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03. Juli 2024

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Nie mehr ohne Internet

Nie mehr ohne InternetPhotos.com

Die Teilnahme ist längst nicht mehr optional, Vordenker sind keine Nerds mehr, und Intelligenz im digitalen Raum wird demnächst so wichtig wie grundlegendes Rechnen: eine Bilanz der Kulturrevolution Internet.

Als das brasilianische Pärchen für ein paar Jahre in Italien wohnte, wurde der Computer alle zwei Wochen auf dem Esstisch platziert, die beiden machten sich ein bisschen feierlich zurecht, starteten die Videochat-Software Skype und aßen mit ihrer Familie, die einen Ozean und vier Zeitzonen weiter westlich am Tisch saß, zu Abend. Stefana Broadbent, Technologie-Anthropologin am University College London, nennt das „Demokratisierung von Intimität“: wenn sich Leute technologieunterstützt und mitunter mitten im Trubel des öffentlichen Lebens Zeit für Familie und Privatleben nehmen.
Dabei waren Broadbent und ihre Soziologenkollegen zuerst enttäuscht. Viele Internetnutzer haben Hunderte Freunde – auf Facebook, Chat-Listen und im Telefonbuch auf dem Handy. Wirklich persönlichen Kontakt pflegt der Großteil aber nur mit einer Handvoll Leute. Alles wies auf eine soziale Abkapselung hin, hervorgerufen durch das Internet. Doch dann fielen den Forschern die Situationen auf. „Vor 15 Jahren gab es während der ganzen Arbeitszeit keinerlei Kontakt mit dem Privatleben“, erläutert Broadbent im Juli auf der TED-Konferenz. Einzig Manager mit eigener Telefonleitung hätten die Freiheit privater Gespräche genossen. Die digitale Kommunikation führte hier Demokratie ein. Heute können auch Fabriksarbeiter ihr Handy für eine SMS zücken und Kontakt mit ihren Lieben herstellen. Und die einfache Familie, von der Broadbent erzählt, die aus dem Kosovo in die Schweiz flüchtete, frühstückt nicht nur alle zwei Wochen, sondern sogar jeden Tag mit ihrer Großmutter in der alten Heimat, ebenfalls via Skype.

Aus nichts wird alles
Das Internet hat die Medienbranche, die Musikindustrie und die Art, wie Freundschaften gepflegt werden, umgekrempelt. Es bringt Wissenschaftler über Grenzen hinweg zusammen, den Staat näher an seine Bürger heran und stellt den Bürger mittels Blogging seinem inneren Schriftsteller vor. Was zuerst Konsum-Web war, ist heute Mitmach-Web. Für jeden Lebensbereich sind online Tipps und Meinungen verfügbar, die sich sofort und zunehmend auch ortsbezogen abrufen lassen. Das Web ist Auskunftsbüro, Nervensäge, Zufluchtsort, allwissende Müllhalde, Lebensraum. Das Web ist überall.
Seit ein Intelligenzquotient für alles Digitale immer gefragter ist, werden Nerds kreative Vordenker genannt, die lediglich ein bisschen zu viel Zeit vor dem Computer verbringen. In seiner Frühzeit war das Internet nur einer technischen Elite zugänglich. Für den Laien schien es damals, auch wenn er im Netz „drin“ war, dass da kaum etwas war. Heute befindet sich fast kein Lebensbereich mehr außerhalb des Netzes. „Das alles passierte nicht über Nacht, aber es fühlt sich eindeutig so an“, schreibt Autor J. R. Okin in seinem Buch The Internet Revolution. Die umwälzende Veränderung wirft für Okin eine wichtige Frage auf: Gab es vorher eine Art Vakuum, in dem sich das Internet so stark ausbreiten konnte?
2010 schafft es das Internet jedenfalls, gemeinsam mit 237 Personen und Organisationen, unter die Nominierten für den Friedensnobelpreis. Seit mehreren Jahren setzen sich die italienische Redaktion des Technologiemagazins Wired und Nicholas Negroponte, Professor am Massachusetts Institute of Technology, für die Nominierung ein. „Das Internet kann als erste Massenvernichtungswaffe verstanden werden, die wir zur Vernichtung von Hass und Konflikten sowie zur Verbreitung von Frieden und Demokratie einsetzen können“, argumentiert Wired-Chefredakteur Riccardo Luna.

iPods anstatt Bomben
Dass man den Leuten nur Technologie und Konnektivität an die Hand geben muss und der Friede käme von allein, bezweifelt Evgeny Morozov, Journalist, Buchautor, Blogger und derzeit Fellow an der Walsh School of Foreign Service der Washingtoner Georgetown University. Morozov bezeichnet als Trugschluss und „iPod-Liberalimus“, „dass jeder einzelne Iraner oder Chinese, der zufällig einen iPod besitzt und liebt, gleichzeitig auch eine liberale Demokratie lieben sollte.“ Als Beispiel nennt er den Völkermord in Ruanda. Dort hätte sich der Hass erst so richtig durch Einmischung der örtlichen Radiostationen ausgebreitet. „Dass wir iPods anstelle von Bomben abwerfen sollten, würde einen eingängigen Titel für ein neues Buch von Thomas Friedman abgeben“, erklärte Morozov und meinte damit: Zu mehr eignet sich das Konzept nicht.
Vielmehr würden Diktatoren das Internet zu Propagandazwecken missbrauchen und es zu einem „Spinternet“ umbauen, eine Wortzusammensetzung aus „Spin“ (schnell drehen, wenden) und Internet. Damit seien die Regierenden oft erfolgreicher als mit Zensur allein.
Aus Morozovs Sicht taugt das Internet nicht einmal als Mobilisierungswerkzeug. Statt dass es junge Leute zu Protest und Mitgestaltung auf die Straße treibt, sei es „das Opium des Volkes“, das die Menschen brav in ihren Wohnzimmern festhält: „Auf jeden digitalen Abtrünnigen können zwei digitale Gefangene kommen“, formuliert Morozov.
Nicht von der Hand zu weisen ist freilich, dass das Internet den Zugang zu Informationen und Wissen vereinfacht. Geht es nach Vertretern der sogenannten Open Source Education, dann sind dank Web auch gleich die Tage mittelmäßiger, teurer Universitäten gezählt. Technologieautor Kevin Maney etwa ist überzeugt, dass günstigen Onlinekursen die Zukunft gehört, zumal es Unis keinesfalls für sich gepachtet hätten, Wissen zu vermitteln. Die Umsetzung ist, mit ein paar Ausnahmen, noch Zukunftsmusik. „Zurzeit gibt es noch keine MP3-Version eines Hochschulstudiums“, so Maney und spricht damit insbesondere die Verhältnisse in den USA an. So würde es einfach keinen Masterabschluss geben, der organisatorisch einfach zu erlangen, überall hoch anerkannt und gleichzeitig kostengünstig sei. Die Nachfrage steht für Maney allerdings außer Zweifel: Studenten würden traditionelle Unis genauso sicher aufgeben wie die Musik-CD.

Dunkles Zeitalter
Die nur noch digitale Aufbewahrung von Texten, über Audioaufzeichnungen bis hin zu Bildern und Video, führt zu einer neuen Vergänglichkeit. Zur langfristigen Aufbewahrung müsste sowohl die Langlebigkeit der Datenträger als auch ihrer Lesesysteme gewährleistet sein. Bei beidem hapert es.
„Die Schriftrollen vom Toten Meer, aus Pergament und Papyrus hergestellt, sind immer noch lesbar und sollen vor mehr als 2000 Jahren entstanden sein. Meine kaum zehn Jahre alte Diskette hingegen ist weitgehend nutzlos“, schreibt Computerwissenschaftler Kurt Bollacker im American Scientist über einen Datenverlust aus seiner Highschool-Zeit in den 80er Jahren. Er hatte auf mehreren 5 1/4-Zoll-Disketten ein Back-up angelegt. Einige Jahre später wollte er die Dateien auf seinen Computer kopieren, fand aber die Diskette mit dem Back-up-Programm nicht mehr. Da sich das Softwareunternehmen vom Markt zurückgezogen hatte, waren Bollackers Daten verloren.
Im großen Rahmen könnte ein solcher Verlust in eine Art digitales Mittelalter führen: sodass künftige Generationen keine Möglichkeit mehr haben, herauszufinden, was uns bewegte.
Bollacker argumentiert, dass uns bloß ein Stück Erfahrung mit den noch recht neuen, digitalen Datenträgern fehlt. Denn je älter das Medium ist (Pergament versus Diskette), umso haltbarer erweist es sich schließlich.

Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

„Nur ein Kaffee, dann fang ich an“

„Nur ein Kaffee, dann fang ich an“Photos.com

Das Mañana-Prinzip, Aufschieberitis oder Prokrastination: Arbeit vor sich herzuschieben ist ein weit verbreitetes Phänomen. Was aber, wenn diese kleine Eigenheit ins Pathologische kippt? Etwa jeder fünfte Erwachsene leidet an dieser Arbeitsstörung.

„Eine der größten arbeitsparenden Erfindungen von heute ist ‚Morgen‘.“ Bei etwa 95 Prozent der Menschheit dürfte dieses Zitat ein leicht konspiratives Lächeln hervorrufen. Denn so hoch ist laut einer Studie von Piers Steel von der University of Calgary (Kanada) der Anteil jener, die zumindest gelegentlich ihre Arbeit vor sich herschieben oder, ungleich eleganter ausgedrückt, „prokrastinieren“. Was vor einigen Jahren noch als kleine Eigenheit galt oder schlicht Faulheit abgetan wurde, wird immer mehr als Arbeitsstörung ernst genommen und zum Forschungsgegenstand der Psychologie.
Bisher wird zwischen zwei Typen von „Aufschiebern“ unterschieden. Der „Erregungsaufschieber“ sucht den Adrenalinschub und ist fest überzeugt, er könne ohne Zeitdruck nicht effizient arbeiten. Diese Aussage wirkt schlussendlich autosuggestiv, sodass das Gehirn auf deren ständige Wiederholung reagiert und plötzlich bis zwei Tage vor Abgabe tatsächlich keine Ideen mehr kommen. Der „Vermeidungsaufschieber“ hingegen zögert den Arbeitsbeginn aus Versagensangst hinaus. Bei einem schlechten Ergebnis bleibt immer noch die Ausrede, er hätte es besser gekonnt, hätte er nur früher angefangen. „Er zieht es vor, dass die anderen glauben, es habe ihm an Anstrengung gemangelt statt an Fähigkeit“, erklärt Joseph Ferrari von der DePaul University in Chicago, ein Vorreiter auf diesem Forschungsgebiet.

Abgelenkt und unzufrieden
Verpasste Chancen, Ansehensverlust im persönlichen Umfeld und schlussendlich auch Verlust des Selbstrespekts können Folgen kontinuierlicher Prokrastination sein. Dies kann bei schweren Fällen zum Abbruch des Studiums, Scheitern im Beruf und somit zu finanziellen Schwierigkeiten führen. Die gesundheitlichen Folgen sind dabei nicht außer Acht zu lassen.
Auf den Punkt gebracht macht Prokrastination schlicht krank und unglücklich. Nicht nur, dass so psychischer Stress aufgebaut wird, der erwiesenermaßen zu Krankheitsanfälligkeit und typischen Stresssymptomen wie Magenschmerzen und Schlafstörungen führen kann. Durch ständiges Aufschieben und Nicht-Erledigen von Aufgaben bleiben auch für das Selbstwertgefühl essenzielle Erfolgserlebnisse aus. Folglich sind Betroffene oft sehr unzufrieden. Viele leiden sogar an Depressionen, wobei noch umstritten ist, ob eventuell nicht die Depressionen schuld an der Prokrastination sind statt umgekehrt.
Ebenfalls umstritten ist, ob die Zahl der Betroffenen steigt. Studien kommen hier zu widersprüchlichen Ergebnissen. Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass es heute mehr Ablenkung gibt als früher. Durch das Internet verteilt sich unsere Aufmerksamkeit auf mehrere geöffnete Browsertabs, Social-Network-Plattformen wie Facebook, Kommunikationsprogramme wie Skype et cetera. Während früher nur einmal täglich Post eintrudelte, sorgen E-Mails im Posteingang mehrmals täglich für Ablenkungsmomente. Sich konzentriert auf eine einzige Tätigkeit zu beschränken, wird durch neue Technologien zunehmend schwieriger.

Ganz natürlich?
Wenn sich bei einer langwierigen Aufgabe viele kleine Aufgaben dazwischenschleichen und die eigentliche Arbeit dadurch hinausgezögert wird, ist das im Grunde ganz natürlich. Als sich unsere „grauen Zellen“ entwickelten, war „Zukunft“ noch ein sehr flüchtiger Begriff. Deshalb ist unser Gehirn auf das Hier und Jetzt ausgelegt, zieht eine Belohnung, die kurzfristig erreichbar ist, jener in fernerer Zukunft vor, da diese Zukunft zu erleben für Herrn und Frau Urzeitmensch noch recht fraglich war.
Einem Aufschieber vorzuwerfen, er habe auch die Evolution auf morgen verschoben, ginge jetzt natürlich zu weit. Hätte dieser Mechanismus heute keine Vorteile mehr, wäre er nicht so verbreitet. So glauben einige Forscher, dass das Aufschieben sich auch heute noch lohnen kann. Zum einen bleibe man flexibler als jene (wenigen), die strikt alles sofort und auf einmal erledigen, was in der heutigen Bürowelt von Vorteil sein könne. Zum anderen bringe das Abwarten oft auch neue Informationen; man könne die Situation teils besser einschätzen. Sich auf diesen Vorteilen auszuruhen, damit Schleißigkeit und schlechtes Zeitmanagement zu rechtfertigen, gehört jedoch zum typischen „Krankheitsbild“ – eine Gratwanderung also.
Einige bewährte Hausmittelchen gegen „Aufschieberitis“ sind To-do-Listen, die Aufgaben klar priorisieren, große Arbeitsschritte in mehrere kleine aufsplitten und vor allem auch Belohnungen beinhalten. Jenen etwa 20 Prozent, die ernsthafte Prokrastinationsfälle darstellen, wird auch geraten, Tagebuch zu führen, um einen Überblick über Vorgenommenes und tatsächlich Geleistetes zu erhalten. Für Härtefälle wird professionelle Hilfe durch Psychotherapeuten empfohlen, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Emanuel Riedmann, Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

Warenkorb: My IC Phone

Warenkorb: My IC Phone Alcatel Lucent

Das neue Smart Deskphone von Alcatel-Lucent vereint das vielfältige Kommunikationserlebnis eines Smartphones, unternehmenstaugliche Zuverlässigkeit und offene Anwendungen mittels iMultimedia- und Webapplikationen. Als Features sind Anwendungen und Funktionen wie zum Beispiel Instant Messaging, Präsenzinformationen sowie integrierte E-Mail-Funktion und MP3-Wiedergabe, die alle über das Smart Deskphone abgerufen werden können, inkludiert.

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Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

Entpixelt euch!

Entpixelt euch!

„Second Life“, „World of Warcraft“, „The Sims“ – die Liste virtueller Rollenspiele, in denen man sich ein digitales Alter Ego schaffen kann, ist lang. Die Vielseitigkeit dieser Spiele steigt, die Darstellung wird immer realistischer, und der eine oder andere möchte, so scheint’s, gar nicht mehr in sein echtes Leben zurück. Für jemanden wie mich, der seit Jahren keinen Fernseher mehr hat, ist das nur schwer nachvollziehbar. Die Idee, in eine andere Rolle und Identität zu schlüpfen, ist zwar wahrscheinlich so alt wie die Entdeckung der eigenen. Früher waren es Maskenbälle, Bücher oder Theater, die den Menschen diese Möglichkeit boten. Doch so komplex wie heute war es noch nie. Im Internet werden virtuelle Waren längst mit echtem Geld gehandelt, es kommt sogar zu Gerichtsfällen wegen Streitigkeiten in der digitalen Welt. Dass sich die Leute in ihrem „Second Life“ offenbar genauso aufführen wie im wirklichen Leben, aus dem sie ursprünglich flüchten wollten, mag Zynikern ein Lächeln verursachen. Weniger zynisch ist die Frage nach dem verschwendeten Potenzial. Wie sähe das Leben einiger „Spielfreaks“ wohl aus, würden sie mehr Zeit ins echte Leben investieren? Onlineunterhaltung als Breitbandnarkotikum. „Búscate la vida!“ – „Finde dein Leben!“, sagen die Spanier. Hat man es schließlich gefunden, kann man es natürlich wieder hinter ein paar Einsen und Nullen einreihen, wenn man möchte. Ei, da ist es ja schon wieder, das Lächeln von vorhin.

Emanuel Riedmann, Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

In kleinen Schritten zum Erfolg

In kleinen Schritten zum ErfolgRSA FG

Mit dem innovativen Mikro-Lern-System namens „Knowledge Pulse“ des Research Studios Micro-Learning & Information Environments werden Arbeitswechsel sinnvoll für kleine Lernschritte genutzt. Lerninhalte gehen vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis über. Das Gelernte wird abrufbar.

In der Wissensgesellschaft müssen alle immer mehr wissen. Ob Angestellte in einem Unternehmen oder Beamte in einem Ministerium, ob Sachbearbeiterin oder Fachreferent, ob erfahrener Abteilungsleiter oder Neustarter im Job.
Die Herausforderung ist weitgehend die gleiche: Es gibt mehr und mehr Neues zu erlernen. Es genügt nicht, Informationen zu kennen. Man muss Dinge können, aber es gibt kaum die Zeit zum Lernen. Nachhaltig zu lernen nämlich, nicht nur ein- oder zweimal durchlesen. Denn auf diese Weise wird das Gelesene schnell wieder vergessen, und nach kurzer Zeit findet man oft nicht einmal mehr die richtigen Unterlagen.

Nachhaltiges Lernen
Hier hilft das Mikro-Lernen. Der Mikro-Lernansatz geht davon aus, dass man grundsätzlich keine Zeit hat, um all das, was man will, zu erlernen. Deshalb werden bei dieser Methode Lerninhalte in kleine Lernschritte zergliedert und in einzelnen Lernkarten erfasst. So lässt sich auch sehr viel Stoff bewältigen, und man macht Fortschritte. Mit dem Knowledge Pulse, entwickelt vom Research Studio Micro-Learning & Information Environments, können Arbeitsunterbrechungen sinnvoll genutzt werden: Lernkarten werden automatisch eingeblendet, wenn man den PC oder das Notebook für drei oder fünf Minuten nicht benutzt, und sie sind in kurzer Zeit beantwortet. Durch Wiederholen der Inhalte geht das Wissen vom Kurz- in das Langzeitgedächtnis über. Das Gelernte wird damit abrufbar.
Diesen Lernerfolg bestätigen auch die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung von Nobelpreisträger Eric Kandel. Durch den Knowledge Pulse wird das Wachstum von Gehirnzellen im Hippocampus, dem Sitz des Gedächtnisses im Gehirn, dermaßen stimuliert, dass die Form von Synapsen modifiziert und damit Wissen nachhaltig im Gedächtnis gespeichert wird. Diese Speicherung beschränkt sich nicht auf einen rein biochemischen Prozess, wie dies beim Kurzzeitgedächtnis der Fall ist, sondern sie sorgt für eine neurophysiologisch nachweisbare Veränderung in der Gehirnsubstanz.

Simple Handhabung
In der praktischen Anwendung wird dieser Erfolg bestätigt. So wird der Knowledge Pulse in Österreich etwa zur Fortbildung von Lungenfachärzten eingesetzt. „Ärzte haben wenig Zeit zum Lernen, arbeiten aber sehr viel am PC. Da ist Mikro-Lernen ein sehr guter Ansatz“, beschreibt Christian Maté, medizinischer Leiter von Netdoktor.at, seine Erfahrungen. „Wir haben das Projekt mittels Fragebögen evaluiert. Sowohl lernspezifische Aspekte wie die Unterstützung der Lernleistung als auch pragmatische Aspekte wie die Integration des Programms in die persönliche Arbeitssituation werden von den Ärzten durchwegs positiv bewertet. Auch die Qualität der Inhalte entsprach fast durchgehend den persönlichen Vorstellungen der Anwender.“
Das Mikro-Lern-System Knowledge Pulse hat für Lernende einen weiteren entscheidenden Vorteil: Es ist ein Push-System, das heißt, die einzelnen Lerninhalte kommen zum Lernenden. Die Lernunterlage muss nicht lange extra gesucht werden, sondern ein Lernschritt wird dann auf dem PC, Notebook oder iPhone vorgeschlagen, wenn das Gerät eine von den Lernenden selbst einstellbare Zeit nicht genützt wurde.
Der Knowledge Pulse ist eine ausgereifte technische Lösung mit drei Erfolgsfaktoren: einfaches Lernen für die Anwender, einfaches Erstellen der Inhalte für die Autoren und Trainer und einfache Verwaltung für die Verantwortlichen. Denn gerade das „Authoring“ der Lerninhalte muss besonders simpel sein, damit die Lerninhalte immer ganz aktuell sind – und nicht wie bei vielen E-Learning-Systemen bald nach der Einführung „out of date“. Mit dem Knowledge Pulse wird schließlich auch die Verwaltung der Nutzer übersichtlich gestaltet. Hunderte User können komfortabel gemanagt werden. Mit dem Statistik-Modul kann der Lernfortschritt jederzeit analysiert werden.

Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

Neuer Startschuss für E-Health

Neuer Startschuss für E-HealthPixelio/R. Sturm

Die neu gegründete Elga GmbH soll nun endlich die „elektronische Gesundheitsakte“ realisieren.

Seit 1. Jänner 2010 ist Dr. Susanne Herbek neue Geschäftsführerin der vom Gesundheitsministerium, dem Hauptverband und den Ländern Ende 2009 neu gegründeten Elga GmbH. Mit 1. Mai wird Hubert Eisl als technischer Geschäftsführer starten. Die SPÖ-nahe Ärztin Herbek war zuvor Managerin des Wiener Krankenanstaltsverbundes (zehn Krankenhäuser, 20.000 Mitarbeiter), Eisl hat bis dato im Rechenzentrum der Sozialversicherung den Bereich Kundenbeziehungs- und Programm-management verantwortet.
Herbek und Eisl sollen dafür sorgen, dass die „Elektronische Gesundheitsakte“, kurz Elga, endlich auf Schiene gebracht wird. Dafür haben sie bis Ende 2013 ein Budget von 30 Mio. Euro zur Verfügung.

Keine Neu-Daten-Produktion
Zeit wird es: Das Mammutprojekt Elga wurde bereits 2006 beschlossen und von der damaligen Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) als „entscheidendes innovatives Thema der Zukunft“ bezeichnet. Damals wurde die Arge Elga eingerichtet. Die Umsetzung der elektronischen Gesundheitsakte hat sich seither verzögert. Der Begriff ist eigentlich falsch, denn es geht nicht darum, für jeden Patienten einen Akt anzulegen. „Wir produzieren keine neuen Daten. Die Daten werden dort gespeichert, wo sie anfallen“, betont Herbek. „Ein praktischer Arzt kann künftig über einen entsprechenden Link einen Befund aus dem Speicher eines Radiologen abrufen“, hat sie ein Beispiel parat.
Mit Elga werde „eine nationale Gesundheitsinfrastruktur geschaffen, durch die den Versorgungseinrichtungen zeitgerecht und qualitativ bessere Infos über den Gesundheitszustand einer Person zur Verfügung gestellt werden können“, freut sich Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Im ersten Schritt sollen ein Patienten- und ein Gesundheitsdiensteanbieter-Index (GDA-Index) realisiert werden. Beide werden aber voraussichtlich bis zur ersten Hälfte 2011 erstellt. Für den Zugriff auf patientenbezogene medizinische Daten oder Befunde wird ein Berechtigungssystem geschaffen, wodurch unterschiedliche Nutzungsrechte für Patienten, Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser vergeben werden können.
Wichtige Voraussetzung für Elga ist die leistungsstarke Vernetzung der Gesundheitsdiensteanbieter: „Wir vertrauen da im Wesentlichen auf vorhandene Netze: das Gin-Netz (Gesundheitsinformationsnetz, im Zuge der E-Card geschaffen; Anm.) sowie das neue Healix“, erklärt Herbek. Das neue Gesundheitsnetzwerk Healix (E-Health Interexchange, Anm.), ini­tiiert von den oberösterreichischen Organisationen für Krankenanstalten zur Erleichterung des Austauschs von Befunden, Röntgenbildern und Krankengeschichten, ist seit Dezember in Vollbetrieb. Mehr als 50 Gesundheitseinrichtungen in Wien, Nieder- und Oberösterreich sind mit dabei.
Die gesetzlichen Regelungen für Elga werden derzeit ausgearbeitet und sollen 2011 in Kraft treten. Bei Elga soll der Patient selbst Kontrolleur seiner Daten sein, nur er hat Vollzugriff. Die Gesundheitsdienstleister sollen ebenfalls auf die relevanten Patientendaten zugreifen dürfen, außer der Patient spricht sich dagegen aus.

Kritische Stimmen zu Elga
Genau hier setzt die Kritik der Datenschützer an, die einmal mehr die Gefahr eines „gläsernen Menschen“ orten. Das System setzt zudem sehr mündige, selbstbewusste Patienten voraus. „Bei älteren oder behinderten Menschen müssen diese Funktion Angehörige oder Vertrauensärzte übernehmen“, weiß Herbek um das Problem.
„Elga ist im besten Fall eine Datensammlung zur Bürgerverwaltung, im wahrscheinlichsten Fall zur Bürgerüberwachung“, kritisierte Christian Euler, Präsident des Hausärzteverbands (ÖHV). Herbek nimmt das gelassen: „Ich verstehe die Kritik der Hausärzte nicht, sie brauchen de facto nur ein zusätzliches Softwaremodul. Vielleicht ist es aber Unsicherheit und Unwissen, was Elga tatsächlich ist. Da ist sicher noch viel Aufklärung nötig.“
Und sie nennt noch ein wichtiges Elga-Projekt: die E-Medikation. Damit soll eine Art Qualitätskontrolle für Patient, Ärzte und Apotheken möglich sein, welche Medikamente der Patient in letzter Zeit verschrieben bekommen und in der Apotheke erstanden hat. „Zum Schutz des Patienten und zur Vermeidung von Doppelvergabe oder Einnahme von Medikamenten, die nicht zusammen geschluckt werden sollten“, wie Herbek versichert. Die Software dazu wird noch heuer entwickelt, der Pilotbetrieb soll 2011 in Wien, Ober­österreich und Tirol starten.

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Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

Nicht zu viel – nicht zu wenig

Nicht zu viel – nicht zu wenigPhotos.com

Flexibel und selbstständig sei der Mitarbeiter. Dafür benötigt er aber gesicherte Informationen als Basis seiner Entscheidungen. Modernes Dokumentenmanagement ermöglicht den punktgenauen Zugang zum Unternehmenswissen.

Mitarbeiter sind längst nicht mehr in ein enges Korsett von Vorgaben gepresste Befehlsempfänger. Sie bewegen sich in einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt, die ihnen eigenverantwortliches Handeln abverlangt.
Auch die Ablauforganisation von Unternehmen muss sich unbürokratisch an neue Erfordernisse anpassen. Unternehmen sind keine starren Strukturen, sondern wie alle sozialen Systeme einer steten Weiterentwicklung unterworfen. „Damit ist aber das Konzept der beschreibenden Prozessmodellierung hinfällig“, stellt Markus Hartbauer, Chief Solutions Architect beim Enterprise-Content-Management-Spezialisten SER, fest.

Realitätsfern
Wer monatelang in die Tiefen der Unternehmensorganisation abtaucht und die bestehenden Prozesse analysiert, bringt vor allem eines mit: veraltete Informationen. Denn in der Zwischenzeit haben sich die Prozesse schon wieder verändert. „Es besteht die Gefahr“, sagt Hartbauer, „immer nur der Wirklichkeit hinterherhinkende Idealprozesse zu modellieren, die dann in der täglichen Arbeit ohnehin nicht gelebt werden.“ Zielführender sei, den Mitarbeitern Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, mit denen sie ihre tatsächlichen Prozesse effizient abwickeln können.
In Zeiten der ständig anschwellenden Informationsflut käme es rasch zum Betriebsstillstand, würden die Mitarbeiter ihre Vorgesetzten mit jedem Detail konfrontieren. Um aber selbstständig agieren zu können, müssen sie sich darauf verlassen können, dass sie über alle relevanten Informationen verfügen. Ein modernes Informationssystem stellt dem Mitarbeiter punktgenau Wissen zur Verfügung – nicht zu viel, nicht zu wenig, genau das Wissen, das er benötigt. Zeitaufwendige Recherchen entfallen, denn der Zugriff auf alle Inhalte erfolgt über eine zentrale Plattform. Das entlastet den Mitarbeiter bei der Informationsbeschaffung – er kann rasch agieren, und seine Entscheidungen haben eine solide Grundlage.

Neue Werkzeuge
Zu viele Unternehmen konzentrieren sich ausschließlich auf das Managen von Daten – also auf strukturierte Inhalte – und vernachlässigen dabei die Informationen, die in E-Mails, Verträgen, Telefonmitschnitten und anderen Dokumenten stecken. Die DoxiS 4-iECM-Suite von SER erleichtert den Zugriff auf die­se unstrukturierten Inhalte.
Mittels Information Cubing werden Dokumente mit Metadaten versehen. Damit wird etwa eine E-Mail einem Projekt zugeordnet und steht jedem Mitarbeiter zur Verfügung, der sich mit diesem Thema beschäftigt. In welchem Ordner das Dokument abgelegt wurde, spielt in diesem flexiblen System keine Rolle. Bei der Suche nach bereits abgelegten Dokumenten hilft die Text Mining Engine. Das latent semantische Werkzeug erkennt Bedeutungsgehalte und schlägt bei der Suche Kategorien vor – wer etwa nach „Golf“ sucht, wird sofort in eine der drei Richtungen „Auto“, „Sport“ oder „Geografie“ geführt und bekommt so in zwei bis drei Schritten exakt die Treffer, die inhaltlich zum gesuchten Sachverhalt passen. Die Suche ist dazu unscharf ausgelegt, daher werden auch Suchbegriffe mit Tippfehlern gefunden.
Das Context Cockpit verschafft Mitarbeitern, die sich mit einem neuen Bereich vertraut machen, einen ersten Überblick. Dem Benutzer bietet sich so auf einen Blick ein vollständiges Bild des Projekts, der Anlage oder des Lieferanten. Alle relevanten Informationen – sowohl strukturierte Daten als auch sämtliche unstrukturierte Inhalte aus allen Quellen – sind in einem einzigen Platz gebündelt. Diese Funktion der flexiblen elektronischen Akte kann auch erfahrenen Mitarbeitern helfen, betont Hartbauer: „Hier findet man auch, was man bislang nie gesucht hätte – einfach weil man nicht wusste, dass es da war.“ Das ist der vermutlich größte Vorteil moderner Enterprise-Content-Management-Systeme. Erst durch ihre Benutzung erkennen die Mitarbeiter, über welche Wissensschätze das eigene Unternehmen verfügt – Informationen, die zuvor oft mühsam und zeitintensiv selbst recherchiert wurden.

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Christian Stemberger, Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

Der Knall am Ende des Anfangs

Der Knall am Ende des AnfangsEPA

Im Silicon Valley der späten 90er Jahre waren Ideen die Eintrittskarten fürs große Geschäft und durchkalkulierte Businesspläne nicht notwendig. Zehn Jahre nach der größten Geldvernichtung in der Technologiebranche agiert die Industrie ein bisschen weiser.

Im Februar 2000 setzten Zeitungen den Begriff „New Economy“ noch unter Anführungszeichen. Nur Spielverderber sprachen über schwarze Zahlen. Am 10. März 2000 erreichte die Nasdaq mit 5048,62 Punkten den höchsten Wert in ihrer Geschichte. Vier Monate davor war gerade erst die 3000er-Marke überschritten worden. Am 11. März begann die Talfahrt. Heute, von einer weiteren Rezession in Mitleidenschaft gezogen, aber auf Erholungskurs, schließt die New Yorker Technologiebörse bei rund 2500 Punkten.
Ende der 90er Jahre schienen die Gesetze der Wirtschaft außer Kraft gesetzt. Alles war möglich. Ein echtes Produkt auf den Markt bringen? Wie altmodisch. Die Überzeugung, dass das Web das Geschäftsleben und die Welt rundherum grundlegend verändern würde, ging mit der Erwartung einher, dass dabei unermessliche Mengen an Geld abfallen müssten. Die Idee und nicht der Businessplan standen am Anfang und am Ende. Eine schwungvolle Präsentation vor potenziellen Investoren genügte in vielen Fällen. Je mehr dabei die Fantasie der Geldgeber mit Superlativen angeregt wurde, umso besser.

Der Hype und die Lehren daraus
Die Webrevolution, die langsam reifen sollte, wollte erzwungen werden. Dabei waren Onlineshops für Konsumenten seinerzeit kaum mehr als ein Kuriosum. Die Suchmaschinen der Stunde waren Alta Vista und Lycos. Google hatte gerade erst begonnen. Und die MP3-Tauschbörse Napster hatte ihre große Zeit überhaupt noch vor sich.
Als die Blase platzte und Start-ups im Dominoeffekt von der Bildfläche verschwanden, kamen die Ex-Mitarbeiter zu Pink-Slip-Partys (Pink Slip: Entlassungsbrief) in dem Versuch zusammen, auch der Niederlage kreativ zu begegnen. Die Los Angeles Times überschlug später, dass das Platzen der Blase fünf Billionen Dollar an Marktwert vernichtete. Kaum ein Jahr später betonten die übrig gebliebenen Unternehmen, eigentlich immer schon zur Old Economy gehört zu haben.
Dass es mit den Lektionen aus der Dotcom-Krise nicht weit her war, wäre ohne das Platzen der amerikanischen Immobilienblase 2008 nicht sonderlich aufgefallen. Häuser legten in manchen Teilen Kaliforniens pro Jahr 20 Prozent an Wert zu. Weil sich kaum jemand an einen wirklichen Einbruch des Immobilienmarktes erinnerte, schien es nicht weiter riskant, zu 100 Prozent bankfinanzierte Villen zu kaufen. Die Folgen bekam schließlich die ganze Welt zu spüren.
Die unmittelbaren Lehren aus der Technologiekrise zeigten sich im Silicon Valley. Ideen ohne Businessplan lassen sich dort heute kaum mehr verkaufen. Mitunter gelingen zwar luftigeren Konzepten zweite und dritte Finanzierungsrunden. Zumeist steckt dann, wie im Fall von Twitter, eine kritische Größe dahinter: Wer 100 Mio. Benutzer hat, darf das Geldverdienen aufschieben. Die Bedeutung von Größe zeigte sich auch bei der Übernahme von Youtube durch Google im Jahr 2006 (1,65 Mrd. Dollar).

Grenzen eines Werbemodells
Als der Suchmaschinenriese die Videosite einkaufte, rätselte die Branche noch, wie damit Geld zu verdienen sei. Am Beispiel von Ebay und Skype wurde deutlich, dass die Rechnung nicht aufgehen muss. Die Manager der Auktionsplattform merkten, dass Skype trotz Mio. von Benutzern nicht einträglich ist. 2009 verkaufte Ebay die Hälfte des Unternehmens an eine Investorengruppe. 2010 sollen für Skype die Ausgliederung in ein eigenes Unternehmen (Ebay hält noch 30 Prozent) und der Börsengang anstehen.
Die vielleicht größte Ernüchterung folgte nicht direkt auf die Dotcom-Krise. Denn für ein paar Jahre schien es durchaus möglich, dass sich die meisten Webunternehmen allein über Werbung finanzieren könnten. Immerhin brachte es Google damit zu großem Reichtum. Inzwischen sind die Grenzen des Werbemodells aber deutlich, insbesondere im Medienbereich, und Alternativen fehlen.
Einige Unternehmen schafften es doch zu jener Bedeutung, die den Überfliegern des Dotcom-­Hypes vorschwebte. Amazon, Ebay, Facebook und Google sind mehr als nur Websites. Dafür mussten sich Amazon und Ebay auf „alte“ Werte konzentrieren: kein Gewinn ohne ausgeklügelte Logistik. Facebook und Google sind tatsächlich Unternehmen eines neuen Geschäftszeitalters. Doch auch hier zählen die harten Fakten: schwarze Zahlen.

Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

Das Gute an der Krise

Das Gute an der KriseEutema

Dass Qualcomm, ein Unternehmen mit über zehn Mrd. US-Dollar Umsatz, österreichische Technologie der Wiener Imagination erwirbt und beschließt, hier ein Forschungszentrum zu eröffnen, zeigt, dass Österreich als Technologiestandort weiterhin attraktiv ist. Offenbar fruchtet manch staatliche Investition der Technologiepolitik, denn in den letzten Jahren wurde viel Geld in neue Strukturen und Förderungen gesteckt. Das Resultat einer manchmal überbordenden Vielfalt wurde zuletzt herb kritisiert. Die neue Forschungsstrategie der Regierung wird daher wohl versuchen, Vereinfachung in das System zu bringen.
Knapper werdende Budgets der nächsten Jahre sind eine Chance, um den Standort wettbewerbsfähiger zu machen. Ein gewisser höfischer Barock ist vor allem dort sichtbar, wo gezielt die Wirtschaft angesprochen wird. So spiegelt die interne Organisation der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) noch die institutionellen Strukturen von vor zehn Jahren wider. Die wegen der seinerzeit mangelnden Reformierbarkeit der Universitäten gegründeten Kompetenzzentren wären heute in dieser Form vielleicht nicht mehr nötig. Und eine Kosten-Nutzen-Rechnung mag heute ergeben, dass die Investition in eine der alten Universitäten kosteneffizienter zur Exzellenz führt als ein Neubau in Gugging.
Das Ziel internationaler Exzellenz muss weiter strategische Leitlinie sein. Österreichische Universitäten, ihre Forschung und ihre Absolventen sind Kernkomponenten des Technologiestandorts. Ihre strategische Ausrichtung und qualitative Aufwertung wird allerdings jenes Geld kosten, das in den nächsten Budgets fehlt.
Und schließlich fehlt dem Standort etwas, das kaum Geld kosten würde und dennoch kaum erreichbar scheint: mehr junge Menschen, erstklassige Bildung und eine offene Gesellschaft, die sich auf den Wettbewerb in einer globalisierten Wirtschaft freut.
Erich Prem ist Geschäftsführer des F&E-Strategieberaters Eutema.

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Erich Prem, Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

Innovationskrise

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Österreich rutscht im OECD-Vergleich ab.

Innovationen seien die wirtschaftliche Antwort des Westens auf billige Auftragsfertigung in Fernost, heißt es doch. Nur durch verbesserte Grundlagenforschung, Innovationsförderung, Gründerunterstützung und Forschungsfinanzierung könne sich eine Innovationsszene entwickeln, die letztlich in eine wettbewerbsfähige Ökonomie mündet.
So viel zur Theorie: Natürlich, staatliche Forschungs- und Technologieförderung bleibt eine zentrale Aufgabe moderner Gesellschaftspolitik. Das gilt vor allem für die wachstumsintensiven Leitindus­trien der Zukunft wie etwa Ökologie, Nanotechnologie und dergleichen. Als Schlüsselfaktor dient eine Forschungs- und Technologiepolitik, die durch finanzielle Förderungsmaßnahmen zielgerecht auf die Umsetzung von Forschungsergebnissen aus der Wissenschaft in eine breite industrielle Anwendung einwirkt: Es „sollen Innovationspotenziale“ aktiviert werden.

Radikale Änderungen nötig
Das österreichische Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) hat in seinem letzten Jahresbericht festgestellt, dass das österreichische Innovationssystem in der Vergangenheit „im Gro­ßen und Ganzen seine Leistungsfähigkeit bewiesen“ habe. Allerdings, so das BMVIT weiter, funktioniere das Wissenschafts- und Technologiesys­tem in mehreren Bereichen „nur mehr eingeschränkt“. Für eine weitere Steigerung der Innovationsanstrengungen und ihrer Effizienz seien „radikale Änderungen“ des Innovationssystems nötig. Vor allem solle es von fragmentierten zu koordinierten und konsistenten Eingriffen der öffentlichen Hand kommen, stellt das Ministerium fest.
Die Gesamtsumme der Ausgaben für in Österreich durchgeführte Forschung und Entwicklung (F&E) betrug 2009 2,73 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, rund 7,65 Mrd. Euro – eine Steigerung um 1,8 Prozent. Das klingt gut, liegt jedoch unter dem Durchschnitt der jährlichen Steigerungsrate zwischen 2001 und 2008 von 9,4 Prozent.
Markus Beyrer, der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, stellte anlässlich der aktuellen Bilanz der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft Anfang April fest, dass Österreich im jüngsten OECD-Vergleich der indirekten Forschungsförderung der OECD-Länder innerhalb von drei Jahren um zwölf Plätze auf den 22. Rang abgerutscht sei. Beyrer wies darauf hin, dass 150 Unternehmen 37 Prozent der gesamten F&E-Ausgaben in Österreich investieren.
Christoph Kratky, der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, bemängelte, dass durch die Finanzkrise „der Wachstumspfad der Forschungsförderung verlassen wurde“. Die Diskussion, wo und wie öffentliche Mittel in das österreichische Innovationssystem investiert werden sollen, was Staatsaufgaben sind und was nicht, werde weiter zu führen sein, so Kratky.

Economy Ausgabe 83-04-2010, 30.04.2010

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