Das Tagebuch des Herbert L.
Museum Liaunig Dort, wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen, am Rande Kärntens, unweit der Grenze zu Slowenien, hat der Industrielle Herbert Liaunig mit einem architektonischen Paukenschlag nicht nur die österreichische, sondern auch die mitteleuropäische Kunstszene durcheinandergewirbelt.
Am 30. August 2008 wurde in der kleinen Ortschaft Neuhaus nahe Lavamünd in Kärnten das Privatmuseum Liaunig eröffnet. Avantgarde hatte urplötzlich eine Heimstatt in der Provinz. Vom international tätigen Industriellen Herbert Liaunig in 45 Jahren leidenschaftlicher Sammlertätigkeit zusammengetragen, zeigt die erstklassig bestückte Sammlung einen akzentuierten Überblick über Kunst aus Österreich seit 1945. Ergänzt durch herausragende Arbeiten von Tony Cragg, Georges Mathieu, Robert Motherwell und anderen bildet Österreichs Malerei, Plastik und Grafik nach 1950 den Schwerpunkt der Sammlung.
In einem Annex unter der Erde des von den Wiener Architekten Querkraft spektakulär in die Landschaft integrierten Museums ist mit dem Gold der Akan als Kontrastprogramm und interessanter Vergleich zur Moderne eine der weltweit bedeutendsten Kollektionen afrikanischen Goldes zu sehen.
Bilder gegen Comics
Fast jedes Bild begleitet eine persönliche Geschichte. Seine Sammlung, sagt Herbert Liaunig, sei sein „privates Tagebuch“. Ein Bild von Peter Pongratz habe er gegen einen Stapel antiquarischer Comic-Hefte eingetauscht, ein anderes Ölgemälde, großformatig und farbenprächtig, müsse er noch bezahlen. Der befreundete Künstler habe ihm einen günstigen Preis versprochen. „Da müssen wir einander erst zu einem Abendessen treffen“, seufzt Liaunig, dessen Interesse für Kunst schon in der Unterstufe des Gymnasiums begann. „Ich bin ein geborener Sammler und sammle alles Mögliche“, bekennt er. Unterstützt wird er dabei von seiner Gattin Eva. „Sie lässt mich sammeln“, verrät er augenzwinkernd.
Gesammelt hat er seit seinen Tagen im Wiener Studentenheim. Damals erwarb der Hörer an der Hochschule für Welthandel sein erstes Blatt, eine Zeichnung von Arnulf Rainer, die er in Raten abstotterte. Den Schatz verwahrte er unter seinem Bett. Heute investiert der Industrielle rund 700.000 Euro jährlich in Kunst. Sukzessive ist die Sammlung gewachsen und umfasst nun rund 2200 Werke, die die bisherigen Räumlichkeiten sprengten.
Der Kunst eine Hülle geben
Ein Glücksfall, denn was Liaunig brauchte, war „eine Hülle für die Sammlung“, die sie nun auf einer Nutzfläche von 4400 Quadratmetern in einem 13 Meter breiten und 160 Meter langen Ausstellungsraum hat. Für über acht Mio. Euro hat er sich seinen Lebenstraum verwirklicht. Doch sind 90 Prozent der Exponate nicht zu sehen.Um der wachsenden Bestände Herr zu werden, wurde Anfang April ein weiteres Depot mit rund 500 Quadratmetern fertiggestellt: ein Kuppelbau, der „aussieht wie das Pantheon und auch so heißt“, so Liaunig.
In der zweiten Saison, von Mai bis Oktober, präsentiert das Museum nicht wie bisher die Highlights aus dem Depot, sondern der Sammler kehrt zu den Anfangsjahren seiner Leidenschaft zurück. „Tradition und Avantgarde“ heißt die neue, von Peter Baum kuratierte Schau. Die angestrebte rigide, kunsthistorische Ordnung wurde zugunsten einer ästhetischen Hängung aufgelockert. Unterstrichen wird die Schau mit Plakaten aller wichtigen Wiener Ausstellungen der Nachkriegszeit und mit damals eher noch spärlich erschienenen Publikationen. Die Ausstellung ist eine Entdeckungsreise, die spürbar macht, dass der aufkeimende Pluralismus in der österreichischen Kunst ab 1945 im internationalen Kontext auf vielen Sektoren zu sehr eigenständigen Entwicklungen geführt hat.
Neben wahren Entdeckungen, darunter die Frühverstorbenen Andreas Urteil, Gottfried Mairwöger und Erich Kurt Brauner, gibt die Ausstellung auch manche Erkenntnis preis. Etwa, dass Markus Prachensky (und nicht Hermann Nitsch) das Schüttbild erfand. Oder dass Karl Prantls Monolithe begrapscht werden dürfen, ja sogar sollen. Im Liaunig-Museum täglich sechsmal von Mittwoch bis Sonntag, freilich nur von Besuchern ab zwölf Jahren und gegen Voranmeldung.
Economy Ausgabe 84-05-2010, 28.05.2010