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24. Juli 2024

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Die komischen Schrullen der Milliardäre

Die komischen Schrullen der MilliardäreEPA

Was verbindet den saudischen Prinzen Al Walid, den Investor Warren Buffett und Ikea-Gründer Ingvar Kamprad? Sie alle hegen und pflegen ihre Milliardärsschrullen, denn sie sind nicht nur reich, sondern richtig reich.

Der saudische Prinz Al Walid Ibn Talal Al Saud ist kein Meister des Understatements. Der 54-jährige Investor, ein Spross der saudischen Königsfamilie, liegt zurzeit auf Platz 22 der Forbes-Liste der Superreichen mit einem Vermögen von 13 Mrd. Dollar. Trotz der Einbußen, die ihm die Finanzkrise gebracht hat, besteht for Al Walid noch lange kein Grund, den Kopf hängen zu lassen.
Schließlich ist er ganz im Gegensatz zu seinen zu Philanthropen gewandelten Milliardärskonkurrenten Bill Gates und Warren Buffett keiner, der eine Annehmlichkeit auslässt. Im Oktober 2007 machte er Schlagzeilen, als er als erster Privatkunde einen Airbus A380 in der sogenannten Flying-Palace-Ausstattung kaufte, zu Kosten von kolportierten 500 Mio. Dollar.
Was es dort nicht alles gibt: einen Lift über die drei Stockwerke des Flugzeuges, der nach der Landung bis zum Boden fährt und dort automatisch einen roten Teppich ausrollt. Eine Konzerthalle, ein Kino, einen Wellness Room, einen marmornen Hammam. Eine große geschwungene Freitreppe, eine Autogarage, Techno-Gadgets wie einen Hologramm-Projektor in allen vier Gäste-Suiten, der auf Wunsch auch einen Gebetsteppich ins Zimmer zaubert. Geflogen wird der A380 übrigens von Walids persönlicher Pilotin Hanad Zakaria Al Hindi, der ersten und einzigen saudischen Frau, die den Pilotenberuf ausübt. Ansonsten besitzt der Prinz eine der größten Motorjachten der Welt, eine Juwelensammlung im Wert von 750 Mio. Dollar, viele Paläste und noch allerlei mehr.
Beobachter sind sich nicht sicher, ob Al Walid geschmackssicher genug für seine anspruchsvolle Rolle als Milliardär ist. So ist zum Beispiel die Zentrale seiner Kingdom Holding in Riad, ein signifikanter Turm an der Hauptachse der Stadt, mehrfach zum „hässlichsten Wolkenkratzer der Welt“ gekürt worden. Al Walids Auftritt, obwohl stets in edles Tuch gewandet, wird etwas durch seine altmodische Brille, die ruppige Frisur und den Proloschnauzer konterkariert.
Was soll’s. Superreiche müssen keine Models sein, aber sie dürfen ihre Schrullen haben. Warren Buffett zum Beispiel trinkt angeblich nur Cherry Coke und weigert sich seit Jahrzehnten standhaft, sein Krankenkassa-Brillengestell durch ein moderneres zu ersetzen. Er bezeichnet Finanzderivate als „Massenvernichtungswaffen“ und jene, die damit spekulieren, als „Verrückte“. Und so manövrierte er seinen Investmentfonds Berkshire Hathaway bemerkenswert gut durch die Krise.

Doch nur ein Geizhals
Ein anderer Fall ist Ingvar Kamprad. Der Ikea-Gründer liegt zurzeit auf Platz fünf der reichsten Menschen der Welt mit einem Vermögen von 22 Mrd. Dollar, alles erwirtschaftet aus seinen Möbelläden und verwaltet an seinem steuerschonenden Wohnsitz in der Schweiz. Der 83-Jährige ist aber auch bekannt für seine Schrullen, etwa, dass jede seiner Reden an Firmenangehörige mit den Worten „Ich liebe euch alle“ beginnt.
Er ist auch berühmt und berüchtigt für seine zum Geiz übersteigerte Sparsamkeit, die Stoff für viele Anekdoten liefert. Auf Dienstreisen etwa nimmt er zum Verdruss seiner engeren Mitarbeiter am Zielort statt einem Taxi stets den Flughafenbus, und dies, wenn möglich, auch noch mit Seniorenrabatt. Er versendet an seine Mitarbeiter Weihnachtskarten, die vom letzten Jahr aufbereitet sind. Beim Einkaufen in seinen Möbelhäusern beharrt er stets auf einen Mitarbeiterrabatt, auch wenn es sich nur um eine Packung Teelichter handelt. Er fährt angeblich einen alten Volvo, den er bevorzugt bei Diskonttankstellen auftankt.
Doch 1994 hat Kamprad die Vergangenheit eingeholt, als die schwedische Zeitung Expressen aufdeckte, dass Kamprad in den 1940er-Jahren Mitglied der „Neuschwedischen Bewegung“, einer nationalsozialistischen Organisation, war und diese – ganz entgegen seinem sonstigen Geiz – auch großzügig finanziell unterstützt hatte. „Der größte Fehler meines Lebens“, sagte er nach der Aufdeckung. Die Schweden scheinen ihm verziehen zu haben.
Offenheit bewahrt Kamprad auch über sein Alkoholproblem. Er bezeichnet sich selbst als Quartalstrinker, der „Whiskey und Wein sehr mag“, aber aufpassen muss, nicht dauernd weiterzutrinken.
Wie sehr Superreiche aber auch den ganz natürlichen Dingen zugewandt sein können, zeigte die pikante Affäre rund um die BMW-Erbin Susanne Klatten. Die verheiratete Milliardärin hatte sich mit einem Schweizer Filou eingelassen, der sie anschließend mit kompromittierenden Videos erpresste. Wo die Liebe hinfällt: „Er war groß, schlank und so liebenswürdig“, sagte Klatten über ihren Gigolo, der sie um mehrere Millionen erleichterte, die sie ihm bereitwillig überließ. Klattens aktuelle Ersparnisse liegen bei rund zehn Mrd. Dollar. Wir bedauern.

Italienischer Anti-Milliardär
Es gab auch einmal Milliardäre anderer Art, nämlich solche, die es nicht sein wollten und innerlich dagegen und gleich gegen das ganze System kämpften. Ein Beispiel dafür war Giangiacomo Feltrinelli, der Spross der superreichen italienischen Industriellenfamilie gleichen Namens.
Feltrinelli (1926–1972) trat, trotz seiner Herkunft und seines üppigen Erbes, in den 1940er-Jahren einer linken, antifaschistischen Gruppe bei. 1954 gründete er den Verlag Feltrinelli, der unter anderem das weltbekannte Che-Guevara-Foto von Alberto Corda als Erster veröffentlichte. Feltrinelli finanzierte auch den Vietnamkongress 1968 in Berlin und knüpfte enge Kontakte zu Fidel Castro. Gleichzeitig saß er aber auch im Aufsichtsrat mehrerer italienischer Industriegiganten.
Im Laufe dieser Jahre zog es den Milliardär immer stärker zum politischen Aktivismus hin, bis er im linksterroristischen Untergrund abtauchte. Er tauchte wieder auf – als Leiche. Er lag im Jahre 1972 neben einem Hochspannungsmast nahe Mailand, den er angeblich eigenhändig hatte sprengen wollen.

Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009

Schnappschuss

SchnappschussPeter Cutts Photography

Nachwuchswissenschaftler geehrt.

Im Rahmen eines Empfanges an der österreichischen Botschaft in Washington DC hat Botschafter Christian Prosl drei in Nordamerika tätigen österreichischen Wissenschaftlern den österreichischen Ascina-Preis (Austrian Scientists and Scholars in North America) überreicht. Gerlinde Wernig vom Institute for Stem Cell Biology and Regenerative Medicine, Stanford University, wurde mit dem Young Scientists Award ausgezeichnet. Peter Winzer, Bell Labs, wurde mit dem Junior Principal Investigator Award ausgezeichnet. Martin W. Hetzer, Salk Institute for Biological Studies, wurde mit dem Junior Principal Investigator Award ausgezeichnet. Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch Gary Cohen, der langjährige Direktor des 1977 gegründeten Center for Austrian Studies an der University of Minnesota, für seine intensiven Bemühungen um Vertiefung der akademischen Zusammenarbeit zwischen Österreich und den USA geehrt.

Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009

Insel-Lösung

Insel-LösungPhotos.com

Alcatel-Lucent stattet irisches Parlament aus.

Um seine Kommunikationsdienste zu verbessern, hat das irische Parlament („Houses of The Oilreachtas“) Alcatel-Lucent damit beauftragt, ein modernes IP-Netz zu installieren. Durchgeführt wurden die Arbeiten vom Alcatel-Lucent-Business-Partner Nextira One.

Bewährte Lösung
Unified Communications steht auch bei dieser Lösung einmal mehr im Vordergrund, schließlich galt es, das aus Oberhaus, Unterhaus und Präsidentschaft bestehende Parlament und seine Mitarbeiter umfassend miteinander zu vernetzen. Zum Einsatz kam einmal mehr das bewährte Omni-PCX Enterprise Communications Systems von Alcatel-Lucent, das sich bei zahlreichen Konzernen und öffentlichen Institutionen bereits bewährt hat. Omni-PCX ist eine integrierte Kommunikationslösung für mittlere und große Unternehmen. Sie verbindet bewährte Technologien wie zum Beispiel konventionelle TDM-Telefonie mit neuen Technologien wie eigene IP-Plattform, und SIP-Unterstützung. „Für die Mitglieder der beiden Häuser und für ihre Teams konnten mit dieser modernen Lösung die Arbeitsbedingungen deutlichst verbessert werden. Der Informationsaustausch kann nunmehr in Echzeit erfolgen. Das steigert in weiterer Folge die Produktivität und reduziert dank modernster Technologie darüber hinaus auch noch die Kosten“, freut sich Ron Maher, Generaldirektor von Nextira One Irland, über den Erfolg.
Für den französischen Kommunikationsdienstleister Alcatel-Lucent bedeutete dieser prestigeträchtige Auftrag auch eine Festigung seiner Position auf dem irischen Markt.

Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009

Modeschmuck und Hornhautraspel

Modeschmuck und HornhautraspelHSE

Ich will nichts von Ihnen. Aber ich habe was für Sie. Die hohe Kunst des Verkaufens beherrscht längst nicht jeder Verkäufer. Gesammelte Erfahrungen einer Propagan­distin. Ein Psychogramm.

Es gibt Tage, da wünschen wir, Märchen würden wahr. Alle reden von Schweinegrippe, von Epidemie, von Ansteckung. Es müsste ein Virus geben, das seinen Wirt in die dumme Lage bringt, Lügen, Tricks und falsche Versprechungen augenblicklich sichtbar werden zu lassen. Es müsste also zugehen wie in Carlo Collodis Pinocchio. Immer wenn der kleine Holzkopf lügt, wächst seine Nase. So lange, bis er wieder damit aufhört. Ein Virus, das so etwas möglich machen könnte – es wäre ein Segen in Zeiten wie diesen, denn der ehrliche Autoverkäufer muss erst noch geboren werden. Da wüchsen meterlange Nasen, und bald könnte man sich kaum noch irgendwo bewegen. Überall stieße der Zinken an die Grenzen der Wirklichkeit. In kürzester Zeit verbreitete sich der C3P8, nennen wir ihn mal so, auf der ganzen konsumierenden Welt.
Ein Griff an die Nase – und alles ist klar, ein Märchen. Die Gebrüder Grimm waren wahre Meister darin, und außerdem definierten sie den Begriff vor 150 Jahren in ihrem Deutschen Wörterbuch. Märchen kommt von Mär, und das ist das alte Wort für Bericht und Kunde. Kunde? Das bedeutet nicht nur Geschichte oder Gerücht, sondern auch noch etwas ganz anderes, im einfachsten Fall „eine Organisation oder eine Person, die Produkte oder Dienstleistungen bezieht“. So steht es im Lexikon. Als das Wort im Althochdeutschen auf die Welt kam, bedeutete es: Eingeweihter, Wissender.

Sprache der Krieger
Der Kunde weiß etwas. Er ist eingeweiht. Er kennt das Spiel. Er lässt sich nicht für dumm verkaufen. Dass das trotzdem geschieht, liegt daran, dass Kunden und Anbieter in unterschiedlichen Welten leben. Das ist nicht schön, außerdem recht teuer und führt zu befremdlichen Verhaltensweisen. Sprache ist verräterisch. Der Kampf um Aufmerksamkeit ist kein Selbstzweck. Alles, was uns Werbung und Image-Broschüren versprechen, dient einem Ziel: dem Absatz – volkstümlich auch dem Verkaufen von Waren und Dienstleistungen. Marketing, Werbung und Public Relations sind die Stabsabteilungen in diesem Kampf. Verkäufer und Vertriebler sind die Fußtruppen. Ihre Wirkungsstätte ist der Verkauf, die „Front“. „Front“, „Kampagne“, „Offensive“, „Werbefeldzug“, mit diesem martialischen Wortschatz planen „Stabsabteilungen“ ihre „Strategie“ und „Taktik“. Kein Zweifel: Die Herrschaften befinden sich im Krieg. Gegen wen, ist leicht rauszukriegen.
Rosemarie Zeller kommt auf die sanfte Tour. Mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung als Propagandistin tingelt sie als moderne Marketenderin derzeit für einen Hersteller von Nagelfeilen Wiener Provenienz durch Shoppingmalls, Kaufhäuser und Parfümerien. Mit ihrem Entree hat die attraktive 50-Jährige gleich zwei wichtige Eigenschaften des guten Verkäufers demonstriert: eine gewisse Hemmungslosigkeit und die Lust, sich zu produzieren. Gekonnt führt sie vor, wie eine Verkäuferin zu gehen hat: den Rücken gerade, in Model-Manier immer einen Fuß vor den anderen. „Die Schuhe dürfen keine zu hohen Absätze haben, weil der Gang sonst lasziv wirkt und zu viel Erotik schlecht fürs Geschäft ist; die Verkäuferin soll das Produkt nicht überstrahlen“, plaudert sie aus dem Nähkästchen. Sie startete ihre Karriere bei einer amerikanischen Kosmetikfirma, wo die Abteilungsleiterin ihre Wertschätzung je nach Umsatz verteilte. „Wer mehr verkaufte, wurde mehr geliebt, und ich wollte geliebt werden“, erinnert sich Zeller. Und wie macht man Umsatz? „Irgendwann bin ich in meiner Verzweiflung einfach auf eine Kundin zugegangen und habe gesagt: ,Sie müssen stehen bleiben! Ich habe genau den Lippenstift, der zu Ihrer Bluse passt.‘ Das war der Anfang.“ Verkaufen durch Zuwendung, das ist immer noch ihre goldene Regel.

Portemonnaie-Walzer
Irgendwann wurde ihr Talent als Propagandistin, das sind Leute, die in Fußgängerzonen Gemüsehobel, Fußpflegemittel oder Fleckenentferner verkaufen, „entdeckt“. Mit einem Tisch voller Lockenwickler, das Päckchen zu 100 Schilling, in der Wiener Innenstadt, und sie schämte sich. „Ich dachte: Wenn mein Vater zufällig vorbeikommt, haut der mir eine runter. Der erste Tag war furchtbar. Aber schon am zweiten fühlte ich mich wohler, wie auf einer Bühne. Wenn ich gesagt habe, dass die Leute gucken sollten, haben sie geguckt. Und ich habe unwahrscheinlich viel verkauft.“
Erst werde das Publikum „wie in der Oper eingegeigt“, sein Interesse geweckt, dann das Produkt vorgeführt. Die Dauer der Vorführung hänge vom Preis ab. „Lange Rede, großes Geld; kurze Rede, kleines Geld“, sagt Zeller. „Bei billigen Sachen wollen die Leute schnell das Erfolgsgeheimnis des Kaufs haben. Bei teuren müssen Sie schon ein bisschen länger auf dem Seil tanzen.“
Schließlich der Höhepunkt: der „Portemonnaie-Walzer“. „Bei den Leuten entsteht das Gefühl: Ich will das jetzt haben, aber leider muss ich noch warten.“ Denn, das ist die zweite eherne Regel, der Propagandist lässt sich auf keinen Fall bei seinem Vortrag unterbrechen. Nie. Wer vor dem „Portemonnaie-Walzer“ nach dem Preis fragt, wird abgebügelt. „Egal ob Hornhautentferner oder Modeschmuck, alles ist verkäuflich, wenn die Show nur gut ist. Für Zeller ist diese Art des Vertriebs – heute vor allem in den Home-Shopping-Kanälen wie HSE24 (im Bild) zu sehen – die hohe Schule.
„Für den normalen Verkäufer gibt es nur ein Ziel: Die Ware muss weg. Und er wird jedes Mittel einsetzen, um sie zu verkaufen. Wer so arbeiten muss, ist auf der Flucht – vor dem Kunden. Der Propagandist aber muss seine Kunden fesseln und dabei auf das Produkt und sich selbst setzen. Der Standardverkäufer muss das nicht. Den Unterschied machen Liebe und ein bisschen Alltagspsychologie“, sagt sie und gibt ein Beispiel: „Wenn ein Kunde eine grüne Gießkanne haben will, aber nur eine orangefarbene auf Lager ist, sagt der Standardverkäufer: ,Grüne Gießkannen haben wir nicht, ich kann Ihnen nur eine orangefarbene anbieten.‘ Ich würde überlegen und sagen: ,Da habe ich etwas ganz Tolles für Sie‘ und die orangefarbene holen: ,Stellen Sie sich mal vor, die steht in Ihrem grünen Garten. Sieht prima aus, und Sie finden sie jederzeit wieder.“

20.11.2009

Pornoindustrie entdeckt das Internet

Pornoindustrie entdeckt das InternetEPA

2006 gingen Porno-DVD-Umsätze drastisch zurück. Schuld daran war das Internet. Doch jetzt wird es genutzt.

„Wir haben es mit zügelloser Piraterie zu tun und tonnenweise freien Inhalten“, so äußerte sich Steven Hirsch über die Konkurrenz aus dem Internet, welche die lukrativen Geschäfte der von ihm gegründeten Produktionsfirma Vivid vermiest, die zu den größten der amerikanischen Pornobranche zählt. Einst habe sein Unternehmen 80 Prozent seines Jahresumsatzes von rund 100 Mio. Dollar mit dem Verkauf von DVDs erwirtschaftet, so Hirsch in Las Vegas auf der Fachmesse AVN Adult Entertainment Expo. Der größte Einbruch wurde im Jahr 2006 verzeichnet. Da sei der Anteil der DVD-Verkäufe auf 30 Prozent gefallen. Und deshalb müsse gegen die Angebote im Internet vorgegangen werden, sagt Hirsch bei jeder Gelegenheit. „Wenn das nicht geschieht und es weiter diese ganzen kostenlosen Inhalte da draußen gibt, wird man sich irgendwann nicht mehr leisten können, Filme herzustellen.“
Ähnlich wie Vivid scheinen auch andere Pornoanbieter die Lage einzuschätzen. Zwar profitieren sie alle von den Möglichkeiten des Netzes und verkaufen immer mehr Inhalte online. Doch zugleich fühlt sich die Branche von Mitmachplattformen wie Xtube oder Youporn bedroht, auf denen private Filme hochgeladen werden.
Das Schlagwort Web 2.0 löste in der Pornoindustrie Ängste aus. Deutsche Anbieter haben sogar schon Gerichte bemüht und Internet-Provider in Deutschland gezwungen, den Zugang zu Gratis-US-Portalen für alle Surfer zu sperren. Die Begründung: Die Portale prüfen das Alter ihrer Besucher nicht gemäß der deutschen Jugendschutzauflagen.
Porno-Web 2.0-Seiten wie Youporn, Pornotube und Xpeeps, eine Erwachsenenausgabe von Myspace, gibt es schon länger. Nicht zuletzt deshalb, weil Anbieter wie Youtube oder My­space verständlicherweise keine Erotikinhalte auf ihren Seiten dulden.
Die Inhalte der Porno-Klone von Youtube stammen teils von kommerziellen Studios, teils von den Nutzern und sollen, so der Vorwurf der Branche, zum Teil auch illegal kopiert worden sein. „Wir sind keine Piraten“, sagte Xtube­-Mitgründer Lance Cassidy. „Das meiste Geld machen wir durch Werbung, wie bei jeder Seite“, ergänzte der Vertriebschef Curtis Potec. Ein Prozent der Besucher der Seite kaufe DVDs oder Videos, damit verdiene man Millionen.

Umstrittene Gratis-Köder
Viele Filmstudios stellen Webseiten wie Xtube kurze Ausschnitte eigener Produktionen als Werbung zur Verfügung. In der Branche wird diskutiert, ob man sich damit nicht eher schade. „Das ist in unseren Büros ein ständiges Thema“, sagt Garion Hall von Abbywinters. „Das ist zu viel.“ Auch Jay Grdina, der Vorsitzende der Playboy-Sparte Clubjenna, hält die kostenlosen Clips für einen Fehler. „Wir schneiden uns ins eigene Fleisch.“
Aber die Branche hat mittlerweile reagiert. 1,6 Mrd. Dollar setzte die US-Pornoindustrie im letzten Jahr nur mit Filmen für Mobiltelefone um. Für 2011 prognostizieren die Marktforscher 3,3 Mrd. Dollar Umsatz mit nackter Haut auf Smartphones. Insbesondere Besitzer eines iPhone scheinen sich zu Mobile Porn hingezogen zu fühlen, wenn man verschiedenen US-Studien glauben darf. Dementsprechend haben einige Anbieter für Smartphones ihre Seiten für iPhone optimiert. Aber auch die Playstation Portable wird zunehmend dafür genutzt, was Sony offiziell bedauert.
Möglich wird diese Zunahme, weil immer mehr leistungsfähige Smartphones die einfachen 08/15-Handys ersetzen, weil die Displays größer und schärfer werden, weil die Speicherkapazität der neuen Mobilfunkgeräte wächst und vor allem weil die Bandbreiten der Handy-Verbindungen deutlich wachsen: UMTS, HSDPA und
HSUPA sei Dank. Handys dürften damit der Wachstumsmarkt schlechthin für die Pornoindustrie sein. In den USA konkurrieren derzeit verschiedene Abrechnungsmodelle. Manche Anbieter kassieren vier Dollar pro Film, anderen ist die nackte Haut sogar drei Dollar pro Minute wert. Also ein nicht gerade preiswertes Vergnügen. Sogar Tagesflatrates gibt es: Für 25 Dollar kann man einen ganzen Tag schauen. Vorausgesetzt, der Akku steht das durch.
Etwas kurios stellt sich derzeit das Angebot in den USA dar. Anders als im mehrheitlich recht freizügigen Österreich oder Europa halten sich in den Vereinigten Staaten viele Mobilfunk-Provider mit offiziellen Porno-Angeboten auf ihren Seiten noch zurück. Insbesondere scheuen viele Unternehmen die technischen Hürden, die für eine funktionierende und zuverlässige Alterskontrolle erforderlich sind. Außerdem scheinen die US-Unternehmen die öffentliche Meinung zu fürchten. In Österreich wird einfach weg- oder besser gesagt zugeschaut.

Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009

Kein Konsumverzicht

Kein KonsumverzichtHantsch

Manchmal muss man sich einfach auf sein eigenes Gespür verlassen. Als ich vor 15 Jahren anfing, ein energieautarkes Holz-Blockhaus im Waldviertel zu bauen, sagten mir viele Experten: „Vergiss es, das funktioniert nie!“ Andere wiederum meinten, das klinge alles sehr nach Konsumverzicht und Unbequemlichkeit. Doch ich habe mein Ziel beharrlich verfolgt und alle Skeptiker widerlegt. Heute leben meine Familie und ich in einem gemütlichen Haus und nutzen ganz selbstverständlich alle modernen technischen Errungenschaften. Das Haus wurde in Niedrig-energiebauweise errichtet und mit natürlichen Materialien gedämmt. Es hat den enormen Vorteil, extrem wenig Energie zu verbrauchen – und die, die wir brauchen, erzeugen wir auch noch selber.
Als gelernter Elektrotechniker konnte ich natürlich viele meiner Ideen selbst umsetzen. Angefangen haben wir damit, den Energieverbrauch drastisch zu reduzieren. Der Jahresstromverbrauch unseres zweigeschoßigen Blockhauses liegt bei schlappen 400 Kilowattstunden im Jahr. Einige Beispiele, wie das geht: Im Winter lagern wir Kühlakkus im Freien und legen sie dann in den Kühlschrank, sodass dieser fast keinen Strom mehr ver(sch)wendet. Ein weiterer Energieeffizienzfaktor: Viele elektrische Geräte wie Handy-Ladegerät, Notebook oder Beleuchtung arbeiten mit Gleichstrom; doch die Umwandlung von Wechsel- in Gleichstrom benötigt viel Energie. Da es aber für nahezu alle Kleingeräte Gleichstrom-Auto-Adapter gibt, war auch dieser Schritt ohne Komfortverlust bewältigbar. Und wenn die Geräte nicht gebraucht werden, werden sie von der Steckdose genommen; der Standby-Betrieb ist bekanntlich der unnötigste Energieverbrauch. Die Waschmaschine habe ich so umgebaut, dass sie das warme Wasser direkt von der Solaranlage oder einem Holzofen bezieht – und nicht elektrisch aufheizt.
Unseren Strom erzeugen wir selber: Dieser kommt primär von einer 650 Watt-Fotovoltaik-Anlage. Im Sommer erzeugt diese mehr Strom, als wir verbrauchen können. Da die Anlage aber im Winter nicht genug Strom liefert, haben wir auch eine 350 Watt-Windkraftanlage installiert. Sonnen- und Windkraftwerk ergänzen einander saisonal. Den erzeugten Strom speichern wir in Panzerplatten-Akkus. Was wir zusätzlich an Wärme benötigen, liefert unser heimeliger Kachelofen.
Wenn man energieautark leben will, geht es einfach nur darum, seine Gewohnheiten ein wenig zu ändern. Meine Familie und ich empfinden das energieautarke Leben jedenfalls überhaupt nicht als Beeinträchtigung. Darüber hinaus brauchen wir uns auch keine Sorgen um die nächste Energiekrise zu machen; Sonne und Wind werden immer gratis bleiben.
Franz Spreitz ist Elektrotechniker, Energietüftler und Häuslbauer.

Franz Spreitz, Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009

Wie eine Idee zum Geschäft wird

Wie eine Idee zum Geschäft wirdSmovey GmbH

Die Initiative „Business pro Austria“ bietet potenziellen Unternehmensgründern und Kleinunternehmern mit Entwicklungsideen professionelle Begleitung in der Startphase. Koordiniert vom Verband der Technologiezentren Österreichs (VTÖ) schreiben regionale Zentren in ihrem Einzugsbereich geförderte Coaching-Angebote aus.

Sie haben eine zündende Idee für ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Unternehmen? Sie wollen Ihr bestehendes Unternehmen mit professioneller Unterstützung weiterentwickeln? Dann sollten Sie sich an eine der regionalen Betreuungsstellen der Initiative „Business pro Austria“ wenden.
Business pro Austria (bpa) ist ein gefördertes Coachingprogramm der österreichischen Technologiezentren. Für Klein- und Kleinstunternehmer mit neuen Ideen, aber auch für Neugründer, ist es oft schwierig, Erfolgsaussichten und Kundennutzen einer Idee abzuschätzen. Im Rahmen von bpa besteht die Chance, professionelle Unterstützung von einem regionalen Expertennetzwerk zu erhalten, das einen Schritt für Schritt von der Idee bis zur (potenziellen) Unternehmensgründung begleitet.

Regionales Netzwerk
Das Technology & Innovation Center (TIC) Steyr hat über die Jahre ein Netzwerk an Geschäftsentwicklungsexperten aufgebaut, das aus 25 bis 30 Partnern besteht, die alle wichtigen Bereiche abdecken. Aus den eingereichten Projekten wählt eine Expertengruppe jährlich zwei bis drei Projekte aus, die dann intensiv betreut werden. Je ein Ansprechpartner für Marketing, Technik und Wirtschaft wird den Kleinunternehmern oder Unternehmensgründern zur Seite gestellt.
„Unser Angebot im Rahmen von bpa besteht in einem geförderten Coaching-Programm, das einige Tausend Euro wert ist, die betreuten Projektbetreiber aber nichts kostet“, berichtet TIC-Geschäftsführer Walter Ortner. Die Berater kommen durchwegs aus der Region; man kennt einander. Ortner dazu: „Unsere Netzwerkpartner sind aus Überzeugung dabei; keiner der Berater wird durch diesen Job reich.“

Wettbewerb der Ideen
Ein gelungenes Beispiel für ein Unternehmen, das aus dem bpa-Förderprogramm hervorgegangen ist, ist Smovey. Der geschäftsführende Gesellschafter Willi Enzlberger berichtet: „Hätte es die Veranstaltung bpa in Steyr nicht gegeben, gäbe es auch unsere Firma nicht. Aber wir haben den Ideenwettbewerb gewonnen, und das war dann die Initialzündung.“ Enzlberger fährt fort: „Die Coachs waren ungemein hilfreich. Sie agieren unemotional, stellen kritische Fragen, bringen aber auch eigene Ideen ein. Der begleitende Prozess hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir unser Produkt umsetzen konnten.“
Seit drei Jahren ist Smovey mit einem Fitnessgerät auf dem Markt, bei dem vier Stahlkugeln, die in einem Schlauchring laufen, als Schwungmasse wirken. Beim Schwingen der Arme werden die Kugeln be- und entschleunigt und stimulieren dadurch Muskeln, Sehnen und Nerven. „Wir sind heute in 15 EU-Ländern vertreten und planen gerade den Schritt in die USA“, vermeldet Enzlberger stolz.
Ebenfalls in Steyr zu Hause ist Harald Fakler. Er errichtet Fotovoltaikanlagen und entwickelt Energiesparsysteme. Seiner Teilnahme am bpa-Programm kann auch er nur Vorteile abgewinnen: „Die Berater sind echte Profis. Die Fragen und Aufgaben, die sie gestellt haben, haben zu einer Reihe von Verbesserungen und Optimierungen meines Unternehmens geführt.“
Neben dem TIC Steyr gibt es derzeit noch drei weitere Regionen, die das bpa-Programm umsetzen. Im Salzkammergut arbeiten die Technologiezentren Attnang, Gmunden, Mondsee und Bad Ischl zusammen. Mitte November war Meldeschluss für den ersten „Wettbewerb der besten Geschäftsideen“. Eine Jury bewertet nun die Erfolgsaussichten nach den Kriterien Produkt und Technik, Markt und Vertrieb sowie Finanzen und informiert jeden Teilnehmer über Chancen und Risiken seines Vorhabens. Im zweiten Schritt werden die vier besten Projekte ausgewählt und, begleitet von kompetenten Fachleuten und Mentoren, auf einen Business-Start vorbereitet.
Im Großraum Linz-Mühlviertel kooperieren das Tech Center Linz-Winterhafen, der Softwarepark Hagenberg, das Technologie- und Dienstleistungszentrum Donau-Böhmerwald in Neufelden und das Technologiezentrum Perg. Erst im September dieses Jahres in das bpa-Programm eingestiegen, soll das bereits vorhandene Partner-Netzwerk weiter ausgebaut und die Kooperation für Unternehmensgründungen intensiviert werden.
Im Raum St. Pölten und Mostviertel fungiert das Business- und Innovationszentrum (BIZ) St. Pölten als regionale bpa-Anlaufstelle. Koordiniert wird das gesamte Programm vom Verband der Technologiezentren Österreichs (VTÖ).

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Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009

Steigerung der Produktivität

Steigerung der ProduktivitätTelekom Austria

Jürgen Thir: „Der Benutzer sieht auf einen Blick, welche anderen Mitarbeiter gerade über welche Kommunikationskanäle erreichbar sind, ob sie sich in Terminen befinden und ab wann sie wieder erreichbar sind“, erklärt der Marketing-Business-Leiter von Telekom Austria.


economy: Was zeichnet moderne UC-Lösungen aus?

Jürgen Thir: Telekom Austria bietet schon lange Lösungen für Telefon- und Videokonferenzen. Bisher mussten sich aber alle Beteiligten über Nebenstellen verbinden oder sich in eigens dafür ausgestatteten Konferenzzimmern aufhalten. Mit IP-basierter Kommunikationssoftware wie Microsoft OCS, die wir auch intern einsetzen, laufen diese Anwendungen jetzt aber direkt am Arbeitsplatz der Mitarbeiter, wo ihnen alle wichtigen Funktionen per Mausklick zur Verfügung stehen.

Und welche neuen Features bietet die OCS-Lösung?
Sie ist vollkommen in Microsoft Outlook integriert. Der Benutzer sieht damit auf einen Blick, welche anderen Mitarbeiter gerade über welche Kommunikationskanäle erreichbar sind, ob sie sich in Terminen befinden und ab wann sie wieder erreichbar sind. Und kann dann direkt aus dem Outlook spontan eine Telefon- und mit entsprechender Hardware auch eine Videokonferenz aufbauen, ohne sich vorher lange mit den anderen Teilnehmern absprechen zu müssen.

Können Sie noch andere interessante Features nennen?
Zwei Dinge sind unter dem Schlagwort Collaboration wesentlich. Mittels Desktop-Sharing können Mitarbeiter sehr einfach gemeinsam Dokumente abstimmen und bearbeiten. Das läuft so ab, dass auf Knopfdruck der aktuelle Bildschirm-inhalt den Konferenzteilnehmern zur Verfügung gestellt werden kann. Das reduziert die sonst für die Abstimmung notwendigen Feedback-Schleifen enorm. Erweitert man dies um weitere Applikationen wie MS Sharepoint, auf denen zum Beispiel Projektteams ihre Inhalte sehr einfach zentral zur Verfügung stellen und auch bearbeiten können, oder um ein CRM-System, so optimiert man durch verbesserte Kommuni-kation auch die Unternehmensprozesse.

Welchen Nutzen können Unternehmen durch diese neuen Technologien erzielen?

Um es kurz zusammenzufassen: Produktivitätssteigerung durch effizientere interne Kommunikation, Reduktion der Reisekosten und Verbesserung der Energiebilanz des Unternehmens. Darüber hinaus führen optimierte Prozessabläufe zu einer deutlichen Erhöhung der Kundenzufriedenheit.

Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009

Ausgeforschte Jugend

Ausgeforschte JugendPhotos.com

Das Österreichische Institut für Jugendforschung muss zusperren, weil Fördergelder abgedreht werden. Konsumorientierte Ad-hoc-Befragungen statt Grundlagenforschung heißt’s in Zukunft.

Nicht nur Österreichs Unis sind Opfer eines rigiden Sparkurses, der die Bildung und Forschung des Landes systematisch austrocknet. Echt traurig. Aber das Aus für das Institut für Jugendforschung (ÖIJ) ist so gut wie fix. Für 2010 gibt es keinerlei Förderzusagen, weshalb die Mitglieder des Forschungsvereines keine Möglichkeit sehen, die Forschungstätigkeit weiterzuführen. „Dabei ist gerade eine interdisziplinäre, kontinuierliche Grundlagenforschung, wie wir sie betrieben haben, wichtige Basis für zukunftsorientierte Jugendpolitik“, betont Patrick Rosner, geschäftsführender Vorsitzender des ÖIJ.
Was bewegt denn unsere Jugend? Was denken und wünschen sich die Jungen? Fragen, die Politik und Gesellschaft anscheinend nur unmittelbar vor Wahlen oder im Sinne der Marktwirtschaftlichkeit interessieren. „Fundierte Aussagen und Studien über die Lebenswelten der Jugendlichen, ihre Probleme, Wertvorstellungen, Ängste oder Zukunftsperspektiven können wir in Zukunft nicht mehr bieten. Wir müssen die Forscher kündigen und das Insitut zusperren – und das im 50. Jubiläumsjahr“, bedauert Rosner.
Der Verein stellt per 31. Dezember seine Geschäftstätigkeiten ein. Auch die größte Kinder- und Jugendforschungsbibliothek Österreichs, die sich am ÖIJ befindet und bereits seit einem Jahr geschlossen ist, muss bis Jahresende übersiedelt sein. Wohin, ist noch ungeklärt, da Platz und Finanzierung für die Aufbewahrung der rund 12.000 Werke fehlen. Laut Auskunft von ÖIJ-Geschäftsführer Gert Hufnagl haben einige Universitäten Interesse bekundet, und es werde verhandelt.

Dynamische Kürzungen
Seit 1960 beschäftigt sich das ÖIJ systematisch und regelmäßig mit Jugendfragen. An die zehn bis 25 Studien und Umfragen führte das Forschungsinstitut, das von 20 österreichischen Jugendorganisationen und der Bundesjugendvertretung getragen wurde, jährlich durch.
Bis 2003 existierte über eine Sonderregelung eine direkte Förderung für Grundlagenforschung am ÖIJ durch das Jugendministerium. Seitdem wurden die staatlichen Förderungen sukzessive gekürzt. Nur durch Kooperationen mit der Bundesjugendvertretung konnten die Grundlagenforschung sowie der Bibliotheksbetrieb erhalten bleiben.
In den letzten fünf Jahren wurde das Institut zum Teil über das Programm „Dynamische Qualitätssicherung“ des BMWF gefördert. „Dieses Programm ist nun ausgelaufen, ein Nachfolgeprogramm für 2010 ist nicht geplant. Andere Finanzierungszusagen, zum Beispiel aus dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend gibt es keine“, erklärt der ÖIJ-Vorstand. Rosner: „Eine verbindliche Zusage im Herbst über 100.000 Euro hätte gereicht, um das Institut weiterzuführen. Die Mitgliedsbeiträge der Trägerorganisationen reichen für die sechs Angestellten und die nötige Infrastruktur nicht aus.“
„Die Schließung des Institutes ist eine Schande“, wettert Tanja Windbüchler-Souschill, die Jugendsprecherin der Grünen, in einer Presseaussendung. „Das stellt einen unrühmlichen Schlussstrich unter jene Jugendforschung dar, die aus den Jugendorganisationen selbst kommt.“ Die Bundesjugendvertretung (BJV) spricht von einem jugendpolitischen Armuts­zeugnis.

Politisches Armutszeugnis
Das Jugendministerium wehrt sich, beteuert seine Unschuld und verweist auf das Bundesjugendfördergesetz. Demnach sei eine Basisförderung für Gehälter und Infrastruktur nur Bundesjugendorganisationen vorbehalten. „Im Jugendressort sind keine Mittel vorgesehen, um einzelne Forschungsinstitute substanziell zu finanzieren“, sagt der Sprecher von Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP). Das ÖIJ habe zudem keine Monopolstellung. Es gebe mehrere Forschungsinstitute, die sich der Jugendforschung widmen. Es werde also in Zukunft keinerlei Expertise verloren gehen, versichert die Staatssekretärin. Hufnagl dazu: „Ah ja, das bedeutet also, dass das, was das Ministerium in den vergangenen Jahren gefördert hat, keinen Stellenwert gehabt hat, wenn man jetzt so leichtfertig darauf verzichtet. So viel zum Interesse von Österreichs Politikern an der Jugend.“

Astrid Kasparek, Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009

Die Krise – ein heilsamer Schock

Die Krise – ein heilsamer SchockEPA

Die Wirtschaftskrise kam nicht überraschend, sondern zwingend, wie uns die alten Denker zeigen. Die Belebung unhinterfragten Massenkonsums muss aber nicht das richtige Rezept für eine Erholung sein.

„In der Tat, seit 1825, wo die erste allgemeine Krise ausbrach, geht die ganze industrielle und kommerzielle Welt, die Produktion und der Austausch sämtlicher zivilisierter Völker und ihrer mehr oder weniger barbarischen Anhängsel so ziemlich alle zehn Jahre einmal aus den Fugen. Der Verkehr stockt, die Märkte sind überfüllt, die Produkte liegen da, ebenso massenhaft wie unabsetzbar, das bare Geld wird unsichtbar, der Kredit verschwindet, die Fabriken stehen still, die arbeitenden Massen ermangeln der Lebensmittel, weil sie zu viel Lebensmittel produziert haben. Bankrott folgt auf Bankrott, Zwangsverkauf auf Zwangsverkauf. Jahrelang dauert die Stockung, Produktivkräfte wie Produkte werden massenhaft vergeudet und zerstört, bis die aufgehäuften Warenmassen unter größerer oder geringerer Entwertung endlich abfließen, bis Produktion und Austausch allmählich wieder in Gang kommen“, so schrieb Friedrich Engels in seinem Werk Anti-Dühring, jenem 1877 erschienenen Text, der zu den einflussreichsten des Marxismus gezählt werden kann. Warum? Weil er die kapitalistischen Zyklen messerscharf analysierte und die heutige Welt nicht so tun muss, als ob die Krise 2008 aus heiterem Himmel gekommen wäre.
Im Gegensatz zum 19. Jahrhundert ist das Problem von heute aber nicht die Überproduktion von Waren, sondern die Überproduktion von Kapital in Form von Krediten. Doch auch das ist nichts Neues: „In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang des Reproduktionsprozesses auf dem Kredit beruht, wenn da der Kredit plötzlich aufhört und nur noch bare Zahlung gilt, muss augenscheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer Andrang nach Zahlungsmitteln. Daneben aber stellt auch die ungeheure Masse dieser Wechsel bloße Schwindelgeschäfte vor, die jetzt ans Tageslicht kommen und platzen; ferner mit fremdem Kapital getriebene, aber verunglückte Spekulationen; endlich Warenkapitale, die entwertet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie mehr einkommen können“, das meinte Karl Marx im Kapital. Drittes Buch von 1894. Die Überproduktion von Kapital, dem keine Werte mehr gegenüberstanden, führte letztlich auch zum (Beinahe-)Kollaps des Finanzsystems, beginnend beim Zusammenbruch von Lehman Brothers.

Dogmas hinterfragen
Das Rezept vieler Wirtschaftstheoretiker gegen die Krise lautet „Konsum“, also die Ankurbelung der privaten Ausgaben, um den Warenkreislauf wieder in Schwung zu bringen. Doch wie groß muss ein Schock sein, um endlich auch einmal dieses Dogma zu hinterfragen?
Schon mehren sich die Stimmen, dass der Westen eine Alternative zur Überflussgesellschaft nach dem heilsamen Schock des Finanzkollapses braucht. Sogar konservative Politiker fragen sich dann und wann, ob Konsum wirklich ein taugliches Mittel gegen die Krise ist. Ist ein Wirtschaftssystem sinnvoll, das auf ständiges Wachstum angewiesen ist, also darauf, dass die Menschen immer mehr kaufen?
Mehr oder weniger wird durch das Konsumdogma nur versucht, den stecken gebliebenen kapitalistischen Karren wieder flottzumachen. Denn Konsum ist der Treiber für die Warenproduktion, und ist er erst einmal in Gang gekommen, tritt der altbekannte Mechanismus wieder in Kraft: mehr Konsum, mehr Bedürfnisschaffung, mehr Produktion, mehr Überfluss, mehr Wachstum, und das alles wieder auf Kredit mit dem begleitenden Überbau der unproduktiven Spekulanten – bis das System erneut zusammenbricht.
Es ist interessant, dass die Wirtschaft und ihre Lobbyisten den Menschen nun sozusagen die Verpflichtung aufbürden, durch ihren Konsum die Wirtschaft wieder anzukurbeln – und sich in Sonntagsreden darüber beklagen, dass es nicht schnell genug geht. Pier Paolo Pasolini, italienischer Regisseur, Dichter und Publizist, der auch recht hatte, bezeichnete diesen programmatischen Konsum in einer seiner politischen Schriften als Konsumismus, „der die Menschen mit einer Pflicht zum Konsumieren auflädt und sie veranlässt, die Konsumimperative der Wirtschaft zu erfüllen.“
Wann, wenn nicht jetzt sollte es also zum Umdenken dieses Konsumdiktats kommen? Konzepte gibt es dafür schon einige: Neue Formen des Konsums lassen sich etwa in der neuen Frugalität eines Teils des Mittelstandes in wohlhabenden Gesellschaften erkennen: in der Abkehr von Markenfetischismus, der Neubewertung von Konsum als nicht zentral bedeutend für das individuelle Lebensgefühl, für Identitätsgewinnung und soziale Abgrenzung, eine neue Sparsamkeit, ohne in Geiz zu verfallen.

Sparsamkeit ohne Geiz
Und dann wird der Wandel der Arbeitsgesellschaft, der Strukturwandel der Arbeit an sich über kurz oder lang zu einer Neudefinition des Konsumdogmas führen müssen. Während die Wirtschaft große Erwartungen in die Verkürzung und Flexibilisierung der Arbeitszeit setzt, weil damit den Menschen ja mehr Zeit zur „Selbstverwirklichung“ bleibt, kann aber auch ein entgegengesetzter Effekt eintreten: die Entkoppelung von (unbefriedigender) Erwerbsarbeit und kompensatorischem Konsum, das heißt eine Rückbildung der McDonaldisierung der Freizeitgesellschaft und eine Hinwendung zu mehr nachhaltigem Konsum, der aber wiederum dem bisher geltenden Wachstumsdogma der Wirtschaft zuwiderläuft.
Nachhaltiger Konsum, das bedeutet zum Beispiel reparieren statt wegwerfen, Gebrauchtes länger nutzen, Waren und Lebensmittel aus fairem Handel kaufen, umweltbewusste Kaufentscheidungen treffen, die Mobilität einschränken, weniger Energie verbrauchen. Die EU hat bereits ein Paket von Regelungsentwürfen dafür vorgelegt. Konkret geht es dabei um eine Änderung der Ökodesignrichtlinie, der Umweltzeichenverordnung sowie eine neue Mitteilung über umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen.
Ein weiterer Schritt ist der neue Trend zum immateriellen Konsum. Der materielle Konsum ist auf die direkte Nutzung von Ge- und Verbrauchsgütern ausgerichtet. Der immaterielle Konsum benötigt hingegen keinerlei materielle Güter, wie ein neues Projekt des Instituts für Technologie und Warenwirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien (www.nach-der-arbeit.at) zeigen will. Dem Projekt liegt eine neue Konsumphilosophie zugrunde, die eine Entkoppelung von Einkommen und Ressourcenverbrauch anstrebt, die „Lebensglück“ unabhängig vom klassischen Konsum bringen soll.

Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009

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