„Und GPS soll modern sein?“
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Satellit oder Mikrowelle – der Ideologiestreit unter den Mautbetreibern geht weiter. Für Kapsch-Traffic-Com-Vorstand Toplak ist die Mikrowellen-Maut weiterhin die effizienteste Geldmaschine.
Die Satellitenmaut schlägt zurück. In Deutschland läuft die Lkw-Maut nach massiven Kinderkrankheiten ohne gröbere Störungen, in der Slowakei kommt sie ab 2010. In Österreich und Tschechien herrscht weiter die Mikrowellen-Technologie, betrieben von Kapsch-Traffic-Com. Fragt man Vorstand Erwin Toplak, warum Kapsch weiter auf die „veralterte“ Technologie zur Mauteinhebung setzt, wird er leicht unrund. Er stellt provokante Gegenfragen, zeichnet Skizzen, um seine Argumente zu untermauern, und zählt die Märkte auf, die Kapsch mit seiner Technologie noch erobern wird.
economy: Also, Herr Toplak, warum setzt Kapsch weiterhin auf Mikrowelle?
Erwin Toplak: Ist Gentechnik modern?
Hm, na ja, schon, oder?
Ja, aber ich kann kein Mautsystem damit betreiben. Ist GPS modern?
Hm, na ja, ähm ...
Die ersten GPS-Satelliten wurden in den 1970er Jahren ins Weltall geschossen. Unsere Technologie wurde Mitte der 1990er Jahre entwickelt. Was ist moderner? Mautsysteme sind Geldmaschinen. Unter dem Strich zählt nur, wie viel Geld ich investieren muss, um einen Euro einzuheben. Und in dieser Kalkulation gibt es nichts Besseres als die Mikrowelle.
Nach dieser Kalkulation könnte ich gleich auf Mauthütt’ln wie in Italien setzen.
Die sind vielleicht simpler, aber nicht billiger. Sie müssen die Geschwindigkeit reduzieren, das erhöht die Emissionen, gleichzeitig bauen sie Stau auf. Damit kosten sie den Berufsverkehr viel Zeit und Geld. Das wäre noch vertretbar, wenn die Einnahmenkosten viel billiger wären. Aber je mehr Mautstellen sie brauchen, desto teurer wird es.
Jedes Land braucht andere Lösungen. In Indien ist es Teil der Arbeitsplatzsicherung, dass man Leute in eine Mautkabine setzt. Trotzdem ist auch dort Free Flow die Zukunft. Bei Delhi haben wir erst zwei, dann alle 19 Spuren mit elektronischer Maut ausgerüstet, weil der Stau nicht mehr tragbar war.
Wird das Satellitensystem Galileo der Sat-Maut zum Durchbruch verhelfen?
Das Einzige, was sich ändert: Es müssen alle GPS-Endgeräte ausgetauscht werden. Es ist übrigens ein Trugschluss, wenn die EU glaubt, dass die Straßenerhalter mit ihrer Technologie Galileo unterstützen. Die Straßenbetreiber sind zum Großteil privat, für sie zählt die Kosten-Nutzen-Rechnung.
Sind kombinierte Systeme die Zukunft?
In Tschechien haben wir das gebaut (Mikrowelle für Autobahnen, Satellit für Bundesstraßen, Anm. d. Red.).
Je mehr Maut abseits der Autobahn, desto mehr Satelliten-Technologie?
Zurück zur Idee der Geldmaschine: Ergibt eine Maut im Waldviertel oder im Südburgenland Sinn? Die Bürgermeister werden protestieren, die wollen sich ihre paar verbliebenen Betriebe durch die Maut nicht vertreiben lassen. Und bei einem niedrigen Tarif zahlt sich der Aufwand nicht aus, weil dort viel weniger zahlende Fahrer unterwegs sind als auf der Autobahn. Zusätzlich bräuchte es wohl alle 15 Fahrminuten eine 24-Stunden-Servicestelle. Die Kosten würden die Einnahmen übersteigen.
Rechnen Sie wegen der Budgetnöte mit einer Pkw-Maut in Österreich?
Nicht unter Faymann.
Die City-Maut ist weltweit im Kommen.
Das Wort City-Maut ist sehr negativ besetzt, im Endeffekt ist es wieder nur eine Money-Maschine. In Italien haben wir einige Projekte laufen.
Was wäre die beste Money-Maschine für Wien?
Wenn ich das jetzt sage, tut mit der Herr Häupl Böses. Na gut, nehmen wir eine Stadt mit einer Ringstraße und starkem Verkehr im Zentrum – wir reden ausdrücklich nicht von Wien! – dann ist das System ganz einfach zu verwirklichen. Sie zahlen nicht fürs Hineinfahren in die Stadt, sondern für die Verweildauer. Das reduziert den Parkplatzsuchverkehr, der 30 Prozent des Verkehrs ausmacht. Wenn die Maut-Uhr tickt, fahren Sie eher in die Parkgarage. Und jene, die gar keine Maut zahlen wollen, steigen am Stadtrand in die Öffis um.
Wie müssten Autos dafür ausgerüstet sein?
Es genügt ein kleines Gerät in Größe einer Zündholzschachtel.
Wo gibt es für die Mikrowellentechnologie noch Märkte?
Das Projekt in Südafrika wird uns helfen, auch in anderen Ländern Afrikas Fuß zu fassen. Der große Markt in den nächsten zehn Jahren wird die USA. Dort investiert der Staat Milliarden in die Erneuerung der veralterten Mautsysteme.
Wo geht es technologisch hin?
Richtung interaktives Kommunizieren der Fahrzeuge. Hier sind wir an einem Projekt in den USA beteiligt. Stellen Sie sich vor, ich übersehe, dass Sie vor mir bremsen. Mein Fahrzeug bremst für mich, weil zwischen den beiden Fahrzeugen ein Netzwerk aufgebaut wird. Das ist wie in einem Bienenschwarm. Das Fahrzeug spricht auch mit Infrastruktur, die Staumeldungen abgibt, dann bremst sich der ganze Schwarm ein (malt den Schwarm auf). Nicht die Zentrale sagt, was jedes Auto tut, es sind Netzwerke, die sich spontan aufbauen.
Wann kommt das?
Das große System wird noch bis etwa 2030 dauern. Aber es ist weniger eine technische als eine politische Frage. Das System lebt davon, dass so viele Fahrer wie möglich ein Gerät haben. Der Staat müsste den Dienst deswegen wohl gratis zur Verfügung stellen.
Satellitenmaut
Die slowakische Maut für Lkw ab 3,5 Tonnen soll termingerecht am 1. Jänner 2010 starten. Im Unterschied zu Österreich und Tschechien basiert dieses System auf satellitengestützter Technologie. Betrieben wird die Maut von Skytoll, einem französisch-slowakischen Konsortium. Siemens Österreich liefert die sogenannten On-Board-Units für die Fahrzeuge und das elektronische Erfassungssystem. Auftragsvolumen: 80 Mio. Euro. Zur Technologiediskussion meint Siemens Österreich: „Jede Technologie hat ihre Anwendungsbereiche. Wenn in einem Land auch Straßen niedriger Ordnung bemautet werden, gibt es einen klaren Vorteil für die flexiblere Satellitenlösung. Sie braucht Mautgerüste nur für die Kontrolle und daher in viel geringerem Ausmaß als ein Mikrowellen-System“, sagt Konzernsprecher Reinhard Böcskör. Das europäische Satellitensystem Galileo werde GPS nicht ersetzen, sondern ergänzen und die Abdeckung verbessern. Umstellungsprobleme erwartet Böcskör nicht.