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04. Juli 2024

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Aus dem Paradies

Aus dem ParadiesPhotos.com

Das Geschäft mit dem Glücksspiel ist hart; fast 30 Jahre Nachtarbeit hinterlassen Spuren. Für meinen ehemaligen Arbeitgeber bin ich rund um die Welt gezogen. Als Croupier habe ich begonnen, später dann als Manager neue Casinoprojekte durchgezogen, selbstständige Tochterunternehmen geleitet. Jahrzehntelang bin ich nicht vor fünf Uhr früh ins Bett gekommen; die Kunden, sprich: die Casinobesucher, wollen gern vom Chef betreut werden. Eines meiner Häuser lag direkt am Meer, vor der Tür stand ein weißer Porsche mit dunkelblauen Ledersitzen. Aber das Burn-out war programmiert.
Heute stehe ich in der Früh ausgeschlafen auf, frühstücke ausgiebig frische Mangos, ziehe meine alten Shorts an und fahre dann mit dem Fahrrad gemütlich an den Strand. Es ist dasselbe Meer, nur auf der anderen Seite. Mit meinen 50 Jahren war ich der Firma einfach schon zu teuer. Reich bin ich durch den Golden Handshake nicht geworden, dafür aber durch meine neue Lebensweise und meinen neuen Wohnsitz. Was immer Sie derzeit von Honduras hören, hier auf der Insel Utila ist es ein Paradies.
Ein Paradies ist Utila vor allem einmal für Taucher; aber bitte sagen Sie das nicht weiter, wir wollen hier unsere Ruhe haben. Mehrere Stunden am Tag verbinge ich „head-under“. Man kann nicht aufhören zu staunen über diese Vielfalt an bizarren Lebe-wesen. Das Leben hier ist ein sehr einfaches und geruhsames. Die Insel ist so klein, dass es keine Autos gibt. Die Leute gleiten mit Elektro-Caddies und Fahrrädern durch die Gegend, deshalb ist es hier auch herrlich ruhig. Mit jedem Monat mehr, den ich auf der Insel verbringe, verstärkt sich ein neues Glücksgefühl in meinem Leben: Ich bin einfach glücklich, dass es mich gibt! Was brauche ich mehr?
Und natürlich mache ich mir so meine Gedanken: Womöglich sind all die zivilisatorischen „Alte-Welt-Verpflichtungen“, die wir uns selbst auferlegen (etwas erreichen, etwas erschaffen, wichtig sein, Geld haben, Familie haben), unsere verzweifelte Sinnsuche und unsere daraus resultierenden Krankheiten ein einziger riesiger Irrtum? Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich den großen Unterschied zwischen „getrieben sein“ und „sich treiben lassen“. Beides probiert – kein Vergleich! Zusehends macht sich in mir so etwas wie „existenzielles Glücklichsein“ breit; das Glücksgefühl, einfach nur zu existieren.
Um auch das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren: Vor Kurzem hat Honduras auswärts (!) 1:0 gegen El Salvador gewonnen und fährt damit nächstes Jahr zur Fußball-WM nach Südafrika. Sorry, aber selbst auf diesem Sektor ist meine neue Heimat ein Paradies. Und was machen die österreichischen Kicker nächstes Jahr?
Michael Moser ist ein Pseudonym; aus rechtlichen Gründen will der Ex-Casino-Manager anonym bleiben.

Economy Ausgabe 78-11-2009, 18.12.2009

Consultant’s Corner

Consultant’s Corner

Faith of the Future.

Post crisis, demand is up for trust, values and all religions are becoming more popular. Ray Andrews, former pastor, missionary, psychologist brings a fresh approach through self-understanding and removing a legalistic view of faith. Creator of a temperament test and the unique self cycle, he reveals the person created by born temperament and past messages or the „baggage of our lives“. Andrews’s work began after research illustrated that when trouble hit, both religious and non religious people behaved identically: „Some coping mechanisms could get one arrested, others promoted to the ministry, but both are same in God’s eyes.“ Here, judgment and legalism is replaced by grace-forgiveness, looking forward knowledgeably, unhindered by the past mistakes, though living with the consequences. Pragmatic in his Christian faith, Andrews brings a fresh compassionate perspective. Leaders post crisis may well heed both Andrews and Benjamin Akande (Webster University) who stated: „Lead yourself first and then you can lead others.“ Leading yourself may be easier with a solid faith as a foundation.

Lydia J. Goutas, Lehner Executive Partners, Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Atheistischer Glaube

Atheistischer GlaubeEvelin Frerk

Religion bedeutet immer Fremdherrschaft Gottes über den Menschen. Immer steht der Mensch unter göttlichen Verboten, wird zuwiderhandelnd, so die Bibel, als Sünder bis in den Tod verfolgt und darüber hinaus bis in die Hölle. Selbst der Himmel ist eine göttliche Diktatur. Die Repressionen der Religion(en) erfüllen in einer Demokratie den Tatbestand der Unterdrückung und der Erpressung.
Erst durch die Loslösung von Gott als der höchsten religiösen Autorität befreit sich der Mensch von Fremdbestimmung. Indem er sich selbst herausnimmt aus der göttlichen Bevormundung, entwickelt er sich zu einem sich selbst bestimmenden und verantwortenden Individuum. Ein solcher Mensch bekennt sich in unserer demokratischen Gesellschaft als Atheist.
„Der Mensch ist frei geboren, überall liegt er in Ketten.“ Dieser Aufschrei der Aufklärung, damals zur Befreiung des Menschen, richtete sich gegen die kirchlich-religiöse Beherrschung des Menschen, denn alle staatliche Gewalt vollzog sich ursächlich in Vollmacht Gottes und damit als theokratische Unterdrückung. Auch heute ist die geistige Befreiung des Menschen aus religiöser Fremdbestimmung ein zentrales Thema unserer säkularen Gesellschaft, die von göttlichem Irrglauben und kirchlich-religiöser Hochfährigkeit nur so trieft.
Der Mensch kann sehr wohl in eigener Verantwortung leben – ohne Kirche, ohne Religion, ohne Gott. Viele Menschen tun das. Sie verstehen ihr Leben vor dem Tod als ihr einziges Leben. Sie versuchen, dieses Leben bestmöglich zu gestalten. Sie setzen sich Ziele, geben sich selber Sinn, erfüllen Pflichten. Sie haben Freunde, genießen die Freuden in der Vielfalt und Schönheit des Daseins. Zugleich wissen sie um den Tod als das ganz natürliche Ende ihres Lebens – für immer. Ihren Tod verstehen sie als das Nichts, in dem – ohne allen Schrecken – ewiger Frieden herrschen wird.
Der Mensch kann sehr wohl zugleich in Mitverantwortung für den Mitmenschen und für die Gesellschaft leben, auch ohne Kirche, ohne Religion, ohne Gott. Viele – gerade auch junge – Staatsbürger tun das, oft sogar unter schwersten persönlichen psychischen Belastungen, als Kranken- oder Altenpfleger, als Polizisten und Rettungsdienste bei entsetzlichen Unfällen, als Soldaten in Afghanistan. Sie leben durch und durch in humanistischen Lebensidealen.
Der Mensch kann sich selbst befreien zu einem autonom-humanistischen Menschen in einer säkularen Welt. Der Mensch braucht dazu keinen Papst, keine Religion, keinen Gott. Er braucht nur verantwortungsbewusste Menschen, die mit ihm im Leben und Sterben solidarisch sind.
Paul Schulz ist Theologe und Autor des neuen Buches „Atheistischer Glaube. Eine Lebensphilosophie ohne Gott“.

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Pauls Schulz, Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Der Jazz der Geschäftsprozesse

Der Jazz der GeschäftsprozesseWilke

August-Wilhelm Scheer: „Es kommt darauf an, das Gleichgewicht zwischen Struktur und Flexibilität zu finden. Natürlich braucht man Organisationsstrukturen, weil man sonst ins Chaos abgleitet. Aber man darf nicht überregulieren, weil man sonst in Bürokratie versinkt und die Innovationskraft abtötet.“

1975 gründete August-Wilhelm Scheer als Professor an der Universität Saarbrücken das Institut für Wirtschaftsinformatik. Schwerpunkt seiner Forschung war das Informations- und Geschäftsprozessmanagement.
1984 gründete er als Spin-off seines Instituts die IDS Scheer GmbH, die 1999 in eine börsennotierte AG umgewandelt wurde. Auf Basis seiner Forschung entwickelte er die wissenschaftliche Grundlage für das Aris-Konzept und die darauf aufbauende Aris-Software. 2008 erwirtschaftete das Unternehmen mit weltweit 3000 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 400 Mio. Euro.

economy: Welchen zentralen Ansatz verfolgen Sie mit Ihrem Business Process Management (BPM)?
August-Wilhelm Scheer: Wir erleben einen großen Wandel in den Organisationsparadigmen: vom Taylorismus, der Arbeitsabläufe in immer kleinere Schritte zerlegt und im vorigen Jahrhundert lange Zeit vorgeherrscht hat, hin zu einer ganzheitlichen Prozessbetrachtung. Der Grund liegt in der Informationsverarbeitung: weil man mehrere Tätigkeiten wieder an einem Arbeitsplatz macht. Viele Funktionen, die man früher auf verschiedene Personen verteilt hat, kann man wieder bündeln und in einem Ablauf erledigen, weil die Technik weiter ist.

Und dieser ganzheitlichen Prozessbetrachtung unterziehen Sie das ganze Unternehmen.
Genau, denn das, was – unterstützt durch die Informationstechnologie – an einem einzelnen Arbeitplatz passiert, sehen wir auch im gesamten Unternehmen: dass man die einzelnen Teile, die man auf Abteilungen zerstreut hat – und das Wort Abteilung ist ja schon selbsterklärend: man teilt ab –, wieder in einen Zusammenhang bringt und dadurch den gesamten Ablauf vom Anfang bis zum Ende durchorganisiert. Und das ist die Idee, die wir verfolgen.

Was unterscheidet die von Ihnen entwickelte Aris-Software von ähnlichen Programmen?
Die Software basiert ja auf einem theoretischen Konzept. Ich habe zuerst ein Buch geschrieben, anschließend haben wir die Software entwickelt. Dahinter steht also ein Rahmenkonzept; und das ist von der Konkurrenz schwer zu kopieren. Die Benutzeroberfläche oder so was, das kann man nachmachen, aber der Gedankengang, der dahintersteht, ist schwer zu kopieren. Insofern haben wir eine einzigartige Stellung.

Und was ist das Besondere an dieser Software?
Das Besondere ist der Ansatz, dass man Organisationsprobleme nicht von der Technologie her betrachtet. Sonstige Informationsverarbeitung ist ja immer sehr technologieorientiert; da geht es um neueste Datenbanksysteme oder die neueste Programmiersprache. Wir hingegen schauen, was man mit dieser Technologie eigentlich macht. Bei uns geht es vor allem um die Performance: Wie kann man den Nutzen messen, einen Prozess bewerten und Prozesse durch Verkürzung und Verschlankung optimieren?

Was hat den Wissenschaftler 1984 bewegt, mit dieser Idee ins Geschäftsleben einzutreten?
Sie müssen sehen: Das war damals höchst ungewöhnlich; vor 25 Jahren war ja die Kluft zwischen Wirtschaft und universitärer Forschung noch viel größer. Ich hatte in Saarbrücken ein großes Forschungsinstitut mit 70 Mitarbeitern, das ich von null weg aufgebaut hatte. Doch in der Forschung kam ich immer nur bis zum Prototyp eines Software-Systems; das war aber nie wirklich stabil und musste es auch nicht sein. Es gab zudem keine Strategie, es weiterzuentwickeln. Aber ein Produkt für den Markt muss stabil sein, weil ständig Tausende von Benutzern damit arbeiten. Deswegen braucht man, um ein Produkt zu entwickeln, eine andere Organisationsform.

Aber noch mal gefragt: Warum haben Sie das selber in die Hand genommen?
Ganz einfach: weil ich keinen anderen gefunden habe, der es machen wollte. Ich habe damals versucht, Industriepartner zu finden, die meine Idee umsetzen könnten. Aber die haben gesagt: Ja, die Idee ist sehr schön, aber da müssten wir investieren, und wir haben schon intern mehr Ideen, als wir umsetzen können. Da hab ich gesagt: Okay, wenn die es nicht wollen, und ich glaube an die Sache, muss ich es eben selber machen; und da habe ich die IDS Scheer GmbH gegründet.

Nun, Sie mussten ja auch investieren. Wie haben Sie die Finanzierung geschafft?

Ich hatte gerade nur 50.000 Deutsche Mark, um die GmbH zu gründen, aber ich hatte ein sehr gutes Geschäftsmodell: nämlich, dass man mit Consulting anfängt und dann die Rückflüsse aus dieser Beratungstätigkeit zur Entwicklung von Produkten einsetzt. Der Vorteil ist, dass man so schon ständig Kundenkontakt hat. Ich halte nicht so viel von den Modellen mit Venture Capital, wo man erst einmal zwei, drei Jahre im stillen Kämmerchen etwas entwickelt und hofft, in die nächste Finanzierungsrunde zu kommen. Das ist der falsche Fokus: Der Erfolg ist nicht, den Finanzier zu überzeugen, sondern der Erfolg ist, den Kunden zu überzeugen, der hinterher auch kauft.

Und Ihre Idee und Ihr Geschäftsmodell sind von Anfang an durchgestartet?

Ja; der Grund war natürlich auch, dass wir als Erste auf dem Markt waren. Und vor allem: Die Idee war neu. Das ist auch notwendig, sonst gibt es ja keinen Grund für ein neues Unternehmen. Wenn ein Unternehmen genau dasselbe macht, was andere auch schon haben, fragt man sich doch, was das soll. Also, man muss schon was Neues haben. Dann haben wir auch Kunden bekommen, die so ähnlich dachten wie wir. Auch wenn wir Daimler oder SAP als erste Kunden hatten, waren unsere Ansprechpartner im Grunde einige wenige Personen. Teilweise kamen die sogar von unserem Institut, hatten also die gleiche Denkweise wie wir.

Man kann also sagen, dass Sie selbst zum einen mit Forschung und Lehre und zum anderen mit Ihren wirtschaftlichen Aktivitäten dieses Feld aufbereitet haben.
Ja, und ich habe das ja immer parallel betrieben; ich bin aus meinem Universitätsjob erst vor drei Jahren emeritiert worden. Dadurch hatte ich immer einen leicht distanzierten Blick auf das Unternehmen; ich konnte immer abgleichen, was die Trends in der Wissenschaft sind und was die IDS macht. Mit Blickrichtung vom Unternehmen auf das Forschungsins-titut konnte ich sehen, ob das, was in der Forschung gemacht wurde, eine Chance hatte, umgesetzt zu werden; und umgekehrt konnte ich sehen, ob das, was wir bei der IDS machten, veraltetes Zeug war oder noch auf der Höhe der Zeit.

Wie beurteilen Sie im Rückblick den Börsengang Ihres Unternehmens 1999?
Es war absolut richtig, an die Börse zu gehen, weil das Unternehmen damit einen wesentlich höheren Bekanntheitsgrad erreicht und von der Wirtschafts-und Finanzpresse stärker beachtet wird. Das Geld, das dadurch hereinkommt, muss man allerdings vernünftig einsetzen. Wir sind ja kurz vor dem Höhepunkt der Internet-Blase an die Börse gegangen. Viele Unternehmen haben damals andere Unternehmen zu weit überhöhten Preisen gekauft und damit das Geld gleichsam aus dem Fenster geschmissen. Das haben wir nicht gemacht; wir haben sorgfältig überlegt, welche Unternehmen wir zukaufen wollten, und haben das auch ganz gut hingekriegt.

Welche Auswirkungen brachte die Börsennotierung für das Unternehmen mit sich?
Der Druck ist dadurch natürlich enorm gestiegen, weil jedes Quartal berichtet werden muss. Aber das ist auch heilsam, weil das Unternehmen ständig unter Kontrolle ist. Man muss nur aufpassen, dass das nicht auf Kosten der mittel- und langfristigen Entwicklung geht. Aber man kann mit den Analysten reden und ihnen die Entwicklungsvorhaben und Investitionen kommunizieren. Dann kann die Ebitda-Marge kurzfristig ein bisschen runtergehen, aber man muss in ein, zwei Jahren auch die Zahlen liefern, die man versprochen hat. Dieses Zuverlässigsein-Müssen hat eine sehr heilsame Wirkung auf das Unternehmen.

Sie weisen gerne auf die Analogie zwischen Jazz und Unternehmensführung hin. Was haben Prozesse und improvisierte Musik gemeinsam?
Dass es darauf ankommt, das Gleichgewicht zwischen Struktur und Flexibilität zu finden. Natürlich braucht man Organisationsstrukturen, weil man sonst ins Chaos abgleitet. Aber man darf nicht überregulieren, weil man sonst in Bürokratie versinkt und die Innovationskraft abtötet. Und wie im Jazz gibt es auch in der Unternehmensführung kein einfaches Textbuch, aus dem man alles lernen kann. Ich vergleiche Unternehmensführung mit Jazz, weil beide eine Gesamtleistung erzeugen und dafür das Zusammenspiel und die Kreativität unterschiedlicher Menschen brauchen. Beim Jazz übernimmt jeder Musiker Verantwortung für den Gesamtklang, hat aber in der Ausgestaltung seines Parts großen Freiraum und kreative Freiheit.

Und umgelegt auf Geschäftsprozesse bedeutet das?
Auch in modernen Organisationen brauchen wir einerseits ein Gerüst, das die Prozesse festlegt, andererseits müssen wir aber noch so viele Freiheiten haben, dass man auch Abweichungen davon organisieren kann. Deswegen hat ein gutes Workflow-System immer auch ein Exception-Handling; dass man also Ausnahmeregeln machen kann oder die Prozesse im Rahmen einer generellen Struktur ad hoc festlegt. Man hat zwar ein Rahmenkonzept, wie ein Kundenauftrag bearbeitet wird, aber wenn ein Auftrag kommt, erhält der seine individuelle Beschreibung ad hoc, weil er ja ganz eigene Eigenschaften und Anforderungen hat.

Sie würden dann, analog zur Jazz-Terminologie, von Improvisation sprechen.
Ja, das ist genau wie beim Jazz. Wenn die eine Lösung nicht funktioniert oder man einen Fehler gemacht hat, dann liegt vielleicht die richtige Lösung nur knapp daneben. Wenn man meint, man habe einen falschen Ton gegriffen, braucht man nur einen Halbton höher oder tie­fer zu gehen, und der passt dann schon wieder zu der Harmonie. Das ist ein wichtiger Punkt: dass man nicht bürokratisch sagt, Projekt aufsetzen, so und so ist die Aufgabe, und wenn es nicht klappt, geh ich wieder zum Start zurück, sondern dass man überlegt, wo können Lösungen in der Nähe liegen, die besser funktionieren als die ursprüngliche.

Wie bei dem von Ihnen oft zitierten Beispiel Honda.
Genau so. In den 90er Jahren plante Honda den Markteintritt mit schweren Motorrädern in den USA. Ein Team wurde losgeschickt, war aber nur mit geringem Budget ausgestattet; deswegen nahm es für die eigene Fortbewegung lediglich Leichtmotorräder mit. Da in den USA durch Marken wie Harley Davidson bereits ein erfolgreicher heimischer Markt für schwere Maschinen bestand, war es für Honda schwer, in dieses Marktsegment einzudringen. Das Team merkte aber, dass Leichtmotorräder ein Erfolg sein könnten. Daraufhin wurde die ursprüngliche Strategie spontan geändert, und Honda konnte in dem neu anvisierten Marktsegment erfolgreich punkten.

Sie betreiben Ihr Saxofonspiel mit viel Enthusiasmus. Machen Sie das auch für Ihre persönliche Entwicklung?
Schon, denn der Mensch ist ja mehrdimensional; jeder hat mehrere Seiten an sich: berufliche, private, gesellschaftliche, individuelle. Und man kann die Dinge ja nicht nacheinander machen, sondern nur parallel. Bei mir gibt es die wissenschaftliche Seite, dann die unternehmerische, etwas die politische und zusätzlich auch die künstlerische Seite. Ich mache das unheimlich gerne. Es ist auch ein wenig Teil meines Anti-Aging-Programms, weil beim Jazz muss man schnell denken, man hat eine emotionale Beziehung zur Musik und man muss die Motorik beherrschen. Und man kann das bis ins hohe Alter machen.

Sie sind jedenfalls schon deutlich älter, als es John Coltrane geworden ist.
Das stimmt; und den Charlie Parker hab ich sogar schon verdoppelt.

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Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Das Volk als Akteur

Das Volk als AkteurAPA/Barbara Gindl

Die ideale Staatsform muss noch erfunden werden, doch Demokratie kommt ihr schon nahe. Wenn nur alle ihre Vertreter so handeln würden, dass Gesellschaft auch wirklich gestaltet werden kann.

Das Implizite an der Demokratie ist das Ideal, dass Menschen dazu erhoben werden, selbst über ihre Geschicke zu entscheiden. Das grenzt die­se Staatsform ganz wesentlich von vielen anderen ab und führt zur Charakteristik einer (zumindest näherungsweise) idealen Regierung. Nichtsdestoweniger ist diese Vorstellung eine Abstraktion, bestehend darin, dass Individuen oder Repräsentanten über das gemeinsame gesellschaftliche Projekt verhandeln. Das kann nur so lange gelingen, als diese Individuen auch ausreichend mit den Fähigkeiten, Politik gestalten zu können, ausgestattet sind.
In Österreich erleben wir derzeit eine Situation, wie Demokratie auf ihren kleinsten gemeinsamen Nenner, den Harmonie suchenden Konsens, reduziert wird. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) repräsentiert diese Harmoniesucht und ist gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie man Gefahr läuft, wichtige Mechanismen der Demokratie außer Kraft zu setzen, indem politischer Diskurs durch Konzilianz ersetzt wird.

Das war nicht immer so.

Österreich ist reich an demokratiehistorisch wichtigen Momenten, wenn man die Zeitachse der Geschichte zurückwandert. Es beginnt mit den bürgerlich-demokratischen Revolutionen von 1848 und 1918, die die jeweiligen Gesellschaftssysteme umstürzten. Die österreichische Revolution von 1918 war ein prozesshaftes Geschehen, das sich nicht auf den November 1918, die Ausrufung der Republik, reduzieren lässt. „Es war eine dreieinhalbjährige Periode heftigster Klassenkämpfe, sich äußernd in Streiks, Massenbewegungen, Demonstrationen, Hungerrevolten und bewaffneten Auseinandersetzungen“, sagt der österreichische Zeithistoriker Hans Hautmann.

Unverzichtbares Gerüst

Gemündet ist dies alles in die erste demokratische Verfassung von 1920 aus der Feder von Hans Kelsen. Das tragende Prinzip lautet: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“
Im Laufe seiner Demokratiegeschichte erlebte Österreich 27 Bundeskanzler sowie den Staatskanzler Karl Renner (SPÖ) zu Anbeginn. Damit sind wir gleich bei den herausragenden Persönlichkeiten der österreichischen Demokratie. Karl Renner war nach dem Fall der Monarchie der erste Staatskanzler der jungen Republik und als solcher zutiefst Demokrat. Er sah den Staat als „ein zu allen Zeiten und in allen Gesellschaftsformen unverzichtbares Gerüst aus Führungs-, Legislativ-, Exekutiv- und Verwaltungsorganen“, das ein Zusammenleben von Menschen in einer größeren Gemeinschaft überhaupt erst möglich mache. Renner war der Gründervater zweier Republiken, da er nach dem Zweiten Weltkrieg die Funktion des Chefs der provisorischen Bundesregierung innehatte, bevor er an Leopold Figl (ÖVP) übergab. Anschließend war er bis 1950 Bundes­präsident.
Geht man die Liste österreichischer Kanzler durch, wird schnell klar, dass dort herausragende Persönlichkeiten eher rar gesät sind. Auf sozialdemokratischer Seite verdient neben Bruno Kreisky möglicherweise noch Franz Vranitzky den Titel eines Staatenlenkers, dann wird die Wahl schon schwerer. Und in der Zweiten Republik hat auch die Österreichische Volkspartei Führungspersönlichkeiten hervorgebracht, die die Geschicke des Landes geprägt haben – neben Figl wohl noch Julius Raab und auch Wolfgang Schüssel.
Man muss zugestehen, dass Österreich in der Zweiten Republik ein recht gut funktionierendes parlamentarisches System etabliert hat, zumindest was den Nationalrat betrifft. Basis dafür ist das relativ repräsentative Verhältniswahlrecht in Österreich, das den Wählerwillen so gut wie möglich zum Ausdruck bringt und letztlich auch kleinen und mittleren Parteien ein „angemessenes“ politisches Mitwirkungsrecht ermöglicht. Einer der größten Nachteile dieses Systems wiederum ist, dass der Wähler nicht über die Zusammensetzung der Koalition bestimmen kann.
Nicht vergessen werden darf natürlich auch, dass Österreich in Form der Volksabstimmung, Volksbefragung und des Volksbegehrens drei Mechanismen der direkten Demokratie zur Verfügung stehen. Die gesellschaftlich willensbildende Funktion dieser Mechanismen hat sich am deutlichsten in den beiden Volksabstimmungen zu Zwentendorf (1978) und dem EU-Beitritt (1994) gezeigt. Bei den Volksbegehren haben sich jene zum Konferenzzentrum Wien (1982), das Gentechnik-Volksbegehren (1997, 1,36 Mio. Eintragungen), das Volksbegehren zum Schutz des menschlichen Lebens (1975), das Volksbegehren zur Einführung der 40-Stunden-Woche (1969) und das Volksbegehren zur Reform des Österreichischen Rundfunks (1964) als die erfolgreichsten herausgestellt, gemessen an der Beteiligung. Den größten Flop verzeichnete das Volksbegehren „Pro Motorrad“ (1995) mit nur 75.000 Eintragungen.
„Demokratie beginnt damit, dass der Souverän die fundamentalste aller demokratischen Entscheidungen: die über die Verfassung, selbst treffen darf“, definiert Elke Renner von der Werkstatt für Frieden & Solidarität die Funktionsmechanismen direkter Demokratie. Da hat Österreich noch einiges aufzuholen. Im direkten Vergleich mit anderen Demokratien zeigt sich, dass die Möglichkeiten der Volksabstimmung hierzulande nicht wirklich ausgeschöpft wird. Während Österreich seit 1945 eben nur zwei Volksabstimmungen abhielt, kam Kalifornien seit Einführung dieser Maßnahme im Jahr 1884 auf nicht weniger als 1140 Volksabstimmungen, im Schnitt zehn pro Jahr. Es folgen die Schweiz mit 533 Volksabstimmungen seit 1798, Australien mit 72 seit 1898 und dann Irland, Italien und Frankreich mit reger Beteiligung des Volkes an der politischen Willensbildung.

Direkte Demokratie

Die direkten Formen der politischen Beteiligung des Souveräns sind es auch, die eine funktionierende Demokratie von demokratieähnlichen Staatsformen unterscheidet. Solche Staatsformen sind etwa die parlamentarische Monarchie oder diverse islamische Republiken mit Parlamenten, etwa in Iran und Pakistan. Sogar Kuwait hat ein Parlament.
Das Wesen und die Qualität der parlamentarischen Demokratie wird allerdings sehr stark von führungsstarken Persönlichkeiten und der Tiefe des Diskurses der politischen Handlungsträger bestimmt. Dies sind Eigenschaften, die für die Führung eines parlamentarischen Staates unabdingbar sind.
Nicht umsonst war Bruno Kreisky, dem selbst politische Gegner ein hohes Maß an Vision und Führungsstärke bescheinig­ten, der am längsten amtierende Bundeskanzler Österreichs, gefolgt von Franz Vranitzky, ebenfalls eine Persönlichkeit mit hohem Demokratieverständnis und politischer Leidenschaft. Der Sprung zur Jetztzeit zeigt leider, dass aktuell Politiker ohne großes Format, Kraft und Interesse an der Spitze stehen. Das Problem, dass daraus entstehen kann, ist ein gewisser Trend zur Demokratiemüdigkeit bei den Wählern.

Harmloser Eindruck
Ein leidiges Beispiel ist die derzeitige Ära Faymann. Der amtierende Bundeskanzler ist deshalb heftiger Kritik ausgesetzt, nicht zuletzt aus den eigenen Reihen. Steiermarks stellvertretender SPÖ-Landeshauptmann Kurt Flecker ortet bei Faymann „ein Bild einer Haltung, die an Oberflächlichkeit nicht zu übertreffen ist“. Nach fünf Wahlniederlagen in Serie hat Flecker den Kanzler Anfang Oktober zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. Faymann fahre „den Kahn gegen den Felsen und lächelt beim Begräbnis sogar noch.“
Dass sich Österreich bislang so glimpflich durch die Wirtschaftskrise geschummelt hat, ist mehrheitlich der ÖVP zu verdanken. Faymann selbst macht einen ziemlich harmlosen Eindruck, wenn er wie ein schüchterner Vorzugsschüler ein Arbeitsmarktpaket vorschlägt und dabei den Bankern anrät, „das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen“. Kann so ein Auftritt überzeugen? Wohl eher nicht. Die ÖVP weiß, was sie am Kanzler ohne Kanten und Konturen hat, er spielt ihnen geradezu in die Hände. „Das Mittelmaß ist voll“, meinte Christoph Kotanko im Kurier in Anspielung auf das Duo Faymann-Pröll, das Gefahr läuft, in die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die sich in ihrer Politik auftut, schließlich hineinzufallen.
Schon lange nicht mehr war die Politik der Kompromisse so matt in Österreich. Man kann die Ränkespiele hinter den Kulissen nicht nur erahnen, sondern man bekommt sie täglich vorgeführt. Josef Pröll (ÖVP) gilt als die nächste Kanzlerhoffnung, und wenn Faymann so weitermacht, glaubt man fast, er strebe dies an. Der Bürger hat das Gefühl, als würde er einer Soap Opera zuschauen statt einer handlungsfähigen Bundesregierung.
Der große Vorteil von Pröll dabei ist, dass er durchaus eine gute Performance zur Bewältigung der dringlichen, durch die Wirtschaftskrise ausgelösten Probleme vor allem im Bankensektor geleistet hat. Die Nachwehen wie die vielen Arbeitslosen und die leeren Sozialkassen kann er getrost Faymann überlassen. Wirtschaftskompetenz in dieser Situation zu signalisieren ist ohnehin ein besserer Schachzug, als mit der Idee einer (kaum umsetzbaren) „Reichensteuer“ im politischen Glashaus herumzutapsen, wie es Faymann tut.
Im nächsten Jahr wird Faymann drei weitere Wahlen zu bestreiten haben, nämlich in der Steiermark, im Burgenland und in Wien. Die Prüfung wird eine harte sein, und es steht viel auf dem Spiel. Mit der derzeitigen Performance braucht er dringliche Unterstützung der Landeshauptleute, oder die Wah­len werden in einem weiteren Fiasko enden, was vor allem für Wien dramatisch werden könnte.
Arno Maierbrugger

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Kosten sparen durch Outsourcing

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Experte stellt standardisierte IT-Betriebsdienstleistungen für Unternehmen als Shared Service bereit.

Viele in der Outsourcing-Branche haben sich schon die Hände gerieben, als sich letzten Herbst der wirtschaftliche Abschwung abzuzeichnen begann. Das Geschäft mit Auslagerungen der Informationstechnologie (IT) als prädestinierter Krisengewinner?
„Da ist was dran, auch auf das Platzen der New-Economy-Blase 2001/2002 folgte ein Outsourcing-Boom“, erklärt Raiffeisen-Informatik-Geschäftsführer Wilfried Pruschak. „Raiffeisen Informatik hat damals einige seiner größten Kunden gewonnen, und auch jetzt erleben wir einen starken Anstieg bei den Outsourcing-Anfragen. Das heißt aber noch lange nicht, dass einem nun die großen Deals wie gebratene Hühner in den Mund flattern. Die Kunden wollen verständlicherweise vor allem schnelle Kosteneffekte erzielen. Die IT 1:1 an einen Dienstleister zu übergeben, birgt aber per se noch kein großes Sparpotenzial. Heute sind klar definierte Angebote gefragt, die nachweislich und in einem überschaubaren Zeitrahmen Betriebskosten senken und die Effizienz im IT-Betrieb erhöhen.“
Ein wirkungsvoller Ansatz, um diese Ziele zu erreichen, ist das Modell der Managed Services. Richtig eingesetzt kann es den Kostendruck schnell reduzieren und Liquidität schaffen. Im Grunde geht es dabei um eine industrialisierte Form der Bereitstellung von standardisierten IT-Betriebsdienstleistungen. Aus wirtschaftlicher Sicht bringt es wenig, Standard-Anwendungen wie SAP, Microsoft oder Lotus Notes im eigenen Rechenzentrum zu betreiben. Ein Outsourcer kann diese Leistung als „Shared Service“ auf einer gemeinsamen Hardware-Plattform nämlich deutlich effizienter erbringen. Pruschak: „Der Kunde profitiert bei diesem One-to-Many-Modell von den Skaleneffekten beim Dienstleister. Durch verbrauchsabhängige Abrechnungsmodelle passt sich der Service auch flexibel an die Geschäftsentwicklung an.“

Zahlreiche Vorteile
Damit dieses Modell funktioniert, ist eine gewisse Größe des Anbieters Voraussetzung. Als größter Outsourcer des Landes betreibt Raiffeisen Informatik rund 70 SAP-Mandanten auf einer hochmodernen, virtualisierten Hardware-Plattform. „Die so erzielten Kostenvorteile können wir weitergeben. Und mit jedem neuen Kunden wird das Modell noch kosten­effizienter. Outsourcing sollte immer eine Win-win-Situation zwischen den Partnern herstellen. Bei Managed Services ist das in idealer Weise erfüllt“, so Pruschak.

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Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Mobiles Zahlen mit dem Handy boomt

Mobiles Zahlen mit dem Handy boomtPaybox

Jochen Punzet: „Die Kredit- und Bankomatkartenbranche ist uns zeitlich zwar um ein paar Jahrzehnte voraus, aber wir legen mit rasantem Wachstum nach. Ausschlaggebend dafür sind Faktoren wie überdurchschnittlich hohe Handy-Penetration, breites Akzeptanzstellennetz und hohe Sicherheit“, erklärt der CEO von Paybox Austria.


economy: Welche Rolle wird mobiles Zahlen über Handy im bargeldlosen Zahlungsverkehr in Zukunft spielen?

Jochen Punzet: M-Payment wird eine starke Position innerhalb der bargeldlosen Zahlungsmittel einnehmen. Die Kredit- und Bankomatkartenbranche ist uns zeitlich zwar um ein paar Jahrzehnte voraus, aber wir legen mit rasantem Wachstum nach. Ausschlaggebend dafür sind Faktoren wie überdurchschnittlich hohe Handy-Penetration, breites Akzeptanzstellennetz und hohe Sicherheit. Vor allem beim Bezahlen im Internet punktet M-Payment, da der Bezahlvorgang geschützt über das eigene Handy und nicht über den Internet-Zugang erfolgt.


Welche Services sind derzeit schon Renner?

Sehr gut entwickelt sich das M-Payment mittels Handy mit österreichischen Partnern, also Händlern, im Internet, nicht zuletzt wegen der angesprochenen hohen Sicherheit. Was von den Kunden auch sehr gut angenommen wird, sind Services mit Zusatznutzen. Absoluter Renner ist das Handy-Parken; bereits jeder dritte Autofahrer in Wien löst seine Parkscheine mit dem Handy. Stark entwickelt sich auch das mobile Ticketing, etwa im Tiergarten Schönbrunn oder in der Wiener Albertina. ÖBB-Tickets werden bargeldlos via SMS gekauft, ebenso das Lotto.


Und wo sehen Sie zukünftiges Potenzial?

Mir schwebt zum Beispiel ein österreichweit mobil zu lösender Fahrschein vor, der für alle Verkehrsverbunde gilt. Für das Handy-Parken besteht in den Bundesländern und Landeshauptstädten noch riesiges Potenzial, aber da sind wir von politischen Entscheidungen abhängig. Ein tolles Service könnte auch sein, dass man die vielen Kundenkarten, die jeder von uns heute in seiner Brieftasche hortet, loswird, weil die Autorisierung über das Handy erfolgt.

Welche neuen Technologien können in Zukunft M-Payment vorantreiben?
Da wird es vor allem mit NFC, also der Near Field Communication, mit der Daten über kurze Strecken kontaktlos übertragen werden können, einen starken Schub geben. Damit wird das Handy-Zahlen am Point of Sale immer interessanter: im Supermarkt, in der Trafik, im Kino; eben in den einfachen Anwendungen des Alltags. Im asiatischen Raum, der hier eine Vorreiterrolle einnimmt, hat sich die NFC-Technologie längst von der Karte auf das Handy verlagert, denn das hat jeder immer dabei. Auch jeder Technologiesprung, jede neue Sicherheitsaktualisierung kann prompt auf das Handy gesendet werden, und man muss nicht umständlich Karten austauschen.

Welche generelle Entwicklung erwarten Sie für M-Payment in Österreich und Europa?
Wir haben federführend eine Basistechnologie entwickelt, die in dieser Form einzigartig ist und das Interesse vieler Länder geweckt hat. Wir hatten in den letzten Jahren Delegationen aus allen Erdteilen bei uns im Haus. Zusätzlich setzen auch Mobilfunk-Betreiber immer mehr auf Zusatzgeschäfte und dabei aufgrund seiner zunehmenden Bedeutung auf M-Payment. Ich denke, M-Payment und die damit verbundene Technologie wird zwar keine Revolution im bargeldosen Zahlungsverkehr auslösen, sehr wohl aber eine starke Evolution. gesch

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Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Aktuelle Trends im Büroalltag

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Über digitalisierte Dokumenteninhalte, die Verwendung von Metadaten und neue Kommunikationsmedien.

Seit Jahren geistert die Idee des „Paperless Office“, des papierlosen Büros, umher. Aber nicht das Papier an sich ist der Feind aller Produktivität und Auslöser verzweifelter Suche „in den Akten“ und „im Archiv“. Vielmehr ist es der Versuch, es in einer vorgegebenen Ordnung über längere Zeiträume aufzubewahren und nach Möglichkeit bei Bedarf wiederzufinden.

Weg von alten Gewohnheiten
Genau hier setzt die Idee eines „Puncherless Office“, eines Büros ohne Locher, an, das Markus D. Hartbauer, Chief Solutions Architect von SER Solutions Österreich, beschreibt: „Gelochte Seiten sind die Voraussetzung, um Belege ablegen zu können. Entfernen wir alle Locher aus den Büros, bleibt den Mitarbeitern nur eine sinnvolle Möglichkeit: Das Papier wird unmittelbar nach Kenntnisnahme oder Bearbeitung digitalisiert. Ausdrucken, bearbeiten, scannen, digital speichern: Das ist der Königsweg, um sowohl die haptischen Gewohnheiten der Mitarbeiter zu befriedigen als auch moderne, digitale Content Repositories zu schaffen.“
Als klaren Trend sieht Hartbauer generell die Ablöse exogener Strukturen, seien es Papierablagen oder Dateiordner in Software-Programmen, durch die Verwendung von beschreibenden Informationen (sogenannten Metadaten) für die Informationsobjekte: „Die Bildung exogener Strukturen und Einordnung der Dokumente in dieselben erfolgt nicht mehr vorab oder zum Zeitpunkt der Ablage. Die Hierarchien werden vielmehr flexibel zu dem Zeitpunkt gebildet, zu dem sie benötigt werden.“ Die Bildung dieser flexiblen Ansichten ermöglicht die Neuordnung bestehender Informationsobjekte nach neuen Anforderungen, egal ob diese heute schon bekannt sind oder nicht.
Ein weiterer Trend geht laut Hartbauer in Richtung Medienproliferation, also der Vermehrung der Arten von Medien, mit denen schriftlich kommuniziert wird. Ein großer Teil der Kommunikation wird heute beispielsweise über Instant Messaging abgewickelt. Mächtige neue Medien wie Google Wave, das die E-Mail-Flut signifikant reduzieren wird, stehen am Start.
2010 werden sich IT-Departments daher verstärkt mit der Frage beschäftigen müssen, wie sie geschäftsrelevante Inhalte, die über neue Kommunikationsmedien laufen, erfassen und
diese dauerhaft speichern und reproduzieren können.

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Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Werte und ihre Vermittlung

Werte und ihre VermittlungAPA/Lucia Bischof

Religion und Ethik sind offenbar derart tragende Grundlagen der Gesellschaft, dass die hitzige Debatte über die richtige Wertevermittlung in Schulen in einer Bandbreite von Theologen bis Atheisten diskutiert wird.

Der Mensch sehnt sich nach Werten. Werte regeln das Leben, sind eine Orientierungshilfe, bestimmen das Handeln, die Definition von Recht und Unrecht in einer persönlichen Matrix. Die Gesellschaft und ihr Rechtssystem sind auf Werten aufgebaut, und diese bestimmen wiederum die Normen, nach denen ein Gesellschaftssystem funktioniert, also die Dichotomie von Sein und Sollen, das normative Prinzip. Ohne dieses kann kein menschliches Miteinander funktionieren, und die absolute Wertfreiheit, der Nihilismus, ist nichts mehr als eine philosophische Wertübung.
Das Grundproblem dabei ist, dass Werte zunächst definiert werden müssen. Hier nähern sich die beiden Werteträger, die Ethik und die Religion, einander an. Werte lassen sich nicht empirisch bestimmen, sie sind moralische Vorstellungen, die auf Werterfahrungen beruhen, also etwa Freundschaft, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Aufrichtigkeit, Treue und dergleichen. Die Wurzeln des Werteprinzips gehen auf die griechischen Philosophen zurück, die sich Gedanken über das sogenannte „Gute“, die „Tugend“ und den „Willen“ gemacht haben. Für Aristoteles besteht zum Beispiel die ethische Tugend in der „Zähmung und Steuerung des irrationalen, triebhaften Teils der Seele“, wie er in der Nikomachischen Ethik ausführt. (Weitergeführt wird der Gedanke um einiges später in der kantischen Pflichtethik, dem kategorischen Imperativ, also der Vernunftethik.)
Die griechische Tugendethik floss auch in die christliche Religion ein und begründete das, was man gemeinhin als glaubensgelenkte Religionsethik ansieht – im Gegensatz zur „weltlichen Ethik“. Und über diesen Gegensatz diskutieren heute aufgeklärte und religiöse Pädagogen gleichermaßen mit einer Hingabe, die an die alten Philosophen gemahnt.
„Ethik ist ein Versuch, die Prinzipien des Zusammenlebens von Menschen auf Basis vernünftiger Überlegungen und ohne transzendente Verankerungen zu bestimmen“, sagt der Philosoph Konrad Paul Liessmann. Nach seiner Meinung ist aber Ethikunterricht in der Schule als Ersatz für den herkömmlichen Religionsunterricht keine Lösung. Ethik nur als „Lebenshilfe“ allein zu unterrichten, greife zu kurz, so Liessmann.

Säkularer Staat
Schüler sollten auch etwas über Religion wissen, aber nicht in dem Sinne einer „Einübung aufs Christentum“, sondern als „Ausdehnung des Philosophieunterrichts mit einem Schwerpunkt Ethik auf die gesamte Oberstufe und die Einführung eines obligatorischen, konfessionsungebundenen Gegenstandes Allgemeine Religions- und Kulturkunde anstelle des bisherigen Religionsunterrichts“, eine „für einen säkularen Staat naheliegendste Lösung“.
Seit dem Schuljahr 1997/98 wird an zahlreichen österreichischen höheren Schulen ein Ersatzpflichtgegenstand „Ethik“ für jene Schüler als Schulversuch geführt, die an keinem konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen. Schüler, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben, müssen Ethik als „Ersatzpflichtgegenstand“ besuchen. Der Ethikunterricht ist grundsätzlich auch von Schülern ohne religiöses Bekenntnis zu absolvieren, soweit sie nicht einen Religionsunterricht ihrer Wahl besuchen. Die Grundlagen: „Der Ethikunterricht orientiert sich an den aus der Aufklärung hervorgegangenen Grund- und Menschenrechten, auf denen auch die österreichische Bundesverfassung und unser Bildungswesen basieren. Er ist daher weder wertneutral noch wertrelativistisch, ohne aber einer bestimmten Weltanschauung verpflichtet zu sein.“ Der Unterricht soll, so die Definition weiter, Schülern ermöglichen, in Fragen von Weltanschauungen, Werten und Normen zu differenzierten Beurteilungen und Handlungsmodellen zu gelangen.“
Der Kirche, über Jahrzehnte die verpflichtenden Religionsstunden in den Schulen gewohnt, passt das nicht so ganz. Bei aller positiven Sicht eines „ergänzenden“ Ethikunterrichts müsse festgehalten werden, dass in einem Land, in dem 90 Prozent der Bevölkerung einer Religionsgemeinschaft angehören, der Ethikunterricht nicht für alle Schüler verpflichtend sein könne“, meint etwa Kardinal Christoph Schönborn. Denn dies würde eine Relativierung des konfessionellen Religionsunterrichts bedeuten.“

Strukturelle Mängel
Gerade die Finanzkrise habe gezeigt, dass es schwere moralische und strukturelle Mängel in der modernen Gesellschaft gebe, so der Kardinal. Gerade in einer Krisenzeit sei die Beachtung der Grundprinzipien der katholischen Soziallehre erforderlich, wohingegen der Charakter eines Ethikunterrichts, der von einem sich „wertneutral“ verstehenden Staat eingeführt wird, noch „grundsätzlich gesellschaftlich diskutiert werden“ müsse.
Worauf der Kardinal anspielt, ist die Befürchtung der Kirche, dass der Staat Grundwerte der Ethik in den Vordergrund stellt, die der Religion ihre Glaubensgrundlage rauben – eine Angst, die Theologe Paul Zulehner ausspricht, wenn er vom „generellen Trend zur weltanschaulichen Verbuntung“ spricht. Nach seiner Ansicht könne man ethische Prinzipien „natürlich“ auch auf Basis eines Humanismus vermitteln. Der überwiegende Teil der Österreicher definiere laut Zulehner aber seine Ethik religiös.
Sehr konträr dazu gestaltet sich die Position der Grünen: „Alle schulpflichtigen Kinder haben das Anrecht auf einen dogmatikfreien Weltreligionen- und Weltanschauungsunterricht (Ethik­unterricht), ungeachtet ihrer weltanschaulichen, konfessionellen oder geografischen Herkunft. Konfessioneller Religionsunterricht sollte nicht Aufgabe des Staates sein“, so Erich Eder, Präsident des Vereins „AgnostikerInnen und AtheistInnen für ein säkulares Österreich“ und Mitglied der Wiener Grünen. „Privilegien ausgewählter Religionsgemeinschaften sind nicht gerechtfertigt.“

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Die Mönche und die Shell-Tankstelle

Die Mönche und die Shell-TankstelleEPA

Das Stift Heiligenkreuz verwaltet Betriebe mit 180 Mitarbeitern. Die Mönche selbst sind Popstars, deren CD Chant weltweit die Charts erobert hat. Fragt sich: Was passiert mit all den Einnahmen?

Wunder sind in einem Kloster gut aufgehoben. Im Stift Heiligenkreuz im Wienerwald ereignete sich so ein Wunder vor knapp zwei Jahren. Anfang 2008 schickte ein Freund des Klosters eine Hörprobe mit gregorianischen Chorälen, gesungen von den Heiligenkreuzer Mönchen, unkommentiert an Universal. Der Musikgigant war schon seit Wochen weltweit auf der Suche nach den „most beautiful sacred voices“. Die singenden Mönche bekamen den Zuschlag und produzierten die CD Chant – Music for Paradise. Diese sollte die Charts auf der ganzen Welt stürmen und sich bis heute rund eine Million Mal verkaufen.
Auf finanziellen Segen aus heiterem Himmel müssen sich die 80 Mönche im zweit­ältesten Zisterzienserstift der Welt aber nicht verlassen. Seit dem 12. Jahrhundert betreibt das Stift Weinbau, Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gastronomie. Sogar eine Backhendlstation bei Gumpoldskirchen und die Heiligenkreuzer Shell-Tankstelle gehören zum örtlichen Imperium, für das 180 Mitarbeiter werken.

Mehr als Imagepflege

Fragt sich: Was passiert mit all den Einnahmen? Die CD spielte bis jetzt 500.000 Euro ein, 2008 kamen rund 600.000 Euro an Agrarförderungen aus dem Topf der Europäischen Union dazu. „Die Einnahmen aus der CD gehen zur Gänze in die Priesterausbildung. Wir haben derzeit acht Studenten aus Vietnam, fünf aus Nigeria und je einen aus Syrien und Ungarn. Wir unterhalten die einzige Ordenshochschule Österreichs und bekommen dafür keinen Cent von der Bischofskonferenz oder den Diözesen“, erklärt Pater Karl der Pressesprecher des Stifts, und fügt eilig hinzu: „Wenn es uns um Profite ginge, hätten wir in der Stadthalle singen können. Das hätte uns auf einen Schlag 200.000 Euro gebracht.“
Der Pater schlägt nach eigenen Angaben zwei Anfragen pro Tag in den Wind, sei es etwa für die Eröffnung eines Glühweinstandes oder für eine Charity-Gala zur Erhaltung eines baufälligen Klosters. „Wir sind kein Wanderzirkus, wir singen nur innerhalb der Wände unseres Stiftes.“ Pater Karl selbst machte eine Ausnahme und setzte sich bei Thomas Gottschalk auf die Wetten, dass …?-Couch. Aber ohne zu singen.

Reine Selbsterhalter
Und wohin fließen die Profite aus den Betrieben – vom Sägewerk über die Gasthäuser, den Weinverkauf, den Klosterladen bis hin zu besagter Tankstelle? „Wir sind 80 Mönche. Von der Zahnbürste bis zur Einrichtung der Zimmer – was glauben Sie, was es kostet, so eine große Familie zu erhalten“, erklärt Pater Josef, der seit neun Jahren die Finanzen des Stifts über hat. „Dazu kommen die Investitionen. Bei 1200 Hektar, die wir bewirtschaften, brauchen wir ordentliche Mähdrescher und Traktoren. Und im denkmalgeschützten Kloster müssen wir regelmäßig renovieren.“
Heiligenkreuz ist zu 100 Prozent autark. In Österreich sind Stifte traditionell Selbstversorger, die Kirchenbeiträge der Österreicher fließen an ihnen vorbei – an die Diözesen, die Pfarren, die Caritas oder die Verwaltung des Kirchenapparats. Heuer sei wegen der CD-Einnahmen ein gutes Jahr, mittelfristig liefe das Verhältnis aus Einnahmen und Kosten auf ein „Nullsummenspiel hinaus“, meint Pater Josef.

Wirtschaften wie alle
Bleibt Geld übrig, wird es ganz normal auf die Bank gelegt. Ein Zinsverbot wie im Islam kennt das Christentum nicht. Die Stiftsbetriebe halten sich an die Regeln der freien Marktwirtschaft. Einzige Einschränkung: In jeder Sparte müssen einige Menschen unterkommen, die nicht die volle Leistung bringen können, weil sie behindert oder sozial benachteiligt sind. „Ansonsten führen wir unsere Geschäfte unter denselben Bedingungen wie andere Marktteilnehmer. Die Leiter der Betriebe sind Spezialisten. Wir müssen immerhin von den Einnahmen leben“, meint der Pater.
Ist eine Sparte defizitär, bleibt es nicht bei Gebeten. Das Defizit wird mit Marketing, Innovation und externer Beratung bekämpft – wie jetzt beim Weinbau. In Thallern bei Gumpoldskirchen, wo auch die Backhendlstation steht, wird seit 800 Jahren Wein angebaut. Doch Tradition allein macht die 30 Hektar nicht profitabel. Deswegen soll der Wein nun besser und bekannter werden. Die Heiligenkreuzer haben sich zwei Größen aus der Branche zu Hilfe geholt, den Rotweinspezialisten Aumann aus Tribuswinkel bei Baden, der den roten Stiftswein gaumenfreudiger macht, und den Kapazunder Polz aus der Südsteiermark, der den Mönchen bei der Vermarktung hilft.

Marke Heiligenkreuz
Die Marketing-Offensive für den Stiftswein kommt zur rechten Zeit. Denn die CD hat den Wert der „Marke“ Heiligenkreuz und deren Bekanntheitsgrad deutlich gesteigert. Das wird sicherlich auch dem Wein helfen.
Im Vergleich zu Melk oder Göttweig führt Heiligenkreuz ein Randdasein, obwohl im Kapitelsaal des Klosters nicht weniger als vier regierende Herrscher aus dem Geschlecht der Babenberger begraben sind. Was die Kapuzinergruft für die Habsburger, ist Heiligenkreuz für die Babenberger.
Positiv am Randdasein: Selbst nach dem Chart-Sturm der singenden Mönche gibt es in der Kirche noch reichlich Platz, um den gregorianischen Hits täglich „live“ zu lauschen, um 5 Uhr 15 in der Früh geht es los, gegen sechs Uhr ertönt die letzte Lobpreisung. Zum Klingelbeutel gibt es in Heiligenkreuz genügend Alternativen: im Klostershop die CD, im Stiftsgasthaus ein Achterl Heiligenkreuzer und an der Tankstelle Benzin für die Rückfahrt.

Stift Heiligenkreuz
Das Stift Heiligenkreuz liegt im Herzen des Wienerwaldes. Es wurde 1133 von Leopold III., genannt der Heilige, gegründet und beherbergt Gräber von vier Babenberger-Herrschern. Seit seiner Gründung ohne Unterbrechung „in Betrieb“, ist es das zweitälteste Zisterzienserstift. Derzeit leben dort 80 Mönche und rund 20 Priesterstudenten aus Afrika, Asien und Europa.

Clemens Neuhold, Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

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