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04. Juli 2024

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Die kleine Maut-Box der Pandora

Die kleine Maut-Box der PandoraBilderbox.com

Die Republik steckt in der Schuldenfalle, und beim Klimaschutz geht auch nichts weiter. Die Rechnung werden die Autofahrer präsentiert bekommen – entweder mit höherer Mineralölsteuer oder Kilometermaut.

Voraussichtlich ab 2011 werden Autofahrer in Tschechien Plastikboxen in Größe einer Zündholzschachtel mitführen. Die Minigeräte sollen die Pickerl-Vignette ersetzen und können wie eine Prepaid-Karte aufgeladen werden. Offizieller Grund der Übung: Die E-Vignette ist weniger betrugsanfällig als die Vignette, am Einheitspreis soll sich nichts ändern. Trotzdem ist so eine Umstellung ein Quantensprung, denn einmal installiert gleicht diese Mini-Box der Büchse der Pandora.
Bei den Mautbalken für die Lkw-Maut genügen marginale Umstellungen, und fertig ist die Pkw-Maut, deren Höhe nicht mehr fixiert ist wie bei der Vignette, sondern sich nach den gefahrenen Kilometern richtet. Noch ein paar Balken und Videokameras am Stadtrand, und fertig ist die City-Maut. Weitere Features für die Verkehrssteuerung: kein Problem. Was für Tschechien gilt, gilt für Österreich; die beiden Länder haben dasselbe Lkw-Mautsystem. Mit Kapsch, der steirischen Efkon oder Siemens wären drei weltweit renommierte Mautspezialisten aus Österreich gerüstet für die Pkw-Maut. So einfach die technische Seite, so heikel die politische. Die Pkw-Maut gutzuheißen wäre für Regierungspolitiker ungefähr so, als würden sie Temelin loben. „Mit Faymann nicht“, gibt sich Kapsch-Traffic-Com-Vorstand Erwin Toplak keinen Illusionen hin (siehe Interview rechts).

Sackgasse Defizit
Irgendwann muss aber auch Bundeskanzler Faymann die Frage beantworten, wie Österreich aus der Schuldenfalle herauskommt. Sind die Sonntagsreden über Verwaltungsreformen verhallt, muss er neue Steuern abnicken. In Deutschland trauen sich die ersten Ökonomen mit Sparvorschlägen schon aus der Deckung, obwohl der Nachbar mit 3,8 Prozent heuer ein geringeres Defizit anpeilt als Österreich mit 4,2 Prozent (ein Defizitverfahren der EU haben beide am Hals). Norbert Walter, der renommierte Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hält eine Pkw-Maut für die beste neue Einnahmequelle. Eine höhere Mehrwert- oder Einkommensteuer könnte den Konsum zu stark bremsen. Das wäre auch in Österreich riskant, denn die Zahl der Arbeitslosen wird nächstes Jahr auf 400.000 steigen und die Kauflust entsprechend sinken.
Was den Druck auf die Pkw-Maut zusätzlich erhöht, sind die Klimaziele der EU, von denen Österreich noch weit entfernt ist. Im Bereich Verkehr muss die Republik bis 2020 mindestens 16 Prozent an Treibhausgasen einsparen. Nicht leicht bei einem Verkehrsaufkommen, das deutlich steigen wird, sobald der Wirtschaftsmotor wieder anspringt. Abgesehen von drohenden Strafen aus Brüssel stellt sich die Frage, wie lange sich ein Land im 21. Jahrhundert noch gegen eine Ökologisierung des Verkehrs wehren kann. „Mit der Vignette werden Vielfahrer belohnt. Je mehr sie fahren, desto billiger wird die Gebühr pro Kilometer“, meint Angela Köppl vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Bei einer Pkw-Maut wären mehr Anreize gegeben, bei langen Strecken auf die Bahn umzusteigen oder Autos zu teilen.
In bisherigen Diskussionen kursierten Mauthöhen zwischen vier und fünf Cent pro Kilometer. Denkbar und technisch machbar wäre es, zwei Tarife für Spritfresser und klimafreundliche Autos einzuführen. Der Verkehrsklub Österreich plädiert für eine „Pkw-Maut light“ auf Autobahnen und Schnellstraßen. „Für Vielfahrer könnte man eine Obergrenze einführen“, schlägt Experte Martin Blum vor. Eine Pkw-Maut auf dem gesamten Straßennetz hält er für zu aufwendig. Weichen dann nicht alle auf die Bundesstraße aus? „Bei Wien – Salzburg würden sich die Autofahrer zwölf Euro sparen, denken Sie, dafür weicht jemand auf die B1 aus?“ Die Grünen haben denselben Ansatz, aber im Rahmen ihrer ökologischen Steuerreform. Bei dieser sollen fossile Brennstoffe in allen Lebensbereichen stärker besteuert werden. Gleichzeitig soll jeder einen gewissen Betrag zurückbekommen, über niedrige Lohnnebenkosten. In Summe sollen kleine Haushalte mit einem großen Fuhrpark be- und größere Haushalte mit kleinem Fuhrpark entlastet werden.

The Easy Way Out
Zurück zur Koalition. Werner Faymann (SPÖ) und Josef Pröll (ÖVP) werden sich den Aufschrei sparen und wohl bei der Mineralölsteuer (MöSt) ansetzen. Dass Steuern rund 45 Prozent des Spritpreises ausmachen, ist noch immer nicht jedem geläufig, deswegen wird der Aufschrei an der Zapfsäule weniger groß sein als bei einer Pkw-Maut. Es könnten ja auch die Saudis schuld am höheren Spritpreis sein. Eine höhere MöSt hilft der Regierung zudem bei den Klimazielen. Für ein Drittel der CO2-Emissionen sind nämlich Tanktouristen aus Deutschland verantwortlich. Tanken die wieder daheim, hilft das der rot-weiß-roten Klimabilanz. Ewig kann allerdings nicht an der Steuerschraube gedreht werden, denn die Internationale Energieagentur sagt für 2013 einen neuerlichen Benzinpreis-Rekord voraus. Grund: In der Krise haben die Ölgesellschaften nicht in die Förderung neuer Ressourcen investiert, dieser Engpass werde die Preise nach oben schnellen lassen. Autofahrer, die nur selten die Autobahn benützen, würden in diesem Szenario wohl eine Pkw-Maut bevorzugen.
Die ökologische Pkw-Maut bleibt also auf dem Tisch. Brüssel nähert sich der Pkw-Maut durch die Hintertür: Bis 2012 sollen die Mautsysteme für Lkw in ganz Europa vereinheitlicht sein, schreibt die Europäische Kommission vor. Zusatz: bis 2015 auch für Pkw. Natürlich sei es Sache der Mitgliedsländer, ob sie eine Pkw-Maut überhaupt einführen. So macht es Brüssel: den Weg ebnen und dann mit sanftem Druck auf diesen umleiten. Direkter hat es Kurt Eder, der Ex-Verkehrssprecher der SPÖ, einmal mit Verweis auf die kleinen Boxen ausgedrückt: „Man kann die elektronische Pkw-Maut nicht aufhalten, sie wird nicht in ein oder zwei Jahren kommen, aber es wird gar nicht mehr so lange dauern, man kann diese Entwicklung nicht aufhalten.“ Das war vor drei Jahren.

Clemens Neuhold, Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

Friss Staub, Künstler!

Friss Staub, Künstler!Ed Berlen

Mad Max und Gery Keszler organisieren zusammen ein Festival. So wirkt es zumindest, wenn man das Burning-Man-Festival in Nevada sieht. Inmitten der Einöde herrscht farbige Selbstinszenierung ohne Grenzen.

Zu sagen, die Black-Rock-Wüste sei einer der eintönigsten Orte überhaupt, grenzt wahrscheinlich so wenig an eine Übertreibung wie Nepal an Kärnten. Das im nördlichen Teil des US-Bundesstaates Nevada liegende Sand­areal umschließt eine Fläche von 30.000 Quadratkilometern und bietet bis auf den „Titel“, eine der flachsten Flächen der Welt zu sein, außer einem ausgetrockneten Salzsee vor allem Sand. Umso mehr wirkt das, was sich hier jedes Jahr für eine Woche abspielt, wie von einem anderen Stern.
Denn diese staubige Einöde ist Wallfahrtsort und Heimat eines der verrücktesten Festivals der Welt. Das Burning-Man-Festival lockt mittlerweile 50.000 Künstler, Freigeister und Paradiesvögel pro Jahr an. Innerhalb weniger Tage erhebt sich hier eine regelrechte Stadt aus dem Nichts, die Zelte und Wohnmobile sind dabei penibel in einem gigantischen Halbkreis angeordnet. In dessen Zentrum steht eine bis zu 25 Meter hohe Statue, der Burning Man, der traditionsgemäß zum Festival-Höhepunkt nach allen Regeln der Pyromanie abgefackelt wird. Mit Feuerwerk, versteht sich.

Selbstinszenierung
Angefangen hat alles 1986, als der damals 38-jährige Larry Harvey zusammen mit ein paar Freunden am Baker Beach in San Francisco eine gut zweieinhalb Meter hohe Holzfigur verbrannte. Bald wurde das Event zu groß. Da die Brandgefahr in Kalifornien auch ohne brennende Holzfiguren hoch genug ist, trat die Polizei auf den Plan und die damals 100 Besucher zogen mit ihrer Veranstaltung Anfang der 1990er in die Wüste.
Mittlerweile ist Burning Man zu einem riesigen Event von internationalem Format aufgestiegen. Längst gibt es bei dem Event sogar eine eigene Tageszeitung und eine Radiostation.
Ganz im Gegensatz zu anderen Festivals, die eine ähnlich große Klientel ihr Eigen nennen können, kommt das Burning-Man-Festival dabei ohne Stars aus der Rock- und Pop-Szene aus. Hier ist jeder selbst Star und Künstler.

Eigene Kunststipendien
285 Kunstinstallationen, darunter ein haushoher Tempel, sieben Meter hohe Menschen­skulpturen und ein mehrstöckiger „Partytower“ aus Stahl, dessen Kosten sich auf gut eine halbe Mio. Euro belaufen haben sollen, sind ebenfalls dabei. Viele davon wurden mit festivaleigenen Kunststipendien mitfinanziert.
In sogenannten Theme Camps bieten Festival-Besucher ihre eigenen Spezialitäten an, von Bauchtanzvorführung, Massage, Body Painting bis hin zu Kunst-Workshops ist alles erlaubt, solange anderen Besuchern das Mitmachen ermög­licht wird. Fast 800 solcher Theme Camps boten beim letztjährigen Festival ein unglaublich breit gefächertes Programm. Zudem gibt es im groß angelegten Central Camp alles von Literaturlesungen bis Musik.

Black Rock City Rules
In der entstehenden Gesellschaft von Black Rock City, wie die Festivalgemeinde genannt wird, gibt es nur eine Handvoll Regeln, das Hauptaugenmerk ist dabei auf Nachhaltigkeit gerichtet. So muss alles, was an Müll anfällt, selbst wieder mitgenommen werden – das gilt auch für Duschwasser. Ziel ist es, keine Spuren von Zivilisation zu hinterlassen. So bleibt bei 50.000 Festivalbesuchern nicht mehr Müll zurück als bei einer durchschnittlichen amerikanischen Familie auf Camping-Urlaub.
Weder Werbung noch Geld ist erlaubt. Einzige Ausnahme ist ein kleines Café, das neben Eiswürfeln zur Lebensmittelkonservierung nur noch Espresso anbietet. Der Rest wird entweder über Tauschhandel abgefertigt oder ganz einfach geschenkt: zum Beispiel Pommes und Backhenderl aus einer sechs Meter hohen Ketchup-Flasche.
Innerhalb des riesigen Festivalgeländes bewegt man sich entweder zu Fuß oder mit Fahrrädern fort. Autos sind verboten – es sei denn, es handelt sich um Mutant Vehicles. Diese se­hen aus, als hätten sich Erfindergeist und Exzentrik über mehrere Monate an einer Seifenkiste ausgetobt, und erinnern an einen Hybrid aus Faschingswagen und Red-Bull-Flugshow-Kandidaten. Nicht weniger als 600 waren davon dieses Jahr dabei. Handys funktionieren hier nicht; wegen der gelegentlichen Sandstürme vermummen sich die Besucher teils, bis sie wie Angehörige eines Wüstenstammes anmuten, tragen Schwimmbrillen und Mundschutz bei sich oder vereinzelt sogar Gasmasken. Temperaturen um die 40 Grad Celsius sind dabei keine Seltenheit.
Selbstinszenierung ist hier oberstes Prinzip. Die einzigen Grenzen der Ausgeflipptheit sind die eigene Kreativität und je nach Idee noch der finanzielle Rahmen.

Nichts ist umsonst
Trotz aller Spiritualität, Naturverbundenheit und der scheinbaren Abneigung gegenüber der Geldwirtschaft ist der Burning Man kein „Hippie-Treff“. Den einwöchigen Ausflug in eine alternative Gesellschaft lassen sich die Teilnehmer gerne etwas kosten. Seien es die aufwendigen Kunstinstallationen, Theme Camps, die Anreise in diese entlegene Ecke oder auch nur die Tickets, die immerhin zwischen 140 und 250 Euro kosten.
Das Organisationskomitee hat Ausgaben um die 14 Mio. Dollar (9,5 Mio. Euro), gut drei Mio. Dollar (gut zwei Mio. Euro) davon stellen Mitarbeitergehälter dar.
Mittlerweile steckt ein ungeheurer Organisationsapparat dahinter, doch verschiedene Preiskategorien bei den Tickets sowie ein Zuschusssystem sollen das Erlebnis auch der unteren Einkommensschicht zugänglich machen. Aber auch wenn hier tatsächlich Reich auf Arm trifft, so gehört der Großteil der Besucher zur gut situierten Mittelschicht. Über zwei Drittel haben zudem einen College-Abschluss.
Das mag für ein Festival schon beinahe etwas elitär klingen. Tatsache ist jedoch, dass die Pflichtausgaben im Vergleich mit dem Gebotenen durchaus gering sind, die Grenze nach oben aber in typisch amerikanischer Manier offen. Es steht also jedem frei, ob er per Anhalter anreisen will, mit seinem Privatjet auf der festivaleigenen Landebahn oder warum nicht auch per Fallschirm?

Emanuel Riedmann, Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

Tanken mit altem Fett, Holz und Algen

Tanken mit altem Fett, Holz und AlgenEEE

Bei aller Liebe zu Elektroautos – die Welt wird künftig auch flüssige Treibstoffe brauchen, die CO2-neutral sind. Biotreibstoffe aus Nahrungsmitteln und Altfetten sind im Augenblick eine Lösung. An Treibstoffen aus Holz und landwirtschaftlichen Abfällen wird geforscht. Güssing und die Technische Universität Wien sind Vorreiter.

1989 war das Jahr, in dem Kolonnen von Trabis vom Osten in den Westen fuhren. Eine Mauer fiel. Der Stacheldrahtzaun quer durch Europa wurde abgerissen. Ein politisches System zerbröselte. Die Zeitenwende passierte vor 20 Jahren. Der Wurm war allerdings schon lange vorher im System. Der Zusammenbruch war fällig.
In jenen Jahren warnten Wissenschaftler erstmals vor einer Klimaerwärmung, die von Menschen verursacht sein soll. Messungen deuteten auf einen dramatischen Anstieg von Kohlendioxid (CO2) und anderen Gasen in der Erdatmosphäre hin, der mit der vor 200 Jahren einsetzenden Industrialisierung korreliert.
Damals stellten noch viele Menschen die­se Erkenntnisse infrage. Vor zehn Jahren zweifelten dann nur noch Industrievertreter, die eine Bedrohung ihres Business aufgrund von CO2-Emissionsbeschränkungen befürchteten. Seit die Wissenschaftler des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) in ihren 2007 veröffentlichten Berichten den von Menschen verursachten Klimawandel noch einmal penibel dokumentierten und dafür den Friedensnobelpreis erhielten, herrscht weitgehender Konsens über die Analyse. Und die Dringlichkeit des Handelns wird immer atemberaubender.

Mobilität beruht auf Erdöl
Das zeigen Polarforscher, die nach jeder Sommerexpedition ihre Prognosen revidieren müssen, weil das Eis in der Arktis schneller wegschmilzt als erwartet. Der britische Polarforscher Pen Hadow und sein Team haben heuer für den Catlin Arctic Survey 450 Kilometer schwer zugängliches Eis vermessen. „Die Daten des Catlin Arctic Survey untermauern den neuen Konsens (...), dass die Arktis innerhalb von 20 Jahren im Sommer eisfrei sein wird“, analysierte Peter Wadhams, Professor für Ozeanphysik an der Universität Cambridge.
Die Klimaerwärmung kann nur noch abgeschwächt werden. In den vergangenen 200 Jahren ist durch das Verbrennen von fossilen Treibstoffen so viel zusätzliches CO2 in die Atmosphäre gelangt, dass der natürlich vorhandene Treibhauseffekt verstärkt und die Temperatur auf der Erde langsam hochgetrieben wird – selbst wenn es ab sofort keine weiteren Emissionen mehr gäbe. Nun geht es darum, den Temperaturanstieg auf maximal zwei Prozent zu begren­zen. Dafür ist es notwendig, den Ausstoß von CO2 und anderen Treib­hausgasen möglichst ganz zu eliminieren. Das bedeutet einen radikalen Umbau der gesamten Energiegewinnung, der industriellen Produktion, des Verkehrs, des Heizens und Kühlens von Häusern und Wohnungen.
Unsere Mobilität basiert großteils auf der Verbrennung von fossilen Treibstoffen – außer wir gehen zu Fuß oder fahren mit dem Rad oder mit durch Strom aus Wasser- oder Windkraft betriebenen Straßenbahnen und Zügen. Transport verursacht laut IPCC weltweit 23 Prozent aller CO2-Emissionen und hat die höchste Zuwachsrate. Hierzulande stiegen die CO2-Emissionen aus dem Verkehr von 1990 bis 2007 um 73 Prozent, von 14 auf 24 Mio. Tonnen.

Erst Klimasorge lässt handeln
In den 1970er Jahren war die Endlichkeit der Ressourcen und die Abhängigkeit von erdölexportierenden Staaten die treibende Kraft, um nach Alternativen zu suchen. Doch der Druck auf die Forschung war nicht allzu groß – es schien ja noch reichlich Erdöl zu geben. Seit die Klimagefahr durch CO2-Emissionen endlich ernst genommen wird, werden viel Geld und Mühe in Forschung und Entwicklung von alternativen Treibstoffen investiert. Elektrisch betriebene Autos gelten als ökologisch gute Lösung, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Flüssige Treibstoffe sind dennoch notwendig: für Lkws und Flugzeuge. Alternative Treibstoffe sind Biodiesel, Bio­ethanol, synthethische Bio­treibstoffe, Wasserstoff, Biogas und Erdgas. Zwar setzen auch Biotreibstoffe bei der Verbrennung Kohlendioxid frei, doch die Pflanzen absorbieren während ihres Wachstums CO2 aus der Luft und werden deshalb als CO2-neutral betrachtet.
Biodiesel und -ethanol sind bereits Treibstoffe der Gegenwart. Die EU hat festgelegt, dass Biokraftstoffe bis 2010 im Ausmaß von 5,75 Prozent und bis 2020 von zehn Prozent den fossilen Treibstoffen beizumischen sind. Österreich ist neben Deutschland, Frankreich und Schweden Vorreiter bei Biotreibstoffen in der EU. In Österreich wird seit Februar 2009 dem Diesel zu sieben Prozent Biodiesel beigemischt, dem Benzin wird zu 5,75 Prozent Ethanol beigefügt. Doch nach einer Euphorie in den ersten Jahren ist zuletzt wegen gestiegener Nahrungsmittelpreise die Sinnhaftigkeit dieser Energieerzeugung massiv infrage gestellt worden.
Für Biotreibstoffe der zweiten Generation sollen nicht mehr Nahrungsmittel verwendet werden, sondern Holz und landwirtschaftliche Abfallprodukte wie Stroh oder spezielle Energiepflanzen. Die feste Bio­masse wird erst einem Vergasungsprozess zugeführt und dann zu Treibstoff verflüssigt. Man spricht deshalb von Biomass-to-Liquid-Treibstoffen.

Energieautark als Ziel
An führender Stelle forscht hierzu das Institut für Verfahrenstechnik der Technischen Universität (TU) Wien gemeinsam mit Bioenergy 2020 und dem Europäischen Zentrum für erneuerbare Energien in Güssing. Die südburgenländische Gemeinde hatte sich Anfang der 1990er Jahre das verwegene Ziel gesetzt, energieautark zu werden. Güssing ist eine waldreiche Gegend. Neben genossenschaftlichen Heizanlagen in Dörfern wurde ein großes Bio­massekraftwerk gebaut. TU-Wien-Professor Hermann Hofbauer griff das in den 1920er Jahren für Kohle entwickelte Fischer-Tropsch-Verfahren wieder auf und nahm als Rohstoff Holz statt Kohle.
Holzschnitzel werden mit Wasserdampf auf ungefähr 850 Grad Celsius erhitzt. Dabei entsteht ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff sowie Wärme, die als Fernwärme genutzt wird. Das Gasgemisch betreibt einen Gasmotor zur Stromerzeugung. Aus dem Monoxid/Wasserstoff-Gemisch kann auch Methan, also synthethisches Erdgas, oder synthethischer Diesel erzeugt werden. „2004 haben wir begonnen, in der Anlage versuchsweise flüssigen Treibstoff zu gewinnen“, sagt Reinhard Rauch, Chemiker an der TU Wien.
In einem EU-Projekt wurde von 2004 bis 2007 erforscht, wie aus Holz Treibstoff erzeugt werden kann. Unter den Forschungspartnern waren neben Güssing, der TU Wien und anderen Universitäten auch Volkswagen, Daimler, Volvo und BP. Seit dem Ende des EU-Projekts arbeitet Rauch mit nationalen Forschungsgeldern weiter. Derzeit gibt es in Güssing eine Versuchsanlage, mit der zwei bis drei Kilo Diesel pro Tag erzeugt und getestet werden. Jetzt geht es darum, eine größere Demonstrationsanlage zu bauen – und dafür Investoren zu finden.
Eine solche hat das deutsche Unternehmen Choren bereits in Freiberg bei Dresden auf die grüne Wiese gestellt. Auch dort wird aus Holz Diesel erzeugt. „Sie nehmen zwar Holz, und am Ende kommt Diesel raus, aber die Verfahrensschritte sind komplett anders“, sagt Rauch. Choren verwendet eine eigene Vergasungstechnologie und kombiniert diese mit einem Fischer-Tropsch-Verfahren, das Shell entwickelt hat. Güssing hat eine Polygenerationsanlage, die Strom, Wärme und Kraftstoff gleichzeitig erzeugt und einen Gesamtwirkungsgrad von 85 Prozent hat. Choren erreicht einen wesentlich geringeren Wirkungsgrad.
Bei Biodiesel seien Choren und Güssing am weitesten fortgeschritten, sagt Rauch. In den USA konzentriert man sich darauf, aus Holz Ethanol für Benzinersatz herzustellen. Dabei ist GTI in Chicago führend.

Schlechte Energiebilanz
Wie viel Energie auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen produziert werden kann – und ob das überhaupt sinnvoll ist –, daran scheiden sich die Geister. Der Zug ist erst einmal abgefahren. Die EU setzt ihre begonnene Politik fort und weitet den erforderlichen Anteil an Zumischung von Biokraftstoffen auf zehn Prozent bis 2020 aus. Bauern haben sich auf das Zusatzeinkommen eingestellt, und die Biodiesel- und Ethanolanlagen sind gebaut.
Der deutsche Chemienobelpreisträger Hartmut Michel, Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt am Main, stellte eine ernüchternde Energierechnung für Biotreibstoffe auf: Bei der Produktion von Rapsöl in Deutschland sei die Ausbeute etwa 1200 Liter Öl pro Hektar, die einen Energiegehalt von 11.000 Kilowattstunden haben. Der Biodiesel enthalte nur 0,11 Prozent der Energie des Sonnenlichts, die auf das Land einstrahlte. Für Rapsanbau und Dieselherstellung gehen mindestens 50 Prozent der Energie drauf, die im Biodiesel steckt.
Ähnlich ist die Rechnung bei Bioethanol, das in Europa aus Getreide oder Zuckerrüben, in den USA aus Mais gewonnen wird. 80 bis 90 Prozent der im Bioethanol enthaltenen Energie müssen eingesetzt werden, um es überhaupt zu gewinnen. Auch wenn aus Mais Biogas erzeugt wird, um daraus elektrischen Strom zu erzeugen, ist die Bilanz ähnlich. Was Michel zu einer interessanten Rechnung verleitet: Würde der Landwirt auf nur einem Prozent der Anbaufläche Fotovoltaik­anlagen installieren, so würde er mehr Energie produzieren und bräuchte nicht einmal zu arbeiten (siehe dazu Die Zukunft der Energie. Die Antwort der Wissenschaft. Ein Report der Max-Planck-Gesellschaft, C. H. Beck Verlag, 2008).
Optimistischer sehen Autoren einer Studie der Internationalen Energieagentur die Bio­energiezukunft. Biomasse könnte bis 2050 rund ein Drittel zum globalen Energiemix beitragen. Dabei haben auch Rest- und Problemstoffe Potenzial zur Energiegewinnung, etwa Stallmist und Klärschlämme.
Auf die Verwertung solcher Problemstoffe hat sich der Grazer Anlagenbauer Biodiesel International (BDI) spezialisiert. BDI konzipiert und baut Multi-Feedstock-Anlagen, die neben Pflanzenölen alle möglichen Rohstoffe einsetzen können, etwa Altspeiseöle oder Tierfette. Zwei Anlagen werden gerade gebaut. Eine Anlage in Amsterdam verwertet Tierfette. Eine Anlage in Hongkong verwertet Fette und Öle, die aus dem Abwasser der Restaurantküchen über Fettabscheider ausgefiltert werden. Diese Fette werden bisher auf einer Deponie entsorgt oder landen illegal im Meer.
BDI machte in den vergangenen Jahren eine Berg- und Talfahrt durch, die den Hype um Biodiesel widerspiegelt. Von 14 Mio. Umsatz 2005 schnellte man auf 88 Mio. 2006 und ging 2008 auf 62 Mio. zurück. „Es hat eine Goldgräberzeit gegeben, und die Banken haben auf Teufel komm raus finanziert“, sagt BDI-Chef Wilhelm Hammer. Dann besteuerte Deutschland den Biodiesel, die Produzenten kämpften mit steigenden Rohstoffpreisen, und durch die Finanzkrise brach die Anlagenfinanzierung ein.
Auch die Forschung und Entwicklung hinsichtlich einzelner alternativer Treibstoffe ist nicht krisensicher. Es gibt Moden, was gerade „hot“ ist und was nicht. Vor zehn, 15 Jahren waren Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie hot. Das sind sie im Augenblick nicht, da sich bisher kein durchschlagender Erfolg abgezeichnet hat.
Dies wurde sichtbar, als US-Energieminister Steven Chu im Mai dieses Jahres das Budget für Wasserstoffforschung auf die Hälfte kürzen wollte. Daraufhin hat die Wasserstoff-Lobby, zu der die drei großen US-Autohersteller gehören, zurückgeschlagen. Der Kongress hat dem unwilligen Energieminister nun sogar eine Erhöhung der Wasserstoffförderung auf 190 Mio. Dollar beschert.
Hot sind im Augenblick vor allem ölproduzierende Algen. „Bestimmte Algen enthalten bis zu 30 Prozent Lipide“, sagt die Verfahrenstechnikerin Heike Frühwirth von BDI. Seit drei Jahren forscht der Anlagenbauer an Algen. Es geht darum, die richtigen Algen unter den besten Bedingungen zu züchten und das Herstellungsverfahren zu optimieren. Passende Algen werden von Biologen der Universität Wien gefunden. Kommerzielle Algenzüchtung zur Erzeugung von ungesättigten Fettsäuren und Pigmente gibt es bereits. Algen zur Treibstoff­erzeugung sind ein neues Gebiet, an dem sich die Forscher weltweit ab­strudeln. „Ich könnte jeden Monat auf eine wissenschaftliche Konferenz zu Algen fahren“, so Frühwirth. Das US-Energieministerium hat 85 Mio. Dollar für Algenforschung bereitgestellt, und der Ölkonzern Exxon Mobil steckt 600 Mio. Dollar in ein Algen-Joint-Venture mit dem Genom-Pionier J. Craig Venter.

Politik muss Anreize setzen
Jahrzehntelang hat der niedrige Ölpreis Energieforschung quasi verhindert, nun fließen die Gelder. Reichen sie aus? „Forscher wollen immer mehr Geld, eh klar“, sagt Gerfried Jungmeier von Joanneum Research. „Doch viele Umweltprobleme könnten wir bereits lösen, ohne zu forschen. Man kann mit kleinen, sparsamen Autos oder mit der Straßenbahn fahren, die gibt es schon.“
Forschung könne für die Zukunft Technologien entwickeln. Doch die Politik müsse Anreize setzen, um eine CO2-arme Wirtschaft zu realisieren. SUVs im Stadtverkehr mit Biodiesel zu füttern gehöre nicht dazu.

Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

Navis werden zur Infozentrale im Auto

Navis werden zur Infozentrale im AutoTom Tom

Navigationsgeräte gehören fast zur Standardausrüstung in österreichischen Autos. Auf der letzten Funkausstellung in Berlin wurden neue Geräte präsentiert, deren Funktionsumfang wieder gewachsen ist. Schließlich muss man sich auch gegen das Handy-Lager wehren. Die Zukunft verspricht eine stärkere Verschmelzung beider Welten.

Auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) 2009 im September in Berlin haben die Anbieter ihre aktuellen Neuentwicklungen gezeigt: Geräte in unterschiedlichen Preissegmenten, neue Services und Funktionen sowie Dienstleistungen, die bestehende Funktionen verfeinern und verbessern.
Für diejenigen, die sich schon immer gefragt haben, was bei vielen Autofahrern an der Windschutzscheibe so flimmert: Ein Navigationsgerät ist ein kleiner Computer, der einen GPS-Satellitennavigationsempfänger enthält. Damit ermittelt das Gerät seine aktuelle Position. Die Karten, die auf dem Bildschirm zu sehen sind, holt sich das Navi von einer Speicherkarte oder aus einem Speicher, der im Gerät eingebaut ist. Die Navigationssoftware sorgt dafür, dass die aktuelle Position auf einer Karte erscheint.
Vor der Fahrt gibt der Fahrer auf dem berührungsempfindlichen Anzeigefeld sein Ziel ein. Die Navigationssoftware im Gerät berechnet die Route. Mit Pfeilen und gesprochenen Anweisungen informiert das Navi den Fahrer, wann und wo er abbiegen muss.
Viele Navigationsgeräte lassen sich mit einem Saugnapf an der Frontscheibe befestigen. Der Zigarettenanzünder versorgt das Gerät per Kabel mit Strom. Für den Empfang von Verkehrsmeldungen ist in der Regel eine separate Antenne vonnöten. Sitzt die Antenne im Ladekabel, vermeidet man Kabelsalat.

Immer mehr Funktionen
In den mobilen Navigationsgeräten, also nicht den fix verbauten der Autohersteller, sondern in den sogenannten PNA (Portable Navigation Assistant) steckt alles drin, was man zur Navigation braucht: GPS- und Stauempfänger, Kartenmaterial sowie Steuerungsprogramm und mittlerweile viele Extras. So spielen Oberklasse-Modelle Musik und Videos ab, verfügen teilweise über DVB-T-TV-Empfänger, Bluetooth-Freisprecheinrichtungen fürs Handy oder sagen Touristikinformationen an. Erstmals zeigt Navigon beim 8410 eine fotorealistische Navigation: „ Real City 3D“. Häuser, Straßen, Fassaden, Zebrastreifen, Ampeln werden detail-, Häuser teilweise farbgetreu angezeigt. Das soll für noch bessere Orientierung sorgen. Verfügbar ist „Real City 3D“ für ausgewählte europäische Metropolen. Der Touchscreen verfügt über eine Mineralglas-Oberfläche wie beim iPhone von Apple, eingerahmt von einem Edelstahl-Gehäuse. Da sich die Navi-Preise im Sinkflug befinden, gibt es Einsteigergeräte für weit unter 100 Euro, Mittelklasse-Modelle mit 4,3-Zoll-Bildschirm, integrierter TMC-Stauwarnfunk­tion und Radarfallenwarner für rund 140 Euro.

Handy als Navigationsgerät
Immer mehr Handys sind mit GPS-Modulen zur Positionsbestimmung und Navigation bestückt – egal ob man im Auto sitzt oder zu Fuß unterwegs ist. Navigon liefert mit dem Mo­bile Navigator die entsprechende Software. Sie funktioniert neben dem iPhone auf Symbian-, Windows-Mobile- und neuerdings auf Android-Geräten. Knapp vor Messestart hat auch Tom Tom seine lange angekündigte Navi-Software im Apple App-Store platziert.
Zugeschnitten auf den persönlichen Fahrstil und/oder anhand zahlreicher Nutzerdaten errechnen einige Navis, beispielsweise von Tom Tom (IQ Routes), Navigon (My Routes) oder Falk (Lernende Navigation), bessere Routen unter Berücksichtigung von Wochentag und Tageszeit. Einige Systeme lernen sogar dazu. Die Navigation fällt mit immer besseren Verkehrsdaten und ständig aktualisierten Karten individueller aus. Top-Modelle von Tom Tom erkennen bereits den Zeitpunkt der Fahrt: Diese sogenannte IQ-Routes-Technik wählt etwa an einem Sonntag einen anderen Weg als an einem Montagmorgen.
Tom Tom bietet bei den Geräten mit der Zusatzbezeichnung „Live“ Navis an, die per mobilem Internet über GPRS oder UMTS auf Funktionen zugreifen. So lassen sich etwa Wetterdaten oder die aktuellen Benzinpreise der Tankstellen am Rand der Route abrufen. Für diese Extradienste zahlt man allerdings auch extra; knapp zehn Euro pro Monat soll der Live-Service kosten. Weiter ist in den Live-Diensten auch der kostenpflichtige Dienst HD-Traffic enthalten, der Mobilfunkdaten zur Stauwarnung nutzt. Dieses Stauwarnsystem liefert bessere Informationen über Straßenzustände oder Verkehrsbehinderungen als TMC oder der gebührenpflichtige Service TMC pro FM – bisher aber ausschließlich in Deutschland.

Navis heute und morgen
Die Geräte selbst werden auf der einen Seite in der Standardausrüstung billiger und am oberen Ende mit immer mehr Funktionen gefüllt, aber dafür teurer. Billige Modelle bieten Navigation pur, den meisten Geräten fehlen Extras wie Stauwarner (TMC/TMC pro FM) oder Freisprechfunktion fürs Handy. Die Karten vieler Billig-Navis sind veraltet und auf wenige Länder beschränkt. Mit einigen der teureren Geräte lassen sich Fotos ansehen: einfach die Speicherkarte mit den Bildern reinstecken, schon kann die Dia­schau beginnen. Manche Navis spielen sogar Musik und Videos von einer Speicherkarte ab und geben die Fahrtanweisungen über die Autoradio-Lautsprecher wieder: Ein eingebauter oder mitgelieferter Transmitter überträgt die Anweisungen zum Radio.
Jochen Katzer, Manager in der Forschungsabteilung von Navigon, sieht für die Zukunft eine weitere Verschmelzung von Mobilfunk und Navigation: „Das Beste der beiden Welten wird zusammenkommen.“ Einen weiteren Trend sieht Katzer im economy-Gespräch beim Routing über Verkehrsmittel hinweg: „Der geschickteste Weg nach Kriterien wie Kosten und Umwelt steht dabei im Vordergrund. Die besondere Stärke des Navigationssystems ist es dann, auf einfache Art zu finden.“

Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

Friedhof der vergessenen Automarken

Friedhof der vergessenen AutomarkenEPA

Die Automobilgeschichte durchzieht ein Faden gescheiterter Baureihen, von NSU und Horch bis Pontiac und Saturn.

Markenpflege ist das Um und Auf einer erfolgreichen Produktlinie. In dieser Hinsicht haben also die hoch bezahlten General Motors (GM)-Manager in den letzten Jahren auf ganzer Linie versagt. Es begann mit der Einstellung von Oldsmobile, einer Automarke, die 1897 gegründet wurde und mithin als eine der ältesten der Welt galt. 2004 fiel der Vorhang, als GM die Traditionsmarke unwiderruflich heruntergewirtschaftet hatte und mit Kosten von einer Mrd. Dollar einstellen musste.
Und die Markenvernichtung geht weiter: Von Pontiac, produziert seit 1906, wird im Jahr 2010 der letzte Wagen ins Museum rollen. Der Grund: mangelnde Nachfrage aufgrund einer miserablen Modellpolitik, mäßiger Qualität und indifferenten Designs. Kurz vor der Einstellung wurde Pontiac immerhin noch ausgezeichnet. Und zwar mit dem Modell Pontiac Aztec als einem der zehn hässlichsten Autos der Welt auf einer Rangliste des britischen Daily Telegraph.
„Es gab eine Zeit, aber das ist schon lange her, da wusste man genau, wofür Pontiac stand“, sagt Kevin Smith, Redaktionsleiter des Branchen-Infoportals Edmunds.com. Pontiac galt als die sportliche Marke im Konzern, es gab Ikonen wie den Pontiac Firebird, Trans Am oder GTO, allesamt in den 1990er Jahren im Design zugrunde gerichtet. Und dann kam die Marke Saturn, die sich an eine ähnliche Zielgruppe richtete und dadurch unter den Kunden Verwirrung stiftete, da sie etwas unbeholfen die japanische Konkurrenz imitieren wollte. Resultat: Auch Saturn wird nun eingestellt, wie GM nach gescheiterten Verhandlungen mit einem Käufer erst kürzlich verkünden musste.

Der Blick zurück
Besonders in der US-Autogeschichte gab es eine Reihe von herausragenden Marken, an die man sich mit Wehmut zurückerinnert. Etwa die American Motors Corporation (AMC), die mit dem kugeligen AMC Pacer sogar in Europa einen Achtungserfolg erringen konnte und noch immer eine treue Fan-Gemeinde hat. Ganz abgesehen von dem heute sehr gefragten Muscle Car AMC Javelin. Oder DeLorean, ein leicht verrücktes Konzept des skandalumwitterten ehemaligen General-Motors-Vizepräsidenten John De Lorean, gebaut in Nordirland in einer Karosserie aus rostfreiem Stahl und im Film Zurück in die Zukunft zu Ehren gekommen. Was haben wir da noch an US-Klassikern, die es nicht mehr gibt: Studebaker zum Beispiel, Plymouth, Edsel, De Soto, Nash, Rambler und viele mehr.
Auch in Europa gibt es eine Reihe von Marken, die der Vergessenheit anheimgefallen sind, wenngleich man den Versuchen zur Wiederbelebung von Baureihen wie Bugatti oder Maybach durchaus Respekt zollen muss. Eingestellt wurden unter anderen NSU (Vorläufer von Audi), Messerschmitt, Horch, DKW, Borgward, Adler, Glas und die beiden Ostmarken Wartburg und Trabant (Letztere soll wiederbelebt werden).
Weltweit vermissen wir einst klingende Namen wie Datsun, Talbot, Morris, Austin, Lagonda, Panhard, Princess, Jensen, Sunbeam, Triumph oder die russische Marke Moskwitsch. Die nächsten Kandidaten für den Friedhof der Marken sind Mercury, Proton und Ssangyong. Warum? Weil sie als Marke keine Rolle mehr spielen.

Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

Echte Elektroautos im Praxistest

Echte Elektroautos im PraxistestReffcon

In jeder Podiumsdiskussion zum The­ma Verkehr und E-Mobility oder auch beim Forum Alpbach bin ich immer wieder der „böse Bube“. Dann nämlich, wenn die Autoindustrie wieder einmal mit Nachdruck behaup­tet, dass E-Mobility noch Jahre der Forschung brauche und ich daraufhin mit unseren Autos auftauche und zeige, dass wir marktreif sind und auch schon verkaufen. Es ist mir ja klar: Die Industrie würde lieber Hybridlösungen mit Motor und Batterie verkaufen als nur einen einfach aufgebauten Elektromotor. Aber ich sehe diese Haltung als nachhaltig schädlich für den Standort Österreich an, da wir sonst den Anschluss verlieren werden.
Ein Auslöser für das rasche Vorankommen der E-Mobility ist meiner Meinung nach ein Paradigmenwechsel in der Einschätzung Russlands als Energielieferant. Nach der Ukraine-Krise im letzten Winter war es einfach vorbei mit dem EU-Wording über den „verlässlichen Partner“ Russland. Denn die europäische Energieversorgungssicherheit ist nunmal eines der obersten Anliegen der Europäischen Union. Mit erneuerbaren Energien, also den heimischen Gratisrohstoffen Wind und Sonne, kann diese Sicherheit langfristig erreicht werden – und die E-Motion dazu liefert die E-Mobility.
Ich darf berichten: Wir haben in einem Pilotversuch in Vorarlberg als einziger Region in Europa echte Elektroautos mit echten Kunden auf der Straße. Und das in einem zu 30 Prozent geförderten Projekt. „Vlotte“ ist das erste staatlich geförderte nachhaltige Mobilitätsprogramm in Europa. Seit Juni haben wir 40 Fahrzeuge ausgeliefert; Projektziel ist, dass es bis Ende 2010 250 sein sollen. Dieses Projekt wird sehr wahrscheinlich der Testlauf für ein Large-Scale-Projekt in einem deutschen Bundesland sein.
Um es – allen Unkenrufen zum Trotz – noch mal klar und deutlich zu sagen: Wir importieren und verkaufen voll alltagstaugliche Elektrofahrzeuge, die im faktischen Einsatz auf der Straße beweisen, dass E-Mobility funktioniert. Wir haben die Batteriegarantie sogar auf sechs Jahre verlängert. Unsere Kunden haben Zugriff auf ein Portfolio an Elektrofahrzeugen zu Preisen zwischen 12.000 und 120.000 Euro. Und wir reden dabei von Stückzahlen, die in die Hunderte gehen; wir kommen mit dem Liefern gar nicht nach. So wurden vor zwei Wochen 400 „Think Citys“ an ein Konsortium verkauft; es waren die letzten heuer in Österreich verfügbaren Einheiten. Wir rechnen damit, bald auch für 2010 ausverkauft zu sein.
Roland Dimai ist Geschäftsführer von Reffcon und Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes Nachhaltige Mobilität Österreich.

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Roland Dimai, Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

Gute Verbindung dank moderner Technik

Gute Verbindung dank moderner TechnikPhotos.com

Umfassendes Update brachte für die Wirtschaftskammer Steiermark zeitgemäße Kommunikationsstrukturen.

Die Wirtschaftskammer (WK) Steiermark vertritt die Interessen der steirischen Wirtschaftsunternehmen und berät sie in Fragen der Unternehmensplanung und -entwicklung. Informations- und Wissensqualität sowie ein Top-Kundenservice haben absolute Priorität. Der Schlüssel dazu heißt Optimierung der internen und externen Kommunikationswege.
Die Lösung: Zum Einsatz kam die im Rahmen der Innovative Communications Alliance zwischen Nortel und Microsoft entwickelte Systemumgebung. Dabei wurde von Kapsch der Voice-over-IP-basierte Nortel Communications Server 1000 mit dem Microsoft Office Communications Server 2007 so integriert, dass die Anwendungen unter einer einheitlichen Microsoft-Office-Benutzeroberfläche nutzbar sind. Damit wurden die wesentlichen Ziele von Unified Communications erreicht: Zugang zu den neuen Medien wie Audio- und Videokonferenzen sowie Instant Messaging, Zugriff auf zentrale Applikationen wie das „Service Center“ der WK Steiermark sowie die gesteuerte Erreichbarkeit durch die Nutzung von Pre­sence Information. So konnten auch bisher eigenständige regionale Telefonanlagen eingespart werden. Um auch den fünf Vermittlungsstellen die Tätigkeit durch Presence Information zu erleichtern, wurden diese mit dem Kapsch-Smart-Switchboard ausgestattet.

Umfassende Modernisierung
Für die WK Steiermark hat Kapsch folgende Leistungen umgesetzt: Planung, Design und Projektumsetzung der gesam­ten Unified-Communications-Lösung inklusive der umfassenden Erneuerung des 15 Jahre alten Systems auf einen Nortel Communications Server 1000 inklusive der Integration mit dem Microsoft Office Communications Server. Dazu kommt ein komplettes Dienstleistungspaket für die laufenden Serviceleistungen für das System mit über 900 Arbeitsplätzen inklusive IP-Telefonie-Endgeräten und fünf Kapsch-Smart-Switch­board-Vermittlungsstellen. „Unser bisheriges System war in dieser Form nicht mehr zukunftssicher und stieß funktional an seine Grenzen. Wir haben uns gerne davon überzeugen lassen, dass für eine Unified-Communications-Lösung die Allianz aus Nortel, Microsoft und Kapsch am sinnvollsten ist“, so Wolfgang Schinagl, IT-Leiter der WK Steiermark. Kapsch ist spezialisierter Systemintegrator für Unified Communications und Microsoft Gold Certified Partner. Zudem wurde Kapsch von Microsoft für das Microsoft Voice Partner Program und Microsoft Technology Adoption Program ausgewählt und wird damit offiziell von Microsoft beim Thema Unified Communications unterstützt.

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Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

Weltumspannende Konferenzen

Weltumspannende KonferenzenSOS-Kinderdörfer/Cisco

SOS-Kinderdörfer setzen quer über den Globus auf tägliche Online-Meetings via Web-Ex von Cisco.

Bei der Planung und Durchführung von internationalen Informationstechnologie (IT)-Projekten greifen die SOS-Kinderdörfer schon seit Längerem auf Online-Meetings mit Cisco Web-Ex zurück. Mittlerweile hat sich diese Kommunikationsform auch in anderen Bereichen der Organisation etabliert. Die Anzahl der Flugreisen konnte dadurch reduziert und die Kommunikation wesentlich vereinfacht werden.

Web-Meetings
Seit 1949 ermöglichen die SOS-Kinderdörfer elternlosen Kindern das Aufwachsen in einem familienähnlichen Umfeld. Mittlerweile ist daraus eine weltumspannende soziale Organisation mit 500 Kinder­dörfern geworden. Da sich die SOS-Kinderdörfer im Wesentlichen selbst finanzieren, sei es durch Spenden oder Patenschaften, ist das Akquirieren von Spenden eine wichtige Aufgabe in der Organisation. Weil dies eine äußerst komplexe, aufwendige Thematik ist, gehören die SOS-Kinderdörfer zu den Pionieren der EDV in Österreich: Anfang der 60er Jahre wurde hier in Tirol einer der ersten großen Computer außerhalb des Bankensektors betrieben, um Zigtausende Spender zu verwalten. Für die Weiterentwicklung und Pflege der international eingesetzten Software-Lösungen muss die IT-Abteilung der Dachorganisation weltweit umfangreiche Abstimmungen mit den nationalen SOS-Organisationen vornehmen. Vor geraumer Zeit wurden deshalb von der IT der Organisation auf regionaler Ebene die ersten Online-Meetings mit Cisco Web-Ex durchgeführt. Der erfolgreiche Einsatz von Web-Konferenzen in den IT-Abteilungen von Dachverband und regionalen Organisationen hat mittlerweile dazu geführt, dass auch andere Bereiche diese Technologie nutzen. Heute reduziert die gesamte internationale Organisation der SOS-Kinderdörfer auf diese Weise ihre Reisetätigkeit und spart damit Kosten und vor allem viel Zeit.
Allein am Standort Innsbruck werden täglich mindestens zwei Web-Konferenzen abgehalten.
„Beim Einsatz von Web-Konferenzen hat unsere IT eine Pionierrolle gespielt“, resümiert Thomas Rubatscher, International Director Information and Communication Technology bei der Dachorganisation der SOS-Kinderdörfer in Innsbruck. „Mittlerweile ist diese Kommunikationsform in unserer gesamten internationale Organisation fest verankert und aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken.“ Für den reibungslosen technischen Ablauf sorgt Cisco.

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Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

Jung, mobil und frei

Jung, mobil und freiBilderbox.com

Sie sind jung und ungestüm, gieren nach Freiheit und Mobilität. Unerfahrenheit, Selbstüberschätzung und Imponiergehaben machen sie jedoch zur größten Risikogruppe im Straßenverkehr.

Verkehrsunfälle sind weltweit die häufigste Todesursache für Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren. Burschen sind dabei fast dreimal so gefährdet wie junge Frauen. Auf Österreichs Straßen sterben jährlich bis zu 200 junge Menschen dieses Alters.
15.675 Jugendliche wurden im Vorjahr schwer verletzt. Die häufigsten Unfallursachen: Raserei und Alkoholkonsum. Alkohol setzt die Hemmschwelle für Mutproben herab, die meist in der Peergroup ausgeheckt werden. Je schneller, umso cooler; das Motto gilt auch für Mopeds und Roller. „Mit einem Fahrrad oder einer Vespa wirst du nur ausgelacht. Vespas gelten im Jugendjargon als ‚schwul‘“, verrät die 16-jährige Vanessa, die sich gerade auf den L17-Führerschein vorbereitet.

Da bist du schon wer
Der Führerschein stellt einen wichtigen Meilenstein im Leben eines Jugendlichen dar. „Es ist echt krass. Da bist du schon wer, wenn du ein Motorrad oder ein Auto hast.“ So wie die 16-jährige Vanessa träumen Zigtausende Jugendliche vom eigenen Fahrzeug.
Stolz chauffiert die HTL-Schülerin ihre Eltern durch die Straßen Wiens. Noch wacht der gestrenge Vater auf dem Beifahrersitz über das Tun seines Sprösslings. „Bin ich froh, wenn ich mit 17 den Schein mache und endlich unabhängig von der Gunst meiner Eltern bin“, sehnt die junge Dame ihren Geburtstag herbei. Auch ihr Vater bekennt sich zu einer gewissen Vorfreude auf die töchterliche Lenkerberechtigung, die ihn von seinen nächtlichen Abholdiensten erlösen wird.
Die privaten Übungsfahrten zum L17-Führerschein (3000 Kilometer müssen absolviert werden) gehen aber nicht immer reibungslos über die Bühne. „Vanessa, brems dich ein. Du bist zu schnell“, meint der Vater leicht nervös. „Geh Papa, ich halt mich doch eh an die Geschwindigkeitsbeschränkung“, kontert seine „Kleine“ fachmännisch. Angst? Nein, Angst habe sie keine, betont Vanessa. Sie gibt sich cool und ist von ihrem Können überzeugt.
„Eine für dieses Alter typische erhöhte Risikobereitschaft ist erkennbar, die kombiniert mit mangelnder Erfahrung die Hauptursache für Unfälle im Jugendalter darstellt“, bemerkt Dieter Krainz, Verkehrspsychologe vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) in Graz. Eine – ebenfalls alterstypische – erhöhte Selbstwahrnehmung verstellt den Kids die realistische Einschätzung der Gefahren. „Das, was dem passiert ist, kann mir doch nicht passieren, weil ich ein guter Autofahrer bin “, so die weit verbreitete Reaktion auf zahlreiche abschreckende Beispiele.

L17 ist Unfallprävention
Von einem „guten“ Autofahrer spricht das KfV aber erst ab einer Fahrleistung von 70.000 Kilometern. „Nach 5000 Kilometer bist du noch immer ein Anfänger, der erst die Distanz richtig einschätzen und die Blicktechnik erlernen muss, also die Fähigkeit zur Umschaltung der Aufmerksamkeit von fokussiert auf weit gestreut und umgekehrt“, erklärt der Verkehrspsychologe.
Als wichtige unfallpräventive Maßnahme sieht der Verkehrspsychologe die hohe Anzahl der praktischen Fahrstunden, das Fahrsicherheitstrainung und das Gespräch mit dem Psychologen, das im Rahmen des L17 Vorschrift ist. Anhand des Risikoverhaltens kann der Verkehrspsychologe die Reife eines Jugendlichen und somit seine Verkehrstauglichkeit erkennen. „Für Mopedfahrer wurde das verpflichtende Gespräch mit dem Psychologen im Jahr 2003 abgeschafft. Seither ist die Zahl der Moped-Unfälle auf das 20- bis 30-Fache gestiegen, kritisiert Krainz.
„Mit dem Mehrphasen-Führerschein und dem L17 sind wir aber auf einem guten Weg. Die Zahl der tödlichen Unfälle von jungen Lenkern sinkt. Doch es sterben nach wie vor viel zu viele junge Menschen auf den Straßen. Darum sollten zusätzlich auch andere Möglichkeiten jugendlicher Mobilität gefördert werden“, betont der KfV-Methodiker. Sammeltaxis, Disco-Busse, Taxigutscheinaktionen und ein flächendeckendes öffentliches Nachtverkehrsnetz würden einen wichtigen Beitrag leisten.

Astrid Kasparek, Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

US-Starthilfe für das Steckdosenauto

US-Starthilfe für das SteckdosenautoPhotos.com

Seit sich Barack Obama Elektroautos auf Amerikas Straßen wünscht, feilen die US-Autobauer an ihrem Öko-Image. Steuerzuckerl für Käufer sollen dem Absatz der Stromflitzer auf die Sprünge helfen.

150 Mrd. Dollar will Barack Obama in den nächsten zehn Jahren in neue Energielösungen stecken. Herausschauen sollen dabei fünf Mio. neue Arbeitsplätze und Produkte, die die Erdölabhängigkeit der USA entschärfen. Dass Cleantech mehr als ein staatlich verordnetes Innovationsprogramm ist, zeigt sich an den Trends für Risikokapitalinvestitionen. Dort überholt die saubere Technologie bereits das Lieblingsthema Biotech.
Auf der Liste weit oben steht im 250-Mio.-Autos-Land, Elektrofahrzeugen zur Marktreife zu verhelfen. „Bis 2015 werden wir eine Million Elektrohybrid­autos auf Amerikas Straßen bringen“, verkündete Obama im März.

Elektro-Boom
An Interesse mangelte es bei Elektroautos noch nie. Was auch nicht zuletzt dazu führt, dass die Faszination von den Ökokreuzern in direktem Verhältnis zur Profitabilität gesehen wird. Tenor: Gibt es erst einmal leistbare und technisch passable Modelle, verkaufen sich diese von alleine.
Um dem Ganzen auf die Sprünge zu helfen, verlangt es in Rezessionszeiten jedoch nach Überzeugungshilfen in Form von Steuererstattungen. Etwas zu viel Kalkulation der Hersteller mit dem Steuerzuckerl von 7500 Dollar und zu wenig Innovation kommt dabei für Johan de Nysschen, Chef von Audi of America, heraus. Im Rahmen einer Presseveranstaltung ereiferte er sich über General Motors’ (GM) ersten Halb-Elektroversuch Chevrolet Volt: Die Limousine mit Elektroantrieb und zusätzlichem Benzinmotor für längere Ausfahrten soll im Herbst nächsten Jahres verfügbar sein und 40.000 Dollar kosten. De Nysschen befand den Volt angesichts seines Preis-Leistungsverhältnisses als „Auto für Idioten“. Später ließ der Audi-Manager zwar via Facebook ausrichten, dass er sich „nicht speziell erinnere“, diese Bezeichnung verwendet zu haben, erläuterte gleichzeitig aber den Sager: „Der extreme Aufpreis des Volt lässt sich nur über staatliche Unterstützungen ausgleichen“, so de Nysschen. Anders formuliert: eine überteuerte Durchschnittslimousine, die nur durch die Gnade des Steuerzahlers Marktchancen bekommt.
Am anderen Ende der Innovationsskala rangieren die Kalifornier von Tesla Motors. Dort sind Elektroautos serienreif und werden bereits auch verkauft – nach Angaben des Unternehmens gingen per September 700 Stück Tesla Roadster an Kunden. Mit dem 100.000-Dollar-Elektrosportwagen, der eine durchschnittliche Reichweite von 390 Kilometern haben soll, wendet sich Tesla an jene Klientel, die Audi mit seinem Elektromodell E-Tron ins Auge fasst. Im Juni konnte sich Tesla einen Kredit des Energieministeriums für die Entwicklung eines weiteren Modells sichern. Entstehen soll mit den geborgten 460 Mio. Dollar ein kostengünstigerer Sportwagen, der Ende 2011 auf den Markt kommen und nach Abzug des Steuerbonus 49.900 Dollar kosten soll.
Von der positiven Stimmung gegenüber Elektroautos profitieren auch die Zulieferer. So holte sich etwa A123 Systems im Sommer 430 Mio. Dollar über die Börse. Das Spin-off des Massachusetts Institute of Technology entwickelt Lithium-Ionen-Akkus für Elektrofahrzeuge und beschäftigt 1800 Mitarbeiter. Dass das Unternehmen noch keine schwarzen Zahlen schreibt, schien die Investoren trotz Wirtschaftskrise nicht weiter zu stören.

Angst vor lautlosen Killern
Mit der Ankunft von Elektroautos rücken auch unerwartete Herausforderungen ins Interesse, darunter der leise Betrieb der Fahrzeuge. So sorgt sich die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) um die Sicherheit der Fußgänger, sollten einmal mehr Autos flüsterleise heranbrausen. Die NHTSA bezieht sich dabei auf eine Studie, die die Häufigkeit von Unfällen zwischen Fußgängern und Hybridfahrzeugen wie etwa dem in den USA beliebten Toyota Prius untersucht. Demnach soll es vor allem bei geringen Geschwindigkeiten um 50 Prozent mehr Unfälle geben als mit herkömmlichen Fahrzeugen. Verschiedene Autobauer sollen bereits an der Entwicklung von Geräuschen arbeiten.
Forderungen wie die der amerikanischen Blindenvereinigung National Federation of the Blind, dass Elektroautos genauso klingen müssten wie die Konkurrenz mit Benzinmotor, stoßen unter anderem bei Tesla auf wenig Begeisterung. Autos wieder laut zu machen, wo sie eben erst leise wurden, scheint dort kein gangbarer Weg.
Was Shai Agassi, ehemals in der Führungsriege des Finanz-Software-Riesen SAP, mit seinem Start-up Better Place im Großen plant, geschieht in einigen Teilen der USA im ganz Kleinen. Agassis Plan, das Land mit einem dichten Netz an Elektrotankstellen zu durchziehen, beginnt übersetzt auf New York mit Immobilienbesitzern, die Ladestationen in ihre Apartmenthäuser einbauen. Better Place will eine Mischung aus Tankstellen und Akkutauschstationen aufbauen, ein Pilotprojekt in Israel wurde bereits begonnen. In Manhattan sollen damit unterdessen teure Mietwohnungen leichter an den Mann gebracht werden. Das Unternehmen Glenwood etwa verwaltet 24 Luxusmietshäuser in New York City. In einem davon, einem 24 Stockwerke hohen Wohnturm im Textilviertel der Halbinsel, sollen demnächst vier solcher Tankstellen zur Verfügung stehen.
Ein allzu großes Risiko halsen sich die Immobiliengesellschaften dabei nicht auf. An die 5000 Dollar kosten die Ladestationen, gerade einmal die Monatsmiete einer Glenwood-Zweizimmerwohnung. Agassi hingegen pokert mit seinem Unternehmen hoch. Wie das US-Magazin The Atlantic schreibt, wird er am Ende wohl entweder „Beifall und Reichtum“ erfahren oder einen „sehr teuren und öffentlichen Fehlschlag“.

Economy Ausgabe 77-09-2009, 23.10.2009

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