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04. Juli 2024

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Vom Erfinder zum Unternehmer

Vom Erfinder zum UnternehmerEcoduna

Die Preisträger des „Genius“-Ideenwettbewerbs 2008 sind heute bereits bestens im Geschäft.

Mikroalgen enthalten hochwertige essenzielle Fettsäuren, die als Rohstoff für kosmetische und pharmazeutische Produkte sowie für energiereiche Nahrungsmittel eine immer stärkere Nachfrage erfahren. Die industrielle Züchtung solcher Algen ist bisher an den hohen Betriebskosten gescheitert. Franz Emminger und Martin Mohr haben ein extrem energieeffizientes Verfahren ausgetüftelt, das senkrecht stehende Foto-Bio-Reaktoren der Sonneneinstrahlung nachführt.
Für diese bahnbrechende Entwicklung erhielten Emminger und Mohr beim „Genius“-Ideenwettbewerb 2008 von Niederösterreichs Gründeragentur RIZ einen der drei ersten und mit 5000 Euro dotierten Preise. Heute steht ihr junges Unternehmen Ecoduna kurz vor dem Durchbruch, wie Martin Mohr berichtet: „Dem Gewinn des Preises folgte ein starkes mediales Echo, das uns rasch Kontakte zu interessierten Investoren brachte. Wir stehen jetzt gerade vor dem Abschluss der Verträge.“

Sehr gute Auftragslage
Ebenfalls einen ersten Platz belegte das Projekt „ISHAP Card“ von Dominik Ziegenhagen und Team. Dabei handelt es sich um eine mobile Dokumentations- und Archivierungssoftware zur Erfassung von Baustellenpersonal. Jeder Mitarbeiter wird erfasst und automatisch in einer Datenbank gespeichert. Binnen weniger Minuten erhält er einen Baustellenausweis in Scheckkartenformat. Auch Ziegenhagen schätzt den „Genius“-Preis: „Wir zählen führende Bauunternehmen zu unseren Kunden. Deshalb hat uns vor allem das positive Feedback unserer Auftraggeber gut getan. Der Preis hilft, die eine oder andere Tür zu öffnen.“
Weniger mit Türöffnen als mit der Abwicklung konkreter Aufträge ist Dietmar Üblacker beschäftigt, der 2008 auch zu den „Genius“-Preisträgern zählte. Die von ihm gegründete Firma Senmicro entwickelt hochwertige Sensoren, die eine deutliche Energieeinsparung und Qualitätsoptimierung in der Papierherstellung ermöglichen. Heute kann er sich vor Aufträgen kaum retten; verständlich, dass er meint: „Ich empfehle jedem, sich mit seiner Idee an diesem Wettbewerb zu beteiligen. Für ein junges Unternehmen ist das eine ideale Plattform, um öffentlich stärker wahrgenommen zu werden.“

Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

Plattform für innovative Ideen

Plattform für innovative IdeenPhotos.com

Die Einreichfrist für den von Niederösterreichs Gründeragentur RIZ organisierten Wettbewerb „Genius 2009“ läuft.

Mit dem Schwerpunktthema „Logistik und Mobilität“ und insgesamt 50.000 Euro Preisgeld startet der Wettbewerb „Genius“ in sein neuntes Austragungsjahr. Gesucht werden innovative Ideen mit einer konkreten Chance auf Realisierung und kreative Schülerprojekte.
Aus den innovativen Ideen von heute entstehen die erfolgreichen Unternehmen von morgen. Diese Ideen aufzuspüren, sie zu fördern und ihnen in weiteren Schritten auch zur Umsetzung zu verhelfen, genau das ist das Ziel des „Genius“-Ideenwettbewerbs.

Kreativitätsschub
„Der Wettbewerb ist ein Angebot an kluge Köpfe, ihre Ideen in Niederösterreich zu verwirklichen“, erklärt Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav die Intention. „Mit der Prämierung bitten wir die herausragendsten Projekte vor den Vorhang. Gleichzeitig möchten wir die Teilnehmer ermutigen, an ihren Themen dranzubleiben und ihre Ideen auch umzusetzen. Und nicht zuletzt wollen wir damit mögliche Verwertungschancen für zukunftsweisende Projekte aufzeigen.“
Angesprochen werden kreative Menschen aller Fachgebiete aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich, die an innovativen Problemlösungen arbeiten, ob sie nun in universitären Einrichtungen oder in Unternehmen tätig sind. Regional ist der Wettbewerb auf die „Vienna-Region“ beschränkt. Teilnahmeberechtigt sind somit alle Personen, deren Wohnsitz oder Arbeitsplatz in Niederösterreich, Wien oder im Burgenland liegt. „Beim ‚Genius‘ sind Ideen aus allen Forschungs- und Entwicklungsbereichen willkommen“, meint auch RIZ-Geschäftsführerin Petra Patzelt, „egal ob es sich um eine Produktinnovation, eine neue Dienstleistung oder ein neues Verfahren handelt – wichtig ist, dass die Ideen Potenzial zur Realisierung haben. Bei der weiteren Umsetzung oder bei ersten Schritten wie dem Businessplan hilft das RIZ weiter.“

Standortsicherung
Der „Genius“-Ideenwettbewerb wurde ursprünglich vom Wirtschaftsressort des Landes Niederösterreich ins Leben gerufen. Organisiert wird er vom RIZ, Niederösterreichs Gründeragentur, in enger Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen im niederösterreichischen Netzwerk: dem Accent Gründerservice, der Tecnet Capital, den Ecoplus-Technopolen Krems, Tulln und Wiener Neustadt, den Ecoplus-Clustern und der Ecoplus International. Durch gezielte Förderung innovativer Forschungs- und Entwicklungsprojekte soll die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Niederösterreich auf lange Sicht gestärkt werden.

Nachwuchsförderung
Auch den Nachwuchs hat der Wettbewerb im Auge. Unter dem Motto „Die besten Ideen stecken im Kopf – behalte sie nicht für dich“ werden mit dem „Genius“-Jugendpreis nieder-österreichische Schülerinnen und Schüler zwischen 14 und 20 Jahren aufgefordert, kreative Ideen aus allen Fachgebieten einzureichen.
Zahlreiche Sponsoren ermöglichen mit ihrer Unterstützung, dass die Preisgeldsumme heuer erstmals stolze 50.000 Euro ausmacht. 46.000 Euro werden für den Ideenwettbewerb ausgeschüttet. Für die beste Idee zum diesjährigen Schwerpunktthema „Logistik und Mobilität“ gibt es einen Sonderpreis. 4000 Euro gehen an die Gewinner des Jugendpreises. Die Einreichfrist endet am 31. Oktober, die Sieger der beiden Wettbewerbe werden bei der Preisverleihung im Dezember gekürt.

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Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

Gelebte Forschungspartnerschaft

Gelebte ForschungspartnerschaftMitten im 2.

Zwei Wiener Schulen erforschen ihren Schulalltag und reflektieren über ihr soziales und kulturelles Umfeld.

Nicht zuletzt angesichts der aktuellen Schlagzeilen ist unbestritten: Schule und Bildung zählen zu den Dauerbrennern in der öffentlichen Debatte. Kaum jemand, der sich da nicht zu Wort meldet – oder? Stefan Hopmann, Professor am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien, gibt zu bedenken: „Im Konzert der Stimmen fehlt aber meist die, auf die es eigentlich ankommen sollte: die der Schüler selbst. Wenn überhaupt, wird ihre Meinung durch standardisierte Verfahren nach vorgeformten Mustern eingeholt. Als selbstständige Subjekte, die eine eigene Sicht der Dinge haben, kommen sie kaum zu Wort.“
Hopmann leitet im Rahmen des Forschungsprogramms „Sparkling Science“ (siehe Kasten rechts) das Projekt „Mitten im 2.“, dessen Intention primär darin besteht, dass Schüler ihre eigene Schulwirklichkeit und -geschichte erforschen. Zwei Bildungsstätten, die Lauder-Chabad-Schule und das Sigmund-Freud-Gymnasium, sind daran beteiligt. Neben der Befragung der Schüler zu ihren Eindrücken und Wahrnehmungen im Hinblick auf den Schulalltag geht es vor allem um eigenständige Recherche.

Präzise Evaluierung
Das vergangene Schuljahr stand ganz im Zeichen der Erforschung des physischen Schulumfelds. Besonders berücksichtigt wurden dabei die heterogene soziale und kulturelle Zusammensetzung der beiden Schulen sowie des 2. Wiener Gemeindebezirks. Das Thema Migration spielt an beiden Schulen eine Rolle: So hat am Sigmund-Freud-Gymnasium fast die Hälfte der Schüler einen Migrationshintergrund, an der Lauder-Chabad-Schule haben rund 90 Prozent eine andere Muttersprache als Deutsch. In einem weiteren Schritt sollen nun die Schulpraxis der Partnerschule evaluiert werden und Modellszenarien für Schul- und Unterrichtsforschung unter Einbeziehung der Schüler entworfen werden.

Sparkling Science
„Sparkling Science“ ist ein junges Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, das einen unkonventionellen Weg der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung beschreitet.

Aktive Teilnahme
Die Besonderheit des Programms: In den mehr als 50 Forschungsprojekten arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Seite an Seite mit Jugendlichen im Alter von zehn bis 18 Jahren, wobei die jungen Kollegen nicht als Zuschauer eingebunden sind, sondern aktiv Teilbereiche der Forschung übernehmen und diese eigenständig bearbeiten.
Die Schüler bringen als Juniorkollegen wichtige Anregungen in den Forschungsansatz ein, sie wirken an der Konzeption und Durchführung von Untersuchungen mit, machen Befragungen, erheben Daten, interpretieren diese gemeinsam mit den Wissenschaftlern und stellen die Ergebnisse an Schulen, an Universitäten und bei wissenschaftlichen Tagungen vor.
Geforscht wird an unterschiedlichsten Wissenschaftsfragen: von Mechatronik über Molekularbiologie bis Migrationsforschung, von Akustik über Biometrik bis hin zur Sprachkontaktforschung.
Die Kombination hochwertiger Forschung mit Nachwuchsförderung erweist sich als erfolgreiches Modell, das Barrieren abbaut und aus dem bleibende institutionelle Partnerschaften entstehen.
Die Rückmeldungen aus den laufenden Projekten sind außerordentlich positiv, und die für Januar 2010 geplante dritte Ausschreibung des Programms wird von Wissenschaftlern und Schülern mit großem Interesse erwartet.

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Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

Tunnelblick und Weitwinkelsicht

Tunnelblick und WeitwinkelsichtInfineon

Kreativität entsteht, wenn man den Leuten Freiräume bietet, wo sie wirklich „spinnen“ können. Innovation entsteht, wenn man Leute mit unterschiedlichem Know-how zusammenbringt. Vor 15 Jahren beschäftigte Infineon fast nur Österreicher in der Entwicklung. Heute kommen 40 Prozent der Leute aus 40 unterschiedlichen Nationen.

Als in den vergangenen vier Jahren 261 malaysische Techniker und Technikerinnen zu Infineon nach Villach kamen, wurden einige Leute mit ihren Vorurteilen konfrontiert. Die malaysischen Kollegen wurden in Villach ein halbes Jahr lang für die neue Halbleiterfabrik des Konzerns in Kulim in Malaysia ausgebildet. „Darunter waren viele Musliminnen mit Kopftuch, die hochbegabte Technikerinnen sind“, erzählt Monika Kircher-Kohl, Vorstandsvorsitzende von Infineon Österreich. „Da galt es, Vorurteile zu überwinden.“
In Asien sind Frauen viel häufiger in technischen Berufen tätig als in Österreich. Der Frauenanteil bei Infineons asiatischen Töchtern, mit Ausnahme von Japan, beträgt 47 Prozent. In Österreich beträgt er zwölf Prozent.
Das soll sich ändern. „Wir unternehmen verzweifelt Versuche, den Anteil von Frauen zu erhöhen“, sagt Reinhard Petschacher, Technikvorstand bei Infineon Österreich und im Gesamtkonzern für die Division Industrie und Auto verantwortlich. „Wir hätten gerne mehr Frauen in Forschung und Entwicklung, aber leider geben die technischen Hochschulen nicht mehr her.“ Männer und Frauen, so seine Beobachtung, hätten tatsächlich unterschiedliche Herangehensweisen bei der Problemlösung. Vereinfacht gesagt: Männer hätten eher einen hoch konzentrierten Tunnelblick, während Frauen die Probleme eher aus einem weiteren Blickwinkel betrachten.

Frauen begeistern
Infineon hat von 2005 bis 2007 ein mit Schulen, Fachhochschulen und Universitäten konzertiertes Aktionsprogramm durchgeführt, um Mädchen für Technik zu begeistern und junge Frauen, die ein Technikstudium begannen, für das Unternehmen zu gewinnen. Viele Aktivitäten laufen auch ohne Aktionsprogramm weiter. Etwa die Semi High Tech University. In diesem Rahmen konnten im letzten November 40 13- bis 14-jährige Mädchen aus Hauptschulen und Gymnasien zwei Tage lang Mikroelektronik und die Halbleiterei spielerisch erkunden. Diese Uni für Jugendliche in einem für die Berufswahl entscheidenden Alter – wer mit 14 Jahren in eine HTL geht, ist für die Technik quasi schon gewonnen – wurde vom Internationalen Verband der Halbleiter- und Fotovoltaikindustrie gegründet.
Damit angehende Technikerinnen nicht doch noch verloren gehen, hat Infineon gemeinsam mit anderen Unternehmen sowie Universitäten und Fachhochschulen ein neues Projekt gestartet. Dabei geht es darum, 18 Technikstudentinnen, die kurz vor dem Abschluss stehen, beim Umstieg auf technische Arbeitswelten zu unterstützen. „Einige Frauen sagen sich: ‚Beim Studium beiße ich mich noch durch, aber dann gehe ich in die Wirtschaft. Ich will nicht in dieser Männerwelt bleiben‘“, schildert Kircher-Kohl das Problem. Das Phänomen, dass Frauen allgemein und Technikerinnen im Besonderen auf dem Weg nach oben immer wieder verloren gehen, wird im Englischen als „Leaky Pipeline“ bezeichnet – was sich im Deutschen nur unzureichend, etwa mit „undichte Rohrleitung“, wiedergeben lässt. „Wir wollen jungen Frauen, die bereits den Weg der Technik beschritten haben, die Sicherheit geben, dass sie im Unternehmen gewollt werden. Dass sie keine Außenseiterinnen bleiben“, so Kircher-Kohl.
2005 hatte Infineon in technischen Positionen einen Frauenanteil von 5,6 Prozent. 2008 betrug der Anteil 7,3 Prozent. Das ist eine Steigerung um 30 Prozent. „Kulturveränderung ist zäh“, sagt Kircher-Kohl. „Und ohne eine gravierende Reform des Bildungssystems wird sie zäh bleiben.“
Die Beschäftigtenstatistik von Infineon ist ein Indiz für den eklatanten Technikermangel, unter dem Österreich seit einigen Jahren leidet. Davon unabhängig ist sie auch ein Beweis für die zunehmende Globalisierung nicht nur des Kapitals, sondern der Menschen. Die suchen überall dort Arbeit, wo sie die besten Bedingungen finden und es ihnen gefällt. Vor 15 Jahren beschäftigte Infineon in der Entwicklungsabteilung fast nur Österreicher. Heute sind es nur mehr 60 Prozent. Die restlichen 40 Prozent stammen überwiegend aus Europa, einige aus anderen Weltgegenden von Kanada bis Australien. Leute aus 40 Nationen arbeiten am Standort in Villach.
„Wichtig ist das unterschiedliche Know-how – das ist das Salz in der Suppe“, sagt Petschacher. Das Unternehmen sucht hoch qualifizierte technische Entwickler aus der ganzen Welt. „Damit die kommen, müssen wir ihnen ein Umfeld bieten, wo sie Spaß an der Arbeit haben. Kreativität entsteht, wenn man den Leuten Freiräume bietet, wo sie wirklich ,spinnen‘ können. Wenn man Leute unterschiedlichster Richtung zusammenbringt, wo sich etwas reibt.“

Kein Problem mit der Politik
Kreative Reibung von Leuten unterschiedlicher Nationen schön und gut, doch Österreichs Ausländerbeschäftigungsgesetze sind restriktiv, und einflussreiche Kärntner Politiker pflegen eine ausländerfeindliche Rhetorik. Wie ist die Erfahrung mit der Bürokratie? „Wir hatten noch nie ein Problem, Beschäftigungsbewilligungen für Schlüsselkräfte und deren Familien zu bekommen“, sagt Kircher-Kohl. Das treffe nicht nur für Infineon zu, sondern auch für andere Kärntner Unternehmen. Im Interesse des Wirtschafts- und Technologiestandorts werde pragmatisch vorgegangen.
Auch auf der persönlichen Ebene funktioniere die Vielfalt gut. Die malaysischen Kollegen, die in den Dörfern rund um Villach wohnten, erlebten zwar fallweise auch ungute Situationen. Doch großteils seien sie von den Kärntnern „unheimlich nett und positiv empfangen worden“, so Kircher-Kohl. „Wir sind zu einer weltweiten Community geworden.“

Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

Zwei Drittel nutzen Social Networks

Zwei Drittel nutzen Social NetworksPhotos.com

Vor wenigen Monaten hat die Facebook-Welle auch Österreich erfasst. My Space und Studi-VZ waren dagegen nur kleine Vorboten von einem Trend, den so kaum jemand voraussagen konnte. Eine umfassende Studie im Auftrag von Mobilkom Austria zeigt auf, wie Social Networking in der Alpenrepublik funktioniert und genutzt wird.

„Die Österreicherinnen und Österreicher nutzen vermehrt digitale soziale Netzwerke. Sie nutzen sie zusätzlich zu anderen Kommunikationskanälen, sehen sie als Bereicherung, sind sich aber auch der Risiken sehr wohl bewusst“, fasst Hannes Ametsreiter, Vorstandsvorsitzender von Mobilkom und Telekom Austria, zwei Haupttrends einer Untersuchung zum Thema Social Networking zusammen. Die Studie erhebt erstmals umfassend den Status quo der digitalen sozialen Beziehungen in Österreich und zeigt auf, welche Erwartungen die Nutzer daran knüpfen.
Allen Unkenrufen zum Trotz verdrängen Social-Networking-Plattformen traditionelle Kommunikationskanäle nicht, sondern ergänzen diese. „Die Studie räumt mit dem oftmaligen Vorurteil auf, dass das Netzwerken im Web Menschen sozial isoliert. Im Gegenteil: Sobald Social Networks im Spiel sind, verstärkt sich auch die soziale Interaktion über andere Kommunikationskanäle“, erläuterte Studienleiter Gereon Friederes, Geschäftsführer von Market­mind, im Gespräch mit Journalisten. Wer in digitalen sozialen Netzwerken aktiv ist, verzichtet keineswegs auf die Kommunikation via E-Mail, Gespräch, Anruf oder SMS.

Facebook führend
Beim Online-Netzwerken liegt Österreich knapp unter dem internationalen Schnitt: Weltweit geben, laut einer Universal-McCann-Studie, 64 Prozent der Internet-User an, persönliche Profile auf Social-Networking-Plattformen zu verwalten, in Österreich sind es 59 Prozent. Setzt international bereits fast ein Drittel (30 Prozent) Social Networks beruflich ein, sind dies in Österreich aber erst 18 Prozent.
Haben sie sich erst einmal auf einer Social-Networking-Plattform registriert, sind Österreicher dort häufig anzutreffen: 36 Prozent nutzen etwa Facebook zumindest einmal wöchentlich – international sind dies nur 23 Prozent. Zurückhaltender sind sie bei der Anzahl der Freundschaften. Hierzulande hat der Facebook-Nutzer durchschnittlich 70 Freunde, international sind es 120. „Die Österreicher sind keine Freunde-Sammler“, sagt Stephan Humer, Diplom-Soziologe und Forschungsleiter an der Universität der Künste Berlin, und liefert auch gleich eine Erklärung: „Für viele sind Social Networks eine neue Art des Kaffeehauses, ein Raum, wo man sich mit Menschen unterhält, die man kennt.“ Jüngere sowie intensive User haben am wenigsten Probleme damit, ihre Freundschaften öffentlich zur Schau zu stellen.
Von den 70 Personen, die durchschnittlich als Kontakte bestätigt sind, wird nur mit einem Viertel regelmäßig kommuniziert. „Social-Networking-Plattformen bieten ein zusätzliches Forum für die Kommunikation mit Partnern, mit denen man auch sonst regelmäßig in Kontakt steht“, erklärt Studienleiter Friederes. Für den (zusätzlichen) Einsatz von Facebook und Co.sprechen vor allem die geringere Aufdringlichkeit und die Effizienz in der Beziehungspflege.

Privatsphäre ist wichtig

Viele Österreicher kennen die Risiken von Social Networks und gehen bewusst mit ihren Daten um. Diese Rücksichtnahme gilt aber nur bedingt für die Daten anderer. „Bei sich selbst sind die User vorsichtig, andererseits geht aber die Sensibilität gegenüber der Privatsphäre anderer zurück“, erklärt Gereon Friederes. Als großen bis sehr großen Nachteil von Social-Networking-Plattformen beurteilen 76 Prozent möglichen Datenmissbrauch, 62 Prozent die Einsehbarkeit der Daten für Personal-Manager und 57 Prozent generell, dass viele persönliche Daten online zugänglich sind.
Immerhin sieben von zehn Internet-Nutzern haben massive Bedenken hinsichtlich Datenschutz und „Ausspioniert-Werden“. Im Detail betrachtet zeigt sich, dass es ein leichtes Altersgefälle gibt: Je älter, desto kritischer sehen Nutzer möglichen Datenmissbrauch. Angst vor der Einsehbarkeit von Daten für Personal-Manager haben hingegen eher die jüngeren Nutzer. Diejenigen, die Social Networks verwenden, sehen die Nutzungsbarrieren weniger nachteilig als Nicht-Nutzer. Humer: „Paradoxerweise scheint bei vielen Usern die Vorsicht zu schwinden, je mehr sie im Web unterwegs sind. Hier sind auch die Betreiber gefragt: Sie müssen ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen, die sich durch die Erschließung und Gestaltung neuer digitaler Räume ergibt, und insbesondere Jüngere und Heavy User noch mehr darüber aufklären, welche Folgen ihr Online-Verhalten haben kann.“
Unter den Netzwerkern im Internet sind Frauen überproportional häufig vertreten. 66 Prozent der österreichischen Frauen und 55 Prozent der Männer nutzen Social-Networking-Plattformen. „Während Frauen Social Networks in erster Linie für private Kontakte verwenden, setzen Männer solche Communitys weit stärker beruflich ein“, erklärt Gereon Friederes die Beweggründe.
Vor allem für die 14- bis 29-Jährigen sind diese Medien ein wichtiges Thema: 82 Prozent in dieser Altersgruppe nutzen die­se, bei den 30- bis 49-Jährigen sind es 57 Prozent und bei den 50- bis 60-Jährigen 34 Prozent. Die geschäftsorientierte Community Xing hingegen wird von den 30- bis 49-Jährigen am häufigsten besucht.
Je nach Altersgruppe unterscheidet sich auch die Motivation: Während jüngere User Social-Networking-Plattformen stärker zur Pflege von Freundschaften und sozialen Beziehungen sowie zur Selbstdarstellung einsetzen, überwiegen bei den 50- bis 60-Jährigen die Suche nach Informationen und der Aufbau von Wissen.

Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

Genormtes Wissen für die Massen

Genormtes Wissen für die MassenAPA/Helmut Fohringer

Staatliche Schulen mögen zwar ihrem demokratischen Bildungsauftrag folgen, das inhärente Ziel ist allerdings nicht von der Hand zu weisen: mit dem Monopol auf Wissen Normen in der Gesellschaft sicherzustellen.

In demokratischen Gesellschaften herrscht gemeinhin die Auffassung, dass eine der wesentlichen Aufgaben des Staates die Zuverfügungstellung von Bildung sei. Dies ergibt natürlich auch in vielerlei Hinsicht Sinn. Bildung ist der Unterbau einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft, unerlässlich für ein Wachstum der Wirtschaft, für die kulturelle Selbstbestimmtheit und für politischen Diskurs, ohne den eine Demokratie nicht funktionieren kann.
Was Staaten allerdings aus diesem Bildungsauftrag machen, ist in höchstem Maße unterschiedlich. In Ländern mit angelsächsischem Kulturerbe, etwa in Großbritannien, den USA und Australien, ist der Bildungsauftrag eng mit Elitenbildung verknüpft, und daher wird Bildung, je höher sie ist, immer mehr zur käuflichen Ware. In europäischen Ländern mit liberaler oder sozialdemokratischer Tradition ist Bildung eine Sache, die der Staat, also die Gesellschaft zur Verfügung stellt, die also mehrheitlich kostenfrei oder nahezu kostenfrei ist.
Beide Systeme haben ihre Vorzüge und ihre Nachteile. In Großbritannien etwa ist die Teilnahmequote an Bildungswegen über die Schulpflicht hinaus im Vergleich zu anderen Industrienationen relativ gering. Dies wird teilweise auf die hohen Gebühren zurückgeführt, die für Schulbesuch und Hochschulbesuch mancherorts anfallen. In den USA ist es ähnlich. Hier werden teilweise sehr hohe Studiengebühren verlangt. Da die Universitäten in den USA ganz im Gegensatz zu den High Schools allerdings einen sehr hohen Status haben, nehmen es Eltern auf sich, sich entweder für das Studium zu verschulden oder aber bereits Jahre vorher Ersparnisse für die Ausbildung der Kinder anzulegen. In beiden Fällen ist somit Bildung mit dem jeweiligen Wohlstand der Familien verknüpft. Wer es sich nicht leisten kann, und das sind eben Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen oder Familien mit Migrationshintergrund, der bleibt von höherer Bildung meist ausgeschlossen.
Ganz anders in Europa, dort ist in den meisten Ländern der Besuch höherer Schulen und Universitäten kostenlos oder zumindest großzügig staatlich gefördert, womit es wesentlich niedrigere Barrieren für Schüler auch aus schwacheren Einkommensschichten gibt, zu höherer Bildung zu gelangen.

Verzerrte Akademikerquoten
Doch was sind die Effekte dieser beiden Zugänge? Anhand der Akademikerquoten der einzelnen Länder kann man schwer die Vorzüge oder Nachteile der beiden Systeme ablesen. So hat etwa Kanada mit einem ähnlichen Bildungssystem wie die USA traditionell eine der weltweit höchsten Akademikerquoten unter Jugendlichen mit fast 50 Prozent, allerdings knapp gefolgt von Finnland, Norwegen und Schweden, Ländern mit einem freien Hochschulzugang und einem großzügigen Stipendienwesen. Die USA, Belgien, Frankreich, Australien, Dänemark und Großbritannien folgen mit ebenfalls hohen Akademikerquoten. Eine Mischung also, aus der nicht notwendigerweise der Vorzug eines freien Hochschulzugangs oder teurer Bezahluniversitäten ablesbar ist. Nebenbei erwähnt liegt die Akademikerquote in Österreich bei mageren 14 Prozent.
Die Frage ist, was die Zahlen aussagen. Herauslesen kann man aus ihnen in erster Linie, welcher Teil der Bevölkerung als „universitär zugerichtete Arbeitskraft“ in den Wirtschaftskreislauf entlassen wird. Es herrsche in diesen Bildungssystemen, vor allem in den kostenpflichtigen, „eine Logik der Verwertung“, wie Ralf Hoffrogge, der Hochschulreferent des Allgemeinen Studierendenausschusses der Freien Uni Berlin, meint. Seine Kritik gilt naturgemäß den Studiengebühren: „Die Universitäten verlassen in diesem Prozess die staatliche Sphäre und treten direkt in einen marktförmig organisierten Wettbewerb. Nicht nur die universitär zugerichtete Arbeitskraft, sondern auch die modular genormte Bildung wird zur Ware, die per Studiengebühr erworben werden muss“, kritisiert Hoffrogge.
Der Vorteil von Bezahluniversitäten aber ist es wiederum, dass sie sich vom eng genormten Korsett der staatlichen Bildungspolitik freimachen können. So sind Privatuniversitäten, mögen sie noch so sehr von Drittmittelfinanzierung und von Geldgebern und Lobbygruppen abhängig sein, wenigstens bis zu einem gewissen Maß frei in der Wahl der Lehre. Anders bei den staatlichen höheren Schulen. Dort herrscht – etwa besonders intensiv bei Gymnasien in Österreich – die Vermittlung genormten Wissens vor, das sich nach starren Studienplänen richtet. Wer nun sagt, staatliche höhere Bildungsvermittlung setze zum Zwecke ihrer Administrierbarkeit auch eine gewisse Normung des Wissens voraus, mag verwaltungstechnisch recht haben.

Deschooling-Bewegung
Das Problem ist aber, dass genormtes Wissen vorhersehbares Verhalten erzeugt. Anders gesagt: Genormtes Wissen bedingt ein genormtes Leben, für das staatliche Gemeinwesen positiv, für das Individuum nicht so sehr. Mit dem Problem der Normung des Menschen durch die (staatlichen) Schulen hat sich schon eine Reihe von Pädagogen befasst. Am Ende dieser Nachdenkprozesse sind auch radikale Antworten auf dieses Phänomen entstanden.
So etwa das „Deschooling“-Konzept, geprägt vom österreichisch-amerikanischen Autor und Theologen Ivan Illich und getragen von einer ganzen Reihe von Schulkritikern, von Psychologen bis Anarchisten. Die „Deschooling“-Bewegung argumentiert, dass das Monopol der Schule auf die Vermittlung von Wissen und auf die Vergabe von Titeln und Berechtigungen gebrochen werden muss. Die Schule sei außerdem ein „politischer Akteur – und damit Gefängnissen, Hospitälern, Psychiatrien, Kasernen und Kirchen zu vergleichen –, indem sie politisch erzieht. Jeweils im Sinne dessen, der gerade die Macht im Staate hat. Und die Schule vermittle statt Aufklärung und freier Bildung hauptsächlich Leistungskonkurrenz und Normkonformität zur späteren Verwertbarkeit.

Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

Image und Vertrauen im Journalismus. Zukunftsmodelle für unabhängige Medien.

Image und Vertrauen im Journalismus. Zukunftsmodelle für unabhängige Medien.

„Gfrast“, so die Antwort nach meinem Gruß unter Vorlage des Presseausweises im Gugginger Kunstmuseum. Keine Antwort und eine hingefetzte Pressekarte im Leopold Museum. Kein Einlass als Journalist in der Albertina – nur gegen Voranmeldung: „Zu viele missbräuchliche Verwendungen von Presseausweisen.“ Ein Kasernenton zwischen Kanzler-, Ministerbüros und Medien, der auch den Verlust von Vertrauen widerspiegelt. Persönliche Interventionen eines (damaligen) Ministers beim Herausgeber gegen eine Journalistin und ihre tendenziösen Berichte zeugen dazu von einem gestörten Verhältnis. Aber nicht nur in der Politik, auch Forschungs- und Wirtschaftsmanager fragen, ob sie „den Bericht vor Veröffentlichung noch zur Ansicht bekommen, es passieren oftmals Fehler bei der Wiedergabe“, und „das betrifft auch Zahlen und Fachtermini.“ Parallel hinterfragen viele Medien-Manager Qualität und Ökonomie in den Redaktionen. Der journalistische Berufsstand unterliegt großen Veränderungen. Jahrelange geschützte Werkstätten mit vielen, auch privat zur Verfügung stehenden Vergünstigungen und die Anbetung, als Meinungsmultiplikatoren die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen zu können, haben mehrheitlich die charakterliche Bodenhaftung beeinträchtigt. Kommerzieller Druck und internetgestützte Strukturen fördern Verunsicherung und Qualitätsverlust. Bildungsauftrag und demokratiepolitische Kontroll­instanz spielen kaum mehr eine Rolle.
Im Gegensatz zu Österreich denken die USA und Deutschland über die Zukunft von Medien nach. Ausgehend vom massiven Zeitungssterben in den USA wird in einem Reuters-Bericht vom März dieses Jahres ein demokratischer Senator zitiert, der ein eigenes Gesetz zur Wiederbelebung von Zeitungen schaffen will, indem diese wie Non-Profit-Organisationen behandelt werden: keine Steuern auf die Erlöse plus absetzbare Spenden für die Berichterstattung. Das Feuilleton der Zeit hat diese Entwicklung aufgegriffen und fünf Zukunftsszenarien der Medienforscher Stephan Weichert und Leif Kramp publiziert. Als erstes Modell werden Stiftungen erörtert, wo von reichen Personen und Unternehmen Geld kommen soll. Bei der Fazit-Stiftung für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, beim Scott-Trust für den britischen Guardian und bei der Sandler-Stiftung für das unabhängige Redaktionsbüro Pro Publica funktioniert das. An zweiter Stelle folgt ein öffentlich-rechtliches Gebührenmodell wie beim Rundfunk, nur mit kleineren Beträgen. Eine Art Nationalfonds für Qualitätsjournalismus. Drittens eine publizistische Förderung über eine gesetzlich geregelte Zugangsgebühr, die von allen Internet-Anbietern und Kabelnetzbetreibern bezahlt wird, um Urheberrechtsvergütungen pauschal abzugelten. Im vierten Modell dann Volksaktien und „Micropayments“. Für Ersteres dient die Berliner TAZ als Vorbild, wo Leser seit 1992 Anteile halten. Und unter dem Motto „Miete einen Journalisten“ werden gegen kleine Entgelte einzelne Reporter angeheuert. Der Leser bezahlt direkt für die Story. Das fünfte Modell wird mit einer bildungspolitischen Lösung gleichgesetzt. Die Idee basiert auf der Einbindung von Universitäten, Fachhochschulen und Medienakademien, welche ohnehin schon größtenteils aus Steuergeldern finanziert werden. Eine Art Bildungszentrale, mit zusätzlichen finanziellen Mitteln ausgestattet, wird als Clearing-Stelle zur Sicherung des Qualitätsjournalismus eingesetzt. Die Autoren abschließend: „Voraussetzung wäre, den Erhalt des Zeitungsjournalismus als bildungspolitische Aufgabe für eine demokratische Grundordnung zu begreifen.“
Ob die österreichische Politik diese bildungs- und demokratiepolitische Aufgabe begreift, erscheint fraglich. Schon der Werbeplan des Bundeskanzleramts für das heurige Jahr zeigt die Stoßrichtung: jeweils 30 Prozent für Krone und Österreich, 20 Prozent für Heute und die restlichen 20 Prozent für alle weiteren Medien.

Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

Gänsehaut und Fantasy

Gänsehaut und FantasyPhotos.com

Und sie liest doch, die Jugend von heute. Abseits der Schul-Pflicht­lektüre sogar mit Begeisterung. Klar, dass die Verwandlung von Jünglingen in bissige Vampire Franz Kafkas Käfer alt aussehen lässt.

Die weit verbreitete Meinung von Lehrern, Eltern und sonstigen Erwachsenen, dass die heutige Jugend keine Bücher mehr liest, ist schlicht und einfach falsch. economy hat eine sommerliche Blitzumfrage unter jungen Menschen im Alter zwischen 13 und 20 Jahren durchgeführt. Das Ergebnis übertrifft die durchschnittliche Lesewut der Österreicher bei Weitem. Während der Trend zum Zweitbuch bei erwachsenen Menschen dem Buchhandel bloß stagnierende Umsätze bringt, räumen blutrünstige Teenager derzeit die Regale der Genres Vampir- und Fantasy-Roman leer.
An der Spitze der Jugendbuchbestsellerliste stehen seit ungefähr zwei Jahren unangefochten Stephenie Meyers bissige Vampirgeschichten. Vom Bis(s) zum Morgengrauen über die Mittagsstunde bis zum Abendrot beißen sich Hunderttausende Mädchen und Burschen durch mehr als 500 Seiten pro Band, um die bittersüße Romanze zwischen einem Vampir und dem Mädchen namens Bella hautnah mitzuerleben. „Das ist Gänsehaut pur“, betont die 15-jährige Schülerin Claudia, die das Unvorsehbare, den Nervenkitzel dieser Vampirgeschichte liebt. „Es gibt Gut und Böse, aber man weiß nie, ob der gute Vampir nicht doch einmal böse wird – das ist der Kick.“

Cooler Kult
Fantasy-Bücher aller Art, Liebesromane und die bei Mädchen seit Generationen so beliebten Pferdegeschichten stehen ebenfalls hoch im Kurs. Während Burschen hauptsächlich auf Action und Fantasy wie Herr der Ringe und Harry Potter abfahren, erweitern Mädchen ihr Lesesortiment auch um sogenannte „Wahre Geschichten“. Dramatische Schicksale wie zum Beispiel der Leidensweg magersüchtiger Mädchen oder Drogenabhängiger sorgen stets für Gesprächsstoff unter weiblichen Teenies.
„Was du auch unbedingt lesen musst, sind die Feuchtgebebiete. Da gibt’s keine Tabus, total schockierend und oft grauslich, aber echt cool.“ Fast euphorisch versucht die 16-jährige Vera, ihre Freundin Valentina für das Skandalbuch des Vorjahrs zu begeistern. Die Geschichte der deutschen Autorin Charlotte Roche über eine junge Frau, die im Krankenhaus wegen Hämorrhoiden behandelt wird und ihre intimen Körperzonen und Geschlechtsteile präzise erforscht, steht seit Erscheinen auf den internationalen Bestsellerlisten. Vor allem Teenies haben es zum Kultobjekt erklärt. Demnächst soll ein ähnliches Buch mit einem männlichen Protagonisten erscheinen, wird gemunkelt.

Comic-Trend Manga
Statt der Faszination des Ekels ist die 17-jährige Valentina allerdings der Sucht nach Mangas verfallen. Die japanischen Kult-Comics, die sich durch glupschäugige Figuren, wenig Text, viel Dramatik und Dynamik auszeichnen, werden von hinten nach vorn und von rechts nach links gelesen. Sie erfreuen sich nun auch in Eu­ropa einer überaus großen und vor allem jugendlichen Fangemeinde.
Natürlich haben sich im Zuge der economy-Umfrage Jugendliche auch vereinzelt als Lesemuffel geoutet. So hat der 20-jährige Jungkoch Adrian erst ein einziges Mal freiwillig ein Buch gelesen: die legendäre Geschichte der Josefine Mutzenbacher. „Des war des einzige Buch, des mi’ wirklich interessiert hat“, gesteht der junge Mann, der heute berufsbedingt nur mehr in Kochbüchern blättert.
„Es haben nie alle gelesen, zu keiner Zeit“, belehrt Mi­chael Kernstock, der Obmann der Sparte Buchhandel der Wirtschaftskammer Österreich, all jene, die bei der heutigen Jugend einen krassen Lesekulturverfall diagnostizieren. „Ein Drittel der Bevölkerung liest, ein Drittel liest ein wenig, ein Drittel liest gar nicht – das ist auf der ganzen Welt so, und das trifft auch auf die österreichische Jugend zu“, so das Resümee des erfahrenen Buchhändlers und Branchenvertreters.

Astrid Kasparek, Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

Egalitäre Lernchancen für alle

Egalitäre Lernchancen für alleAPA/Andreas Pessenlehner

Die öffentliche Debatte über die Neue Mittelschule erhitzt die Gemüter bereits seit geraumer Zeit. Die einen befürchten Gleichmacherei und bangen um die Elitenbildung. Für die anderen greift der von Kompromissen gekennzeichnete Ansatz zu kurz. Heuer geht diese neue Form der Lernkultur ins zweite Jahr.

Beachtliche 1,2 Mio. Schülerinnen und Schüler gibt es hierzulande. Rund 20.000 davon besuchen, verteilt auf 244 Standorte und 801 Klassen in ganz Österreich, aktuell die im Vorjahr als Modellversuch gestartete sogenannte Neue Mittelschule (NMS). Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) zeigte sich beim Start des neuen Jahrgangs zuversichtlich: „Die Neuen Mittelschulen sind die Leuchttürme der Bildungsinnovation. Ich freue mich über den großen Andrang der Eltern und Kinder und die Bereitschaft so zahlreicher Schulen, an diesem Projekt teilzunehmen. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir aufgrund des großen Interesses bereits heuer eine Gesetzesänderung durchführen würden müssen und voraussichtlich schon kommendes Schuljahr an die gesetzliche Obergrenze stoßen werden?“
Bis zum Jahr 2013 bleibt noch Zeit, dann muss die österreichische Bundesregierung eine Grundsatzentscheidung darüber fällen, ob in Zukunft alle Schülerinnen und Schüler im Alter von zehn bis 14 Jahren von dieser neuen Form der Lernkultur profitieren werden.

Kontroversielle Debatte
Die politische Brisanz des Themas ist unbestritten, die ideologischen Grabenkämpfe über Sein oder Nichtsein einer egalitären Schulausbildung verweisen auf eine langjährige Tradition. Bereits 1848 hatte der damalige liberale Unterstaatssekretär Ernst von Feuchtersleben eine Gesamtschule gefordert und stieß mit seinem Ruf nach mehr Bildungsgerechtigkeit vor allem in konservativen Kreisen auf wenig Gegenliebe.
Seither hat sich an der Argumentation nur wenig geändert. Während die einen es als widersinnig erachten, Kindern bereits im zarten Alter von neun Jahren eine für ihr weiteres Leben tief greifende Entscheidung aufzubürden, und vor einer Vergeudung von Talenten und Begabungen durch die Zweiklassenausbildung warnen, fürchten andere um Bildungsniveau und Eliten-Exzellenz.
Bernd Schilcher, Vorsitzender der von Schmied installierten unabhängigen Expertenkommission zur Erarbeitung von Strategien und Modellen für die Schulorganisation, bezieht Position: „Aus allen nationalen und internationalen Untersuchungen geht hervor, dass das österreichische Schulsystem ungerechter ist als die meisten übrigen – Deutschland ausgenommen. So haben Töchter und Söhne von Maturanten und Akademikern aus städtischen Gebieten bei uns eine sechsmal größere Chance, in eine höhere Schule zu gehen, als die Kinder aus bildungsfernen Schichten auf dem Land. Diese Ungleichheit setzt sich mit steigender Bildungshöhe fort. Demnach besuchen 70 Prozent der A- und B-Schicht-Kinder die Sekundarstufe II, aber nur fünf Prozent von Eltern mit bloßem Pflichtschulabschluss. Und nichts anderes gilt schließlich auch für die Universitätsstudien. Daher ist in Deutschland und in Österreich die Beobachtung richtig, dass Matura und Universitätsabschluss vererbt werden. Also maturieren hierzulande nur 38 Prozent eines Jahrgangs – OECD-weit hingegen 56 Prozent – einen Hochschulabschluss machen 20 Prozent. Das heißt aber nichts anderes, als dass wir Bildungsreserven vergeuden. Und zwar nicht zu knapp. Ähnlich wie in Deutschland nützen wir die reichlich vorhandenen Begabungen nicht.“
Die Neue Mittelschule alleine, räumt Schilcher ein, könne naturgemäß nicht alle Probleme des heimischen Schulsystems lösen, die Funktion „eines äußerst wirksamen Vehikels für eine Gesamtreform des österreichischen Bildungswesens“ stelle sie aber zweifels­ohne dar. Schließlich verspreche die­se die Entdeckung aller Talente und Begabungen an einer Schule sowie deren individuelle Förderung.

Vielfalt statt Selektion
In der Praxis sieht das so aus, dass Team- und Projektarbeit forciert und via Kurssystem Inhalte vermittelt werden. Ganztagsangebote gestalten das Unterrichtsgeschehen flexibel. Der Lehrplan der Neuen Mittelschule orientiert sich an jenem der AHS-Unterstufe. Davon profitieren vor allem die 763 Hauptschulklassen, die seit heuer im Modellversuch als Neue Mittelschule geführt werden. Für sie gibt es keine Leistungsgruppen mehr, unterrichtet werden sie von Mittelschul- und Gymnasiallehrern im Team. Förderprogramme sorgen dafür, dass Schüler bei Lernproblemen entsprechende Unterstützung finden. Seitens des Ministeriums verweist man auf das positive Feedback, das die Neue Mittelschule nach nur einem Jahr von Schülern, Eltern und Lehrern gleichermaßen erhalten würde, was nicht zuletzt auch die Verdreifachung der Standorte im Vergleich zum Vorjahr anschaulich dokumentiere. Inhaltlich wolle man die Neue Mittelschule erst im Jahr 2013 bewerten.
Helmut Bachmann, Leiter des Projektteams Neue Mittelschule im Bundesminsterium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK): „Der Erfolg der NMS-Entwicklungsarbeit ist auch mit einer Weiterentwicklung des Bildungssystems insgesamt verbunden. Verwaltungsreform, Neugestaltung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, Reform der Schulaufsicht, aber auch die Aufgabenreform im BMUKK sind wichtige Elemente einer Gesamtstrategie für die Schulreform und müssen gut aufeinander abgestimmt sein.“

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Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

Topfit durch den Schulalltag

Topfit durch den SchulalltagKörperliche Aktivität macht Schule

Sportwissenschaftler analysieren gemeinsam mit Wiener Schülern deren körperliche Leistungsfähigkeit.

Da sich gesundheitsrelevante Einstellungen und Verhaltensmuster bereits in jungen Jahren herausbilden, ist es wichtig, schon in diesem Alter den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Gesundheitsfaktoren wie Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, psychischem Stress, orthopädischen Beschwerden und Infektanfälligkeit zu betonen.
Das Projekt „Körperliche Aktivität macht Schule“, das im Rahmen von „Sparkling Science“ (siehe Kasten unten) vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gefördert wird, wurde im vergangenen Schuljahr gestartet. Ziel der ersten Projektphase war es, einerseits das generelle Aktivitätsverhalten der Schüler des Gymnasiums Maroltingergasse (Wien 16) zu erheben und dieses andererseits mit ausgewählten sportmotorischen und sportmedizinischen Parametern in Zusammenhang zu bringen. Eine Besonderheit des Gymnasiums Maroltingergasse ist, dass es dort neben Regelklassen auch Leistungssportklassen gibt.

Bessere Leistungsfähigkeit
Eine Schüler-Gruppe untersuchte gemeinsam mit den Wissenschaftlern am Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport im Laufe des Schuljahres insgesamt 343 Schüler im Alter von zehn bis 18 Jahren (201 Schüler aus den Regelklassen, 142 Schüler aus den Leistungssportklassen).
Zunächst wurde der Status quo der sportmotorischen und sportmedizinischen Fähigkeiten erhoben, der den einzelnen Schülern zusammen mit einer individuell erstellten Broschüre zur Verbesserung oder zum Erhalt dieser Fähigkeiten zur Verfügung gestellt wurde. Die Ergebnisse wurden in Workshops ausgewertet. Projektkoordinatorin Barbara Wessner: „Zusammengefasst konnten wir bestätigen, dass das erhöhte Trainingsniveau der Leistungssportschüler zu einer verbesserten körperlichen Leistungsfähigkeit führt.“
Heuer soll eine sogenannte „Interventionsstudie“ durchgeführt werden. Dazu hat sich eine Klasse bereit erklärt, dreimal pro Woche eine Unterrichtsstunde lang zu radeln – und dies sechs Monate. Eine Parallelklasse dient als Kontrolle. Aufgezeichnet werden sollen die sportliche Leistungsfähigkeit, aber auch die Infektionsanfälligkeit und der Immunstatus der Schüler, da unter anderem die Frage geklärt werden soll, ob eine erhöhte sportliche Aktivität das Immunsystem stärkt.

Economy Ausgabe 76-09-2009, 25.09.2009

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