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04. Juli 2024

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Heiße Schokolade in der Hand

Heiße Schokolade in der HandLG

Glänzend schwarze Hülle, rot aufleuchtende Touch-Tasten, eine metallic-rote Zifferntastatur und ein schlankes, wertiges Gehäuse – das BL20 macht mit dem Beinamen New Chocolate (Nachfolger des legendären Chocolate) optisch viel her und wirkt fast edel. Das Display fällt mit 2,4 Zoll nicht üppig aus, stellt seine Inhalte jedoch schön klar, hell und scharf dar. Für ein Handy unter 200 Euro ist das BL20 ansehnlich ausgestattet. LG hat an Quadband, UMTS und sogar HSDPA gedacht. Ab Werk sind im Speicher noch rund 70 MByte frei. Mit einer Micro-SD-Karte (nicht enthalten) kann man den Platz um bis zu acht Gigabyte erweitern. Nicht selbstverständlich für diese Preisklasse ist die Fünf-Megapixel-Kamera mit LED-Blitz und Autofokus. Das Menü ist logisch aufgebaut, die Icons selbstredend. Der Slider lässt sich leicht aufschieben und rastet sauber ein. Die Tastatur liefert Tasten, die groß genug ausfallen. Auch die neun Touchtasten sind gut zu treffen und geben auf Wunsch eine Vibration als Feedback. Praktisch: Eine Taste führt direkt zu einem Task Manager, eine weitere zu persönlichen Favoriten und eine dritte zu nützlichen Organizer-Funktionen.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Rapid ist meine Religion

Rapid ist meine Religion Kilian Kada

Relativ einfach finden sich Parallelen zwischen Fußball und Religion.

„Rapid ist meine Religion!“ – daran glauben viele Anhänger der Grün-Weißen. Sie bringen dies in Fan-Foren, auf Schals oder in Medien häufig zum Ausdruck. Grundsätzlich glauben sie an ihre Mannschaft samt deren „Fußballgöttern“, auch wenn es im ersten Gebot dazu heißt: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Da mag es auch nicht weiter befremdend wirken, wenn auf der persönlichen Website von Stefan Maierhofer die Fußballbegeisterte Sophie Huber den Eingangssatz mit den Worten „Rapid hat Gott als Stütze“ erklärt.
Wen sollte es da noch wundern, dass die Heimstätte „Sankt Hanappi“ – eine Bezeichnung, die der ehemalige Rapid-Trainer Josef Hickersberger in der Meistersaison 2004/05 prägte, als kein einziges Heimspiel verloren ging – genannt wird? Oder dass der Spieler Andreas Ivanschitz nach seinem Vereinswechsel nach Salzburg nur mehr „Judas“ geschimpft wurde? Rapid ist halt Religion. Wenn beispielsweise Stadion­sprecher Andy Marek „Steffen“ ankündigt, dann folgt ein „Hofmann“ aus Tausenden Kehlen wie das Amen im Gebet. Und auch das Einklatschen der Rapid-Viertelstunde darf ebenso wenig fehlen wie die Gabenbereitung während der Eucharistie.

Pilgerstätte und Messwein
Dass kürzlich mehr als 7000 Fans nach Hamburg „pilgerten“, kann durchaus als weiteres Indiz ob der engen sprachlichen Verknüpfung von Religion und Fußball gelten. Da bedarf es nicht einmal einer – wie in der Halbzeitpause möglichen – „Kabinenpredigt“.
Und nicht selten trinken Fußballer nach gro­ßen Finalspielen direkt aus dem eben errungenen Pokal wie auch der Priester aus seinem Messkelch. Leider sind Stoßgebete auf den Tribünen knapp vor Spielende beispielsweise wegen einer drohenden Niederlage statistisch noch nicht erhoben.
„Religion ist in jeder Ecke der Welt vorhanden“, zog der österreichische Dirigent Nikolaus Harnoncourt einen Vergleich mit der allgegenwärtigen Musik. Insofern macht die Weltanschauung Rapid an Stadion- oder Stadtgrenzen ebenfalls nicht halt, verkommt aber im direkten Vergleich zu den Merchandising-Großmeistern und Jünger sammelnden Manchester United, Bayern München oder Real Madrid zu einer Weltreligion mit eher geringerer Anhängerzahl. Da hilft es auch nicht, dass das Sinngebungssystem Rapid mittlerweile eine sehr lange Tradition besitzt.
Eines aber haben Religion und Fußball auf alle Fälle gemeinsam: die Ungewissheit, was letztendlich auf einen zukommt.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Von der Immobilie zum Service

Von der Immobilie zum ServiceVTÖ

Österreichs Impulszentren bieten jungen technologieorientierten Unternehmen und lokalen Klein- und Mittelbetrieben einen Platz, wo sie sich in einer fertig aufbereiteten Büro- und Produktionsinfrastruktur ansiedeln können. Doch reine Gebäudevermietung ist nicht mehr zeitgemäß, zunehmend gefragt sind unternehmerische Dienstleistungen.

In den 1980er und 1990er Jahren wurden mit Förderungen des BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) österreichweit Impulszentren gebaut – unter diesem Begriff werden Technologie-, Gründer- und Innovationszentren zusammengefasst. An ihren Standorten stehen Gebäude mit hochwertigen infrastrukturellen Einrichtungen mit dem Ziel, eine Gemeinschaft von technologieorientierten Unternehmen dort anzusiedeln. Darüber hinaus werden durch das Zentrumsmanagement Dienstleistungen im Zusammenhang mit Unternehmensgründungen, Förderungen und Regionalentwicklung angeboten.

Schnittstelle zur Wirtschaft
In Österreich herrscht eine überdurchschnittlich hohe Dichte an Impulszentren. Zum Vergleich: In ganz Bayern gibt es 19 Zentren, in Österreich sind es 90. Die meisten Zentren sind Mitglied des Verbandes der Technologiezentren Österreichs (VTÖ), der vom Wirtschaftsministerium (BMWFJ) finanziell unterstützt wird.
Wie Michael Losch, Sektionsleiter für Wirtschaftspolitik, Innovation und Technologie im BMWFJ, betont, nimmt der VTÖ eine wichtige Rolle an der Schnittstelle zu den Unternehmen ein: „Die Aufgabe des VTÖ ist, in der Technologie-szene Plätze zu schaffen und zu managen, wo neue, junge Technologieunternehmen Anschluss finden und sich einbetten können. Da geht es darum, geeignete Rahmenbedingungen und Strukturen bereitzustellen.“
Wolfgang Rupp, Vorsitzender des VTÖ, dazu: „Ich vergleiche ein Impulszentrum gerne mit einem Computer: Die Hardware ist das Gebäude und dessen Vermietung, die Software ist das Erbringen von Dienstleistungen für technologieorientierte Jungunternehmer, Gründer, Klein- und Mittelbetriebe im Haus und in der Region.“ Doch die Hardware, sprich: die Immobilie, tritt immer mehr in den Hintergrund; wichtiger wird die Software, also die Beratung und Betreuung der Unternehmen im regionalen Umfeld. Darum werden besonders die Zentrumsmanager animiert, sich vom „Immobilienverwalter“ zum „Unternehmensberater“ weiterzuentwickeln und so auch höher zu qualifizieren. Rupp: „Wir müssen verstärkt in die Dienstleistung gehen, Förderberatung machen, Antragstellung anbieten, müssen mithelfen, Projekte abzuwickeln, aktives Netzwerken betreiben und uns an unseren Kunden, Gründern sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), orientieren.“
Eine österreichische Besonderheit ist, dass viele Impulszentren im ländlichen Bereich angesiedelt sind. Analog dazu verfügt auch der VTÖ über eine starke dezentrale Basis mit ausgezeichneter Kenntnis der regionalen Gegebenheiten. Vor allem innovative und technologieaffine Unternehmensgründer und KMU sollen in Zukunft noch intensiver betreut und in überregionale und auch internationale Innovationssysteme, sprich: Förderprogramme, eingebunden werden, meint Wolfgang Rupp: „Wir sehen hier großen Bedarf. Speziell KMU mangelt es oft an den notwendigen Ressourcen. Hier bieten sich unsere Impulszentren als regionale Beratungsdienstleister bestens an.“
In einem Pilotprojekt haben sich sechs Impulszentren zusammengetan, um KMU, die bisher nichts mit Forschung und Entwicklung (F&E) zu tun hatten, in Bundesförderprogramme zu bringen. In eineinhalb Jahren wurde damit ein Projektvolumen von neun Mio. Euro geschaffen. VTÖ-Geschäftsführer Clemens Strickner ergänzt: „Von den Projektbeteiligungen, die dabei entstanden sind, waren 61 Prozent Neuaktivierungen, also Unternehmen, die zum ersten Mal in F&E-Förderprogramme gehoben wurden.“

Regionale Dienstleister
Kooperiert wird auch mit der AWS (Austria Wirtschaftsservice) und der FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft), um deren Förderprogramme mithilfe der VTÖ-Zentren in den Regionen besser bekannt zu machen. Dazu Strickner: „Wir planen für nächstes Jahr ein weiteres Pilotprojekt, bei dem sich Zentrumsmanager über AWS- und FFG-Programme, die speziell für Gründer und KMU interessant sind, schulen lassen, um dann als Botschafter von AWS und FFG draußen in den Regionen aufzutreten.“
Wolfgang Rupp abschließend: „Die Immobilie steht nicht mehr im Mittelpunkt. Wir sehen die Software, also unsere Dienstleistungen, die wir für Gründer und KMU in den Regionen erbringen, als viel wichtiger und losgelöst von der Immobilie an. Unsere Perspektive ist, dass in fünf Jahren die VTÖ-Mitglieder, also die Impulszentren, reine Dienstleister sind.“

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Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

An Experten auslagern

An Experten auslagernPhotos.com

Die fünf wichtigsten Trends beim Drucken und der Optimierung des Druckmanagements.

Eine effiziente Handhabung der Druckprozesse und Dokumentenarchive eines Unternehmens spart Zeit und Geld. Sieht man das Druckmanagement als in sich geschlossenen Bereich an, kommt schnell der Gedanke, diesen komplett an externe Experten auszulagern. Bei diesen „Managed Print Services“ werden alle Geräte überwacht und alle Aktivitäten aufgezeichnet. Monatliche Berichte über Druckvolumen, Kosteneinsparungen und erreichte Service Levels informieren den Kunden über die erbrachte Dienstleistung.

Entscheidende Faktoren
Fünf Trends, die wichtigsten treibenden Faktoren beim Drucken, unterstreichen den Bedarf an Managed Print Services: Konsolidierung, Kosten, Farbe, Kontrolle und Nachhaltigkeit.
Bei der Konsolidierung geht es darum, Drucker und Kopierer an wenigen Standorten oder auch nur an einem einzigen zentralen Standort aufzustellen. Die damit verbundene Optimierung der Beschaffungs- und Lieferketten erschließt enorme, sogar vertraglich garantierte Einsparungspotenziale. Durch Konsolidierung können die Anzahl der Marken und Modelle reduziert sowie kleine und ineffiziente Geräte eliminiert werden.
Aufgrund der angespannten Wirtschaftslage ist Kostenreduktion ein noch stärkeres Thema; doch Druckkosten liegen oft außerhalb des Blickfeldes. Entscheidend ist dabei der Gesamtaufwand: Neben den anfänglichen Hardware-Kosten müssen auch die laufenden Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Oft übersehen werden zudem Kosten für Helpdesk-Support für druckerbezogene Anfragen oder der Zeitaufwand für die Rechnungsbearbeitung.
Der Farbdruck wird gegen-über früher immer kostengünstiger. Farbdokumente werden zunehmend als kosteneffiziente Option für die Aufwertung von Marketing-, Design- und Vertriebsunterlagen eingesetzt. Die erhöhte Verfügbarkeit von Farbe im Büro hat die Druckbearbeitung aus der Druckerei in das Unternehmen verlagert – zum Beispiel beim Drucken von Broschüren, Vertriebsangeboten und Newslettern.
Kontrolle und Verantwortlichkeit sind sinnvoll; deshalb nutzen Unternehmen zunehmend die Möglichkeit, Druckkosten intern an einzelne Abteilungen rückzuverrechnen.
Papierverschwendung und unnötiger Energieverbrauch sind allgegenwärtige Probleme. Das Bewusstsein für ökologische Themen wird durch die Diskussion über Klimaerwärmung, Abfallvermeidung und generationenübergreifendes Denken gesteigert. Mit an Nachhaltigkeit orientierten Investitionen können Unternehmen Verantwortungsbewusstsein zeigen und zusätzlich beträchtliche Einsparungen lukrieren.

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Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Religion als persönlicher und gesellschaftspolitischer Streitfall.

Religion als persönlicher und gesellschaftspolitischer Streitfall.

Boulevard als Religion für Kanzleramt, ÖBB und Asfinag.

Das Ergebnis der aktuellen Schweizer Abstimmung zur Minarettfrage wirkt sich auch auf das stark von der katholischen (Doppel-)Moral beeinflusste Österreich aus. Eine kleine Feldstudie mit rund 20 Personen im privaten und beruflichen Umfeld spiegelt ambivalente Sichtweisen wider. Bei älteren Generationen überwiegt die Ablehnung, Jüngere sind pro Minarett. Entscheidend sind der jeweilige Wissensstand und persönliche Erlebnisse. Wie denkt ein Mensch, der meint, grundsätzlich liberal und kulturoffen zu sein? Vor Gestaltung dieser economy-Ausgabe war ich gegen Minarette in Österreich. Entschieden geprägt von der muslimischen Demonstration gegen die „Mohammed-Karikaturen“ im Februar 2006 in Wien. Bislang als „normal“ wahrgenommene Mitmenschen, und hier besonders Jugendliche, wurden mit einem Schlag zu hasserfüllten Fanatikern. Die gewaltbereite Ausstrahlung von Tausenden Muslimen in der Wiener Innenstadt hat ein lange nicht erlebtes Gefühl ausgelöst: Angst. Eine falsche Reaktion von Passanten, und durch den gruppendynamischen Effekt wäre eine zerstörerische Fanatiker-Walze ausgelöst worden. Ich bin damals regelrecht geflüchtet und denke, importierter religiöser Fanatismus darf mir in meinem Lebensumfeld keine Angst machen und meinen Bewegungsraum einschränken. Entsprechend darf es auch keine abgeschotteten Gebäude geben, die diesen religiösen Fanatismus möglicherweise fördern. Das sei fremdenfeindlich, jedem Menschen stehe zu, seine Religion auszuüben, war die zusammengefasste Reaktion meiner Umgebung. Dann hat Margarete Endl die österreichische Situation erforscht (siehe Seiten 6 und 7). Hier zeigt sich, dass Sichtweisen und öffentliche Wahrnehmung stark politisch und medial geprägt sind. Personen, die direkt involviert sind, meinen „Es geht nicht um Bauwerke, die Leute wollen keine Muslime“, reden von „politischem Missbrauch von Bürgerinitiativen mit medialer Aufmerksamkeit“ oder „Förderung der Integration durch Moscheebauten“. Ich nehme die Integration heraus und wünsche mir neben Kirchen, Synagogen und Moscheen ab nun auch Gebäude mit einem Halbmonddavidsternkreuz über dem Eingang als Ort der Begegnung, um zu lernen, den persönlichen Freiraum des menschlichen Individuums nicht einzuschränken.
Es war an dieser Stelle bereits oft ein Thema: die Hörigkeit von Bundeskanzler und SPÖ-Ministerien plus dem Bund nahestehender Unternehmen wie ÖBB, Post und Asfinag gegenüber Boulevard-Medien wie Krone, Österreich und Heute und die vergleichsweise mickrige Abspeisung anderer Medien mit Werbegeldern. In einem Bericht der Medienzeitung Extradienst wird das nun mit handfesten Zahlen untermauert. Zusammengefasst zeigt sich eine „klare Schieflage beim Inserieren in Richtung Boulevard“. Horst Pirker, Präsident des Zeitungsverbandes, ortet „ein System, das wie Korruption aussieht und sich auch so anfühlt“. Pirker weiter: „Kanzler Faymann und seine Minister konzentrieren die Steuermillionen dort, wo sie sich eine entsprechend willfährige Berichterstattung erwarten.“ Unabhängig von der rationalen Tatsache, dass Medien wie Krone eine flächendeckende Verbreitung haben und Inserate daher ebenso entsprechend viele Menschen erreichen, gibt es dabei schon auch eine demokratiepolitische Komponente und eine richtungsweisende Aussage: Unabhängige, kritische Medien sind nicht gewünscht. Und Medien, die standortpolitisch wichtige Themen behandeln, auch nicht: Nach einem schriftlichen economy-Werbeanbot an das Bundeskanzleramt kam folgende (wortwörtliche) Antwort auf die Sprachbox: „Das economy-Umfeld mit Wirtschaft, Technologie und Innovation sind für das Bundeskanzleramt nicht interessant.“ Frohe Weihnachten, Österreich.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Einfach abgehoben

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Wer Jugendlichen die Glaubensfrage stellt, erntet zuerst nur hämisches Gelächter. economy hat es trotzdem versucht und ist dabei auf gottgläubige Atheisten und religiöse Antikleriker gestoßen.

„Ich glaube an die Dummheit der Lehrer“ , „… an die Macht meiner Kappe“, „… an die Sprachlosigkeit der Politiker“, „… an die Spurenelemente im Nutella“. „Glauben heißt nix wissen, also sind all jene, die glauben, dumm und unwissend.“ Wer peinliche Fragen stellt, kriegt keine oder nur sarkastische Antworten.
Einen 16-Jährigen „Woran glaubst du?“ zu fragen, ist einfach „urpeinlich“. Mit dieser Frage dringt man zu sehr in seine Privatsphäre ein. Antworten werden oft mit provokanten Gegenfragen umgangen. „Was heißt schon Glaube? Was ist Religion überhaupt? Glaube ist nur was für Omas.“
Bleibt man jedoch hartnäckig und stellt die Sinnfrage oder die Frage nach dem Leben nach dem Tod, wird’s doch etwas tiefgründiger. „Also, ich glaube schon an etwas. Denn an irgendwas muss man ja glauben. Das wäre ja sonst blöd, wenn alles aus ist, wenn man tot ist. Wozu lebt man denn dann eigentlich?“, sinniert Lukas (17). „Ich glaube an die Liebe. Die wahre, echte Liebe und keine Gottesliebe. Denn den alle Menschen liebenden Gott, den kann’s gar nicht geben. Sonst gäbe es keine Kriege, keine Katastrophen, und es müssten nicht junge, unschuldige Menschen sterben. Aber an irgendein höheres Wesen glaube ich schon, an etwas Übernatürliches, das niemand erklären kann“, sagt Martina (16). „Ich glaube an Gott, aber nicht an den, der in der Kirche hängt. Die Kirche macht mir Angst, sie ist uncool, unheimlich, irgendwie lustfeindlich. Da geht’s um Strafen, Verbote, Gebote, in der Kirche musst du immer still sein, darfst nicht reden, nicht lachen. Da wirst du schon schief angeschaut, wenn du dich schnäuzt. Ein Ort zum Wohlfühlen und Abchillen ist das nicht“, denkt Rosa (17). „Beten tu ich schon manchmal. Wenn es drauf ankommt, ist es auch besser, wenn Glauben da ist, zum Beispiel in Krisensituationen“, meint Max (16).
Sie glauben an Gott, bezeichnen sich aber nicht als religiös. Sie basteln sich ihren eigenen Gott und brauchen keine Kirche dazu. Sie glauben an die große Liebe, die ewige Freundschaft, den Frieden und an einen Gott – stehen aber im Konflikt mit den herrschenden Religionen und ihren überholten Moralvorstellungen und Dogmen. Zu diesem Ergebnis kamen die Autoren der jüngsten österreichischen Jugendwertestudie, die im Vorjahr veröffentlicht wurde.

Ein Drittel religiös
Nur knapp ein Drittel der Jugendlichen gab bei den Befragungen an, sich selbst als „religiös“ zu verstehen. Gleichzeitig sagten 69 Prozent der Jugendlichen, dass sie an Gott glauben, dieser jedoch keine Relevanz für ihr Alltagsleben habe.
Diese gottesfreundliche Religionslosigkeit zeigt für die Autoren auf, dass der Name Gottes offenbar auch in einer Gesellschaft, in der ein religiöses, kirchliches Leben an Selbstverständlichkeit verloren und die Kirche insbesondere bei der jungen Generation massive Schwierigkeiten hat, unausrottbar ist – und damit auch seine Wirklichkeit. Doch der Glaube an Gott hängt quasi in der Luft, so die Einschätzung der Studienautoren. Es fehle der Bezug zum Alltagsleben.
Jugendliche haben tausend Fragen, sie suchen nach Antworten. Sie brauchen Freiräume und keine Verbote. „Eine Religion, die außerehelichen Sex und die Pille verbietet, die an starren Moralvorstellungen festhält, ist nicht zeitgemäß und wird nicht ernst genommen“, lautet der Grundtenor bei den befragten Jugendlichen. So darf sich die Kirche nicht wundern, dass die Jugend nicht mehr in die Gotteshäuser zu locken ist. Da hilft es auch nicht, Punkkonzerte in Kirchen zu veranstalten oder Priester in Discos zu schicken, um junge Schäfchen anzuwerben, wenn der Papst einen Tag später erklärt, dass Kondome verboten gehören.

Wissen
Die österreichische Jugendwertestudie wurde erstmals 1990/91 durchgeführt, in Kooperation mit dem Institut für Pastoraltheologie der Uni Wien und dem Österreichischen Institut für Jugendforschung (ÖIJ) – das ist übrigens jenes Forschungsinstitut, das Ende dieses Jahres aus Mangel an Fördergeldern zusperren muss – economy hat in der letzten Ausgabe darüber berichtet. 16 Jahre lang, nämlich von 1990 bis 2006, wurden im Rahmen der Studie Werte und Lebenseinstellungen junger Menschen erhoben und im Zeitvergleich analysiert. Die Studie ist unter dem Titel Lieben, Leisten, Hoffen 2008 bei Czernin
erschienen.

Astrid Kasparek, Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Der Forschung eine Basis geben

Der Forschung eine Basis geben

Daniel Weselka: „Es geht nicht um morgen oder nächste Woche. Es geht schlicht um die Zukunft und die Position unseres Landes auf der globalen Landkarte“, erklärt der Leiter der Abteilung Natur- und Formalwissenschaften und Technik des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung.

economy: Warum ist es so wichtig, sich mit einem Thema zu beschäftigen, das auf den ersten Blick nicht gerade spannend klingl? Die Rede ist von Forschungsinfrastruktur.
Daniel Weselka: In vier Sätzen: weil dieses etwas spröde Wort wesentlich unsere Zukunft mitbestimmt. Forschungsinfrastruktur bestimmt die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Innovationssystems. Eine konkurrenzfähige Infrastrukturausstattung der Bildungs- und Forschungsträger mit verbindlichen Finanzierungen sowie regelmäßiger, ergebnis- und relevanzorientierter Evaluationen ist daher ohne Alternative. Innovationen, erst recht die oft gewünschten radikalen Innovationen, lassen sich nicht planen, aber ermöglichen.

Was bedeutet das für die gerade in Entwicklung befindliche FTI-Strategie des Bundes?

Nun, auf der strategischen Ebene geht es um nichts weniger als um die Weiterentwicklung der Gesellschaft und ihrer wirtschaftlichen Grundlage. Es geht um die Materialisierung der strategischen Visionen. Das heißt um konkrete Projekte, Maschinen, Computer et cetera. Also um alles, was die Menschen, die wir ausbilden, brauchen, um konkret arbeiten zu können. Letztlich geht es natürlich auch um Geld. Diese Weiterentwicklung erfordert einerseits deutlich mehr Humanressourcen, die auf internationalem Spitzenniveau ausgebildet sind, und andererseits State-of-the-Art-Infrastruktur zur Generierung und Umsetzung von Wissen. Wissen ist eine Voraussetzung für die Beteiligung am globalen Wettbewerb, Wissen hat aber oft auch ein Ablaufdatum, daher Stillstand ist Rückschritt. Forschungsinfrastruktur ist unmittelbar entscheidend für den Forschungs- und Ausbildungsstandard sowie für die Qualität von Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen und damit auch für deren Attraktivität für Spitzenkräfte.

Ist Österreich kein attraktives Land für Spitzenforschung und Innovation?
In einigen Bereichen bestimmt, aber statt über den Brain Drain zu jammern, sollten wir aktiv ein attraktives Umfeld schaffen. Wir sehen: Dort, wo das Umfeld stimmt, haben wir die besten Leute. Wir wissen: Es sind die Köpfe, die entscheidend sind. Nicht nur in den Naturwissenschaften können Stellen nur dann mit Spitzenleuten besetzt werden, wenn sie eine adäquate Infrastruktur vor Ort vorfinden und Zugang zu internationalen Einrichtungen haben. In der Praxis heißt das, dass auch die Zweit- und Drittgereihten in den Verhandlungen entsprechende Investitionen fordern. Die Besten tun sich das in der Regel nicht an, sondern setzen ein entsprechendes Arbeitsumfeld als selbstverständlich voraus.

Das heißt also, die Existenz beziehungsweise der Zugang zu erstklassiger Infrastruktur ist wesentlich für die Qualität sowohl des Forschungspersonals als auch der Forschungsergebnisse?
Genau. Man kann es nicht oft genug sagen: Der weitere Ausbau der nationalen Infrastruktur und der zugehörigen Enabling Technologies wie Hochleistungsrechner, Datenspeicher und -netze, Anlagen zur Strukturanalyse auf allen Ebenen – mikro, nano et cetera – sowie die Sicherung des Zugangs zu internationalen Spitzenforschungseinrichtungen sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungsstandorts Österreichs.

In welchen Zeitdimensionen muss man hier denken, und was ist das Ziel?
Es geht nicht um morgen oder nächste Woche. Es geht schlicht um die Zukunft und unsere Position auf der globalen Landkarte. Man braucht auch das Rad nicht neu erfinden. Auf Basis vorhandener Exzellenz und im Einklang mit den europäischen Entwicklungsplänen – der berühmten ESFRI Roadmap – müssten die Internationalisierung des österreichischen Forschungssystems als auch die adäquate Beteiligung am Europäischen Forschungsraum konsequent fortgesetzt werden. Hier ist ja auch schon einiges geschehen. Wir haben in einigen Bereichen Spitzenpositionen inne. Die gilt es zu halten und bedarfsgerecht neue zu etablieren.

Welche Schritte gilt es jetzt zu setzen?
Für das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung wäre die Fortsetzung der Forschungsinfrastrukturini­tiativen I bis IV für die Universitäten im Wettbewerb und qualitätsgesichert durch Peer-Review-Verfahren wichtig. Ebenso die Bottom-up-Initiativen an der europäischen Roadmap auf Basis vorhandener Exzellenz, Schwerpunktsetzungen der Politik und qualitätsgesichert durch europäische Auswahlverfahren. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Ziele der Systemevaluierung, sprich: Reduktion von Komplexität, müssen keine neuen Strukturen, Plattformen, Kommissionen et cetera geschaffen werden. Sondern der existierende Dialog mit den Forschern ergänzt um eine existierende österreichweite Bestandsaufnahme könnte in eine nationale Roadmap für Forschungsinfrastruktur umgesetzt werden. Diese Roadmap wäre ein integraler Bestandteil der Forschungsstrategie des Bundes, da sie die Zielsetzung – also die Bestimmung operationalisierbarer Teilziele – mit Leben erfüllt, und würde weg von Case-by-Case-Interventionen zu einem zeitgemäßen Public Management beitragen.

An Ideen mangelt es nicht.
Ja, die Lebendigkeit der Forschungsszene ist wirklich eine Freude. Nur, was nützt die beste Idee mit den schönsten Entwicklungsperspektiven, wenn es keine Finanzierung gibt? Genau daran wird aber jetzt gearbeitet. Als Vertrauensbasis und Perspektive seitens der Forschungspolitik wäre das vom Wissenschaftsminister in Alpbach vorgeschlagene Forschungsfinanzierungsgesetz bestens geeignet, die nachhaltige Budgetierung mit verbindlichen Quoten für Infrastruktur­investitionen abzusichern.

Und wie sieht es in puncto Umsetzung aus?
Die Umsetzung der Roadmap ist in ganz Europa ein schwieriges Thema, aber sie ist gleichzeitig die beste Medizin gegen eine gefährliche Krankheit: die Zukunftsschwäche. Ohne einen entsprechenden Stufen- und Investitionsplan wird es nicht gehen. Dabei wird man weder um eine Auswahl noch um eine Überprüfung der Effizienz bereits vorhandener Infrastrukturen herumkommen. Ein derartiger Aufbruch zu neuen Themen wäre ein absoluter Gewinn.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Galaktische Moleküle

Galaktische MoleküleRochus Hess

Internationales Forscherteam sucht nach außerirdischem Leben.

Auf eine Spurensuche nach außerirdischen Lebensformen begibt sich eine neue, international vernetzte universitäre Forschungsplattform an der Fakultät für Geowissenschaften, Geografie und Astronomie und der Fakultät für Physik der Universität Wien. Was sich hinter dem etwas sperrigen Namen „Alternative Solvents as a Basis for Life supporting Zones in Exo-Planetary Systems“, kurz Exolife, verbirgt, ist das Bestreben, „Leben“ anders zu definieren, als das bislang der Fall ist. So gehen die Naturwissenschaften grundsätzlich davon aus, dass Leben nur in Zusammenhang mit Wasser als Lösungsmittel und Stoffwechselprozessen auf Kohlenstoffbasis entstehen kann. Eben so, wie das auf der Erde der Fall war.
Genau so gut könnte es aber möglich sein, dass außerirdisches Leben auf anderen chemischen Elementen wie zum Beispiel Stickstoff basiert und nicht zwingend Wasser, sondern andere Lösungsmittel wie etwa Ammoniak, Formamid oder Schwefelsäure für seine Entwicklung benötigt. Das versucht das Forscherteam gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Weltraumforschung der ÖAW, der Universität Hohenheim (D), dem Oberservatoire de Paris (F), der Landwirtschaftlichen Universität Nitra (SK) und des astronomischen Departments der Harvard University (USA) herauszufinden.
Dabei gilt es abzuklären, welche Lösungsmittel astronomisch überhaupt infrage kommen, welche chemische Zusammensetzung exotische Lebensformen haben können und wo in den unendlichen Weiten des Weltalls sich derartiges Leben befinden könnte.
Ziel der Forschung im Rahmen der Plattform Exolife ist es, sogenannte Biomarker-Merkmale, welche die Atmosphäre eines potenziell „lebenstauglichen“ Exo-Planeten (also eines Planeten außerhalb unseres Sonnensystems) aufweisen müsste, zu identifizieren. Mit einem derartigen Wissen ausgestattet könnten zukünftige Weltraummissionen dann nämlich gezielt nach „Alien-Molekülen“ Ausschau halten.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Kirche: Jungfräulichkeit ist kultig

Kirche: Jungfräulichkeit ist kultigPhotos.com

Über die Entstehung eines Kultes, der von der Mutter Jesu bis über Britney Spears in den 1990er-Jahren hinausreicht.

Im weitesten Sinne definiert der Jungfräulichkeitskult im Christentum bis in die Gegenwart hinein das traditionelle Frauenbild. Jungfräulichkeit hat besonders für die katholische Kirche eine absolut essenzielle Bedeutung. Sie selbst präsentiert sich als die jungfräuliche Braut des Herrn. Jungfräulichkeit ist demnach ein Ideal, das gewissermaßen noch über dem Sakrament der Ehe steht und eine lange Geschichte hat.
Untrennbar mit dem christlichen Konzept der Jungfräulichkeit verknüpft oder gar als dessen Ausgangspunkt zu verstehen ist die Heilige Jungfrau Maria. Dabei war deren Jungfräulichkeitsstatus weit über ein Jahrtausend hinaus Anlass für hitzige innerkirchliche Diskussionen.

Eine lange Geschichte

Zwar wurde die unbefleckte Empfängnis schon sehr früh aus einer Bibelstelle abgeleitet und weitestgehend kritiklos akzeptiert. Jedoch stellten sich Gelehrte alsbald die Frage nach dem „Danach“. Jesus musste als Sohn Gottes von einer Jungfrau geboren worden sein, als Zeichen seiner Reinheit. Nur, was geschah bei der Geburt? Jahrhundertelang und in mehreren Konzilen wurde darüber beraten. Schließlich wurde beschlossen, dass Maria für immer, also auch trotz der Geburt Jesu sowie trotz gewisser Schriftstellen, in denen von Geschwistern Jesu die Rede ist, eine Jungfrau war und blieb. Kirchenkritiker wie Hans Küng wiederum behaupten, dass im Originaltext nicht einmal von einer „Jungfrau“, sondern schlicht von einer „jungen Frau“ die Rede sei.
Dass Marias Jungfräulichkeit die Kirche seit jeher beschäftigt, zeigen nicht zuletzt historische Eckdaten, die verdeutlichen, dass es sich dabei um ein höchst zentrales Thema handelt. Über das Wunder der unbefleckten Empfängnis herrschte dabei seit dem zweiten Jahrhundert kirchliche Übereinstimmung. Die immerwährende Jungfräulichkeit ist hingegen bis heute ein heikles Thema geblieben.
„Alle Bestandteile der Lehre von Marias immerwährender Jungfräulichkeit sind erst am Ende des vierten Jahrhunderts beisammen“, schreibt Giovanni Miegge, Professor für biblische Exegese, in seinem Buch Die Jungfrau Maria in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das zweite Konzil von Konstantinopel legte im Jahr 553 schließlich die immerwährende Jungfräulichkeit Marias fest. Doch erst im Jahr 649 wurde nach einer langen Zeit von kursierenden Schriften und Legenden (als Protestant sprach Miegge dabei von der „Fantasie des Volkes“) die immerwährende Jungfräulichkeit Marias in einem Lateralkonzil zum kirchlichen Dogma erhoben.
Dennoch entbrannte immer wieder Streit über das Konzept der Immerjungfrau, sodass fast ein Jahrtausend nach dessen Dogmatisierung die immerwährende Jungfräulichkeit im Konzil von Trient 1546 erneut bekräftigt wurde. Der Hickhack hält bis heute an. Der deutschen Theologin und erfolgreichen Buchautorin Uta Ranke-Heinemann (Eunuchen für das Himmelreich erscheint mittlerweile in der 25. Ausgabe) wurde 1987, nachdem sie öffentlich Zweifel an der Jungfrauengeburt Marias kundgetan hatte, die Lehrbefugnis für katholische Theologie entzogen.
Doch warum eigentlich noch immer diese Aufregung? Dürfte man heutzutage nicht die Ansicht Miegges teilen, wonach „Marias leibliche Unversehrtheit nur für Maria selbst oder besser für ein Jungfräulichkeitsideal, das man in Maria verkörpert sehen möchte, Bedeutung hat“? Diese Erklärung leuchtet zwar ein, aber so einfach ist es offenbar auch wieder nicht. Denn auf dieses Ideal stützt sich in gewisser Weise die Legitimität der Kirche.
Das christliche Konzept von Jungfräulichkeit geht über bloße sexuelle Abstinenz hinaus, es steht viel mehr für ein exklusives Dasein für den Herrn. Auch wenn die Ehe ein Sakrament ist und somit über der Jungfräulichkeit stehen müsste, so ist sie praktisch eine „Übergangslösung“, in der gewissermaßen die Liebe zu Gott auf einen Menschen projiziert wird. „Nur in dieser Welt heiraten die Menschen“, heißt es bei Lukas 20,34. Jungfräulichkeit stellt einen Bund auf höherer Ebene dar, einen, der im Gegensatz zur Ehe über den Tod hinausreicht. Die Kirche muss demnach in ihrer Selbstdarstellung an der Jungfräulichkeit festhalten, um ihren eigenen Maßstäben zu entsprechen. Auch wenn immer mehr Stimmen laut werden, die etwa eine Lockerung des Zölibats oder ähnliche Reformen fordern, nicht zuletzt wegen unappetitlicher Verstöße seitens Gottes vermeintlichem Bodenpersonal.

Kirchliche Auswirkungen
Selbstverständlich hat der jahrhundertealte Jungfrauenkult auch seine Auswirkungen außerhalb der Kirche. Eines der wohl bekanntesten Beispiele hierfür ist die englische Königin Elisabeth I., die, zumindest offiziell, ein Leben lang Jungfrau blieb. Zwar steckte mit Sicherheit auch politisches Kalkül dahinter, trotzdem entstand dadurch ein regelrechter Kult um ihre Person. In der Kunst wurde sie folglich als Göttin, Jungfrau oder als beides dargestellt, kaum jedoch als Frau. Bald entstanden Metaphern, die sie in einer Ehe mit ihrem Reich oder verheiratet mit ihrem Volk beschrieben. Dies entspricht exakt dem kirchlichen Konzept von Jungfräulichkeit als eine Art Ehe auf höherer Ebene.
Wenn man nun bedenkt, dass wahrscheinlich nichts unserem Kulturkreis einen so markanten Stempel aufgedrückt hat wie die Kirche, wird klar, dass auch heute, in Zeiten des Kirchenaustritts, eine deutliche Prägung besteht. Kulturkritiker beispielsweise, insbesondere Feministinnen, untersuchen deshalb, inwiefern moderne Geschlechterrollen aus dem Frauenbild der Kirche hervorgehen. Auch wenn der Einfluss der Kirche heutzutage längst nicht mehr so stark ist wie damals, geht der Ursprung des einen oder anderen Doppelstandards bezüglich moderner Geschlechterrollen eindeutig auf diese Auslegungen zurück.

Emanuel Riedmann, Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

„Das ist nicht der Gott, den ich kenne“

„Das ist nicht der Gott, den ich kenne“DPA/Hendrik Schmidt

Die Anhänger der Schöpfungslehre liefern sich in den USA traditionell hitzige Debatten mit Vertretern der Lehrmeinung. Gläubigen Naturwissenschaftlern kommt inmitten des Gerangels eine heikle Position zu.

Michael Dowd, Geistlicher und mit einer bekennenden Atheistin verheiratet, reist seit sieben Jahren als Evolutionsevangeliker durch die USA, um eine, wie er sagt, „Religion 2.0“ unter die Leute zu bringen. Sein Buch Thank God for Evolution (Dankt Gott für die Evolution) wird von fünf Nobelpreisträgern und einer ganzen Heerschar von Wissenschaftlern in den höchsten Tönen gelobt.
Dowds Weltsicht konzentriert sich ganz und gar auf die Evolution und kommt dabei ohne einen persönlichen Gott aus. Anklang findet das Konzept nicht nur unter Forschern. 70 Prozent des Publikums können sich bei seinen, meist im religiösen Rahmen stattfindenden Vorträgen mit der Idee anfreunden, so der Autor.
Die hitzige Debatte der Darwin-Verweigerer und Intelligent-Design-Vertreter, die entweder die Evolutionstheorie die Ursache allen Übels schimpfen oder die christliche Schöpfungsgeschichte verwissenschaftlichen, kühlt auch unter der Obama-Regierung nur langsam ab. Entsprechend kontroversiell bleibt die Frage, ob gläubigen Forschern beim Arbeiten ihre privaten Heilsansichten in die Quere kommen. „Das Thema löst bei vielen Wissenschaftlern Alarm aus, vor allem bei jenen, die nicht religiös sind“, sagt Stephen Granade, Physiker bei Advanced Optical Systems, einem Unternehmen, das unter anderem für die Nasa arbeitet.

Dutzende Meinungen
Angesichts der in den letzten Jahren ablehnenden Haltung gegenüber Themen wie embryonaler Stammzellenforschung sei dies seiner Meinung nach durchaus verständlich. Granade selbst arbeitet im Norden Alabamas, einer Kernregion des Bible Belt, der sich über den Südosten der USA erstreckt. Religiöse Wissenschaftler würden dort kaum Irritationen auslösen.
Tatsächlich kursieren Dutzende von Spielarten zwischen Darwinismus auf der einen Seite und dessen Ablehnung auf der anderen. Francis Collins, ehemaliger Leiter des Human Genome Project und seit August Chef der National Institutes of Health, ist Genetiker und offen bekennender Christ. Sein Job an der Spitze der finanzstärksten US-Forschungsförderungsstelle hindert Collins nicht daran, seine Privatmeinung über die Anfänge des Lebens kundzutun.
Von wörtlichen Auslegungen der Bibel distanziert er sich ebenso wie von einer Schöpfung, die in sieben Tagen oder vor 6000 Jahren stattfand. Zur Entwicklung der Doppelhelix befragt, kommentiert Collins allerdings, dass es sich dabei seiner Ansicht nach um die Art und Weise handle, „wie Gottes Wort Leben entstehen ließ“.
Während für sogenannte „Ultra-Darwinisten“ wie den britischen Wissenschaftsautor und Biomathematiker Richard Dawkins Evolution nur mit Atheismus in Einklang zu bringen ist, lehren nahezu alle christlichen Universitäten in den USA die Evolutionstheorie. Der Unterschied zur Vermittlung an herkömmlichen Hochschulen ist, dass der christliche Gott dabei meist glorifiziert wird – für den Geistlichen Dowd ein viel zu theistischer Ansatz. Für ihn ist die Menschheitsgeschichte nicht nur untrennbar mit der Historie des Kosmos verbunden. Das Universum würde sich durch den Menschen gar seiner selbst bewusst. „Wir sind die Natur, die ihre eigene Natur entdeckt“, formuliert Dowd. „Offenbarungen“ sind für ihn wissenschaftliche Erkenntnisse, womit sein Konzept eine Art Brückenschlag zwischen religiösen und nichtreligiösen Überzeugungen darstellt: eine Weltsicht, die alle vereint, weil sie auf Fakten basiert.

Glaube ohne Worte
Dass religiöse Fundamentalisten die Bibel wörtlich nehmen, ist für Doris Kuhlmann-Wilsdorf „wissenschaftlicher Nonsens“. Die gebürtige Deutsche wurde 1963 als eine der ersten Frauen als Professorin für Technische Physik an die University of Virginia berufen und ist heute im Ruhestand. „Man weiß aus der Quantenmechanik, dass sich Wahrheit nicht in Worte fassen lässt“, verdeutlicht Kuhlmann-Wilsdorf. Darin seien schließlich alle Weltreligionen vereint: „Religion ist nicht wörtlich zu verstehen“, so die Physikerin. Seit Mitte der 1970er Jahre versuche sie ihren Studenten zu vermitteln, dass Wissenschaft und Religion zwei Seiten „einer großen Schöpfung“ seien. An der
öffentlichen Debatte des Themas lässt Kuhlmann-Wilsdorf kein gutes Haar: „Es gibt eine halb offizielle Sichtweise, wonach die Wissenschaft bewiesen habe, dass es keine Seele gibt und dass es unwissenschaftlich und dumm ist, gläubig zu sein“, ist sie überzeugt.
Für „zumeist schlecht“ hält die Auseinandersetzung auch Erik Anderson, Assistant Professor am Institut für Maschinenbau des Grove City College. „Beide Seiten sprechen zumeist aneinander vorbei und bringen Pseudoargumente“, meint Anderson. Die Paläontologin Kate Bulins­ki, Assistant Professor für Geowissenschaften an der katholischen Bellarmine University in Louisville, unterrichtet das Seminar „Evolution und Kreationismus“. Heuer sind rund die Hälfte der Teilnehmer erstsemestrige Biologiestudenten mit überdurchschnittlichem Notendurchschnitt, alle „ziemlich einverstanden mit der Evolution“, so Bulinski. Ziel sei es, Missverständnisse auszuräumen, etwa, dass der Mensch in direkter Linie vom Affen abstamme. Typisch sei auch die Behauptung, dass Evolution „nur“ eine Theorie sei. In der wissenschaftlichen Bedeutung sei das ja immerhin Faktenbasiertheit. In diesem Jahr ist nur eine Kreationistin mit dabei. „Und sie hat ihre Meinung geändert.“ Zweifel kennt Anderson nicht: „Ich glaube, was die wissenschaftlichen Daten sagen: Fossilien, die auf gemeinsame Vorfahren hindeuten.“ Warum solle ein Gott die Menschen damit an der Nase herumführen?„Das ist nicht der Gott, den ich kenne.“

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

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