bub, sie ziehen die Kinder anders an, geben ihnen anderes Spielzeug. So werden sie zu Mann und Frau gemacht.
Als die australische Forscherin Cordelia Fine ihr erstes Kind bekam, war sie erstaunt, wie strikt die pädagogischen Ratgeber in Buben und Mädchen einteilen. Mit wissenschaftlichen Begründungen. Zwischen ihrer Rolle als Mutter und als Forscherin hin- und herschlüpfend, knöpfte sich Fine die zugrunde liegenden Studien vor. Und kam zu dem Schluss, dass sie „biased“ sind. Voreingenommen. Unwissenschaftlich. Oder einfach Humbug. Das beschreibt Fine in ihrem kürzlich erschienenen Buch „Delusions of Gender“. Doch damit wird sie wohl keine Millionenauflage erzielen.
Übrigens: N. Maier, die Person, die sich vom Mars glaubt, ist kein Mann. Sie ist eine Frau, hat zwei Kinder geboren und einen Mann geheiratet. Der aber verhält sich genau so, als ob er von der Venus käme. Nur ein Beispiel von vielen, bei denen die simplen Mann-Frau- Zuschreibungen von John Gray so überhaupt nicht funktionieren.

Economy Ausgabe 999999, 05.11.2010

Lost in Translation

Lost in Translation

„Eine Frau soll keine Männersachen tragen, und ein Mann soll keine Frauenkleider anziehen, denn der Herr, dein Gott, verabscheut jeden, der dies tut“ (Dtn 22,5). Hardliner sehen durch diese Stelle im Alten Testament ausdrücklich bestätigt, dass Cross-Dressing eine Sünde sei, kommt die Verurteilung doch scheinbar von oberster Instanz.
Dr. Kate McGowan von der Manchester Metropolitan University wunderte sich einmal scherzhaft darüber, weshalb Gott so strenge Ansichten bezüglich Kleiderordnung haben könnte, und was in aller Welt mit den Menschen los gewesen sein musste, dass Er sich zum Verfassen eines so expliziten Gesetzes gegen Cross-Dressing veranlasst fühlte.
In Wirklichkeit handelt es sich wohl weniger um eine göttliche Schwäche für geregelte Garderoben, als um menschliche Schwäche beim Übersetzen: Statt „Männersachen“, liest man auch oft „Kriegsgewand“, oder von religiösen Ritualen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Jede Übersetzung lässt wiederum Platz für verschiedene Auslegungen. Unweigerlich denkt man dabei an den Stille-Post Effekt. Tragisch ist nur, mit welchem Preis solche Fehlinterpretationen verbunden sein können.

Emanuel Riedmann, Economy Ausgabe 999999, 05.11.2010

Mann und Frau im Islam

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„Die Gebete von Männern, die hinter Frauen Platz nehmen, werden nicht erhört." Also sprach der Prophet Mohammad, oder zumindest wird es ihm zugeschrieben, und vieles offenbart sich in dieser Aussage.

Der Islam vereint einige Regeln für Frauen, die aus westlichen Augen gesehen rückschrittlich, frauenfeindlich und antiemanzipatorisch sind. Dazu gehören die Vielehe, die Schleierpflicht, die Aberkennung von Eigentum, die Scheidungsproblematik, die Tugendhaftigkeit und die Dominanz der Mutterrolle.
All das geht auf religiöse Regelwerke im Koran zurück (allerdings: die Bibel steht in punkto Frauenfeindlichkeit hier um nichts nach), doch der große Unterschied zum Christentum ist die tiefe Durchdringung der muslimischen Gesellschaft mit diesen Regeln.
Die Verquickung religiöser Lehren mit Erziehung und Schulbildung ist im Islam weitaus stärker ausgeprägt und führt zum eigentlichen Problem: Den soziologischen Einfluss der Frauensicht des Islam und die mit dem modernen Leben nicht korrelierenden Sexualfeindlichkeit.
Die Eheberaterin Wedad Lootah aus Dubai meint, es fehle in moslemischen Ländern an jeder sexuellen Aufklärung. „Das Thema Sex ist tabu, an den Schulen gibt es keine Sexualkunde, und auch Eltern reden kaum mit ihren Kindern darüber. Das Resultat sind misshandelte Frauen und Kinder und kaputte Ehen", sagt sie.
Abgesehen von der Vielehe sind die Phänomene der Minderjährigen-Heirat, der drastischen Gesetzgebung zu Sex zwischen Unverheirateten und zum Ehebruch und die lockere legistische Handhabung von Vergewaltigung in der islamischen Welt tief verwurzelt. Die – je nach Land – strenge Betonung der Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum führt aus soziologischer Sicht zur mehr Problemen als sie aus religiös-ordnungspoltischer Sicht Vorteile hat. Die unterdrückte Sexualität von jungen Menschen im islamischen Kulturraum führt zu einer überdurchschnittlichen Verbreitung von (verdeckter) Homosexualität beider Geschlechter, zu erhöhter Gewalt gegenüber Frauen, zur Ausnützung von Autoritätsverhältnissen und zu einer bigotten Haltung gegenüber Prostitution. Homosexualität ist großtenteils die normale Form zur Kanalisierung sexueller Bedürfnisse vor der Ehe und erlebt seine Steigerung in häufig vorkommenden Knabenvergewaltigungen. Gewalt gegenüber Frauen trifft vor allem auch nichtislamische Frauen, und die Ausnützung von Autoritätsverhältnissen äußert sich in der Anspruchnahme von sexuellen „Dienstleistungen“ von Hausmädchen oder Babysittern. Prostitution ist im islamischen Raum weit verbreitet, aber durch ihre offizielle Leugnung weit weniger regulierbar als im Westen.

Economy Ausgabe 999999, 29.10.2010

Frauen bestimmen im Forschungsrat

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Der neue Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) hat sich am 21. Oktober zu seiner ersten konstituierenden Versammlung eingefunden: Erstmals sind mehr Frauen als Männer im Forschungsrat vertreten.

Der letzte Rat war mit sechs Männern und zwei Frauen besetzt gewesen, jetzt sind es fünf Frauen und drei Männer. "Auch im Forschungsrat zeigen Frauen, dass sie mit besten Qualifikationen im Vormarsch sind. Das ist gut so und sollte vor allem für die Wirtschaft beispielgebend sein", freut sich Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek über den neuen Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT). Der Rat ist einerseits ein beratendes Gremium für Bundesregierung, MinisterInnen und Landesregierung und hat u.a. auch die Aufgaben, Vorschlägen für eine langfristige österreichische Forschungs-Strategie zu erarbeiten sowie Ideen zur Verbesserung der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft zu entwickeln.
Wissenschafts- und Infrastrukturministerium haben je vier Personen für den neuen RFT nominiert. Von Infrastrukturministerin Doris Bures gewünscht sind Gabriele Ambros (Verlagsleiterin Bohmann Verlag und Präsidentin von Forschung Austria), Karin Schaupp (Unternehmensberaterin), Gi Eun Kim (Biotechnologin, Seokyeong University in Seoul) sowie Hannes Androsch (Industrieller, u.a. Aufsichtsratschef des Austrian Institute of Technology AIT). Wissenschaftsministerin Beatrix Karl hat folgende Wissenschaftler ausgewählt: Renee Schroeder (Molekularbiologin, Uni Wien), Marianne Hilf (Juristin, Uni St. Gallen), Markus Hengstschläger (Genetiker, Meduni Wien) sowie Peter Skalicky (Rektor der TU Wien).

Androsch übernimmt Vorsitz
In der konstituierenden Sitzung vergangene Woche (21.10.) haben sich die Ratsmitglieder einstimmig für Hannes Androsch als Vorsitzenden und Peter Skalicky als Stellvertreter entschieden. Bis Jänner 2011 sollen die mittel- und langfristigen Ziele für die neue fünfjährige Ratsperiode in einem „Mission Statement“ erstellt sein. „Dass mehr als 50 Prozent der Ratsmitglieder Frauen sind, ist auch gesamtgesellschaftlich ein wichtiges Signal“, betont FTE-Geschäftsführer Ludovit Garzik. „Ich freue mich natürlich besonders, dass im Rat fünf Frauen vertreten sind. Das zeigt mir, dass sich der Rat den Gender-Kriterien verpflichtet fühlt und auf die Expertise der Frauen nicht verzichten möchte“, sagt Bohmann-Verlagsleiterin Gabriele Ambros. Sie will ihren engagierten Beitrag leisten, um „die Zukunft Österreichs, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, aber auch die Zukunft der Unis und somit des wissenschaftlichen Nachwuchses zu sichern“. Ambos persönlich will sich insbesondere für die Förderung von Innovation und Forschung für KMUs einsetzen, denn sie bedürfen effizienter, aber unbürokratischer Instrumente.

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Economy Ausgabe 999999, 29.10.2010

Trauma, Literatur und Forschung

Trauma, Literatur und ForschungMengel

Ein Forschungsprojekt an der Universität Wien untersucht das Zusammenspiel zwischen der Aufarbeitung gesellschaftlicher Traumata und zeitgenössischer Literatur am Beispiel Südafrika.

Die systematische Ausgrenzung, die Unterdrückung, der staatlich forcierte Rassismus – im Südafrika des Apartheidsregimes (1948–1994) stand Gewalt gegen die schwarze Bevölkerung an der Tagesordnung. Seit dem Sturz des Regimes durch Nelson Mandela und den ANC (African National Congress) hat sich jedoch vieles geändert. Den gesellschaftlichen Umbruch reflektiert auch die zeitgenössische südafrikanische Literatur, durch die sich ein Thema wie ein roter Faden durchzieht: die Aufarbeitung des vom Apartheidsregime hinterlassenen Traumas.
Das Projekt „Trauma, Erinnerung und Erzählung im zeitgenössischen südafrikanischen Roman“ am Institut für Anlistik der Universität Wien widmet sich diesem Ineinandergreifen von Literatur, Gesellschaft und Psychologie. „Mich interessiert, wie sich Traumata einerseits in der literarischen Struktur widerspiegeln, und andererseits, welchen Beitrag Literatur zur Traumaverarbeitung leisten kann“, so Projektleiter Prof. Ewald Mengel.

Forschung im Überblick

Mit „Forschung“ verbindet der Laie oft Stereotype aus den Naturwissenschaften wie Reagenzgläser und Diagramme. In der Geisteswissenschaft sieht Forschung natürlich anders aus. „Die Geisteswissenschaft ist eine Metawissenschaft, das heißt, sie reflektiert die Diskurse der anderen Wissenschaften, kritisiert sie, denkt darüber nach, wie die Welt funktioniert. Der Naturwissenschaftler denkt darüber nach, wie man eine Atombombe baut. Der Geisteswissenschaftler denkt darüber nach, welche Konsequenzen der Bau der Atombombe für die Menschheit haben kann“, macht Prof. Mengel den Unterschied leicht verständlich.
Das interdisziplinäre Projekt verbindet dabei neben Literaturtheorie so vielseitige Disziplinen wie Psychoanalyse, Neurobiologie und moderne Geschichtsforschung. Für die Projektdauer von drei Jahren stehen insgesamt 130.000 Euro aus Mitteln des österreichischen Wissenschaftsfonds zur Verfügung.
Eine der angenehmsten Formen, die Projektarbeit annehmen kann, ist wohl eine Forschungsreise, wie sie Prof. Mengel und sein Team nach Südafrika unternehmen durften. „Wir waren begeistert von Land und Leuten, von der Freundlichkeit, mit der wir aufgenommen wurden. Die Schriftsteller, Akademiker und Intellektuellen, die wir interviewt haben, erlaubten uns faszinierende Einblicke in den momentanen Zustand der südafrikanischen Seele“, schwärmt Prof. Mengel. Der aus dieser Arbeitsphase hervorgegangene Interviewband „Trauma, Memory and Narrative in South Africa: Interviews“ wird demnächst bei Rodopi (Amsterdam) erscheinen.

Internationale Konferenz
Ein enormer Aufwand, aber auch eines der unbestrittenen Highlights der bisherigen Forschungsarbeit war die vom Projektteam organisierte Konferenz, die im April in Wien stattfand. Hochkarätige Wissenschaftler sowie, erfreulicherweise, auch viele Schriftsteller aus den USA, Europa und Südafrika trafen hier zusammen. Eine der wesentlichen Erkenntnisse aus dieser Konferenz betrifft den Traumabegriff selbst. Die „westliche“ Definition sieht Trauma eher als Ergebnis eines individuellen Vorfalls, etwa einer Vergewaltigung.

Strukturelle Gewalt und Trauma
Diese Definition ist somit „zu individualistisch konzipiert, um auf südafrikanische Verhältnisse angewandt werden zu können. Es geht um die Frage, ob Trauma nicht auch das Resultat eines länger andauernden Zustandes sein kann. Strukturelle Gewalt (Apartheid) ist sicher auch ein Auslöser für kollektive Traumatisierung. Wir brauchen Begriffe wie continuous traumatic stress syndrome („andauerndes traumatisches Stress-Syndrom“, Anm.), um die kollektive Traumatisierung der südafrikanischen Bevölkerung zu erklären“, so Prof. Mengel gegen­über economy.
Mehr als 100 Romane sind im Zuge des Projekts bereits untersucht worden. Viele davon thematisieren die Leidensgeschichte des südafrikanischen Volkes aus dezidiert subjektiver Sicht, um den Unterdrückten ihre Stimme zurückzugeben, um einst totgeschwiegene Geschichten zu erzählen. Sie ergänzen somit die Geschichte ihres Landes um den Anteil der unterdrückten Mehrheit und konstruieren sie neu.
Noch immer gibt es viel zu tun, die Leseliste ist lang. Neben einer fixen Mitarbeiterstelle arbeiten auch zwei Doktorandinnen an dem Projekt. Für Herbst 2010 ist die Herausgabe eines Konferenzbandes geplant. Im Juni 2011 läuft das Projekt schließlich aus. Man darf also gespannt sein, welche weiteren Ergebnisse dann präsentiert werden.

Emanuel Riedmann, Economy Ausgabe 86-10-2010, 08.10.2010

Einfach mobil

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Mit Healthe bietet Orange Österreichs erste mobile E-Health-Lösung an. Das Gesundheitsservice wurde gemeinsam mit Alcatel-Lucent und dem Arbeiter-Samariter-Bund entwickelt, es hilft Bluthochdruckpatienten und Diabetikern bei der täglichen Bewältigung ihrer Krankheit.

Chronisch kranke Menschen müssen oft mehrmals täglich ihre Vitalwerte messen, sie aufzeichnen und dem behandelnden Arzt zugänglich machen. Das bedeutet für die Patienten einen erheblichen Aufwand. Und nicht immer sind ihre schriftlichen Aufzeichnungen präzise genug. Dazu vergessen gerade Kinder oder ältere Menschen manchmal auch, die Messung zum richtigen Zeitpunkt vorzunehmen.
Chronische Krankheiten sind weit verbreitet. In Österreich gibt es allein rund 500.000 Diabetiker und eineinhalb Mio. Bluthochdruckpatienten. Das Mobiltelefon, ein steter Wegbegleiter, bietet sich als elektronischer Helfer an, um diese Menschen beim Führen ihres medizinischen Tagebuches – also bei der Messung und Dokumentation ihrer Vitalwerte – zu unterstützen.

Elektronisches Tagebuch
Seit Juni ist die erste mobile E-Health-Lösung Österreichs erhältlich. Das Service wurde in Kooperation von Orange, Alcatel–Lucent und dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASBÖ) entwickelt. Mit Healthe erspart sich der Patient die manuelle Aufzeichnung seiner Werte. Und er muss nicht mehr in die Arztpraxis, nur um seine Daten zu übergeben. Auch den Arzt entlastet das digitalisierte medizinische Tagebuch. Er kann nun jederzeit die Messwerte des Patienten übersichtlich aufbereitet und zuverlässig richtig auf seinem PC-Bildschirm abrufen.
Die Lösung funktioniert aus Patientensicht denkbar einfach. Das Messgerät übermittelt bei der Messung die Vitalwerte automatisch dem Mobiltelefon, das die Daten seinerseits auf die Healthe-Plattform überspielt. Dort stehen sie dem behandelnden Arzt auf Knopfdruck zur Verfügung. Healthe ist so benutzerfreundlich, dass es für jede Altersgruppe vom Kind bis zum Senioren geeignet ist. Damit auch die letzten Unklarheiten ausgeräumt werden, bietet der ASBÖ eine Hotline an.

Mehr Betreuung
Die Telemonitoring-Lösung zeigt das Verbesserungspotenzial im Gesundheitswesen durch mobile Lösungen auf. Sie erhöhen nicht nur die Mobilität der Patienten, sie reduzieren auch Kosten, sagt Harald Himmer, der Generaldirektor von Alcatel-Lucent in Österreich: „Und da so die betriebliche Leistungsfähigkeit der Gesundheitsdienstleister gesteigert wird, steht wieder mehr Zeit für die Betreuung zur Verfügung.“

Hohe Sicherheit
Die Übermittlung der Daten und ihre Speicherung auf der Healthe-Plattform erfolgt verschlüsselt. Wenn der Patient es wünscht, können dort neben dem Arzt auch Familienmitglieder oder Krankenpfleger Einblick nehmen. Die Berechtigung kann ebenso einfach erteilt wie entzogen werden. Dazu ist die Benachrichtigung per E-Mail oder SMS möglich, wenn der Anwender eine Messung vergisst oder die Werte außerhalb der Norm sind. Das schont vor allem Nerven und Budget der Eltern zuckerkranker Kinder.
Healthe ist eine Weiterentwicklung des Tele Health Managers von Alcatel-Lucent, der in Kanada im Einsatz ist. In Österreich hat die Lösung ihre Praxistauglichkeit in einem einjährigen Feldversuch mit 42 Testpersonen bewiesen. Das Healthe Gesundheitspaket inkludiert die Nutzung der Online-Plattform für bis zu fünf Betreuer. Die Kosten belaufen sich auf monatlich zehn Euro, die Benachrichtigungsfunktion kommt auf weitere zwei Euro pro Monat.
Das österreichische Projekt soll nun auch in anderen Ländern Europas zum Einsatz kommen. Dazu ist eine Anwendung für EKG und Spirometrie angedacht. E-Health ist ein rasch wachsendes Marktsegment. Die EU-Kommission erwartet bis 2014 einen Anstieg der Ausgaben von 24 auf über 37 Mrd. Euro.

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Christian Stemberger, Economy Ausgabe 86-10-2010, 01.10.2010

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