Die Geschichten hinter den Bildern
Erika Mayer Erika Mayer: „Gute Bilder setzen Interesse voraus.“ Ein Gespräch über Sonnenuntergänge als Lieblingsmotive, prämierte Bilder, fotografischen Datenmüll, negative Kindheitserinnerungen mit Folgewirkung und warum Werke des Fotojournalismus oft nur Zufallsprodukte eines fotografischen Dauerfeuers sind.
economy: Ein Streifzug auf www.erikamayer.at verrät, dass Sie sich mit Personen- und Unternehmensporträts beschäftigen, Produktinszenierungen sowie Fotoreportagen entwickeln. Wie darf sich jemand, der Sie nicht kennt, Ihre Arbeit vorstellen?
Erika Mayer: Jedes meiner Bilder erzählt eine eigene Geschichte. Damit ein Bild seine Wirkung entfaltet, muss man mir allerdings zuerst etwas erzählen, oder ich muss eine Gegend auf mich wirken lassen. Mir ist es wichtig, vor der eigentlichen Arbeit mit den Menschen zu reden. Welche Vorstellungen haben sie? Welche Inhalte möchten sie rüberbringen? Bei Porträtaufnahmen kann es vorkommen, dass ich mit der Person eine halbe Stunde lang plaudere, weil es ja nicht nur um das eine Bild geht. Der zu Porträtierende hat auch einen Charakter, der zum Ausdruck gebracht werden muss.
Zählt die Porträtfotografie derzeit zu Ihren Arbeitsschwerpunkten?
Porträts mache ich derzeit am liebsten, weil ein simpler Gesichtsausdruck äußerst spannend sein kann. Hierbei kommt es auf die persönliche Wahrnehmung an. Sehe ich den lachenden Menschen oder den, der nach dem Lachen wieder seine traurige Miene zeigt? Ich hatte beispielsweise während eines Interviewtermins Ottfried Fischer zu porträtieren. Allerdings weißt du bei dem nicht, woran du bist. Aber auf Knopfdruck konnte er sein verschmitztes Bullenlächeln aufsetzen.
Beschränkt sich Ihre Arbeit ausschließlich auf Auftragsarbeiten?
Keineswegs. Manche Themen ergeben sich bei mir auch von alleine. So habe ich auch schon die Obdachlosen am Salzburger Kapuzinerberg abgebildet oder das Lachen eines Kindes festgehalten, kurz nachdem es die Krankheit Krebs besiegt hatte.
Wir befinden uns mitten in der Urlaubszeit. Studien besagen, dass Sonnenuntergänge die meistfotografierten Motive darstellen. Mit einigem Abstand folgen Sehenswürdigkeiten wie beispielsweise der Pariser Eiffelturm.
Fotografisch langweilen mich Sonnenuntergänge. Ab und zu ist es durchaus ratsam, die Kamera liegen zu lassen, um diesen einen Moment zu genießen und sich nicht krampfhaft dem Zwang hinzugeben, alles auf einem Foto festzuhalten. Mit dem Blick durch die Kamera nehme ich ja auch nicht alles so intensiv wahr.
Kann man diesen immer wiederkehrenden, touristischen Bildinhalten eigentlich noch Neues abgewinnen?
Jeder Fotograf hat eine eigene Bildsprache. Jeder hat andere Gedanken. Beim Fotografieren hängt natürlich viel von der Perspektive und dem Blickwinkel ab. Aber auch das Licht ist ganz wichtig. Es reicht, das vorhandene, natürliche Licht mit ins Bild zu nehmen. Manchmal geht es auch einfach nur darum, etwas in Szene zu setzen, damit ich eine Frische in teils verstaubte Motive reinbringe.
Aber erschreckt nicht die Tatsache, dass es Millionen von Sonnenuntergängen auf Digitalkameras und Computer gibt?
Durch die Digitalisierung wird derartig viel fotografischer Datenmüll erzeugt, das ist gigantisch. Ich gehe da zurück und nehme eine analoge Mittelformatkamera mit zwölf Bildern, wo auch die Entwicklung schweineteuer wird. Aber diese Form des Fotografierens holt dich runter, weil du einfach viel mehr überlegen musst, was du mit dem Bild aussagen
möchtest.
Woher kommt eigentlich Ihre Begeisterung für die Fotografie?
Als Kind hätte ich immer gern den Auslöser einer Kamera gedrückt, aber das habe ich nie dürfen. Später nach der Pubertät habe ich eine Spiegelreflexkamera bekommen und in weiterer Folge eine Ausbildung zur Fotografin gestartet. Aber als junge Fotografin fehlt mir einfach noch die Erfahrung, dass ich mich wirklich Fotografin nennen darf.
Das klingt jetzt nach falscher Bescheidenheit. Immerhin gewannen Sie beim Objektiv-Fotopreis der Austria Presse Agentur 2007 mit einem Flugshow-Bild am Wolfgangsee, das exakt den Augenblick zeigt, wo die Maschine am See aufschlägt. Ich nehme mal an, nicht jeden Tag hat eine Fotografin die Möglichkeit, einen „Red-Bull-Absturz“ mit der Kamera festzuhalten?
Bei der Red-Bull-Flugshow sind wir mit dem Boot rausgefahren. Mich faszinierten einfach der strahlend blaue Himmel und die roten Flieger. Ich dachte mir, das ergibt ein paar Superfotos. Dass dann zufälligerweise ein Flieger abstürzte, versetzte mich zuerst einmal in einen Schock. Erst zu Hause merkte ich, dass ich diese Szene ebenfalls im Bild hatte. So bin ich dann auch versehentlich in die Medienlandschaft reingeschlittert.
Reizt Sie der fotografische Journalismus kein bisschen?
Ich muss mich konzentrieren können. Also dieses ständige Geklacke bei Pressekonferenzen, bei denen „Platzhirsche“ rumrennen und wenig denkend fotografische Dauerfeuer abgeben, entspricht so gar nicht meiner Auffassung. Insofern finde ich den Fotojournalismus nett. Ich habe gesehen, wie die Medienlandschaft funktioniert, aber mein Herz gehört mittlerweile wieder mehr der Studioarbeit und längeren Reisereportagen, die allerdings zu wenig honoriert werden.
Worin besteht hier der wesentliche Unterschied?
Im Faktor Zeit und der Freude an der Arbeit. Bei meinen Reisen mische ich mich sehr gerne unter die Einheimischen, um das Leben dieser Personen näher kennenzulernen. Meist führen die dich dann auch zu den schönsten Plätzen. Oder ich fotografiere sie bei ihren alltäglichen Arbeiten, weil ich so eine Geschichte erzählen kann und ausdrucksstarke Bilder erziele. Wenn man seine Arbeit gerne macht, kommen auch tolle Resultate raus. Beispielsweise wollte ich während der Fußball-Europameisterschaft einfach nur die nette Stimmung der türkischen Kinder-Folkloregruppe einfangen ...
… und wurden dafür von Pressetext Austria mit dem Foto des Jahres 2008 ausgezeichnet. Eigentlich bemerkenswert, dass die Kultur den sportiven Event des letzten Jahres besiegt. Besitzen Sie keine Affinität zum Sport?
Bei Sportfotografien gibt es für jede Sportart Spezialisten. Schließlich ist es enorm wichtig, den möglichen Verlauf eines Spiels zu kennen, um sich darauf einzulassen. In meiner Jugend war ich selbst im Leistungssport als Schwimmerin tätig. Mein Vorteil. Aber gelegentlich reicht es mir auch, bei Porträtaufnahmen nur zu assistieren wie in diesem Jahr bei den Spieleraufnahmen von Red Bull Salzburg.
Abschließende Frage: Welche Kamera würden Sie empfehlen? Welche ist die beste?
Derzeit arbeite ich sehr gerne mit der chinesischen Plastikkamera Holga, die als vermutlich primitivster Fotoapparat gilt. Aber es gilt das Zitat: „Die beste Kamera ist die, die du dabeihast.“
Economy Ausgabe 75-08-2009, 18.09.2009