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04. Juli 2024

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Für Leute, die unterwegs zu Hause sind

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Das Leben ist eine Reise. Und die größte Wachstumsbranche des 21. Jahrhunderts freut’s. „Koffer packen!“ lautet der kategorische Imperativ heute zu jeder Jahreszeit. Egal ob mit Krethi und Plethi zum All-Inclusive-Trip oder mit der High Society auf Kreuzflügen: Wenn das Fernweh Flügel bekommt, klingeln bereits in der Heimat die Kassen.

„Zu den Eigentümlichkeiten unserer Zeit gehört das Massenreisen. Sonst reisten bevorzugte Individuen, jetzt reist jeder und jede“, stöhnte Theodor Fontane 1873 und übertrieb natürlich maßlos. Für ihn schien die „goldene Zeit des Reisens“, die Chronisten zwischen 1850 und 1950 datieren und mit der Einführung der Luxus-Ozeanschiffe, der mit Dampf betriebenen Eisenbahn, der Erfindung des Automobils, der Nutzung der Zeppelin-Luftschifffahrt und allen nur erdenklichen Annehmlichkeiten bei Art und Stil der Unterbringung in exklusiven, weltstädtischen Grand- oder Palasthotels verbinden, dem Ende geweiht.
Heute behielte der Romancier freilich recht. Für einen Großteil der Menschheit scheint das Sich-von-einem-Ort-zum nächsten-Bewegen zu dessen Lebenselixier schlechthin geworden zu sein. So nahm 2008 die Zahl der Reisenden um mehr als 16 Millionen auf 929 Millionen zu. Für 2020 prognostiziert der WTTC (World Travel and Tourism Council) gar 1,6 Milliarden.

K(l)eine Delle
Zugegeben: Die Wirtschaftskrise hat den Tourismus ordentlich in Mitleidenschaft gezogen. Nach Angaben der Welttourismusorganisation UNWTO ging die Zahl der Reisebewegungen rund um den Globus in den ersten beiden Monaten des Jahres um acht Prozent zurück. „Der Abwärtstrend, den wir schon Ende 2008 sahen, hält an“, so UNWTO-Generalsekretär Taleb Rifai. Vorläufig bleibt die UNWTO jedoch bei ihrer Prognose, dass der Reiseverkehr dieses Jahr nur um zwei bis drei Prozent schrumpfen wird, weil viele Staaten die Branche schon jetzt mit Mitteln aus ihren Konjunkturpaketen stimulieren würden und man auf die Wende im Sommer hofft. Zwei schwierige Jahre sieht auch der WTTC, er unterstreicht jedoch die Dynamik des Tourismus beim globalen Wachstum. Rund 594 Mrd. Euro Umsatz wurden im vergangenen Jahr weltweit in dieser Branche umgesetzt, 2007 waren es noch 434 Milliarden.

Platz zwei für Österreich
2008 bescherte Österreich, laut dem Travel & Tourism Competitiveness Report 2009 des Weltwirtschaftsforums auf Platz zwei der besten Tourismusdestinationen der Welt, mit 32,6 Mio. Ankünften (plus 4,7 Prozent) und Nächtigungen in Höhe von 126,7 Mio. (plus 4,3 Prozent) ein Rekordjahr. Während die Einnahmen in- und ausländischer Gäste auf insgesamt 22,7 Milliarden kletterte, beträgt die gesamte Wertschöpfung aus dem Tourismus nach Prognosen der Statistik Austria und des Wifo 2008 rund 23,5 Milliarden, was einem Beitrag von 8,4 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt entspricht. Der gesamte Bereich Tourismus und Freizeitwirtschaft umfasst 45,5 Milliarden. Hinter den Kulissen partizipieren viele vom Fernweh: vom Kofferhersteller bis zum Tropeninstitut.

Die Welt im Koffer
Reisen ist nach Guy de Maupassant „wie ein Tor, durch das wir von der Wirklichkeit in die Welt des Traumes eintreten“. Der Koffer ist ein Mittler zwischen diesen Welten, denn sein Anblick macht die Erinnerungen wieder lebendig, wenn die mitgebrachten Bilder sich schon mumifiziert haben. Während Massenhersteller dramatische Einbrüche konstatieren, sehen Produzenten exklusiven Reise- und Business-Gepäcks wie Rimowa oder Louis Vuitton der Zukunft gelassen entgegen. Gemäß dem Bonmot „Falls dein Leben eine Reise ist, mach sie erster Klasse“ konnte der im Premiumsegment etablierte deutsche Spezialist von Alu-Cases trotz Krise wie im Vorjahr 400.000 Koffer zum Stückpreis zwischen 250 und 800 Euro absetzen. Rückgänge in Exportmärkten wie Japan wurden durch Zuwächse im deutschen Heimatmarkt wettgemacht. Die Zahl der Liebhaber erlesener Equipage nimmt zu. Reisekultur ist in. Aus edlen Materialien maßgefertigt, haben die von fast vergessenen Manufakturen gefertigten Koffer und Taschen das Zeug, Generationen zu überdauern.
Genau das Richtige für Menschen, die Cruising nicht per Schiff, sondern per Flugzeug pflegen. Auf 120.000 Menschen wird das Potenzial im deutschsprachigen Raum geschätzt, für Reisen zwischen 26.000 und 40.000 Euro, etwa ab Wien mit einer Lauda-Air-Maschine und einem Do & Co-Koch an Bord.
Je exotischer die Destinationen, umso wichtiger wird die medizinische Vorsorge. Was vor hundert Jahren allenfalls für Phileas Fogg, den Helden in Jules Vernes Roman Reise um die Erde in achtzig Tagen, gegolten hat, nehmen heute Tausende in Anspruch. Allein im Institut für Tropenmedizin Wien werden jährlich 50.000 Impfungen vorgenommen. Auch die Apotheken verbuchen ein gerüttelt Maß an Umsatz mit individuell zusammengestellten Medikamenten, die einen unbeschwerten Urlaub garantieren sollen.

Die Bilder sind schon da
Wie es Leute gibt, die Bücher wirklich studieren, und andere, die sie nur durchblättern, gibt es Reisende, die es mit Ländern ebenso machen: Sie blättern sie nur durch. Mit seiner Sehnsucht nach Erholung und Abenteuer dreht sich der Urlauber im Kreis. Die Urlaubsreise dient weniger dazu, Neues zu erkunden, als dazu, die Bilder im Reisekatalog zu bestätigen und als Beweis fotografisch zu verdoppeln. Das ist das Dilemma des globalisierten Menschen: Egal wo er hinreist, die Bilder sind immer schon da.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Im Test

Im TestHTC

Held der Google-Welt.

Das Hero von HTC dürfte es kommenden Windows-Handys schwer machen. Vor allem im Bereich Performance kann die Konkurrenz mit Redmond-Antrieb derzeit nicht Schritt halten. Auch die neue Oberfläche HTC Sense gefällt: Sie erleichtert insbesondere die Kommunikation mit Freunden und macht häufig genutzte Funktionen einfacher zugänglich. Somit geht der Umgang mit dem Handy viel leichter von der Hand. Auch in den Bereichen Handy-Funktionen und Daten braucht sich das Hero nicht vor der Konkurrenz zu verstecken. Ein weiterer seiner Trümpfe ist der Android Market, der von vielen Programmierern ständig mit neuen Anwendungen und Programmen versorgt wird. Auch auf Flash-Sites und -Funktionen kann man mit dem Handy zugreifen. Insgesamt ist das Hero das derzeit beste HTC-Handy mit Android. Weniger gefallen die eher schwache Akkuleistung und die große, unhandliche Stufe unten am Handy-Gehäuse. Auch die Sprachqualität beim Telefonieren könnte etwas besser sein. Das Hero ist derzeit ab etwa 445 Euro ohne Vertrag erhältlich.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Sicher unterwegs im Arbeitsalltag

Sicher unterwegs im ArbeitsalltagPhotos.com

Unternehmensdaten gehören entsprechend geschützt – egal ob vor Ort im Büro oder im Außendienst.

Mit der zunehmenden Nutzung von Telefonie-, Video- und Geschäftsanwendungen, die alle über ein einziges Unternehmensnetzwerk betrieben werden, ist es heutzutage wichtiger denn je, dass diese Netzwerke auch jederzeit verfügbar sind. Ein Ausfall hätte fatale Folgen fürs Business. Darüber hinaus muss dieses Netzwerk auch entsprechend vor inneren und äußeren Bedrohungen beziehungsweise Datenverlust geschützt werden.
Astrid Krupicka, Marketing-Direktor für Österreich und Osteuropa für Enterprise Solutions bei Alcatel-Lucent: „Durch eine höhere Produktivität und optimierte Investitionen in Technologie mindert der benutzerorientierte Sicherheitsansatz von Alcatel-Lucent das Risiko für das Unternehmensvermögen, gewährleistet aber gleichzeitig auch die Einbindung des Endbenutzers im Sicherheitsprozess. Unser Ansatz bietet eine umfassende Sicherheitsstrategie rund um die verschiedenen Herausforderungen hinsichtlich Netzwerken, mobilen Technologien und Geschäftsanwendungen.“ Der Sicherheitsansatz wird dabei auf verschiedenen Ebenen implementiert und liefert Kunden umfassenden Schutz. Für Unternehmensnetzwerke angeboten werden dabei unter anderem ein 24-Stunden-Remote-Management von mobilen Laptops, sichere und automatisierte Geschäftsprozesse, die den jeweiligen Anforderungen von Unternehmen entsprechen, ein benutzerbasiertes Netzzugangskontrollsystem und integrierte Hochgeschwindigkeitsfirewalls für Core- und Netzwerkperipherieumgebungen. Komplettiert wird die Liste der Leistungen durch eine automatisierte Eingrenzung von Angriffen durch Quarantänemaßnahmen und Löschung, ein Host-Integritätsprüfungssystem und ein Echtzeit-Antivirusschutz gegen Bedrohungen aus dem Internet, von E-Mails, Dateiübertragungen und VPN-Verkehr.


Mobile Sicherheit

Besonders das Sicherheitsservice für Mobilitätslösungen erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Laptops stehen für hohe Flexibilität und erhöhte Produktivität – das gilt vor allem dann, wenn ein Großteil der Mitarbeiter im Außendienst unterwegs ist. Übergreifende und ständig aktivierte Sicherheitssysteme, mit denen das Risiko von Datendiebstal verhindert wird, sind in diesem Zusammenhang ein Gebot der Stunde.
Krupicka: „Während der normalen Verwendung greifen Laptop-Benutzer auf unterschiedliche Netzwerke zu – etwa das Internet sowie Unternehmens- und Heimnetzwerke – und nutzen Informationen gemeinsam mit anderen Usern. Dadurch setzen sie den Laptop auch Angreifern und Malware wie Viren, Trojanern, Rootkits et cetera aus. Der Omni Access 3500 Nonstop Laptop Guardian von Alcatel-Lucent stellt die nächste Generation mobiler Computersicherheit dar.“
Die Security-Lösung von Alcatel-Lucent besteht aus einer Speicherkarte (PCMCIA-Karte), einem Benutzer-Client und einem Gateway-Server. Geschützt wird das Gerät aber nicht nur vor virtuellen Angriffen. Geht der Laptop verloren oder wird er gestohlen, kann die IT-Abteilung via „Remote-Kill“-Signal den Laptop sperren und so den unautorisierten Zugriff auf sensible Daten verhindern.

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Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Cern und Österreich nach dem Fast-Knall

Cern und Österreich nach dem Fast-KnallEPA/Martial Trezzini

Porr baute am Tunnel mit, Uniqa versichert die Mitarbeiter, das Software-Haus ETM visualisiert die Prozesse, junge Physiker schreiben ihre Dissertation. Das Kernforschungszentrum Cern kostet Österreich 16 Millionen Euro jährlich und schickt weniger Geld zurück. Doch die Chancenverluste wären bei einem Austritt enorm gewesen.

Am 7. Mai löste Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) eine Schockwelle aus. Er kündigte den Austritt Österreichs aus dem Europäischen Kernforschungszentrum Cern an. Seine Begründung: Der Mitgliedsbeitrag von jährlich 16 Mio. Euro sei zu hoch, und es gebe wenig Rückflüsse in Form von Aufträgen des Cern an österreichische Unternehmen. Mit den frei werdenden Mitteln könnte die Beteiligung an anderen internationalen Projekten finanziert werden. Die Schockwelle stieß auf Protestwellen von Wissenschaftlern und Politikern. Die daraus entstandene Interferenz hatte zur Folge, dass Hahn elf Tage später den Rücktritt vom Austritt bekannt geben musste.
Rein buchhalterisch stimmt Hahns Kalkulation. Laut Wirtschaftskammer machte die Zulieferung österreichischer Unternehmen an Cern im Jahr 2008 1,5 Mio. Euro aus, 2007 zwei Mio. Euro. In den Jahren davor, als der Teilchenbeschleuniger LHC gebaut wurde, waren es jeweils fünf bis sieben Mio. Euro. Zu den größten Auftragnehmern zählt Porr Tunnelbau. Gemeinsam mit einem deutschen und einem Schweizer Bauunternehmen baute Porr Kavernen und Verbindungsstollen. Cern macht sich gut auf einer Referenzliste, doch Porr konnte auch vorher schon gut Tunnel graben.

Visionär oder Buchhalter
Für andere Unternehmen jedoch war Cern die Startrampe für Höhenflüge, die sie sonst kaum machen hätten können. Für das Software-Haus ETM etwa, das das Prozessleitsystem für die gesamte Anlage lieferte. 1999 gewann ETM die Ausschreibung gegen heftige Konkurrenz und nach einer dreijährigen Evaluierung. Damals war der burgenländische Software-Entwickler zwar kein Start-up mehr, aber dennoch ein – international gesehen – kleines Unternehmen mit einem Umsatz von rund fünf Mio. Euro. Das Prozessvisualierungs- und Steuerungssystem namens PVSS war und ist das einzige Produkt von ETM; mittlerweile wurde das Unternehmen aber von Siemens übernommen.
„Durch die außergewöhnlich hohen Anforderungen von Cern haben wir die Software weiterentwickelt“, sagt ETM-Geschäftsführer Bernhard Reichl. „Durch Cern haben wir Aufträge bekommen, die wir sonst nie bekommen hätten.“ Mit ETM-Software wird die längste Pipeline der Welt in China gesteuert, das holländische Gasnetz, fast alle österreichischen und viele internationalen Tunnels, U-Bahnen, Flughäfen und Kläranlagen. Ohne den Cern-Auftrag hätte sich das Unternehmen anders entwickelt. „Wir haben uns auf komplexe Anlagen konzen­triert“, sagt Reichl. „Heute leben wir in dem Segment ausgesprochen gut.“
Um einen jahrzehntelangen Cern-Auftrag hat Uniqa gezittert, als das Austrittsvorhaben bekannt wurde. Seit 1971 sind die Cern-Mitarbeiter bei Uniqa Assurances beziehungsweise dem Vorgänger Austria Versicherungen krankenversichert. Im Mai sollte der Vertrag mit Uniqa mit einem Prämienvolumen von 40 Mio. Euro verlängert werden. Das wurde nach Hahns Ankündigung auf Eis gelegt. Erst als der Austritt vom Tisch war, kam der Vertrag wieder zustande.
Zu den Unternehmen, die in den vergangenen 20 Jahren für Cern arbeiteten, gehören große wie Porr, Amag, Siemens, Kapsch, FACC, Böhler-Uddeholm und Plansee.
Und ganz kleine, wie das Vier-Mann-Unternehmen Mechanische Komponenten Tschann in Vorarlberg. Der Winzling hat für Cern 11.000 Rohrflanschverbindungen entwickelt und 60.000 Dichtungen geliefert – was in den vergangenen Jahren die Hälfte des Umsatzes ausmachte. Die Aufträge erhielt Edgar Tschann wegen der Qualität seiner Arbeit und auch wegen seiner seit 20 Jahren bestehenden Kontakte. Tschann hatte für Schweizer Unternehmen bei Cern gearbeitet, bevor er sich selbstständig machte. „Die deutschen Physiker haben sich immer wieder für mich eingesetzt, und ein Österreicher hat lange im Einkauf gearbeitet“, sagt Tschann. „Ohne gute Kontakte hätte man gegen die Franzosen fast keine Chance. Die halten zusammen.“
Wirtschaftlicher Patriotismus spielt am Cern eine Rolle. Und geografische Nähe. Cern liegt bei Genf, der Tunnel ist großteils in Frankreich. Die Schweiz und Frankreich lukrieren die größten Aufträge. Die Cern-Mitgliedsländer organisieren regelmäßig Besuche für ihre Unternehmen, um die Auftragsvergabe in ihrem Sinne zu pushen. Auch die Wirtschaftskammer (WKO) macht das für österreichische Unternehmen. Am 30. September bietet sie in Wien wieder einen Cern-Informationstag an. Den größten Verlust bei einem Cern-Austritt hätten aber nicht die Unternehmen erlitten, sondern junge Forscher. „Der frühere Wissenschaftsminister Erhard Busek hat eine Kooperation zwischen Cern und österreichischen Universitäten vereinbart, um die uns viele beneiden“, so Michael Scherz, Referent für Technologiekooperationen in der WKO.

Forscher hätten gelitten
Rund 150 Physik-Studierende schrieben bisher ihre Dissertation am Cern. Dazu kommen Praktika und Postdoc-Aufenthalte von Absolventen. Die enor­men Rechenleistungen, die Cern benötigt, werden über ein Netz von Computern in ganz Europa durchgeführt. Am Computing Grid sind die Universitäten Inns­bruck und Wien beteiligt.
Gestorben vor seiner Geburt wäre wohl Med Austron, ein Zentrum für Ionentherapie, um spezielle Tumore zu behandeln. Med Austron wird mit Cern-Technologie in Wiener Neustadt gebaut. Ähnliche Zentren gibt es nur in Pavia (Italien), Heidelberg und Japan. „Theoretisch hätten wir uns neu orientieren können“, sagt Med-Austron-Leiter Martin Schima. „Doch die Japaner haben gar kein Interesse, uns ihre Technologie anzubieten.“

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Überlebenskampf im Hochlohnland

Überlebenskampf im HochlohnlandAPA/Eggenberger

Monika Kircher-Kohl: „Wir haben eine Innovationsinitiative gestartet, Zukunftsfelder identifiziert und zu forschen begonnen, ohne von unseren Industriepartnern beauftragt worden zu sein. Eines dieser Felder ist Elektromobilität.“ Die Infineon-Austria-Vorstandsvorsitzende sucht nach Wegen, wie sich Villach im globalen Markt behaupten kann.

Die Wirtschaftskrise hat die Halbleiterindustrie weltweit hart getroffen. Auch der deutsche Konzern Infineon ist davon gezeichnet. Im Jänner wurde die Infineon-Tochter Qimonda, ein Speicherchip-Hersteller mit 12.000 Beschäftigten, insolvent. Nach einem Käufer wird noch immer gesucht. Infineon hat, so wie die anderen großen Chip-Produzenten, in den vergangenen Jahren hohe Verluste eingefahren.
In dieser heiß umkämpften Branche versucht Infineon Österreich, mit bahnbrechender Forschung in einem Hochlohnland zu bestehen. Rund ein Drittel der bei Infineon Austria beschäftigten 2900 Personen arbeitet in Forschung und Entwicklung – an den Standorten Villach, Graz und Linz. In Villach werden Mikrochips für die Automobil- und Industrie­elektronik produziert. Weltweit beschäftigte der Konzern Ende 2008 rund 28.000 Personen, davon 10.000 in Deutschland und 13.000 in Asien. Durch die Wirtschaftskrise hat sich die Beschäftigung seither verringert.
Welche Strategien Villach fährt, um noch bessere, dünnere und smartere Produkte zu schaffen, schildert Infineon-Aus­tria-CEO Monika Kircher-Kohl. Sie war zehn Jahre Vizebürgermeisterin in Villach, bevor sie Ende 2000 in einem Überraschungscoup von Infineon in den Vorstand geholt wurde. Seit 2007 ist die Wirtschaftswissenschaftlerin Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria.

economy: Ein Handy mit MP3-Player, Radio und Kamera kostet um die 60 Euro. Das ist unheimlich billig im Vergleich zu anderen Dingen. Wie ist das möglich, wie geht es weiter?
Monika Kircher-Kohl: Elektronische Chips für Handys sind ein Massengeschäft, wo man durch ganz hohe Stückzahlen und Effizienzfortschritte in der Produktion solche niedrigen Preise erzielt.

Auch Infineon produziert Chips für Handys. Wie kann ein europäischer Konzern gegen Konkurrenz aus Asien bestehen?
So kann man die Frage eigentlich gar nicht mehr stellen. Infineon ist zwar ein europäisches Unternehmen, aber schon lange global aufgestellt. Wir haben Werke in China, Malaysia und Singapur. In Villach produzieren wir hochwertige Energiesteuerchips. Massenchips für Handys stellen wir schon lange in Asien her. Doch hochwertige Entwicklungen für Handys machen wir auch in Europa, zum Beispiel in Linz.

Was machen Sie in Linz?
In Linz sind wir an einem Entwicklungszentrum betei­ligt, das im Bereich Radarsysteme und Hochfrequenztechnologie für Handys forscht und eng mit der Universität verbunden ist. Es wurde gemeinsam mit den Universitätsprofessoren Richard Hagelauer und Robert Weigel gegründet.

Die wichtigste globale Herausforderung ist, überall Wohlstand zu schaffen: Asien und Afrika aus der Armut zu holen und gleichzeitig in Europa und Amerika den Wohlstand zu halten. Wie geht das?
Zum einen durch Bildung und Ermächtigung von benachteilig­ten Gruppen. Da würde ich nicht nur von Asien und Afrika reden, sondern auch darüber, wie wenig die Integration von Migrantenkindern bei uns funktioniert und wie schlecht das Bildungssystem für sie ist. Zum anderen sind Mindeststandards notwendig, die nicht nur auf dem Papier stehen. Internationale Organisationen müssen das Pouvoir haben, ökologische und soziale Standards in der Realität durchzusetzen.

In China und Indien gibt es nicht nur billige, sondern auch hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Der New York Times-Journalist Thomas L. Friedman beschreibt im Buch „Die Welt ist flach“, wie qualifizierte Arbeit von den USA nach Indien wandert.
Wir dürfen die Bildungs­offensive der südostasiatischen Länder keinesfalls unterschätzen. In China gibt es 700 Studierende im Fach Leistungselektronik. Wir haben mit der TU Graz vereinbart, dass sie Leistungselektronik promotet. Wir brauchen Experten für die Energiespeicherchips. Wenn aber von den 700 chinesischen Studierenden nur zehn Prozent top sind, sind das mehr Leute, als wir in ganz Europa finden könnten.

Wie kann Europa da bestehen?
Ich bin glühende Europäerin und davon überzeugt, dass unsere Art des vernetzten Denkens und Handelns ein Wettbewerbsvorteil sein wird. Jene Regionen werden sich durchsetzen, die die Prozesse zwischen Forschung, Produktion und Anwendung am besten beherrschen und die demokratische Strukturen haben.

Sie meinen, Demokratie bietet einen Vorteil beim Forschen?
Demokratie verlangt von mündigen Bürgerinnen und Bürgern eigenständiges Denken und Zukunft-Gestalten. Auf die Wirtschaft umgesetzt ist dieses System langfristig stabiler. Kurzfristig bringt vielleicht ein hierarchisches, obrigkeitshöriges System mit guten Kostenpositionen schnellere Erfolge.

Auch in China wird sich die Demokratie entwickeln.
Es liegt mir fern, China demokratische Fortschritte abzusprechen. Doch Umwelt, Altersvorsorge und Migration sind ein riesiges Problem. Wenn wir in Europa unsere Stärken bewusst ausbauen, haben wir keine schlechten Karten. Dass Villach heute weltweit das Kompetenzzentrum für Energieeffizienzchips ist und die größte Fabrik hat, ist nicht aufgrund der Faktorkosten erklärbar.

Wie ist es erklärbar?
Am Anfang stand wahrscheinlich der Überlebenskampf. Zu wissen, dass man in Villach, in einem Hochlohnland, mit der Produktion von Speichertechnologie nicht überleben kann. Meine Vorgänger haben früh genug Schritte gesetzt, damit es uns 15 Jahre später noch gibt. Sie haben sich auf die richtigen Themen konzentriert und nicht mit viel Kraft an den falschen festgehalten. Der Bereich Leistungselektronik war intern eine Marktlücke. Heute produzieren wir Scheiben, die so dünn sind wie ein menschliches Haar.

Was tun Sie, damit es Infineon Villach in 15 Jahren noch gibt?
Wir haben eine Innovationsinitiative gestartet, Zukunftsfelder identifiziert und zu forschen begonnen, ohne von unseren Industriepartnern beauftragt worden zu sein. Eines dieser Felder ist Elektromobilität. Die Krise hat das Thema Energie hochaktuell gemacht. Wir können nun schneller Lösungen anbieten als andere Halbleiterhersteller. Das freut uns sehr.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Gebrannte Anleger scheuen das Feuer

Gebrannte Anleger scheuen das FeuerPhotos.com

Die Österreicher ziehen – wen wundert’s – das Sparbuch wieder „lukrativen“ anderen Anlageformen vor. Das Vertrauen in den Finanzmarkt ist tief erschüttert, und eine Erholung ist noch länger nicht in Sicht.

Nicht nur zahlreiche VIPs, die beim „Pyramidenspiel-Experten“ Bernard Madoff ihre sauer verdienten Milliarden verloren haben, sind auf Anlageberater nicht mehr gut zu sprechen. Auch viele Österreicher, die der Wirtschaftsabschwung an den Börsen hart getroffen hat, haben genug von „lukrativen“ Anlageformen jeder Art und wenden sich wieder dem guten, alten Sparbuch und dem Bausparvertrag zu.
Nach einer Untersuchung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) von Juli haben Sparanlagen in den ersten Monaten des Jahres 2009, also am Höhepunkt der Wirtschaftskrise, erheblich zugenommen. Von 4,5 Mrd. Euro, die von österreichischen Bürgern im ersten Quartal 2009 auf die Seite gelegt wurden, flossen stattliche 3,8 Mrd. in stockkonservative Spareinlagen, ein geringer Teil in festverzinsliche Wertpapiere und Bankanleihen und nur ein verschwindender Teil in Aktien.
Laut OeNB seien 80 Prozent der Neuveranlagungen in Bankanlagen geflossen, ein Wert so hoch wie noch nie. Ausschlaggebend sei dabei der „Sicherheitsgedanke“, wie es lakonisch heißt.

Mehr Sicherheit
Für Aktienkäufer, deren Portfolio seit Ausbruch der Finanzkrise um bis zu 70 Prozent im Wert verloren hat, ist der „Sicherheitsgedanke“ ganz bestimmt nicht abwegig. Bedenkt man, dass es sich ja nicht nur allein um „Buchverluste“ handelt, wie immer wieder behauptet wird. In der Zeit, in der sich ein Portfolio wieder erholt – und in der momentanen Situation kann dies Jahre dauern – entgehen dem Aktienanleger ja Zinsen, die er mit seiner Anlagesumme auf einem konservativen Sparbuch oder mit einer soliden Anleihe hätte erzielen können. Auch fehlt ihm die Liquidität, um sein Portfolio durch Umschichtungen in geeignetem Ausmaß wieder zu alter Größe zurückzuverhelfen.
Kein Wunder, dass verfügbares Geld nun lieber auf Sparkonten wandert, was bei einer Inflation um die null Prozent auch eine gewisse praktische Vernunft widerspiegelt. Dass der Blick auf die Rendite leicht das Risiko verdeckt, haben Anleger von Osteuropa bis Dubai heuer schmerzlich erfahren müssen. Die Folgen: ein gerüttelt Maß an Risikoaversion quer durch alle Investitionsklassen. Laut dem „Investmentbarometer“, einer Anlegerstudie von GfK, legen gegenwärtig rund 60 Prozent der Westeuropäer ihr Geld in Spareinlagen an – eine Steigerung von 15 Prozent gegenüber der letzten Befragung 2007.
Auch die Hinwendung zu Sachwerten zeigt sich angesichts der Krise deutlicher: In wirtschaftlich unsicheren Zeiten setzen die Österreicher auf Solides, so das Ergebnis einer aktuellen Studie von AXA Investment Managers. Auf die Frage „Was würden Sie mit 50.000 Euro tun?“ antwortete die Mehrheit der Befragten, dass sie das Geld am ehesten in eine Immobilie investieren (35 Prozent) oder eine sonstige größere materielle Anschaffung (32 Prozent) tätigen würde.
„Die Skepsis gegenüber Wertpapieren nimmt im Durchschnitt zu“, sagt Rainer Hauser, Bank-Austria-Vorstand für Privat- und Geschäftskunden. Eine entsprechende Studie der Bank, das Geldanlage-Barometer, zeigt, dass Wertpapiere derzeit „out“ sind. Müssten 10.000 Euro veranlagt werden, würden 58 Prozent auf ein Sparbuch einzahlen, 25 Prozent in einen Bausparvertrag, ergab die Bank-Austria-Umfrage.

Weniger Zocker
Dazu kommt noch, dass sich das für Veranlagungen verfügbare Geld in Zukunft verringern werde, wie Wirtschaftsexperten prophezeien. Aufgrund der erwartbaren schwächeren Einkommensentwicklung, höherer Schuldenbelastung und steigender Arbeitslosigkeit nimmt die „Liquidität“ der Anleger und damit das Interesse an risikoreicheren Anlageformen ab. Was kann die Geldbranche also tun, damit nicht Scharen von Anlage- und Bankberatern die Beschäftigungslosigkeit droht? In einem ersten Schritt wäre das Vertrauen der Anleger wieder mühsam herzustellen. Deutschland hat hier kürzlich einen deutlichen Schritt gesetzt: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes müssen Banken in Zukunft die Kunden unmissverständlich darauf hinweisen, wenn ihre Spareinlagen bei der Bank nur bis zur Höhe von 20.000 Euro abgesichert sind. Wünscht der Kunde eine sichere Geldanlage, muss die Bank sogar auf die Empfehlung eigener Produkte verzichten, so das Urteil.
Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) hat bereits einen Vorstoß gemacht, um dem Beratergewerbe wieder auf die Beine zu verhelfen. So sollen sogenannte „Anlagekeiler“, die genaue Berufsbezeichnung ist „Finanzdienstleistungsassistent“, nicht mehr zugelassen werden. 6450 gibt es davon in Österreich, und ihr Job besteht in der Vermittlung von Geldanlagen jeder Art, wofür sie allerdings keine formelle Ausbildung brauchen. Laut FMA-Chef Kurt Pribil sind die Beschwerden über schlechte oder unseriöse Finanzberatung in der letzten Zeit „massiv“ gestiegen. Dagegen sei die Zahl der Personen, die das Risiko einer Geldanlage bisher nicht wahrhaben wollen, aufgrund der Wirtschaftskrise deutlich zurückgegangen.
Bisher recht populäre und nicht übermäßig riskante Anlageformen wie fondsgebundene Lebensversicherungen oder Fondssparpläne sind ebenfalls unter die Räder gekommen. Zuwendung erfahren haben dagegen das Online-Sparen mit seiner besseren Zinsstruktur und Terminanlagen wie Festgeld mit kurz- und mittelfristigen Laufzeiten. Kleinanleger investieren derzeit, wenn überhaupt, in Rohstoffe und Edelmetalle sowie Immobilien. Auch der gute, alte Garantiefonds scheint seinen Reiz noch nicht ganz verloren zu haben.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Begabung entfalten

Begabung entfaltenprivat

Damit es Kindern und Jugendlichen gelingt, die in ihnen angelegten besonderen Begabungen zu entfalten, müssen sie einige entscheidende Metakompetenzen ausbilden. Dazu zählen Einfühlungsvermögen, Kreativität, vorausschauendes Denken und planvolles Handeln. Im Kern geht es dabei aber vor allem um die Ausbildung und Stärkung des Selbst. Die jungen Menschen müssen ihre Selbstwirksamkeit erleben, dass sie also in der Lage sind, auch anspruchsvolle Aufgaben aus Eigenem (und nicht durch vorgegebene standardisierte Verfahren) zu bewältigen. Ein gutes Maß an Selbstregulation befähigt, innere Impulse zu kontrollieren und Frustrationen auszuhalten. In Summe kann dann auch ein realistisches Selbstbild entwickelt werden.
Diese Metakompetenzen lassen sich weder unterrichten noch trainieren, sie können nur durch eigene Erfahrungen innerhalb eines günstigen Umfeldes erworben werden. Diese Erfahrungen bilden die Basis, welche besondere Verschaltungen zwischen den Milliarden Nervenzellen im Lauf der Kindheit im Gehirn gebahnt und stabilisiert werden. Das gilt insbesondere für den jüngsten Teil des Gehirns, das Stirnhirn. Um diese hoch komplexen und stark vernetzten neuronalen Verschaltungsmuster bilden zu können, müssen Kinder und Jugendliche möglichst viele und möglichst unterschiedliche eigene Erfahrungen machen. Aus neurowissenschaftlicher Perspektive werden Lernprozesse nur erfolgreich verlaufen und zur Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung führen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
• Lernen ist ein aktiver Prozess der Entfaltung individueller Potenziale. Kinder und Jugendliche brauchen dazu eigene, vor allem auch eigenverantwortliche Gestaltungsmöglichkeiten. Das gelingt nicht durch Unterricht und Belehrung, sondern durch Aufgaben, an denen sie wachsen können.
• Lernprozesse gelingen umso besser, je stärker sie in der subjektiven Bewertung mit positiven emotionalen Gefühlen besetzt und verkoppelt werden.
• Je weniger Lernprozesse in feste Vorgaben und starre Strukturen gepresst werden, desto besser gelingt die­se positive emotionale Aufladung und umso leichter fällt das Lernen. Daher braucht es individuelle Freiräume und eigene Gestaltungsmöglichkeiten.
• Damit Erziehungs- und Bildungsprozesse gelingen können, müssen sie in einem die Lernprozesse begünstigenden „Betriebsklima“ erfolgen.
Was wir heute brauchen, sind nicht weitere neue neurowissenschaftliche Erkenntnisse, sondern innovative Konzepte, die das bereits vorhandene Wissen in der Praxis umsetzen.
Gerald Hüther ist Professor für Neurobiologie an den Universitäten Göttingen und Mannheim/Heidelberg.

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Gerald Hüther , Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Die Erfolgsgeschichte des VTÖ

Die Erfolgsgeschichte des VTÖVTÖ

Seit 20 Jahren fördert der VTÖ die Entwicklung und Vernetzung von Technologiezentren.

Der Verband der Technologiezentren Österreichs, kurz VTÖ, ist die nationale Interessenvertretung des Netzwerks der rund 90 österreichischen Technologie-, Impuls- und Gründerzentren. Vorrangiges Ziel des VTÖ ist die Unterstützung dieser Zentren bei ihrer Weiterentwicklung von Infrastruktur-Immobilien zu regionalen Impulsgebern und Innovatoren. In dieser Aufgabe wird der VTÖ durch das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) tatkräftig unterstützt und gefördert.
1989 gegründet, feiert der VTÖ heuer sein 20-jähriges Bestehen. Seine Erfolgsgeschichte ist eng verbunden mit der Entwicklung seiner Zielgruppe, den österreichischen Technologiezentren (in letzter Zeit verstärkt „Impulszentren“ genannt). Als Anfang der 90er Jahre der Aufbau von Impulszentren vom Staat gefördert wurde, kam es zu einem regelrechten Boom. In allen Bundesländern wurden Zentren gegründet, um die regionale Wirtschaft zu unterstützen und vor allem innovative und technologieorientierte Gründer zu fördern. Die Mitgliederzahl des VTÖ wuchs enorm, ebenso die Aufgaben des Verbandes. 2004 wurde deswegen ein eigenständiges Generalsekretariat unter der Leitung von Clemens Strickner etabliert.

Im Netzwerk denken
Heute präsentiert sich der VTÖ als ein weites Netzwerk wesentlicher Einrichtungen und Zentren der österreichischen „Innovationsszene“ (siehe Link). Für seine Mitglieder organisiert der VTÖ Qualitätsmanagement, Weiterbildung, Gründungsunterstützung, Studienreisen und vieles mehr. Neben den Netzwerkaktivitäten bilden die Projektvorhaben eine wichtige Säule im Leistungsprofil des VTÖ.
VTÖ-Vorsitzender Wolfgang Rupp meint dazu: „Die Vernetzung der österreichischen Technologie- und Innovationszentren sowie die Vertretung von deren Interessen sind wichtige Ziele des VTÖ. Aus diesem Grunde initiiert der Verband kooperative Projekte mit den Zentren, die dazu beitragen, das VTÖ-Netzwerk zu stärken und die Zentren in den Regionen bei ihren Aufgaben maßgeblich zu unterstützen.“ Dieser Kooperationsgedanke findet sich auch in dem selbst gewählten Motto des VTÖ wieder, das da heißt: „Be part of it – think networks!“

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21.08.2009

Wissens- und Brokernetzwerk

Wissens- und BrokernetzwerkPhotos.com

Ein richtungsweisendes Pilotprojekt des VTÖ erleichtert KMU den Zugang zu F&E&I-Förderprogrammen.

Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation (F&E&I) sind der Motor für wirtschaftliches Wachstum. Sie sollen in innovative Produkte und Dienstleistungen münden, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nachhaltig stärken. Mit dem Ziel, die EU bis 2010 zu einem wettbewerbsfähigen und dynamischen Wirtschaftsraum zu machen, wurde im Jahr 2000 die Lissabon-Strategie verabschiedet. Diese sieht vor, dass die Mitgliedstaaten der EU den F&E-Anteil ihres BIP (Bruttoinlandsprodukt) bis 2010 auf drei Prozent steigern sollen.

Wichtiger KMU-Beitrag
Für die Erreichung des Lissabon-Ziels sollten vor allem auch die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zur F&E&I-Arbeit animiert und dabei unterstützt werden. Zwar existiert auf nationaler wie internationaler Ebene eine Reihe von F&E&I-Förderprogrammen, doch die allgegenwärtige Ressourcenknappheit der KMU verhindert nur allzu oft die Befassung mit den Ausschreibungen, geschweige denn das Verfassen von Projektanträgen.
Genau dort setzt ein Projekt des VTÖ (Verband der Technologiezentren Österreichs) an. Der Projektname ist dabei Programm: „Wissens- und Brokernetzwerk für Technologiezentren zur Steigerung der F&E&I-Quote in KMU“. Das Pilotprojekt „Brokernet“, so der interne Arbeitstitel, untersucht, wie die Technologiezentren mithilfe eines gezielten regionalen Wissensmanagements eine wesentliche Verbesserung bei der Unterstützung, Heranführung und Umsetzung von Projektbeteiligungen von KMU in nationale und europäische Kooperationsprojekte erreichen können. Der F&E-Anteil der KMU soll dadurch messbar gesteigert werden. Gerade die Technologiezentren haben eine sehr gute Kenntnis von den lokalen F&E-Akteuren und sind kompetente Partner für die Unternehmen. Mit dem Projekt „Brokernet“ sollen die Technologiezentren ihre Brokerage-Kompetenz auf- und ausbauen.
Der Endbericht des Projekts weist aus, dass die teilnehmenden Technologiezentren 172 Projektbeteiligungen erreichen konnten, mehr als die Hälfte davon von KMU. Vor allem die Akquisition von KMU, die bisher noch keine Erfahrungen mit F&E&I-Förderprogrammen hatten, sticht hervor: 61 der 172 Projektbeteiligungen stammen von „Newcomern“. Die Projekte umfassen ein Gesamtvolumen von neun Mio. Euro.

Erweitertes Portfolio
Für die Technologiezentren selbst stellt der systematische Aufbau von professionellen Beratungsdienstleistungen eine wichtige Maßnahme zur Weiterentwicklung der Zentren in Richtung regionaler Impulsgeber dar. Die einzelnen Technologiezentren behandeln ihren regionalen Aufgaben entsprechend spezifisch fachliche Schwerpunktthemen. Durch die Vernetzung zu einer Wissensmanagement-Plattform entstehen nun auch überregionale Kooperationen in bestimmten Kompetenzbereichen. Dadurch können die Technologiezentren ihr lokales Einzugsgebiet auf ähnliche Schwerpunktregionen in anderen Bundesländern ausweiten und dort Zugang zu kompetenten KMU finden.
Die neu entwickelten Beratungsdienstleistungen können nun zusätzlich zu den bisher bekannten Dienstleistungen in den Bereichen „Vermietung“ und „Entrepreneurship“ angeboten werden. Damit trägt das Pilotprojekt „Brokernet“ dazu bei, das Leistungsportfolio der Technologiezentren substanziell zu erweitern.

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Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Maissirupcola und Schummelschinken

Maissirupcola und SchummelschinkenPhotos.com

Maissirup süßt in Amerika alles von Sprudelgetränken bis Schinken. In Österreich stoßen Konsumenten unterdessen auf Schummelschinken und Analogkäse. Ein neuer Dokumentarfilm aus den USA erinnert an die Macht der Kunden an der Supermarktkassa: Jeder Lebensmitteleinkauf kann ein politisches Statement darstellen.

Den USA vergeht gerade ein der Appetit. Seit der Dokumentarstreifen Food Inc. in den Kinos anlief, in dem Filmemacher Robert Kenner die steakverliebte Nation erinnert, was ihr mit den preisgünstigen Fleischstücken tatsächlich auf den Teller kommt, hat das Thema landwirtschaftliche Massenproduktion einen festen Platz in den Abendnachrichten. Kenner macht in dem Film deutlich, dass es die lange Hand der Maislobby ist, die bestimmt, was vor allem den billigen Lebensmitteln der Amerikaner zugesetzt wird: vom mit Mais gefütterten Rind bis zum Sprudelgetränk, das mit Maissirup gesüßt ist.
Filmkritiker David Edelstein vom New York Magazine fühlt sich durch Food Inc. an die Filmtrilogie Matrix erinnert. Es ginge ebenfalls um „Menschen, die herausfinden, dass sie in einer virtuellen Scheinwelt leben und diese für die Wirklichkeit halten. Das ist der Stoff, aus dem die paranoidesten Science-Fiction-Geschichten sind.“

Billiger Maissirup
Der Dokumentarfilm nimmt vor allem die fadenscheinigen Methoden der Saatguthersteller, allen voran Monsanto, unter die Lupe. Über genetisch manipulierte Saat kommt Kenner auf Mais und seine besondere Geschichte in den USA zurück. Vor 30 Jahren noch waren Maiskolben, die auf den Feldern in Iowa wuchsen, schmackhaft und nährstoffreich. Seit diese zu Tierfutter verarbeitet und in Treibstoff umgewandelt werden, steht Geschmack nicht mehr im Vordergrund.
Bis Anfang der 1970er Jahre wurden Bauern finanziell unterstützt, damit sie nicht zu viel Mais anbauten. Mit einem neuen Landwirtschaftsminister kam der Umschwung. Warum weniger produzieren, wenn stattdessen Lebensmittel billiger werden könnten? Innerhalb weniger Jahre geriet die Produktionsmenge außer Kontrolle. Um den Überschuss zu verwerten, wurden neue Produkte entwickelt. Das wichtigste Produkt dabei: Maissirup. War die Herstellung in den 1960er Jahren noch viel zu kostspielig, hatte das süße Konzentrat bis in die 1980er Jahre hinein längst den teureren Zucker verdrängt. Tatsächlich liegen die durchschnittlichen Kosten für Ernährung in den USA bei rund 17 Prozent des Einkommens und damit unter den Ausgaben in Mitteleuropa.
Weil nicht nur auf mehr Fläche angebaut wurde, sondern die neuen Pflanzenzüchtungen auch tolerieren, näher beisammenzustehen, lassen sich von einem Hektar heute gut zweieinhalb Tonnen Mais ernten. Genießbar sind die gelben Körner nicht, zumal sie für die Weiterverarbeitung gedacht sind: als Rohmaterial für Tierfutter, für Ethanol und Süßstoffe.

Fettes Maisschnitzerl
Verfüttert wird der Mais vor allem an Rinder, damit diese schneller an Gewicht zulegen – was noch schneller geht, wenn sie sich nicht bewegen. Die Umstellung wird den Grasfressern über die Zugabe von Antibiotika im Futter schmackhaft gemacht. Die Folgen der veränderten Nahrungskette sind erheblich. Die Umweltverschmutzung der Rinderfarmen gleicht jener mittlerer Kleinstädte. Das Muskelfleisch der Rinder sieht indes dem Fettgewebe ihrer grasfressenden Verwandtschaft ähnlich: Die Menge an gesättigten Fettsäuren im Fleisch übersteigt jene herkömmlich herangezogener Kühe deutlich.
US-Amerikaner essen nicht nur mehr Fleisch als der Rest der Welt, sondern auch ungesünderes, das zudem noch überaus billig zu bekommen ist. All diese Faktoren lassen Diabetes bei jungen Erwachsenen sprunghaft ansteigen, insbesondere in einkommensschwachen Bevölkerungsschichten. Die Folgekosten für das Gesundheitssystem sind enorm. „Unsere Art zu essen hat sich in den letzten 50 Jahren deutlicher verändert als in den letzten 10.000“, resümiert Eric Schlosser, Autor des Buches Fast Food Nation, in Food Inc.

Analogkäse in Österreich
Die Dichte industriell veränderter Lebensmittel in österreichischen Supermarktregalen ist weit geringer. Dennoch wurden Konsumenten in den letzten Monaten auf Produkte wie „Schummelschinken“ und „Analogkäse“ aufmerksam. Analogkäse ist unter anderem auf Tiefkühlpizzen zu finden. Die Produktion ist billiger, auch ist kein Reifungsprozess notwendig. Laut Angaben der Hersteller hält das Käse-Imitat auch der Hitze im Backrohr besser stand. Erreicht wird die käseartige Beschaffenheit durch pflanzliche Fette, die die Milchfette ersetzen. Hinzu kommen Emulgatoren, Aroma- und Farbstoffe sowie pflanzliches Eiweiß. Ages, die österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, weist zudem daraufhin, dass Fett- und Cholesteringehalt beim Kunstkäse geringer sind. Bei „Schummelschinken“ wird ein gewisser Fleischanteil durch Stärke ersetzt.
Den Konsumenten wird daher ein genaues Studium der Inhaltsstoffe angeraten. „Wenn Schinkenverschnitt, Schinkenteile oder Sonstiges draufsteht, dann bitte die Finger davon lassen“, rät Silvia Rubik vom Gemeinderatsausschuss für Konsumentenschutz.

Trendwende?
Die verstärkte Öffentlichkeit, die das Thema in den USA erhält, nährt die Hoffnung auf Veränderung. Michelle Obama ließ zuletzt aufhorchen, dass sie ihren Töchtern keine mit Maissirup gesüßten Lebensmittel mehr vorsetzt, zumal diese mit Diabetes in Verbindung gebracht werden. Pepsi reagierte im Frühjahr auf den Trend und brachte sogenannte „Throwback“-Varianten seiner Limonaden auf den Markt. Acht Wochen lang konnten Konsumenten unter anderem Cola mit echtem Zucker kaufen. Ob der Konzern die Getränke auch weiterhin anbieten wird, bleibt allerdings abzuwarten.
Gesunde Ernährung ist zweifellos eine Frage der finanziellen Möglichkeiten. Gary Hirshberg, CEO des Biomilch-Unternehmens Stoneyfield Farms, zeigt sich in Food Inc. überzeugt, dass jeder Lebensmitteleinkauf ein politischer Akt sein könne. „Die Ironie ist, dass der durchschnittliche Konsument überzeugt ist, nicht viel Macht zu haben. Aber glauben Sie mir, das genaue Gegenteil ist wahr.“ Dass Walmart zwischen langen, mit billigen Fertiggerichten gefüllten Regalreihen Milch ohne künstliche Wachstumshormone anbiete, sei nur auf das Konsumverhalten zurückzuführen.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

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