Gemeinden müssen sparen
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Die fetten Jahre sind vorbei. Vielen Städten, vor allem in Niederösterreich, steht finanziell das Wasser bis zum Hals. economy sprach mit den Bürgermeistern von Mistelbach, Korneuburg und Wolkersdorf über ihre Strategien, Pläne und Probleme.
40 Gemeinden bauten in den Jahren 2004 bis 2008 ihren Schuldenstand ab, aber in 32 Gemeinden ist die Verschuldung noch gestiegen, so das erschreckende Ergebnis der Kommunalstudie 2010, erstellt von der BSL-Managementberatung. In der Studie wurden alle 72 österreichischen Städte mit über 10.000 Einwohnern untersucht und nach einem Finanzindex gereiht.
Führend im Finanzranking sind Salzburger Gemeinden: St. Johann im Pongau, Bischofshofen und Wals-Siezenheim. Schlusslicht im Ranking bilden Städte aus der Steiermark, dem Burgenland und Niederösterreich (vergleiche Grafik unten).
Einfluss der Landespolitik
„Von den 21 niederösterreichischen Gemeinden ist die Hälfte im letzten Viertel des Rankings“, bestätigt Studienautor Bernhard Knipel, früher ÖVP-Stadtrat in Mödling. „Die deutlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern zeigen, dass die Vorgaben der Landespolitik starken Einfluss auf die Entwicklung der Finanzen der Gemeinden haben.“ Nachsatz: „Wesentliche Faktoren sind die Landesumlagen und landespolitischen Entscheidungen, die auf kommunaler Ebene zusätzliche Kosten verursachen.“ Dabei dürften einige niederösterreichische Kommunen aufgrund der Historie, Stichwort Landeskrankenhäuser, auf hohen Schulden sitzen. „Wir hatten von 2005 bis 2008 fette Jahre, aber die Gemeinden hätten in dieser Zeit mehr zur Konsolidierung ihrer Haushalte beitragen können“, sagt Knipel. 2008 kam es zur Trendwende. „Die Schere wird 2010 noch weiter auseinandergehen.“ Wie die Gemeinden in der Krise agieren, dazu hat economy drei Bürgermeister aus dem Nordosten Niederösterreichs befragt.
Die Wahlen heuer im Frühling haben viel verändert, so auch in Mistelbach. Seit 8. April heißt der neue Bürgermeister Alfred Pohl (ÖVP), hauptberuflich Direktor an der HTL für Gesundheitstechnik in Mistelbach. Sein Vorgänger Christian Resch (ÖVP, 13 Jahre im Amt) hat ihm wahrlich kein leichtes Erbe hinterlassen. Mistelbach ist im BSL-Finanzranking an viertletzter Stelle (Index 4,11) gelandet, Pohl muss jetzt massiv nach Einsparungsmöglichkeiten suchen. Mögliche Einsparungskandidaten der 12.600 Einwohner zählenden Stadt im nördlichen Weinviertel, rund eine Autostunde von Wien entfernt, sind etwa das Museumszentrum Mistelbach (MZM), das Krankenhaus, das Weinlandbad oder der Stadtsaal. Das MZM etwa kostet die Stadt fix jährlich rund 200.000 Euro. „Wir wollen und dürfen uns aber nicht kaputtsparen“, betont Pohl. Für 2010 stellt er allerdings Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich in Aussicht. „Wir sind mit sinkenden Einnahmen aus Ertragsanteilen des Bundes konfrontiert. Die Ausgaben, vor allem aus dem Gesundheits- und dem Sozialbereich, sind aber steigend und belasten die Gemeinden“, gibt Pohl Einblick in Mistelbachs Probleme.
Wichtigste Ziele Pohls sind neben dem „nachhaltigen Umgang mit dem Gemeindebudget die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Mistelbach, die Schaffung von neuem Wohnraum in der Großgemeinde sowie die Gründung eines neuen, einheitlichen Bürgerbüros, das bereits im September seinen Betrieb aufnehmen soll. Große Hoffnungen setzt Pohl auf den neuen Wirtschaftspark, der direkt an der Nordautobahn (A5) zwischen Mistelbach und Wilfersdorf entsteht. „Zudem werden wir auch in Zukunft bemüht sein, die vorhandenen Klein- und Mittelbetriebe zu stärken. Sie bilden letztlich das Rückgrat der Gesellschaft und stärken unsere Region“, ist Pohl überzeugt.
Viel Raum wird auch der verkehrspolitischen Planung gewidmet. „Wichtig ist uns der Bau einer Stadtumfahrung“, sagt Pohl. Die Umfahrung soll auf der seit Jahren bekannten, festgelegten und evaluierten West-Trasse geführt werden. Die Kosten teilen sich großteils Land und Bund, „die Gemeinde leistet aber auch einen finanziellen Beitrag“, erklärt Pohl. „Erst wenn die Umfahrung gebaut ist, können sinnvolle Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im Zentrum realisiert werden. Gedacht wird an eine Reduzierung des Verkehrs vom Hauptplatz, Schaffung von Schanigärten sowie Geschwindigkeitsbeschränkungen“, so der Mistelbacher Bürgermeister.
Verbesserungen für Pendler
Wichtig ist dem verheirateten Vater dreier erwachsener Töchter auch der zweigleisige Ausbau der Schnellbahn sowie die Einführung eines Halbstundentakts nach Wien. Diese Maßnahme weist auf eine andere Problematik hin. Laut neuer Pendlerstudie der niederösterreichischen Arbeiterkammer (AKNÖ) fahren rund zwei Drittel (!) der berufstätigen Mistelbacher aus dem gesamten Bezirk, rund 9000 Menschen, nach Wien zur Arbeit. Die Studie listet aber auch 3690 Einpendler in den Bezirk auf, das ist ein Plus von 20,5 Prozent im Vergleich zu vor fünf Jahren. 919 Wiener fahren in den Bezirk Mistelbach zur Arbeit, aus Gänserndorf kommen 1449 Personen, viele Einpendler kommen aus dem benachbarten Ausland.
Pohl will aber das Auspendeln der Mistelbacher durch Maßnahmen wie etwa die Schaffung des Wirtschaftsparks sukzessive reduzieren. „Mistelbach darf keinesfalls eine Arbeitswohnburg werden“, gibt sich der Bürgermeister kämpferisch, „wir wollen uns als Standort mit noch mehr Lebens- und Wirtschaftsqualität positionieren.“ Dass sich Pohl in „seinem“ Städtchen wohlfühlt, zeigt seine sympathische Einladung zum Schluss: „Kommen Sie doch nach Mistelbach, dort, wo sich die Einfachheit und Schönheit des Weinviertels zu einem perfekten Ganzen verdichten.“
Über einen neuen Bürgermeister verfügt auch die Bezirkshauptstadt Korneuburg. Hier hat die SPÖ im März das schlechteste Wahlergebnis seit 1945 verzeichnet. Sie verlor etwa 14 Prozentpunkte.
Damit musste die SPÖ mit Ex-Bürgermeister Wolfgang Peterl nicht nur die absolute Mehrheit abgeben, sondern wurde von der ÖVP mit Spitzenkandidat Christian Gepp sogar überholt.
Der 38-Jährige, seit rund 13 Jahren ÖVP-Bezirksgeschäftsführer, will frischen Wind in die Stadtpolitik bringen. „Korneuburg soll als lebenswerte Kleinstadt am Rande der Weltstadt Wien positioniert werden. Die Umsetzung der dazu notwendigen Projekte und Konzepte für die Stadtentwicklung, Hauptplatzbelebung sowie Verkehrsthemen sollen im engen Dialog mit den Bürgern erarbeitet werden“, setzt Gepp auf Engagement und Kommunikation. Korneuburg steht nicht so schlecht da wie etwa Mistelbach, im Finanzranking liegt es im Mittelfeld (Index 3,09), was im Schulnotensystem einem glatten „Befriedigend“ entspricht. „Wir werden nur die notwendigsten Projekte umsetzen können. Geplant sind konkrete Einsparungen im außerordentlichen Haushalt, voraussichtlich werden wir negativ bilanzieren“, meint der Bürgermeister, zur wirtschaftlichen Situation befragt, knapp.
„Sehr wichtig ist uns der rasche Ausbau des Wirtschaftsstandortes Korneuburg“, will Gepp künftig vermehrt Arbeitsplätze vor Ort anbieten. Im Wesentlichen ist Korneuburg mit Mistelbach vergleichbar: Beides sind Bezirkshauptstädte, Korneuburg hat mit rund 13.000 wenig mehr Einwohner als Mistelbach. Beide Städte betreiben Landeskrankenhäuser und gelten als Schulstädte. Korneuburg hat dennoch die Nase vorn, wird doch nach jahrelangem Gerangel nun endlich eine Allgemeinbildende Höhere Schule gebaut.
Gute Verkehrsanbindung
Viele Zuzügler lockt die verkehrstechnisch günstige Lage und Nähe zu Wien. Korneuburg liegt an der Donauufer-Autobahn (A22) und an der neuen Verbindungsschnellstraße (S1) zur Nordautobahn (A5). Mit dem Auto dauert die Fahrt nach Wien eine knappe Viertelstunde. Doch steigt auch das Verkehrsaufkommen rasant. Das stört den neuen Bürgermeister nicht: „Ich bin überzeugt, dass mit der Anbindung an die S1/S5 eine hervorragende Anbindung an das Autobahnnetz Richtung Süden und Norden geschaffen wurde. Korneuburg wird durch den Ausbau der Donaubrücke bei Tulln sicher auch eine sehr gute Westanbindung erfahren.“
Wesentlich ist für Gepp auch eine gute öffentliche Anbindung: „Der Ausbau und die Neugestaltung des Bahnhofs ist für uns prioritär.“
Auch für Anna Steindl, seit Oktober ÖVP-Bürgermeisterin von Wolkersdorf im Weinviertel, 15 Kilometer nördlich von Wien, ist die exzellente Verkehrsanbindung von großer Bedeutung. Die Kleinstadt mit derzeit knapp 7600 Einwohnern hat schon vor einigen Jahren vom Bau der Umfahrungsstraße (zur B7 Richtung Brünn) stark profitiert. Mit der neuen Nordautobahn (A5) verfügt Wolkersdorf jetzt über drei (!) Autobahnabfahrten. Wichtig ist ebenso der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, denn auch in Wolkersdorf pendelt der Großteil der Bevölkerung zur Arbeit nach Wien. Die Schnellbahnlinie S1 verkehrt im Viertelstundentakt nach Wien (Fahrtzeit bis Praterstern rund 30 Minuten). Leider wird die total veraltete Bahnhofsinfrastruktur den Anforderungen nicht gerecht und ärgert viele. „Unser langjähriger großer Wunsch, der behindertengerechte und kinderwagenfreundliche Umbau des Bahnhofs Wolkersdorf, wurde uns von den ÖBB für 2012 zugesagt“, erklärt Steindl. Außerdem ist der Bau einer neuen Park-and-ride-Anlage mit 350 Stellplätzen auf den ehemaligen Leitl-Gründen bereits für 2011 fix geplant.
Wirtschaftlich heißt es auch in Wolkersdorf sparen. Die engagierte Bürgermeisterin, übrigens auch Mutter dreier Töchter, geht mit gutem Beispiel voran. Sie hat auf ihr Dienstauto verzichtet und den Stadtrat personell verkleinert. „Im Vergleich zu den vergangenen Jahren klafft aufgrund von geringerer Zuteilung von Steuermitteln und erhöhten Sozialabgaben ein großes Loch von fast einer Million Euro in unserem Budget“, gibt Steindl aber offen zu.
Attraktive Kleinstadt
Wolkersdorf, das „Tor zum Weinviertel“, besitzt eine ausgezeichnete Infrastruktur, Kindergärten, Schulen, sogar eine AHS (die allerdings aus allen Nähten platzt), eine Musikschule, ein Sommerbad und einen Eislaufplatz. Das lockt viele Zuzügler. „Unser Ziel ist ein moderates Bevölkerungswachstum von etwa acht Prozent über einen Zeitraum von zehn Jahren“, äußert sich Steindl vorsichtig. Stolz ist die 51-Jährige, übrigens der einzige weibliche Bürgermeister des gesamten Bezirks Mistelbach, dass Wolkersdorf heuer wieder zur jugendfreundlichsten Stadt des Weinviertels gekürt worden ist. Wichtig für die Zukunft ist ihr der Wirtschaftspark Wolkersdorf, derzeit sind dort 31 Betriebe angesiedelt.