Die neue Lust an der gehobenen Exotik
DPA/Stephanie Pilick Die Reisebranche splittet sich zunehmend in die Billigreisesparte und Reisen für anspruchsvollere Traveller auf. Für Letztere ist das Angebot an kleinen, aber feinen Hotels an Top-Destinationen, aber auch die Auswahl an Abenteuer- und Kulturreisen in exotische Gebiete zuletzt immer zahlreicher geworden.
Jesolo und Caorle sind Reiseziele von gestern. Der Urlauber von heute will mehr von der Welt sehen, das zeigt allein die Fülle an Fernreiseangeboten, auf die man in diesem tourismusschwachen Sommer stößt. Eine Woche Kenia im Dreistern-Hotel ab 700 Euro, eine Woche Thailand um 800 Euro, all inclusive: Worauf noch warten?
Die Reiseindustrie müht sich redlich, ihre Betten zu füllen. Und für viele Leute, die sonst den Urlaub aus Kostengründen eher im europäischen Umland verbringen, sind Kenia und Thailand noch dazu ein schwerer Kulturschock. „Ein paar kleine Schnitzer muss man bei diesen Preisen einfach hinnehmen“, sagt ein Reisender im Travelblog von Holidaycheck. „Ansonsten muss man eben mehr bezahlen. Zudem sollte man sich vorher eventuell über das Land informieren, in das man reist. Dann bekommt man keinen Kulturschock und regt sich nicht über dreckige Fugen oder Schimmel im Bad auf. Wer das nicht kann, muss entweder viel zahlen oder sollte nur in Industrieländer reisen.“
Billig, Abenteuer oder Kultur
Billig reisen heißt also auch duldsam sein, jedenfalls ist es eine Möglichkeit für viele, einmal ganz weit weg zu kommen. Für andere, die Reisen eher als Kulturtätigkeit statt simple Erholung sehen, liegt die Sache natürlich anders. Clubhotels, 500 Euro-Urlaube im Massenquartier, Rambazamba mit Maturantengruppen, Sauerkraut auf Mallorca oder deutsches Bier auf den Kanaren kommt da eher nicht in Frage.
Für anspruchsvolle Reisende hat sich in den letzten Jahren ein breit gefächertes Programm an diversen Angeboten entwickelt, das unterschiedliche Möglichkeiten eines kultivierten Urlaubs bietet. Zum einen ist dies das Aufkommen spezieller Hotelangebote abseits des Massentourismus, gemeinhin als Design- oder Boutique-Hotels bezeichnet. Diese bieten neben außergewöhnlicher Architektur und Ausstattung auch extravagante Zusatzleistungen wie zum Beispiel eine erlesene Spa-Behandlung, spezielle Ausflüge, Wellness, einen gut sortierten Weinkeller und allerlei andere Annehmlichkeiten.
Die größte Präsenz in dieser Travel-Nische hat die deutsche Lifestyle-Marke Design Hotels besetzt. Reisende können unter mehr als 160 Mitgliederhotels auswählen. Die regionalen Schwerpunkte liegen derzeit in Europa und Asien, doch auch in Marokko oder der Karibik wird man fündig. Design- oder Boutique-Hotels unterscheiden sich von den großen Hotelketten durch persönlicheren Service und Gestaltung, da die Hotels meist von den Inhabern geführt sind. Die ersten Boutique-Hotels gab es in den 1980er Jahren in New York, San Francisco und London.
Klein, aber fein
Die Häuser sind einem bestimmten Thema oder Stil gewidmet und dementsprechend eingerichtet. Meistens sind sie eher kleiner, aber in großen Städten wie London, Barcelona, New York oder Paris können sie durchaus auch mehr als hundert Zimmer haben.
Fünfsterne-Hotels mit speziellem Design und ausgewählter Location bietet auch die thailändische Marke Anantara, für viele ein Inbegriff für asiatischen Luxus und guten Geschmack. Trendsetter unter den Designhotels ist auch die Morgans Hotel Group, die mit absoluten In-Hotels in den USA (und auch den beiden berühmten Häusern St Martins Lane und Sanderson in London) punktet.
Doch Designerhotels und andere Geheimtipps sind auch nicht jedermanns Sache, und auf die Dauer belasten sie das Reisesäckel doch erheblich. Und so wenden sich manche Traveller eher den „designten“ Reisen zu, die sich an den Ansprüchen moderner Abenteurer orientieren. Wohin soll man also heute noch reisen?
„Wir erkennen im Reiseverhalten unserer Kunden deutlich den Trend zur maßgeschneiderten beziehungsweise Individualreise“, sagt Helmut Loizenbauer, Inhaber eines der besten Spezialreisebüros im deutschsprachigen Raum. Das kleine Unternehmen aus Oberösterreich bietet in der Tat sehr außergewöhnliche Destinationen. Darunter fallen etwa Reisen nach Nordkorea, Kamtschatka, Ostgrönland, Papua-Neuguinea, Timbuktu oder die Antarktis. Alles mit komplettem Programm.
Außerhalb der Normen
„Wenn man sich entschließt, eine Reise zu machen, die außerhalb gängiger Normen liegt, sollte man auch bereit sein, hin und wieder auf gewohnte Bequemlichkeiten zu verzichten“, sagt Loizenbauer. „Dafür wird man Landschaften von atemberaubender Schönheit sehen, vergessene Kulturdenkmäler besuchen und durch die herzliche Gastfreundschaft der dortigen Bewohner vielfach entschädigt.“ Eine „persönliche, positive Einstellung zum Gastland und seinen Menschen“ verbunden mit „Toleranz und Nachsicht“ seien jedenfalls notwendig, um eine solche Reise zu einem bleibenden Erlebnis werden zu lassen.
Unter den außergewöhnlichen Reisen, die Loizenbauer im Programm hat, ist auch ein Aufenthalt auf der Insel Socotra, gelegen vor der Küste des Jemen, eine Destination, die einem ansonsten gewiss nicht in den Sinn kommt. Oder eine siebentägige Schiffsreise mit einem Schiffsdampfer von Kapstadt auf die entlegene Insel Tristan da Cunha, die als die abgelegenste bewohnte Insel der Welt gilt.
No-go-areas
Und so gilt es noch vieles zu entdecken. Allerdings birgt die heutige Welt auch eine Reihe von No-go-areas, die man von seinem touristischen Radar verbannen sollte. Die gefährlichsten Länder der Welt, für die allesamt eine offizielle Reisewarnung der UNO ausgerufen wurde, werden derzeit von Somalia getoppt. Abgeraten wird von Reisen jeder Art dorthin, auch von „beruflich notwendigen“.
Weitere Krisenherde bilden der Irak, Afghanistan und Pakistan (zumindest bestimmte Gebiete in diesen Ländern). Nicht zu empfehlen sind ebenso Haiti, Sudan und die DR Kongo. Auch in Simbabwe muss man sich derzeit nicht unbedingt als Tourist aufhalten. Und am besten macht man um die Palästinensergebiete und den Libanon einen Bogen. Von Urlaubsreisen in den Jemen und den Iran wird im Moment ebenfalls abgeraten. Die gängigsten Probleme: Entführungen, Überfälle, Selbstmordattentate, Landminen, Aufstände.
Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009