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03. Juli 2024

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Integration wollen

Integration wollenATIS

Ende der 1960er Jahre, als in Österreich die Zuwanderung von Gastarbeitern begann, dachte man nicht an Integration, denn das waren ja, wie der Name schon sagt, „Gast-Arbeiter“. Was am Anfang eine wirtschaftliche Notlösung war, begann in den 1980er Jahren ein Problem zu werden. Denn diese Menschen wollten nun ständig in Österreich bleiben. Das war zwar kein wirtschaftliches Problem, denn ihre Arbeitskraft brauchte man auch weiterhin, entwickelte sich aber für die Gesellschaft zu einer sozialen Frage.
Seit damals existiert eine Integrationsaufgabe, die man sehr stiefmütterlich und oberflächlich behandelt hat. In der sozialen Strukturkette ist die integrierende Seite gegenüber den zu Integrierenden in der stärkeren Position; sie hätte alle Mittel und Möglichkeiten, eine zielorientierte Integration zu gestalten. Der Staat als das stärkere Glied der Kette steht in der Verantwortung, Integration so zu steuern, ja aktiv anzubieten, dass gut integrierte Bürger der Volkswirtschaft später auch wieder einen Nutzen zurückgeben können.
Die Vorstellung, die – auch von Politikern – sehr oft präsentiert wird, man solle vom Ausland nur die Elite importieren, um so die Qualität der Zuwanderer zu heben, wird daran scheitern, dass die Elite in ihrem eigenen Land meistens mehr verdient und mehr Anerkennung bekommt als in einem fremden Land – und daher kein großes Interesse hat auszuwandern.
Falls wir ernsthaft vorhaben, das Problem der Integration zu lösen, dann wäre es höchste Zeit, die Sache mit vernünftigen und klaren Zielvorgaben anzugehen, um Zuwanderer für dieses Land zu gewinnen. Dann könnte für alle Beteiligten eine angemessene Plattform geschaffen werden, auf der jeder für jeden eine Bereicherung ist.
Edip Bayizitlioglu ist Obmann des Verbandes österreichischer und türkischer Unternehmer.

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Edip Bayizitlioglu, Economy Ausgabe 86-08-2010, 27.08.2010

Zukunftshoffnung der Medienwelt

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Während die IT-Gemeinde noch über Sinn und Unsinn des iPad streitet, hoffen krisengebeutelte Verlagshäuser auf neue Einnahmequellen. APA-Multimedia entwickelt für die österreichischen Medien Apps, mit denen diese ihre Publikationen auf iPad und iPhone bringen werden.

Schon lange bastelt die IT-Branche am Tablet-PC, allein den Konsumenten konnte sie mit ihren Konzepten nicht begeistern. Das ist nun Steve Jobs mit dem iPad gelungen.
Das iPad wird für die nachdrängenden Tablets der anderen Hersteller das, was das iPhone für die Smartphones war – ein Zugpferd und Wegbereiter. Denn schon vor dem iPhone konnten die Privatnutzer mit ihren Smartphones auf das Internet zugreifen. Nur tat es keiner. Als dann Apple sein Telefon auf den Markt warf, stiegen die mobilen Zugriffe auf das Internet stark an.
Wie das Smartphone die Internetnutzung zwischendurch – etwa in der U-Bahn – revolutionierte, hat auch das aktuelle Gadget aus dem Hause Apple seine Qualitäten, urteilt Marcus Hebein, Leiter der APA-Multimedia: „Das Leichtgewicht eignet sich ideal für die Konsumation von Inhalten vom Text übers Bild bis zum Video und wird so auf der Couch rasch zum Dauergast.“ Damit ist es für Zeitungen und Magazine eine interessante Möglichkeit, ihre Inhalte an den Leser zu bringen.

Konträre Konzepte

APA Multimedia arbeitet derzeit an Apps, die es den Medienhäusern erlauben werden, ihre Inhalte auf dem iPad zu präsentieren. Dem internationalen Trend folgend sind zwei völlig konträre Konzepte in Vorbereitung: Die eine Schiene bietet ein Leseerlebnis möglichst nahe am Printprodukt, laut Hebein lässt sich das am ehesten mit einem eBook vergleichen. Die andere Schiene nützt die technischen Möglichkeiten des iPads intensiv aus und präsentiert sich wie eine Website. Beide Varianten wird es wie beim iPhone als White Label-Lösung geben – also dem Corporate Design des Verlagshauses angepasst. Bereits im Frühjahr hat die APA ihren Eigentümern – 16 österreichische tagesaktuelle Medien – technische Möglichkeiten und Strategien für mobile Applikationen vorgestellt.
Das iPad kam nun genau in einer Phase, in der die Verlage zur Umsetzung ihrer iPhone-Strategie übergegangen sind. Für Hebein kein Malheur: „Die letzten zwei Jahre waren sehr unübersichtlich – wie sieht die Technologie aus, wie können wir Inhalte präsentieren?“ Jetzt wissen die Medien, woran sie sind, und können konkrete Schritte setzen.
Im Gegensatz zur klassischen Onlinezeitung wird das Motto der mobilen Medien jedenfalls nicht „Alles gratis!“ lauten. Und erste Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass die Zahlungsbereitschaft der User sogar über den Erwartungen liegt.

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Christian Stemberger, Economy Ausgabe 86-10-2010, 27.08.2010

Heimat und Trauma

Heimat und Trauma

Ländliches Setting, Inzest-Stimmung, dunkle Geheimnisse unter aalglatter Oberfläche. Eine faschistoide Grundstimmung charakterisiert die mentale Kontinuität nach dem Ende der Nazi-Zeit. „Anti-Heimat“-Literatur: Schriftsteller und Kritiker Robert Menasse zählt Autoren wie Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek oder Gerhard Fritsch zu Vertretern dieses typisch österreichischen Genres, das versucht, die Nachkriegszeit zu erklären. Das Argument ist eindeutig: Nichts wäre für die österreichische Identitätsbildung so wichtig wie die Auseinandersetzung mit den Jahren 1938 bis 1945, und zugleich scheint nichts problematischer – so viel zum bestehenden Dilemma. Der Holocaust ist Österreichs Trauma. Literatur kann ihren Teil dazu beitragen, dass aus dem Festsitzen in der Nicht-Aufarbeitung dieses Traumas kein weiteres entsteht. Diskursiv wäre der Schritt von einer „Anti-Heimat“ hin zu einer Art „Anti-Trauma“-Literatur rentabel. Offenbar reicht die Aufarbeitung der österreichischen Vergangenheit von offizieller Seite aus nicht weiter zurück als bis zu dem Balkon, von dem aus ein Mann im Anzug enthusiastisch „Österreich ist frei!“ durch seinen Schnurrbart ruft. Die Zeit davor wird durch Sissi-Filme und Mozart-Merchandise bereits für ausreichend abgedeckt befunden. Vergangenheitsbewältigung in Österreich? Da regiert noch immer die Waldheim-Schule.

Emanuel Riedmann, Economy Ausgabe 86-10-2010, 27.08.2010

Das Stromnetz wird intelligent

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Smart-Grid-Lösungen machen Stromnetze fit für die Zukunft. Private Haushalte stellen derzeit reine Konsumenten dar, zukünftig werden sie – dank neuer Technologien – auch Strom einspeisen. Aber Obacht! Intelligente Stromnetze können auch janusköpfig sein.

Es ist eine kleine Revolution. Man kann sie zwar nicht sehen, aber sie findet dennoch statt. Die Stromanbieter wollen die Effizienz des Netzes erhöhen. Gleichzeitig wollen sie dem Endkunden mehr Transparenz bieten. Was bedeutet das? Die Tage des analogen Stromzählers sind gezählt. Das Aus für den schwarzen Kasten ist eingeleitet, doch dessen Ende wird schleichend sein.
Einer EU-Umweltrichtlinie zufolge müssen bis zum Jahr 2022 europaweit über 300 Millionen Stromzähler durch intelligente „Smart Meter“ , digitale Multitalente, ersetzt werden. Smart Metering und Smart Grid machen die Stromversorgung effizienter, verringern die Kosten für die Verbraucher und schaffen Wachstumschancen in mehreren Branchen.
Die vorhandenen Stromnetze erfüllen bisher ausschließlich die Funktion, Energie zu verteilen. Informationen darüber, wie viel Strom ein Haushalt oder eine Region aktuell verbraucht, haben die Energieversorgungsunternehmen nicht. Dazu kommt, dass der steigende Anteil dezentraler Erzeuger das Management der Stromnetze erschwert. Es fehlen jedoch Echtzeitdaten, die zeigen, wann wie viel Strom Windkraft- und Fotovoltaikanlagen in die Netze speisen.

Intelligenz wird teuer erkauft
Mit der Umstellung entsteht ein ebenso großer wie lukrativer Markt. Die Investitionen sind gewaltig. Die Europäische Technologieplattform (ETP) Smart Grids schätzt, dass bis 2030 Investitionen in Höhe von 390 Mrd. Euro in Europa – davon 90 Mrd. Euro in Stromübertragung und 300 Mrd. Euro in die Stromverteilung – für die Erneuerung und Erweiterung der elektrischen Stromversorgungsinfrastruktur hin zu intelligenten Stromnetzen notwendig werden.
Bis März 2011 muss die EU-Richtlinie im nationalen Gesetz verankert sein. Im nächsten Jahr wird es noch nicht die große Welle geben, danach dürften allerdings die Monteure knapp werden. Der Informationsbedarf in der Branche ist groß, die Skepsis auf Seiten des Verbraucherschutzes auch. Verschiedene Studien gehen von einem Einsparpotenzial von rund zehn Prozent aus. Dennoch fürchten Kunden, durch die Weitergabe tages­aktueller Verbrauchswerte an die Stromproduzenten auch „gläsern“ zu werden, denn Daten sind natürlich immer auch Informationen.
Österreich ist verglichen mit anderen europäischen Ländern eher ein Spätzünder. Am weitesten ist Schweden. Frankreich beginnt in diesem Jahr, in den Niederlanden werden 2013 alle sieben Mio. Haushalte ausgerüstet sein und in Italien gehören die Smart Meter bereits zum Alltagsleben – nicht aus Sorge um die Energieeffizienz, sondern um den weitverbreiteten Stromklau zu verhindern. Für die Netzbetreiber eröffnet Smart Metering die Möglichkeit, Überschüsse in der Stromproduktion zu vermeiden oder diese gezielter zu verkaufen. Dies gewinnt immer mehr an Gewicht in Zeiten, in denen an der Strombörse sogar negative Kaufpreise erzielt werden. Dann bekommen Abnehmer Geld dafür, dass sie Strom verbrauchen, weil bei windigem Wetter überschüssiger Strom aus Windkraft zur Verfügung steht.

Modellregion Salzburg
„Smart“ ist auch auf anderen Kontinenten beautiful, so etwa Teil des amerikanischen Stimulierungsplanes. Die USA investieren 4,3 Mrd. Dollar in die Modernisierung ihres Stromnetzes. In China sind es sogar 10 Mrd. US-Dollar und mehr als 200 Mio. Stromzähler. Die Salzburg AG ist österreichweit Vorreiter bei Smart Grids. Für das Projektbündel „Smart Grids Salzburg“ und den gesamthaften strategischen Ansatz wurde die Stadt vom Klima- und Energiefonds als „1. Smart Grids Modellregion“ ausgezeichnet und mit Fördermitteln in Höhe von 3,1 Mio. Euro unterstützt. Verwendet werden diese Gelder für Forschung, Entwicklung und Demonstration der Smart Grids.
Die Nationale Technologieplattform Smart Grids Austria ist ein Zusammenschluss von Energieversorgungsunternehmen. Sie verfolgt das Ziel, gemeinsame Kräfte für zukünftige intelligentere Stromnetze zu bündeln, um einen energie- und kosteneffizienten Systembetrieb zu unterstützen. Österreichische Kompetenz im Bereich Smart Grids soll durch Leuchtturmprojekte gestärkt und international sichtbar gemacht werden. Und dies will man durch Information, Interaktion und Integration erreichen.

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Economy Ausgabe 86-10-2010, 27.08.2010

Flexibilität unter Palmen

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T-Systems betreibt in Zukunft das Kommunikations- und Datennetz des Reisekonzerns TUI Travel. Dabei wird die Infrastruktur auf Basis des Internet Protokolls vereinheitlicht. TUI senkt so nicht nur die Kosten, die Kunden sollen durch eine deutlich höhere Servicequalität profitieren.

Die Tourismusbranche ist derzeit einem rasanten Wandel unterworfen. Die treibende Kraft dahinter sind die Kunden. Denn sie werden immer wählerischer. Während sich die klassischen Pauschalreisen auf dem Rückzug befinden, nimmt der Trend zu individuell zusammengestellten Urlauben zu.
Damit der Erholungssuchende dann am Ziel seiner Träume keine unerfreulichen Überraschungen erlebt, damit also der gebuchte Urlaub seinen Wünschen entspricht, muss die Kommunikation auch über Sprachgrenzen hinweg reibungslos funktionieren. „Die immer flexiblere Ausgestaltung von Buchungen im Tourismus erfordert auch ein deutliches Mehr an Kommunikation zwischen Kunden, Reiseveranstalter und Veranstalter vor Ort“, sagt Georg Obermeier, Geschäftsführer von T-Systems Austria.

Höhere Servicequalität
Um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden, hat TUI Travel T-Systems beauftragt, ein europaweites Telekommunikationsnetz aufzubauen und zu betreiben. T-Systems wird im Rahmen des auf fünf Jahre abgeschlossenen Outsourcingvertrages alle Telefon-, Daten- und Mobilfunkleistungen für den Geschäftsbereich Mainstream, das klassische Reisegeschäft von TUI Travel, übernehmen.
T-Systems führt die bestehenden Sprach- und Datennetzwerke des in London ansässigen Konzerns auf einer homogenen Plattform zusammen und reduziert damit die Zahl der bisherigen Netzprovider. Gleichzeitig implementiert T-Systems den Microsoft Office Communicator. Die 25.000 TUI-Mitarbeiter in Großbritannien, Irland, Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz werden an ihren PC-Arbeitsplätzen die gleiche Oberfläche nutzen und Informationen schneller und zuverlässiger als bisher austauschen. Durch die Vereinheitlichung der Netzwerke auf Basis des Internet Protokolls (IP) und der Einführung des Office Communicators erzielt der weltweit größte Tourismuskonzern neben Kostensenkungen eine höhere Servicequalität. „Der Mitarbeiter im Reisebüro genauer auf Kundenwünsche eingehen und das gewünschte Urlaubspaket rasch zusammenstellen“, deutet Obermeier die Vorteile der verbesserten Kommunikationsinfrastruktur an.

Mehr Flexibilität
Während der Reiselustige die Präsenz von T-Systems hier nur durch bessere Dienstleistungen spüren soll, ist ein anderes Projekt für TUI-Kunden offensichtlicher. Bereits 2009 stattete die Tochter der Deutschen Telekom rund 200 deutsche Reisebüros der TUI mit digitalen Werbesystemen aus.
„Monitore ermöglichen die unmittelbare Kundenansprache. Ein Plakat kann da nicht mithalten“, sagt Obermeier. Auch diese Lösung punktet mit Flexibilität, denn die langen Vorlaufzeiten für den Druck und die Verteilung der Werbeplakate entfallen.
Eine weitere kundenorientierte Lösung von T-Systems ist der Mobile Travel Assistant. Damit kann nicht nur der Check-in per Handy erledigt werden. Das Mobiltelefon fungiert in jeder Lage als elektronischer Reisebegleiter, es unterstützt bei der Buchung, informiert über verspätete Flüge, führt den Passagier durch Flughäfen, stellt das Kultur- und Freizeitangebot am Zielort dar, schlägt Restaurants und Hotels vor. Am Flughafen Friedrichshafen testet T-Systems im Rahmen der T-City gerade neue Dienste, die vor allem für Vielflieger interessant sind. So wird der Fluggast drei Stunden vor Abflug über sein Handy geortet und erhält einen Hinweis, wann er sich auf den Weg machen sollte. Läuft er Gefahr, sich zu verspäten, wird er via SMS gewarnt.
Während T-Systems hier zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten der Mobilfunktechnologie auslotet, liegt das Hauptaugenmerk aber darauf, integrierte Sprach- und Datendienste als Service anzubieten, betont Obermeier. Der über 100 Mio. Euro schwere Vertrag mit TUI ist in diesem rasch wachsenden Marktsegment nur einer von mehreren Großaufträgen, die zuletzt an Land gezogen werden konnten.

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Christian Stemberger, Economy Ausgabe 87-10-2010, 27.08.2010

Schule der Zukunft

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Österreichs Schüler schneiden im internationalen Vergleich mehr schlecht als recht ab, wie die Studien PISA und TIMSS zeigen. economy fragte Bildungsexperten, woran es hapert und wie ein effizientes Schulsystem aussehen sollte.

Ende 2010 werden die Ergebnisse der neuen PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) veröffentlicht. Bildungsexperten schwant nichts Gutes, wenn sie sich auch noch bedeckt zeigen. „Wir haben bis zum 7. Dezember ein striktes Informationsembargo der OECD“, sagt PISA-Projektleiterin Claudia Schreiner vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE). Die Erhebungen wurden bereits Mitte 2009 an den heimischen Schulen durchgeführt. „Diesmal steht das Lesen im Mittelpunkt. Nebem dem normalen Lesetest war diesmal auch ein computerbasierter Test zum Lesen elektronischer Texte integriert“, mehr verrät Schreiner nicht.

Finnland als Musterbeispiel
Ob sich das schlechte Abschneiden der heimischen 15-Jährigen beim PISA-Test 2006 (Mathematik: 13. Platz, Lesen: 14. Platz) nun wiederholt oder gar noch schlechter ausfällt, bleibt abzuwarten. PISA-Testsieger Finnland hat jedenfalls in den letzten Jahren viele Bildungsexperten angelockt. Ein Grundstein in Finnland ist die Gesamtschule, die „Peruskoulu“, die alle jungen Finnen im Alter von sieben bis 16 Jahren besuchen. 90 Prozent setzen den Bildungsweg danach Richtung Reifeprüfung fort. Heute hält Bildungswissenschafter Jarkko Hautamäki für bewiesen, dass die Gesamtschule die soziale Kluft am Wachsen hindere: „Man kann seine Kinder in jede beliebige Schule schicken, die Qualität ist die gleiche. Privatschulen, wo Mütter im BMW vorfahren, gibt es praktisch nicht.“

Gesamtschule als Weg
Gesamtschule heißt aber keineswegs „Einheitsbrei“. Erstens werden die Schüler individuell gefördert und betreut, zweitens sind die Schulen autonom, sie können auch Lehrer feuern, und schon der Zugang ist schwer genug. Infolge einer beinharten Auslese bereits vor dem Studium bleiben 90 Prozent (!) der Anwärter auf der Strecke. Wer eine Lehrerausbildung absolviert oder abgeschlossen hat, ist hoch angesehen. Das rundum akzeptierte Vorschuljahr oder die Notwendigkeit, Englisch zu lernen, weil es kaum Filme auf Finnisch gibt, sind weitere Erfolgsbausteine des finnischen Schulsystems. Das finnische Modell findet auch hierzulande seine Anhänger. „Wir brauchen für die Altersgruppe der Sechs- bis 14-Jährigen eine durchgehende, individuelle Entwicklungslaufbahn“, schlägt etwa Dagmar Hackl, Rektorin der Pädagogischen Hochschule (PH) in Wien eine Auflösung der traditionellen Struktur Volksschule/Hauptschule/Gymnasium vor. „Das bedeutet aber keine Einheitsschule, sondern vielmehr wird die Standortentwicklung der Schulen mit gro­ßer Autonomie entscheidend für ein breites Angebot an Bildungschancen sein“, meint die engagierte Rektorin. „Die Zukunft der Schule wird darin liegen, wie gut es uns gelingt, jedes nur erdenkliche mögliche Talent bei unseren Kindern zu stärken.“
Bereits im Volksschulalter fordert die Wiener PH-Rektorin Dagmar Hackl ein Umdenken. Sie schlägt vor, die ersten zwei Jahre, also für die Sechs- bis Achtjährigen, den Gesamtunterricht beizubehalten, „denn diese erste Phase mit der Alphabetisierung, dem Erwerb der Lesefähigkeit und dem Erwerb des Wissens um die Grundrechenarten in einem gesamtunterrichtlichen Zusammenhang ist wichtig und sollte auch nicht verändert werden.“ Danach schlägt Hackl „einen leicht gefächerten Unterricht im Rahmen von drei bis vier Fachgruppen vor“.

Fachgruppen in der Volksschule
Die Volksschulkinder seien ohnehin bereits an verschiedene Lehrpersonen etwa in Werken, Religion, oft auch in Englisch und manchmal in Musik gewöhnt. „Der Umgang mit mehreren Bezugspersonen auch in der Volksschule schadet den Kindern sicher nicht“, ist Hackl überzeugt.
Derzeit gebe es Gesamtunterricht, aufgeteilt auf Bildungsinhalte. Im Fachgruppenmodell könnten speziell vertiefend ausgebildete VolksschullehrerInnen mit den Kindern viel gezielter arbeiten. Der Vorteil für die Kinder: „Sie lernen bereits früh, welche Wissensgebiete sie bevorzugen und wo ihre speziellen Talente liegen. Darauf aufbauend kann dann eine weitere Schwerpunktsetzung in der Sekundarstufe eins gesetzt werden“, beschreibt Hackl das Modell. Außerdem gibt es daher keine „allgemeinen VersagerInnen, sondern Kinder mit gänzlich unterschiedlichen individuellen Fähigkeiten, Stärken, aber auch Schwächen, die natürlich mit einem entsprechenden Förderprogramm ausgebessert werden müssen, wenn sie die grundlegende Wissens- und Bildungsentwicklung des Kindes betreffen“, meint die PH-Rektorin.
„Wichtig ist, dass es im zehnten Lebensjahr keinerlei Bildungsbrüche mehr gibt“, betont Hackl. In der fünften und sechsten Schulstufe soll der Fachgruppenunterricht der Volksschule fortgeführt werden“, erläutert sie. Erst ab der siebten Schulstufe sollte ein stärker gefächerter Unterricht erfolgen. „Zusätzlich soll sich jeder Schüler zwei Schwerpunktbereiche wählen, damit werden bereits frühzeitig spezielle Vorwissensbereiche geschaffen und Talente gefördert“, freut sich Hackl. Dass auch an der Lehrerausbildung viel verändert werden muss, ist ihr klar: „Dass wir hier besser werden können und müssen steht außer Streit. Wichtig ist, dass wir auch bei den Lehrern auf Basis einer Kernausbildung Spezialwissen und spezielle Talente gezielt fördern.“
Beim Schulangebot für die 14- bis 18-Jährigen fordert Hackl „möglichst viele verschiedene Schularten mit vielen Schwerpunktbereichen.“ Befragt zu den Mängeln sagt die PH-Rektorin klipp und klar: „Die Organisation unseres Schulsystems ist nicht mehr zeitentsprechend“, sie fordert mehr Autonomie für die Schulstandorte und eine Aufwertung der Funktion des Schulleiters. Außerdem „sollte sich die Parteipolitik aus dem Schulsystem mehr zurückziehen. Wissens- und Bildungsentwicklungen dürfen an keinen parteipolitischen Hindernissen mehr scheitern“, so Hackls klare Kritik in Richtung Politik.

Wege aus der Schulkrise
Ein scharfer Kritiker des Schulsystems ist auch Manfred Spitzer, Leiter des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm und Autor zahlreicher Bücher (zuletzt Medizin für die Bildung. Ein Weg aus der Krise, 2010). „Es ist in intellektuellen Kreisen schick geworden, wenig Ahnung von Naturwissenschaften zu haben und in Mathematik schlecht zu sein. Aber jeder, der in ein Flugzeug steigt, nützt die Ergebnisse von Wissenschaften und Technik“, gibt Spitzer zu bedenken. Naturwissenschaften würden leider sträflich vernachlässigt, ebenso auch Musik, Theater und Sport. Neben der inhaltlichen Komponente hagelt es auch Kritik an der organisatorischen Seite: „In Schweden stellt die Schule den Lehrer an, in Deutschland (und Österreich, Anm. d. Red.) wird er von Amts wegen zugewiesen und kann wegen Unfähigkeit niemals gekündigt werden. Es braucht autonome Schulen, die selbst entscheiden können, was sie tun wollen, mit wem sie es tun wollen und wie sie die Kinder zum Ziel bringen.“
Man sollte außerdem über das Gehirn mehr Bescheid wissen, denn „Pädagogik ist nichts weiter als angewandte Gehirnforschung“, argumentiert Spitzer. Lernen habe auch sehr viel mit der entsprechenden Einstellung zu tun. „Wenn Schule gut ist, dann fördert sie jeden ohne Ausnahme in unterschiedlicher Weise. Damit unsere Kinder gut durch die Schule kommen, sollten wir jedenfalls nicht auf politische Reformen hoffen, sondern auf das Wissen über Lernen und Lernerfolg setzen“, meint Spitzer.

Economy Ausgabe 86-10-2010, 27.08.2010

Termine

Termine

Vom 11. bis 13. Oktober 2010 findet im französischen Annecy das erste European Outdoor Forum statt. Die neue Plattform bringt die Entscheidungsträger der Branche zusammen, um die drängendsten Fragen der Branche zu diskutieren und einen wichtigen Informationsaustausch auf Expertenebene zu fördern.

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red, Economy Ausgabe 86-10-2010, 27.08.2010

Web 2.0 im universitären Bereich

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Web 2.0-Applikationen kommen in allen gesellschaftlichen Bereichen zum Einsatz, auch an den Universitäten werden derartige Tools verwendet. Das Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden wird durch den Abbau informeller Hierarchien beeinflusst.

Interaktiven Web-Inhalten wird nachgesagt, von großer Bedeutung für unser soziales, aber auch unser berufliches Leben zu sein. Deshalb ist es interessant, einen Blick auf die Bedeutung des Web 2.0 in universitären Abläufen zu werfen. Vorneweg zur Begrifflichkeit: Der Terminus Web 2.0 wird im akademischen Sprachgebrauch oftmals synonym zum Begriff E-Teaching bzw. E-Learning verwendet, wobei auch hier zwischen den Stufen 1.0 und 2.0, sprich der Interaktivität der jeweiligen Tools, unterschieden wird.
Beschäftigen wir uns mit den konkreten Methoden des E-Learning, so eröffnet sich eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Eine simple Variante ist ein Weblog, das begleitend zu einer Lehrveranstaltung eingerichtet und mit Lernunterlagen gefüttert wird. Ein weiteres Beispiel stellt der Aufbau eines Fachwikis dar, in das Studenten verschiedene Fachbegriffe selbstständig eintragen müssen. In der Praxis hat sich dies jedoch als problematisch he­rausgestellt, da die Aufgabenstellung häufig zu einem simplen Copy & Paste aus Wikipedia mutierte. An der Universität Furtwangen wurden audio-visuelle Aufzeichnungen von Vorlesungen produziert und den Studierenden als Podcast zur Verfügung gestellt. Besonders zweckmäßig erscheint diese Vorgehensweise für Studierende, die während eines Auslandsaufenthaltes Lehrveranstaltungen an ihrer Alma Mater absolvieren wollen.
An der Universität Wien kommen im Wesentlichen zwei E-Learning-Plattformen zum Einsatz, die Programme Fronter und Moodle. Auf beiden werden Lernunterlagen und Arbeitsmaterialien online gestellt, man kann relevante Daten sowie Prüfungsergebnisse abfragen. Schon seit geraumer Zeit besteht die Möglichkeit, sich online für Lehrveranstaltungen anzumelden, wobei dies oftmals zu Problemen führte, da die große Zahl an gleichzeitigen Zugriffen die Server regelmäßig überlastete. An der Universitätsbibliothek Wien wird am E-Books on Demand-Projekt gearbeitet. Hierbei können BenutzerInnen eine Digitalisierung jedes Buches aus dem Bestand der Hauptbibliothek in Auftrag geben, das urheberrechtsfrei ist und dessen Zustand eine Digitalisierung erlaubt. Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von Diskussionsforen, in denen sich Studierende der unterschiedlichen Studienrichtungen untereinander austauschen. Diese Message-Boards werden allerdings meistens von universitätsunabhängigen Einrichtungen wie den Studienrichtungsvertretungen zur Verfügung gestellt.

Generation Gaps
Der Einsatz all dieser Methoden hat jedoch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden, mittlerweile fast allesamt so genannte Digital Natives. Die Kommunikationswissenschaftlerin Irene Neverla prophezeite bereits vor Jahren das Entstehen eines „Generation Gaps“ in Bezug auf den alltäglichen Umgang mit dem Internet. Prof. Dr. Ullrich Dittler, Inhaber der Professur für Interaktive Medien an der Hochschule Furtwangen und Experte für E-Learning, sieht in dieser Entwicklung positive und negative Faktoren für die Lehrenden. Auf der einen Seite sind sie gezwungen, zusätzlich zur bereits vorhandenen Fachkompetenz weitere Medienkompetenz aufzubauen. Auf der anderen Seite kommt es zu einem Machtverlust der Lehrenden, sie befinden sich in einer dauerhaften Konkurrenzsituation zu anderen Wissensquellen. Dittler sieht den Wandel der Rolle des Lehrenden weg von der „Position eines absoluten Wissensträgers hin zu der Rolle eines Coaches im konstruktivistischen Sinne“. Gleichzeitig kommt es zu einem Abbau von informellen Hierarchien, die Gleichartigkeit von Lehrenden und Studierenden wird durch den zunehmenden Einsatz von E-Learning gefördert.

Ideen der Jüngeren

Dr. Norbert P. Feldinger, Universitätslektor am Wiener Institut für Publizistik, sieht die Problematik eines möglichen „Generation Gaps“ ein wenig anders. Er konstatiert zwar, dass es durchaus zu einem solchen Phänomen kommen kann, macht jedoch nicht nur die Entwicklung des Internets dafür verantwortlich: „Zu einem Generation Gap kommt es oftmals dort, wo die Bereitschaft der älteren Generation nicht ausreichend vorhanden ist, sich mit den Gedanken und Ideen der jüngeren Generation, die zumeist viel schneller auf gesellschaftliche und/oder technische Entwicklungen (dazu gehören auch die Neuen Medien) reagiert, in entsprechendem Ausmaß kritisch auseinanderzusetzen.“
Das so genannte Web 2.0 bietet also auch im akademischen Bereich, genauso wie im privaten, durchaus sinnvolle Möglichkeiten, die zwischenmenschliche Kommunikation zu erleichtern. Wie bei allen technischen Hilfsmitteln kommt es jedoch auf deren richtigen Gebrauch an. Es wird spannend sein zu beobachten, wie die derzeitigen und zukünftigen technischen Entwicklungen in einer sinnvollen Art und Weise in die universitären Abläufe eingebunden werden können.

Philipp Spichtinger, Economy Ausgabe 86-10-2010, 27.08.2010

Buchtipp

Buchtipp

Faktor Fünf soll die Chinesen überzeugen.

Das erste Buch hieß noch Faktor Vier. Das war 1997. Ernst Ulrich von Weizsäcker und seine Mitautoren wollten mit einer revolutionär optimistischen Botschaft überzeugen: Mit dem halben Energieverbrauch könne man doppelt so viel Wohlstand schaffen. Nun erschien Faktor Fünf. Das heißt, mit nur einem Fünftel an Ressourcen und Energie könnte man dasselbe wie jetzt produzieren. Doch das ist nicht der wahre Grund, warum das Buch so heißt. Es geht vielmehr um Glück oder Unglück. Bei einer Konferenz in Peking wiesen höfliche Chinesen Weizsäcker darauf hin, dass die Zahl Vier in China eine Unglückszahl sei. Laut ausgesprochen klinge sie wie „Tod“. Acht sei dagegen eine Glückszahl. Doch so weit wollte er dann doch nicht gehen, scherzt Weizsäcker. Was alles erreichbar wäre, stimmt optimistisch. Bei der Stahl- und Zementindustrie etwa, die notorisch wehklagt, dass sie von CO2-Emissionszahlungen verschont werden muss. Für die Erzeugung einer Tonne Stahl braucht man in China 36 Gigajoule pro Tonne (GJ/t), in Deutschland 18 GJ/t. Doch mit bereits bekannter Technik ließen sich 8 GJ/t realisieren, mit weiteren Verbesserungen könnte man auf 2 GJ/t reduzieren. Das Buch wurde bereits ins Chinesische übersetzt. Wenn damit der Wandel in China beschleunigt wird, lohnt es sich, einer Unglückzahl ausgewichen zu sein.
Ernst Ulrich von Weizsäcker u. a.:
„Faktor fünf. Die Formel für nachhaltiges Wachstum“
Droemer, München, 20,60 Euro
ISBN: 978-3-426-27486-6

Economy Ausgabe 86-08-2010, 27.08.2010

Weltpolizei im Wertewandel

Weltpolizei im Wertewandel

Seine geschickte Haltung auf dem internationalen Parkett trägt Barack Obama zuhause den Vorwurf ein, „post-amerikanisch“ zu sein. Und nicht genug: Zahlreiche US-Konservative sehen durch die Außenpolitik des Weißen Hauses den American Exceptionalism bedroht.

John Bolton lehnt sich weit hinaus. Der ehemals interimistische UN-Botschafter der USA, eingesetzt von George W. Bush, muss erst den richtigen Rahmen schaffen, um zu seinem Buch überzuleiten, Wie Barack Obama die nationale Souveränität gefährdet. Alle anderen Präsidenten hätten es verstanden, sagt Bolton, Obama aber sei der erste „post-amerikanische Präsident“. Er spielt mit dem Begriff post-racial: Obama, dessen Hautfarbe nicht mehr wichtig ist. Was Obama nicht verstanden hätte, ahnt einer in der Reihe hinter mir bereits: Er zieht geräuschvoll Luft ein. Gefährliches Terrain ist das. Wird er es sagen, unamerikanisch, unpa­triotisch? Es wäre die wohl größte Beschuldigung unter den paar tausend Waffenträgern hier, allesamt wertekonservativ, vaterlandstreu.
Bolton, seit jeher mehr Aufwiegler als Diplomat, spürt die Anspannung. Das Publikum hängt an seinen Lippen, als er abschwächt: „Um klarzustellen, ich habe nicht unamerikanisch gesagt.“ Ebenso wie sich manche Briten Europäer nennen und damit über Nationalismus hinwegsetzen würden, hätte auch Obama den nächsten logischen Schritt getan: „Er ist ein Weltenbürger!“ Was anderswo Anerkennung ist, klingt hier nach Aussatz. Nun ist Bolton am Kern seiner Argumentation angelangt: Obama würde nicht genug an den American Exceptionalism glauben: „Nicht an die Worte von John Winthrop, über die Stadt am Hügel, und dass wir das neue Jerusalem seien.“

Die Weltpolizei
Amerika ist anders. Seine Verfassung stützt es in seiner Rolle als eine Art Weltpolizei. Die Geburtsstunde des Einwanderungslandes als vereinter Staat folgte auf einen Unabhängigkeitskrieg, die kritische Haltung gegenüber Einmischungen des Staates ist geblieben. Die Eigenverantwortung der Einzelnen wird hochgehalten wie die persönliche Freiheit. Exceptionalism im engeren Sinn soll auf den französischen Politiker und Historiker Alexis de Tocqueville zurückgehen, der im 19. Jahrhundert konstatierte, dass die USA die erste funktionierende repräsentative Demokratie seien. Seymour Martin Lipset, Autor des Buches American Exceptionalism: Ein zweischneidiges Schwert, verweist bei seiner Erklärung des Begriffs auf Winston Churchill: „Amerikaner zu sein, ist eine ideologische Verpflichtung. Es ist keine Frage der Geburt. Wer amerikanische Werte zurückweist, ist unamerikanisch.“ Genau jene Werte meinen Konservative, wenn sie heute vom Exceptionalism sprechen: die Chance, über harte Arbeit alles zu erreichen; das Beharren auf das Gute im Menschen; Patriotismus. Wenn die Rechten gegen Obamas Politik hetzen und Angst schüren, dass braven Bürgern alles hart Erarbeitete weggenommen wird, geht es ums Geld, aber auch um die Stellung des Landes. Dass die Guten der Welt Amerika nicht mehr beneiden, die Bösen es nicht mehr fürchten und es für einen Staat wie jeden anderen halten könnten. „Wenn jeder außergewöhnlich ist, ist keiner außergewöhnlich“, sagt Bolton dazu.

Machtspiele mit der UNO
Für Pamela Geller, Autorin des Buches Die post-amerikanische Präsidentschaft, kompromittiert Obama die US-Souveränität zugunsten internationaler Zusammenarbeit, allen voran jener mit den Vereinten Nationen. Die Vormachtstellung der USA, insbesondere ab den 1990er Jahren, führte immer wieder zu Konflikten mit der UNO. Doch schon unter Ronald Reagan verweigerten die USA Beitragszahlungen, um so Druck auf die Staatengemeinschaft auszuüben.
Laut Telefonumfrage von Rasmussen Reports im Mai sind 71 Prozent der US-Bürger überzeugt, dass ihr Land besser als die UNO sei, um Gutes in der Welt zu verbreiten. In Obamas National Security Strategy for 2010 ist indes nachzulesen, dass die USA ihre Koordination mit der UNO verbessern und Beitragszahlungen leisten werden.
Bolton zitiert beim Treffen der National Rifle Association schließlich Ex-UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der den Sicherheitsrat „die einzige Instanz für legitimen Einsatz von Gewalt“ nannte. „Ich würde einen Präsidenten einmal gerne sagen hören, dass es für die USA keine höhere Amtsbefugnis gibt, als die Verfassung“, so Bolton. Dann berichtet er, dass Libyen jüngst in den UN-Menschenrechtsrat gewählt wurde und de Iran davor in die Kommission für Frauenrechte. Im Saal ist lautes Lachen zu hören. Boltons Verleger kann stolz auf ihn sein.
Alexandra Riegler

Economy Ausgabe 86-08-2010, 27.08.2010

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