Ein überaus „heißes“ Thema
Photos.com Im deutschen „Danone-Urteil“ wurde die Mediaagentur Carat zur Offenlegung von allen Boni, die sie aus Danone-Buchungen von Medien erhalten hat, verurteilt. economy-Recherchen zeigen, dass Bonusvergütungen für Mediaschaltagenturen auch hierzulande ein heikles Thema sind.
Wenn man im Spätherbst große Verlagshäuser besucht, sieht man im Eingangsbereich oftmals Hinweisschilder mit dem Text „Jahresgespräche Agenturen“. Gemeint sind Gespräche mit Mediaagenturen, die für ihre Kunden Anzeigenschaltungen oder auch TV- und Hörfunk-Spots einkaufen. Laut dem jährlichen Ranking der Fachzeitschrift Extradienst haben im Jahr 2009 allein die zehn größten Mediaagenturen hierzulande Werbegelder in Höhe von 1,6 Mrd. Euro in österreichischen Medien gebucht. Rechnet man davon allein die gebräuchlichen 15 Prozent Agenturprovision oder Mittlerrabatt, ergibt das die Summe von 240 Mio. Euro, weitere Preisrabatte nicht einberechnet.
Bis Anfang der 90er Jahre war diese Mittlerprovision als Bezahlung für Agenturleistungen wie Verbreitungsanalysen für einen Mediaplan noch mehrheitlich üblich. Medien freuten sich über preislistentreue Werbeschaltungen und die Mediaagenturen über hohe Provisionen. Außen vor blieb dabei oft der werbende, geldgebende Kunde – was sich aber in der Folge rasch änderte. Wenn heute Mediaagenturen um große Buchungsvolumina von Unternehmen kämpfen, tun sie das immer öfter mit der Weitergabe dieser Schaltrabatte. Der Konkurrenzkampf um Schaltetats geht so weit, dass für ganz große Kunden auch schon die komplette Mittlerprovision weitergegeben wird.
Kritik an Agenturen
Wer bezahlt dann die Agenturleistungen? Die Medien selbst. Bei „Jahresgesprächen“ geht es mittlerweile nicht mehr nur um möglichst hohe Rabatte auf die Preislisten, sondern auch um gesonderte Agenturboni. economy-Recherchen belegen, dass gesonderte monetäre Boni gang und gäbe sind und an bestimmte Kunden oder Umsatzvereinbarungen gebunden sind. Es gibt aber auch Fälle, wo Umsatzvereinbarungen nicht erreicht werden und die Schaltagentur trotzdem auf dem gleichbleibenden Bonus besteht.
Joachim Feher, Chef der diesbezüglich von Tageszeitungen und Magazinen besonders kritisierten Mediaagentur Mediacom: „Dass in schwierigen konjunkturellen Zeiten die Erwartungshaltung für mehr Leistung bei Medien größer wird, liegt auf der Hand. Preislistentreue Anbote und Vereinbarungen von/mit Medien gibt es mittlerweile nur mehr ganz selten.“ Und zum „Danone-Urteil“: „Im Sinne eines transparenten Vorgehens sind unsere Kunden über Konditionsverhandlungen mit Medien immer informiert, und zunehmend werden diese auch im Dreieck Kunde – Agentur – Medium geführt.“
Hans Gasser, Vorstand beim Wirtschaftsblatt, sieht das differenzierter: „Es geht nicht, dass Medien den Preiskampf zwischen Agenturen und Kunden alleine tragen und Boni immer mehr, auch ohne Koppelung an Umsätze, zur Gewohnheit werden. Ich halte das für eine absolute Fehlentwicklung. Es braucht eine neue konstruktive Beziehung zwischen Kunden, Agenturen und Medien.“ Auch Walter Walzl, Geschäftsführer der Kleinen Zeitung, bestätigt: „Es ist richtig, dass der zunehmende Kostendruck dazu führt, dass die Agenturen vermehrt auf Bonusvereinbarungen drängen. Uns ist wichtig, dass eine Bonusvereinbarung eine Lenkungsfunktion ausübt, als Leistungsbestandteil der Agenturen, und zwar sowohl nach oben als auch nach unten.“
Richard Kaufmann, Anzeigenchef beim Kurier, ergänzt: „Aufgrund der Wirtschaftssituation hat sich der Preiskampf bei den Agenturen verschärft. Aber: Qualität hat ihren Preis, und die Schmerzgrenze ist längst erreicht.“ Kaufmann fährt fort: „Wir wünschen uns mehr Bewusstsein für partnerschaftliches Handeln. Der Anzeigenkunde darf von einer Agentur berechtigterweise eine unbeeinflusste Entscheidung erwarten. Buchungsentscheidungen sollten daher nicht nur von der Kondition, sondern von der Qualität der Leistung getrieben sein.“
Transparente Boni
Und wie sehen die eigentlichen Kunden die Situation? Peter Drobil, langjähriger Werbemanager der Bank Austria, konstatiert: „Falls Medien so blöd sein sollten und Mediaagenturen Bonifikationen überweisen: Selber schuld! Seit Zusammenarbeit der Bank Austria mit unserer Agentur Mediacom werden sämtliche Vereinbarungen mit Medien gemeinsam getroffen. So Boni vereinbart werden sollten, werden sie schriftlich festgehalten.“ Und Drobil weiter: „Falls es noch immer Kunden gibt, die Etats ohne Selbstbeteiligung an Mediaagenturen weitergeben und sich dann später über mögliche Auswüchse wundern, auch selber schuld. Die Bank Austria hat seit vielen Jahren einen leistungsbezogenen Mediaagenturvertrag, der sich nach der Jahresperformance richtet.“
Alexander Kleedorfer von Telekom Austria erklärt: „Für uns werden – wie üblich in Österreich – kundenspezifische Rabatte verhandelt, teilweise direkt mit den Medien, teilweise gemeinsam mit der Agentur. Verträge und Abrechnungen sind vollkommen transparent. Eine Vorgehensweise wie beim ‚Danone-Fall‘ ist damit unmöglich.“
Peter Hörlezeder, Werbeleiter bei T-Mobile Österreich, zum Vorgehen seines Unternehmens: „Wir führen seit Jahren gemeinsam mit Auch wenn sich jetzt viele über die geplante Vorratsdatenspeicherung aufregen: Datenschutz scheint heute für viele Menschen in ihrem Alltag kaum noch eine Rolle zu spielen. Willig nehmen Menschen Kundenkarten oder Payback-Cards an, die einem aus purer Freundlichkeit Bonuspunkte und Prämien schenken. Nackig machen? Beim Schwimmen, Sonnen, Lieben – immer. Doch heute werden wir ausgezogen und durchleuchtet, ohne es wahrzunehmen oder wahrhaben zu wollen. Es existiert ein fehlendes Problembewusstsein hinsichtlich Datenschutz, weil einem auf den ersten Blick ja nichts genommen wird und die Daten immer vollständig bei einem selbst sind, auch wenn sich jemand eine Kopie aneignet.
Das macht wenig Freude, wenn man es hinterher merkt. Es ist gefährlich, doch nicht mehr aufzuhalten und nie rückgängig zu machen. Wer sich allein einen Computer kauft, macht sich gläsern, also durchsichtig. Der Datenstrom aus elektronisch erhobenen Details ergibt längst ein präzises Bild unserer finanziellen Verhältnisse und Kaufgewohnheiten, unserer Krankheiten und Behinderungen, unserer Mobilität und sexuellen Vorlieben. Und wir haben Angst, dass durch die systematische Verkettung der Details zu viel Privates für Behörden oder Unternehmen verfügbar werden könnte. Oder haben wir sie doch schon verloren?
Das öffentliche Private
Ohne die digitale Revolution bemerkt zu haben, ist man genauso zerlegt und eingeordnet wie Surfer und Blogger, die mindestens den halben Tag im Netz hängen und „das andere“ Leben führen. Ob uns das Internet guttut oder nicht, ist müßig zu fragen. Einerseits erfreuen wir uns über die ersparten Wege und Stunden in Bibliotheken, andererseits verkümmert unsere Haptik. Oder ist der von Datenbeamten im Innenministerium durch Genmanipulation herbeigeklonte „Neue Mensch“ ein Datenbündel, und alles andere wie Seele, Gemüt und Co kann vernachlässigt werden?
Apropos Internet: In jedes Leben greift dieses Medium ein, hat uns jetzt schon im Griff. Man will sich in Sicherheit bringen, zappelt aber irgendwann im Schwitzkasten einer Behörde oder eines Betrügers (was manchmal dieselben Mühen bedeuten kann). Sicherheit gibt es nicht, denn wir verstreuen überall unsere Daten und hinterlassen, ob wir wollen oder nicht, eine Markierung wie ein Hund, der keinen Laternenpfahl auslässt. Kreditkarten beispielsweise erzeugen schöne Daten für die Bank, wenn man irgendwann einmal einen Kredit haben möchte. Und immer öfter hört man in geselliger Runde: „Hauptsache, du machst keine lustigen Partyfotos.“
Gefällt-mir-Internet
Von der Community zur Schaltzentrale des Internets: Facebook will künftig in jede externe Webseite den bekannten „Gefällt mir“-Button integrieren. 30 große Kooperationspartner haben diese Funktion bereits eingefügt. Und die für drei Mrd. Dollar von Google einverleibte Firma Double Click erfasst früher oder später jeden Surfer. Nur die Werbekunden bekommen die Daten, höchst private zwar („meine Vorlieben“, „meine Interessen“), aber man wird selbstverständlich zurückhaltend damit umgehen, wie es Art der Weltkonzerne ist. Die allerdings aus solcherart gestohlenen, vielleicht sehr persönlichen Daten Geld machen. Kaum vorstellbar, dass Diebe mit Daten, für die sie bei Google oder Double Click viel Geld zahlen, verantwortungsvoll umgehen. Und Google selbst spricht ein großes Wort gelassen aus. „Ziel ist, dass unsere Nutzer uns irgendwann die Frage stellen können, was sie morgen machen sollen oder was für einen Job sie annehmen sollen.“ Übersetzt heißt das: Wir spielen den lieben Gott.
Ob Erdatmosphäre oder Privatatmosphäre, beide sind durch unverantwortliche menschliche Eingriffe gefährdet. Gläsern zu sein, muss man sich das eigentlich gefallen lassen? Wahrscheinlich. Muss man mitmachen? Sich diesem Unsinn unerwünschter Informationen aussetzen? Der Gewissheit standhalten, dass man in halb- und ganzstaatlichen Institutionen anonym von zehn oder hundert Datensammlern, echten Schreibtischtätern, in jedem Augenblick beobachtet werden kann? Wenn plötzlich zwei meiner Daten zusammenpassen, die nichts miteinander zu tun haben, blinkt irgendwas, und die Augen der Fahndungsbeamten leuchten automatisch auf.
Einstieg in den Ausstieg
Können wir aus diesem Szenario aussteigen? Wohl nur, wenn wir langsam aufwachen und uns eine persönliche Lebenssphäre schaffen, wo man sich trifft wie früher. Wo Worte gesprochen und nicht getippt werden.
Wir polieren diesen Gedanken noch ein wenig auf und erkennen gleichzeitig eine Dynamik in dieser Besinnung, die zurückführen könnte und für die man keine Software braucht. Möglich, dass die Eliten von morgen Raum schaffen, sich den Bedrohungen zu entziehen, und die Doofen weiter mit jedem chatten lassen wie die Alkoholiker, die alles mit allen trinken.
Economy Ausgabe 82-03-2010, 26.03.2010