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24. Juli 2024

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Hörsaal statt Vorstrafe

Hörsaal statt VorstrafeSarah Hauer

65 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung angezeigte Jugendliche besuchten an der Uni Linz als Diversionsmaßnahme den Kurs „Geschichte und Demokratie“. Das Projekt ist seit einiger Zeit abgeschlossen, Niemand wurde rückfällig. Die Projektleiterinnen Irene Dyk-Ploss und Brigitte Kepplinger ziehen Bilanz.

Es waren großteils Mitläufer im Alter von 15 bis 20 Jahren, angezeigt wegen NS-Verherrlichung, Schmieraktionen, Sachbeschädigungen und Gewalttätigkeiten. In Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Linz entwickelten Irene Dyk-Ploss und Brigitte Kepplinger vom Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik an der Uni Linz mit dem Diplompsychologen Walter Hanke 2001 eine Lehrveranstaltung, die diese 50 Jugendlichen im Rahmen der Diversion besuchten und sich dadurch eine Vorstrafe ersparten. In der Endphase des Projekts kamen noch 15 Verurteilte hinzu, deren unbedingte Haftstrafe mit der Auflage, das Seminar zu besuchen, in eine bedingte umgewandelt wurde.
Das Diversionsprojekt an der Uni Linz lief 2003 aus, nachdem sich zu wenig Probanden fanden. Irene Dyk-Ploss arbeitet derzeit an einer umfassenden Evaluierung. Momentan gibt es kein vergleichbares Angebot in
Österreich.

economy: Es ist einige Zeit vergangen, seit das Diversionsprojekt abgeschlossen wurde. Was sind Ihre Erfahrungen damit?
Irene Dyk-Ploss: Unseres Wissens gab es bisher keine Rückschläge. Ich bin dabei, das zu evaluieren und die Kontakte wieder aufzunehmen, mit Einzelnen von den Jugendlichen und allen Staatsanwaltschaften, die wir hatten, zu reden.

Die Jugendlichen wurden von Studierenden in Tandems betreut. Fiel es den Studierenden schwer, Vorurteile abzulegen?
I. D.-P.: Sie sind deshalb vorurteilslos in das Projekt gegangen, weil nur ich die Straftaten kannte. Das war vereinbart, um die Unbefangenheit zu wahren.

Was waren Voraussetzungen, um als Student an dem Projekt teilzunehmen?
I. D.-P.: Entsprechende Kommunikationsfähigkeit, Basiswissen über den Nationalsozialismus, und wir haben gesagt: „Dagegenhalten – aber ihr müsst sie trotzdem mögen können.“ Wenn jemand mit missionarischem Hasseifer an die Sache herangeht, dann kann das nicht funktionieren.

Haben die Jugendlichen die Studierenden akzeptiert?
I. D.-P.: Zum Teil sind die Probanden so zutraulich geworden, dass sie den Studierenden mehr erzählt haben als der Polizei oder der Bewährungshilfe. Es hat deshalb auch eine absolute Verschwiegenheitspflicht gegolten.

Was waren die Inhalte des Kurses?
Brigitte Kepplinger: Einerseits historische Informationsvermittlung, damit die Probanden reflektieren, was sie da verherrlicht haben. Die zweite Ebene war Reflexion über Politik und Demokratie heute.

Wie war der Wissensstand der Jugendlichen?

B. K.: Das Wissen über den Nationalsozialismus war sehr gering. Sie kannten nur ihre Propagandahülsen; wenn man näher nachfragte, war sehr viel nicht bekannt. Politische Bildung war ihnen völlig fremd – das heißt, politische Zusammenhänge zu reflektieren, einfach nur zu wissen, wie Politik funktioniert.

Stichwort Propagandahülsen: Wie vermittelt man einschlägig vorgeprägten Jugendlichen die Zeit des Nationalsozialismus?

B. K.: Mir war wichtig, den Nationalsozialismus nicht aus unserer Gesellschaft zu externalisieren und nicht mit der moralischen Abschreckung zu arbeiten. Ich habe versucht, einerseits Kontinuitäten zu unserer Gesellschaft aufzuzeigen und andererseits den Jugendlichen zu vermitteln, was wäre, wenn sie im Nationalsozialismus leben würden. Wie wäre es euch in der Zeit, die für euch eine Zieldimension darstellt, ergangen? Da war die Erkenntnis, dass es mit ihren Delikten vielleicht gar nicht so schön gewesen wäre, denn sie wären in einem Jugendstraflager gelandet.
I. D.-P.: „So hat es uns noch nie wer erklärt“, das kam immer wieder. Meine Kollegin hat die Zeit in ihren Facetten auf die unmittelbare Ebene runtergebracht. Sie hat zum Beispiel über die Hitlerbauten gesprochen und erklärt, dass man die Wohnung im Hitlerbau verloren hat, wenn die Oma Alzheimer hatte.

Was war das zentrale Thema für die von Ihnen betreuten Jugendlichen?
I. D.-P.: Es gab einmal eine Diskussion zwischen Probanden und Studenten – was tut man am Abend, müde, frustriert und sonst was. Da ist herausgekommen: Die Studenten gehen joggen, und die Jugendlichen gehen schlägern. Aber im Endeffekt, nach dem Schlägern, ist es ein ähnliches Gefühl. Nicht alle wollten ein neues Drittes Reich.
B. K.: Dass man mit der speziellen Politik etwas aussagen möchte, war eigentlich sekundär. Ein ganz zentrales Problem war das Ausländerthema. Da haben die Neonazis Rezepte. Schnell wirksam, einfach durchzuführen und sehr schlüssig, wenn man keine Ahnung hat. Da hat sich überhaupt nichts geändert, wenn man die knapp zehn Jahre Revue passieren lässt. Das hat sich jetzt eher noch verschärft.

Inwiefern hat sich die rechte Szene seither Ihrer Meinung nach geändert?
B. K.: Die Vernetzung ist durch die modernen Medien eine andere. Man braucht jetzt nicht mehr das volle Programm zu akzeptieren, man fährt vielleicht nur auf die Musik ab oder auf entsprechende Kampfsportarten. Die Szene ist flexibler geworden – wie Bienenwaben. Die hängen nur mehr an einem Punkt zusammen und bilden trotzdem ein relativ stabiles Netzwerk. Und es scheint so zu sein, dass für die Jugendlichen diese
Neonaziszene wie ein riesengro­ßer Abenteuerspielplatz funktioniert.

Es ist zwar etwas Verbotenes, aber auf der anderen Seite haben sich auch die Gesellschaft und die politische Situation geändert.

I. D.-P.: Rechtsextreme Jugendliche sind äußerlich nicht mehr wirklich erkennbar. Springerstiefel mit weißen Schuhbändern, das war einmal. Der Dresscode ändert sich sehr schnell.
B. K.: Das zeigt, dass die Szene hoch flexibel ist, dass sie andere Methoden und Mittel suchen, um die Gesellschaft nach ihren Idealen umzuformen und Einfluss zu gewinnen.

Wird der Rechtsextremismus mit der Wirtschaftskrise zunehmen?
B. K.: Vor allem bei den Jugendlichen, die einmal den Eintritt ins Erwerbsleben schaffen müssen, da denke ich, steht uns noch einiges bevor.

Wo könnte man präventiv ansetzen?
B. K.: Eine wirklich fundierte politische Bildung der Jugendlichen wäre enorm wichtig. Da wird noch viel zu wenig angeboten. Ein weiterer Punkt ist der Staat. Nicht tolerieren, sondern aktiv dagegen vorgehen und demonstrieren, dass ein demokratisches Gemeinwesen das nicht duldet.

Also keine „Lausbubenstreiche“.
I. D.-P.: Nein. Der Schock, wenn um sechs in der Früh die Polizei daheim anläutet, der ist nicht von schlechten Eltern.
B. K.: In Mecklenburg-Vorpommern ist eine Kursänderung in diese Richtung erfolgt, und da sind die Straftaten und Provokationen signifikant zurückgegangen. Das inkludiert auch, dass man durch das entschiedene Auftreten der staatlichen Stellen die Bürger ermutigt, sich entschieden dagegenzustellen. Da wird immerfort nach Zivilcourage gerufen, aber wenn ich nicht sicher sein kann, dass die Staatsgewalt auch hinter mir steht, wenn ich Zivilcourage ausübe, dann werde ich es mir sehr gut über­legen.

Wäre es vor dem heutigen Hintergrund sinnvoll, ein Projekt wie das Ihre wieder einzuführen?
I. D.-P.: Ja. Es gibt im Moment gar nichts in diese Richtung.

DIVERSIONSPROJEKT

50 Studierende haben die Jugendlichen als Tandempartner in dem Diversionsprojekt begleitet. Nach jeder Input-Einheit fanden sich die Tandems zusammen und besprachen, was sie zuvor gehört hatten. Das Diversionsprojekt bezeichnen die ehemaligen Studierenden heute als Erfahrung, aus der sie sehr viel gelernt haben.

Thorsten Rathner (31): Ich habe zwei Probanden betreut, und meine Erfahrungen waren sehr positiv. Beide haben sich nach einer kurzen Zeit geöffnet und deutlich gemacht, dass sie bereits sehr weit weg von der Szene sind. Ich denke, dass man eine medial geprägte Vorstellung von rechtsradikalen Jugendlichen hat. Ich habe gelernt, Vorurteile zu überdenken, zu akzeptieren, dass es auch Mitläufer gibt und den Hintergrund zu sehen. Einer meiner Probanden war zum Beispiel sehr übergewichtig, in der Szene konnte er sich Respekt verschaffen. Es ist wichtig, die Hintergründe zu sehen, ohne verharmlosen zu wollen.

Erika Breuer (47): Die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen war problemlos. Es waren oft Außenseiter, die in rechtsextremen Gruppierungen Anschluss gefunden haben und dort extrem aufgewertet wurden. Sie konnten kleine Funktionen übernehmen. Dort ist man wer, man wird gehört. Ich arbeite nach wie vor mit Jugendlichen. Ich habe keine Angst, wenn fünf Typen in Bomberjacken auf mich zukommen, weil im Grunde sind das arme Würstel. Etwas sofort zu verurteilen ist nicht sinnvoll, Dinge gehören ausdiskutiert. Ich habe das Diversionsprojekt als gegenseitiges Geben und Nehmen erlebt, das Horizonte erweitern kann.

Gerald Rachbauer (31):
Ich habe mit meinen beiden Probanden durchwegs positive Erfahrungen gemacht. Der eine war sehr verschlossen, der andere offen – so, wie ganz normale Jugendliche sind. Klar hatte ich vor dem Projekt gewisse Vorurteile, aber eigentlich waren das normale Jugendliche, die wo reingerutscht sind. Man lernt zu verstehen, wie rechtsextreme Jugendliche in die Szene kommen und denken. Ich habe vier Jahre in einem Flüchtlingshaus gearbeitet. Die Erfahrungswelten der Jugendlichen dort waren ziemlich ähnlich.

Cathrin Dorner (34): Ich habe mehrere Probanden betreut, die sehr unterschiedlich waren. Einer war sehr unwillig, hat alles verweigert und nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, ob es Sinn ergibt, was er da sagt. Das war ein kleiner, schmächtiger Typ, der immer unterschätzt wurde und unterschwellig aggressiv war. Dann gab es aber auch ganz andere Typen, die eigentlich sympathisch waren und mit denen man Spaß haben konnte, die nur durch Zufälle in die falsche Ecke geraten waren. Unter der Oberfläche kann oft etwas ganz anderes stecken.

Markus Feichtinger (33): Die meisten Jugendlichen waren klassische Mitläufer, die nicht über die Ideologie, sondern über Freundschaften in die rechtsextreme Szene gekommen waren. Während des Kurses gab es viele Aha-Erlebnisse: „Das habe ich gar nicht gewusst.“ Es gab schon auch ein paar, bei denen die Ideologie verfestigt war, da weiß ich nicht, ob das Projekt etwas geändert hat. Aber sie haben trotzdem etwas gelernt. Hätte man sie eingesperrt, hätte sich nichts geändert. Die Jugendlichen bekamen das Gefühl, dass sie ernst genommen werden. Wenn es nur ein Kurs gewesen wäre, wo jemand einen Vortrag hält, hätten sie wahrscheinlich abgeblockt.

Anna Weidenholzer, Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Radeln um jeden Euro

Radeln um jeden EuroSportgraf.com

2006 wurde die Aktion „Biking 4 Butterfly Children“ ins Leben gerufen. Bis heute konnte das Mountainbike-Team rund 60.000 Euro für einen guten Zweck erradeln. Im Herbst wird weitergestrampelt.

Innerhalb von wenigen Jahren wurde aus einem Event für Kunden die größte Spendensammelaktion für die Schmetterlingskinder (Debra Austria). Möglich gemacht hat das Andreas Engelhardt, der Unternehmen und deren Kunden von der Idee überzeugen konnte, Charity und Kundenbindung unter einen Hut zu bringen. economy sprach mit dem Initiator und Organisator über die Motiva­tion, fast sein ganzes Privatleben einem guten Zweck zu opfern.

economy: Sie haben „Biking 4 Butterfly Children“ (B4BC) im Rahmen eines Firmen-Events gestartet. Was war die ursprüngliche Motivation dafür?

Andreas Engelhardt: 2006 gab es im Rahmen der Worldgames of Mountainbiking in Saalbach Hinterglemm erstmals einen Teambewerb, wo es nicht um Bestzeiten, sondern um gemeinsam erradelte Kilometer ging. Ich wusste von meinen Kunden, dass nicht nur viele Menschen gerne golfen, sondern dass Mountainbiken für viele der Ausgleichssport Nummer eins geworden ist. Ziel war es, 50 sportliche Kunden für einen guten Zweck an den Start zu bringen. Mit 138 Teilnehmern und 8500 Euro Spendenergebnis übertraf das Ergebnis schon im ersten Jahr alle Erwartungen.

Und wieso radeln Sie mit Ihrer Aktion gerade für die Schmetterlingskinder?
Ich kannte diese Erkrankung zu diesem Zeitpunkt auch nur von den Plakaten des Teddybären mit dem Kaktuskopf. Ich habe mit Rainer Riedl, Obmann der Selbsthilfegruppe Debra Austria, telefoniert und ihm von unserer Idee erzählt, diese Trendsportart zu nutzen, um das Thema einem neuen Publikum vorzustellen. Ich genieße das Privileg, selbst zwei gesunde Kinder zu haben, und bewunderte den Einsatz eines betroffenen Vaters. Daraufhin wollte ich die Schmetterlingskinder im Rahmen meiner Möglichkeiten unterstützen.

Sie haben viele der Teilnehmer persönlich von der Aktion überzeugt. Wo liegt im End­effekt die Motivation der Teilnehmer?
Ich habe viele Kunden kennengelernt, die gerne Rad fahren, aber noch nie bei einem Rennen am Start waren. Die Kombination aus sportlichem Gemeinschaftserlebnis und Charity-Aspekt hat in den letzten vier Jahren über 550 unterschiedliche Personen zu „Biking 4 Butterfly Children“ gebracht.

Mountainbiken ist jetzt nicht gerade ein Breitensport und schon gar nicht in golfenden Chefetagen beliebt. Wieso, glauben Sie, ist Ihre Initiative trotzdem so interessant für Partner aus der Wirtschaft?
In den letzten Jahren waren Sportarten wie Golfen und Fußball sicher der Standard für Firmenveranstaltungen. Wer aber mit seinem Kunden über denselben Berg geradelt ist, hat sich auf jeden Fall etwas mehr zu erzählen. Zudem bieten die Worldgames of Mountainbiking als Hobby-Weltmeisterschaft mit über tausend Startern den perfekten Rahmen für ein Kunden­event. Außerdem steht Mountainbiken für gesunden Hobbysport, Dynamik und Kraft – ein Image, das für viele Unternehmen interessant ist.

Ist B4BC ein geschlossener Club, oder wollen Sie noch mehr Partner und damit Teilnehmer gewinnen?
Unsere Aktion soll Teilnehmer und Sponsoren ansprechen, die sich beim Mountainbiken gerne für einen wichtigen sozialen Aspekt engagieren.

Spürt B4BC die Folgen der Wirtschaftskrise?
Natürlich ist es in Zeiten wie diesen, wo viele Leute ihren Job verloren haben und Unternehmen sich darauf vorbereiten, gestärkt aus der Wirtschaftskrise hervorzugehen, nicht einfach, offene Ohren für eine Charity-Aktion im Rahmen eines Sportevents zu finden. Umso mehr freut es mich, dass es mir gelungen ist, auch heuer namhafte Unternehmen aus der IT-Branche – All-IT, ACP IT Solutions, CA Software, Comnet, Fujitsu Technology Solutions, NetApp und S&T Austria – zu gewinnen.

Zurück zum Rennen: Viele der Teilnehmer sind im Rahmen von B4BC zum ersten Mal ein Mountainbike-Rennen oder gar überhaupt Mountainbike gefahren. Gibt es eine typische Antwort für „nach dem ersten Mal“?
Glücklich, stolz, aber müde habe ich von vielen Teilnehmern im Ziel gehört, dass sie das Wissen, sich ein paar Stunden zu „quälen“, im Vergleich zu den Schmerzen eines Schmetterlingskindes von einer Aufgabe des Rennens abgehalten habe.

Was waren für Sie die schönsten und kuriosesten Momente in der Organisation oder mit Teilnehmern?
2007 gab es bei den Worldgames Mitte September einen Wintereinbruch inklusive Straßensperre aufgrund einer Mure am Vortag des Rennens. Um drei Uhr morgens habe ich mit Wolfgang Breitfuß (Direktor des Tourismusverbandes, Anm. d. Red.) die Strecke neu designt, denn die kurze Strecke mit hundert Startern unseres Teams hätte aufgrund des Schneefalls abgesagt werden müssen. Dank des Einsatzes des Veranstalters und unserer Teilnehmer haben von 210 Angemeldeten 190 die Strecke trotz 600 Höhenmetern Schiebepassage gemeistert, und wir konnten in diesem Jahr 17.840 Euro spenden.

Woher nehmen Sie die Energie, diese Aktion im Rahmen der World Games of Mountainbiking jetzt zum vierten Mal durchzuführen?
Für mich ist es wichtig, meine Energien in ein sinnvolles Projekt wie „Biking 4 Butterfly Children“ zu stecken – egal ob mit einem kleinen Team quer durch die südafrikanische Wüste oder mit ein paar Hundert Menschen durch die Alpen.

Was sind die Pläne für B4BC?
Wir konnten in vier Jahren mithilfe der Veranstalter bei Mountainbike-Topveranstaltungen wie der Babenberger Trophy in Wien, der Salzkammergut Trophy in Bad Goisern und den Worldgames of Mountainbiking in Saalbach Hinterglemm über 60.000 Euro zugunsten der Schmetterlingskinder spenden und diese Krankheit einem breiten Publikum näherbringen. Deshalb werde ich auch nächstes Jahr unsere Aktion bei diesen Events weiterführen.

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Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Keine Laus­bubenstreiche

Keine Laus­bubenstreiche

Rechtsextremismus darf nicht verharmlost werden. Es ist kein Lausbubenstreich, Hakenkreuze zu sprayen oder volksverhetzende Parolen von sich zu geben. Die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden, und es muss mit solchen Tätern intelligent umgegangen werden. Die Diversion stellt für die Justiz eine Möglichkeit dar, mit anderen Maßnahmen als einem Strafverfahren vorzugehen. Und sie erspart jugendlichen Tätern eine Vorstrafe, die sie nicht nur in ihrem weiteren Leben stark behindern, sondern als fragwürdige Helden noch tiefer in die rechtsextreme Szene drücken könnte. An der Universität Linz wurde vor einigen Jahren eine sehr durchdachte und auch wirksame Form der Diversion angeboten. 65 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung angezeigte Jugendliche besuchten dort den Kurs „Geschichte und Demokratie“. Es war mehr als bloße Wissensvermittlung, was dort passierte. Jedem Jugendlichen wurde ein Studierender zur Seite gestellt. Was im Plenum gehört wurde, diskutierte das Tandem gemeinsam unter vier Augen. Es war ein gegenseitiger Lernprozess, wie eine ehemalige Tutorin sagt. Mit Erfolg: Keiner der 65 Jugendlichen wurde bislang einschlägig rückfällig. Sechs Jahre sind vergangen, seit das Projekt zum letzten Mal angeboten wurde. Sechs Jahre, in denen sich die Szene verschärft und der Rechtsextremismus in Österreich zugenommen hat.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Johannes Hahn: „Der Wachstumspfad geht weiter“

Johannes Hahn: „Der Wachstumspfad geht weiter“Andy Urban

Cern im Rückblick aus wirtschaftlicher Sicht, veränderte Leistungsbewertung in der Wissenschaft, Venture Capital für die Forschung und der Unternehmer im Politiker: Wissenschaftsminister Johannes Hahn im Gespräch mit economy.

Das Forschungsbudget steht. Nach der Finanzdebatte soll nun die inhaltliche Diskussion über den Einsatz der Mittel folgen.

economy: Bei unseren Interviews mit österreichischen Wirtschaftspartnern in der Europäischen Organisation für Kernforschung, kurz Cern, zeigen sich eher kleinere finanzielle Auswirkungen, die in keiner Relation zu den Mitgliedsbeiträgen stehen. Wie sehen Sie Ihre Cern-Austritt-Entscheidung im Rückblick?
Johannes Hahn: Ich stehe zu meiner Entscheidung – ich wurde nicht um-, sondern überstimmt. Für mich ging und geht es in erster Linie um die wissenschaftliche Komponente. Was die österreichischen Unternehmen betrifft: Cern selbst hat die wirtschaftlichen Rückflüsse als „poorly balanced“ bezeichnet, und die österreichische Unternehmensseite hat dem Austritt seinerzeit auch nicht wider­sprochen.

Es gab auch in der Wissenschaftscommunity Befürworter des Austritts, aber nicht öffentlich.
Es war ein knappes Zeitfenster. Wir haben den geplanten Austritt im Vorfeld zum Beispiel mit dem Präsidium der Akademie der Wissenschaften, dem Forschungsrat und dem FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Anm. d. Red.) akkordiert, und dort hat man sich auch korrekt verhalten. Natürlich bricht keiner in Jubel aus, wenn wir aus einer Organisation austreten. Es war eine rationale Abwägung.

Und eine budgetbedingte?
Diese Frage muss man sich immer stellen. Nicht jedes Jahr, aber rund alle fünf Jahre ist eine Hinterfragung von Mitgliedschaften schon legitim. Der Gesamtbefund und was man mit dem Geld bewirken kann, ist entscheidend. In Europa ist viel passiert, schauen Sie sich allein die Größenordnungen der EU-Forschungsrahmenprogramme an. Wir diskutieren in den kommenden Monaten das achte Programm, wo eine Steigerung der Mittel geplant ist. Es ist wie bei einer Speisekarte: Ein siebengängiges Menü sättigt mehr als der Braten allein. Rein wissenschaftlich macht Cern einen guten Job, vor allem wenn der Teilchenbeschleuniger LHC endlich wieder in Betrieb geht.

Das bedeutet, die Cern-Entscheidung ist erledigt?
Nachdem die SPÖ in Person ihres Vorsitzenden Werner Faymann gesagt hat, da nicht mitzugehen, war für mich klar, der Fall ist erledigt. Jetzt muss das eine Zeit lang ruhen. Fakt ist allerdings schon: Cern schleppt seit der Gründung in den 1950er Jahren einen ziemlichen Personalkostenfaktor mit, inklusive großzügiger Pensionsregelungen. Heute sind Forschungsprojekte ganz anders aufgesetzt. Aus- und Eintritte sind leichter, die Hauptkosten werden vom Sitz-Land getragen und/oder von der EU. Interessierte Partnerländer kaufen sich dann ein, um etwa die Infrastruktur zu nutzen. Irgendwann muss man sich auch diese Strukturen in Cern genau anschauen.

Kommen wir zur Excellence-Strategie: Wo sehen Sie Österreichs Schwerpunkte?
In dem von meinem Ministerium initiierten „Forschungsdialog“ wurden von rund 2000 Teilnehmern alle Bereiche von Forschung und Innovation diskutiert. Interessant war, dass wir eigentlich ganz gut aufgestellt sind. Wir haben eine gute Mischung aus Top-down-Programmen und parallel Strukturen, die über FWF oder FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft, Anm. d. Red.) gehen, wo Bottom-up-Programme zugewiesen werden. Es wäre falsch, wenn ich mich auf den Bottom-up-Ansatz verlasse. Wir müssen auch gesellschaftspolitisch relevante Themen mit Programmen versehen. Wichtig ist, die richtige Balance zu finden. Ein großes Anliegen war mir auch, für Kontinuität und Planungssicherheit zu sorgen. Das FWF-Budget etwa steht für die nächsten fünf Jahre, und es gibt ein Plus von rund 25 Prozent gegenüber den vergangenen fünf Jahren.

Wo liegen die inhaltlichen Schwerpunkte?
Einen Schwerpunkt sehe ich im „Älterwerden“ der Gesellschaft, weil hier sowohl sozialwissenschaftliche, kulturelle als auch technische Bereiche umfasst werden, weiters Medizin und pflegewissenschaftliche Bereiche. Mit den neuen Monitoring-Techniken können ältere Menschen viel länger zu Hause bleiben. Weiters die Klimadebatte, erneuerbare Energien, neue Materialien. Die Materialwissenschaften können unglaubliche Beiträge zu einer Klimaoptimierung leisten. Dann die Medizinforschung, die Krebsforschung.

Wo die letzte Evaluierung für große Aufregung gesorgt hat?
Es ging mir um eine Bestandsaufnahme, nicht um eine Bewertung. Wir wollten wissen: Welche Medizin-Universität forscht in welchem Bereich? Unser Eindruck war, die medizinischen Unis kooperieren international gut, innerösterreichisch aber noch eher weniger. Der ganze Bereich, der über das Genomforschungsprogramm „Genau“ entstanden ist. Hier wurden interessante Dinge erforscht, wo sich jetzt die Frage der ökonomischen Verwertung stellt. Ich bin auch froh, dass die Bundesländer Schwerpunkte setzen. Das gilt für die Bereiche Automotive oder den Energiebereich.

Sie haben die Wertigkeit der Geistes-, Sozial und Kulturwissenschaften (GSK, Anm. d. Red.) angesprochen. Wie passt da die aktuelle Kritik in Bezug auf die reduzierten Forschungsmittel dazu?
Die außeruniversitären Institute der GSK bekommen heuer vom BMWF rund 6,5 Mio. Euro an Basisförderung – denselben Betrag haben sie 2008 erhalten, und das ist auch 2010 vorgesehen. Auch für die GSK gilt, was für Technik und Medizin schon lange gilt: Man muss Prioritäten setzen. Die Zyklen, wo wissenschaftliche Nachweise zu erbringen sind, werden kürzer. An einem einzigen Thema mehrere Jahre zu arbeiten und dann zu publizieren, diese Geduld ist oft nicht mehr vorhanden. Wir müssen uns darauf einstellen, Forschungsergebnisse nur mehr in 30-seitigen Broschüren zu publizieren, das aber jährlich. Dazu braucht es auch Schwerpunktsetzungen.

Die neuen wissenschaftlichen Leiter von AIT und FTW sagen, auch im angewandten F&E-Bereich gehe der Trend weg, sich nur über Publikationen zu definieren.

In der Schweiz gibt es eine Uni, die sich Forscher primär nach deren mitgebrachten Patenten aussucht. Der publizistische Output ist sekundär. Es muss unterschiedliche Parameter zur Messung von Forschungsleistung geben.

Ein Bereich, dem Sie große Bedeutung beimessen, ist die Medizin. Hier gibt es Klagen, dass aufgrund fehlender Ressourcen keine Forschung möglich ist. Dazu kommt der schmale Grat zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung, wo es im Falle der Beteiligung eines Pharma-Unternehmens keine Grundlagenforschung mehr ist und es dann etwa vom FWF kein Geld gibt.
Das ist natürlich ein Thema. Man muss aber auch sagen, dass alle drei Med-Unis, in Graz, Inns­bruck und Wien, ihre Forschungsschwerpunkte haben und ihre finanziellen Ressourcen auf die Forschung konzentrieren müssen.
Für medizinische Universitäten wird in der Zukunft gelten, was für andere Universitäten genauso gilt: ein flächendeckendes Lehrangebot und eine entsprechende Profilbildung im Forschungsbereich. Gegenseitige Kannibalisierung ergibt keinen Sinn. Soweit ich das beobachten kann, gibt es aber keine großen Überlappungen. Wichtig ist aber auch die Erkenntnis, was ist Grundlagen- und was ist angewandte Forschung. Wir haben mit dem CeMM, dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin, zum Beispiel eine Einrichtung, in der Grundlagenforschung dann eine angewandte Richtung erfährt. Daher war es uns auch wichtig, dass das CeMM direkt am Gelände des AKH angesiedelt ist.

Zum Forschungsbudget: Trotz der weltweiten Krise erhöhen nicht nur die USA, sondern auch etwa die Schweiz, Frankreich oder die skandinavischen Länder ihre F&E-Budgets teilweise drastisch. Sie dagegen sind froh, dass Österreich ungefähr den Status quo halten kann. Ist das nicht der falsche Weg? Wieso fordern Sie nicht viel offensiver mehr Budget?
Wir sind vor der Krise von 2,3 Mrd. Euro für die nächsten fünf Jahre ausgegangen, in den Regierungsverhandlungen wurde diese Summe auf 350 Millionen reduziert. Nicht zuletzt auch durch meinen Einsatz haben wir es dann wieder auf über 900 Millionen gebracht. Manche in der F&E-Community, da kann ich ihnen auch keine gro­ßen Vorwürfe machen, sind von den 2,3 Milliarden ausgegangen und haben bestimmte Projekte angeleiert. Die müssen jetzt verdaut werden. Aber: Objektiv betrachtet und unterm Strich haben wir mehr. Der Wachstumspfad wird fortgesetzt. Es gibt auch Länder wie beispielsweise Tschechien, die planen, das Budget für die Akademie der Wissenschaften zu halbieren. Wir geben im volkswirtschaftlichen Vergleich sogar geringfügig mehr aus als Deutschland, das aber offensichtlich im Verkauf viel besser ist. Aufgrund der Nationalratswahl waren wir außerdem die Ersten, wo die Krise budgetär schon entsprechend antizipiert ist. Bei den anderen Ländern wird sich das erst zeigen. Auch die Amerikaner werden die jetzigen Ausgaben nach drei Jahren wieder konsolidieren müssen. Und Volatilitäten sind das Schlechteste für die Forschungsfinanzierung, genau das haben wir mit unserem stabilen Budget vermieden, auf das sich Institutionen wie zum Beispiel der FWF nun verlassen können. Man muss auch nachdenken, ob zum Beispiel mit gesetzlichen Rahmenbedingungen eine noch verlässlichere Absicherung des Forschungsstandortes machbar ist.

Die angepeilten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für 2010 werden sich aber nicht halten lassen, derzeit ist für heuer eine Steigerung von 2,73 Prozent zu erwarten, nach 2,66 Prozent im Jahre 2008. Wenn die Konjunktur wieder anzieht, gibt es dann ein zusätzliches Forschungsbudget?
Es hat eine Evaluierung der Forschungsmittel durch Wifo und Joanneum Reserch gegeben – mit dem Ergebnis, dass gar nicht so wenig Geld im Umlauf ist. Der Output ist noch nicht so optimal. Verbreitert werden müssen auch das Engagement der Unternehmen und der Innovationsbegriff. Stichwort indirekte Forschungsprämie und Erhöhung Forschungsfreibetrag. Da lassen sich sicher zusätzliche Impulse setzen. Die aktuellen Einbrüche sind ja nicht bei der öffentlichen Hand, sie sind in der Wirtschaft und insbesondere bei den Niederlassungen ausländischer Konzerne.

In Gesprächen mit der Aus­tria-Wirtschaftsservice-Leitung wurde auf die Notwendigkeit von Venture Capital für F&E-Projekte hingewiesen und auch auf diesbezügliche Regierungsgespräche. Geht da was weiter?
Es gibt immer wieder Überlegungen. Ich bedaure, dass wir da noch keinen Boden unter den Füßen gefunden haben. Bei der Thematik sind wir leider noch europäisches Schlusslicht. In Bereichen wie zum Beispiel Biotechnologie finden wir mit den aktuellen Finanzierungsinstrumenten nicht das Auslangen, hier geht es um andere Volumina. Dafür brauche ich Venture Capital. Aber das ist nur ein Teilaspekt, es geht auch um universitäre Start-ups am Standort der Uni. Stichwort „Science Parks“, was in Linz oder Klagenfurt bereits funktioniert. Verstärkt werden muss aber auch die professionelle Hilfe im kaufmännischen Bereich oder im Marketing. Und: Gerade hat der Rechnungshof die mangelnde Verwertung von F&E-Ergebnissen oder Patenten an TU Wien und TU Graz sehr gemischt beurteilt.

Rund ein Fünftel der insgesamt antragsberechtigten Forscher in Österreich stellt FWF-Anträge. Warum nur so wenige? Können Anreizsysteme wie bei Uni Wien, wo ein Overhead-Anteil an Wissenschaftler geht, etwas ändern? Oder glauben Forscher, FWF-Projektfinanzierungen seien zu schwierig?
Das sagen meist jene, die das noch nie probiert haben. Die Genehmigungsverfahren im FWF sind schlank und unbürokratisch, auch was Einzelprojekte betrifft. Es ist aber richtig, dass man den heimischen Unis hier zur Hand gehen muss. Ich bedaure aber, dass wir budgetbedingt vorläufig die Overhead-Finanzierungen stoppen mussten. Am Ende des Tages müssen wir aber wieder in diese Richtung kommen. Das ist für die Unis ein gutes Evaluierungsinstrument plus Motivation.

Welche Effekte auf Studienzahlen und Qualität erwarten Sie sich von der verpflichtenden Studieneingangsphase?

Meine Sorge sind die großzügigen Ausnahmeregelungen, was die Studienbeiträge anbelangt. Das wird zu mehr Inskriptionen führen.

Was man im Sommersemester mit plus 22 Prozent bereits sieht.
Richtig. Im Vorjahr war die Steigerung 0,7 Prozent. Dieser rasante Anstieg ist ungewöhnlich. Unser Ziel muss sein, die Quote von Absolventen zu steigern – und nicht die Inskriptionen. In den Jahren seit 2001, wo die Studienbeiträge eingeführt wurden, hat sich das Studierverhalten massiv geändert. Die Zahl der inaktiven Studierenden hat von über 40 Prozent auf unter 15 Prozent abgenommen. Die durchschnittliche Studiendauer ist um ein Jahr weniger geworden. Gleichzeitig wurde das Budget für die Studienbeihilfen massiv erhöht.

Was sagt die Zunahme an Inskriptionen über die bisherige Treffsicherheit der Studienbeihilfe aus?
Inskriptionszahlen sagen nichts über die Zahl der aktiv Studierenden aus. Außerdem: Das Studienförderungssystem wurde laufend verbessert. Studienbeiträge, die übrigens auch kürzlich von der OECD empfohlen wurden, haben eine steuernde Wirkung.

Welche qualitativen Zugangsbedingungen für Doktorats- und Master-Studien sind denkbar oder geplant?
Das liegt in der Autonomie der Universitäten. Wichtig ist mir aber: Für jedes Bachelor-Studium muss ein Master-Studium ohne zusätzliche Zugangsbedingungen an der jeweiligen Uni angeboten werden.

Thema 40 Prozent Frauenquote: Wie rasch muss die Quote in den Uni-Gremien umgesetzt werden?
Die UG-Novelle tritt mit 1. Oktober 2009 in Kraft. Ab dann müssen alle Neubesetzungen und Neuzusammensetzungen die 40 Prozent Frauenquote zum Ziel haben.

Die Agentur für wissenschaftliche Integrität: Inwieweit wird deren Arbeit veröffentlicht?
Die Agentur ist ein wichtiger Schritt zur Qualitätssicherung des heimischen Wissenschafts- und Forschungsstandortes. Mit der deutschen Biowissenschaftlerin Ulrike Beisiegel konnte eine kompetente und erfahrene Wissenschaftlerin für den Vorsitz gewonnen werden. Ich bin überzeugt, dass die Agentur die richtige Balance zwischen Transparenz und Vertraulichkeit finden wird.

Welche Aktivitäten gibt es in Alpbach?
Wie schon angesprochen, eine noch verlässlichere Forschungsfinanzierung – dieser langfristige Forschungsbudgetpfad wird auch Thema in Alpbach sein. Dazu der heimische Hochschulraum und seine – wie auch im Regierungsprogramm vorgesehene – Weiterentwicklung. Hier wird es einen breiten Diskussionsprozess mit allen maßgeblichen Stakeholdern geben.

Als ehemaliger Unternehmer sind Sie gewohnt, rational zu entscheiden. Wie geht es Ihnen da in der oft irrationalen Politik?

Mein Vorteil ist, ich bin „zweisprachig“ aufgewachsen, weil ich seit Langem politisch aktiv und entsprechend lange in beiden Welten zu Hause bin. Man muss politische Mechanismen kennen. In der Politik muss man gestalten und nicht verwalten. Genauso kann aber ein Unternehmer vom politischen Know-how profitieren, zum Beispiel bei der Frage der Mitarbeiterführung. Man kann von beiden Seiten sinnvolle Dinge übernehmen. Mir fehlen manchmal monatliche Kennzahlen mit einer Zuordenbarkeit des eigenen Tuns. Nach meinen Erfahrungen gibt es aber auch in Großunternehmen Politik.

Das gibt es auch in kleineren Unternehmen.
Überall wo Menschen sind, menschelt es.

Christian Czaak, Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Mercedes-Stern und Giebelkreuz

Mercedes-Stern und GiebelkreuzClemens Neuhold

Nach Albanien reisen hauptsächlich ethnische Albaner aus Mazedonien und dem Kosovo. Tourismus im westlichen Stil ist noch Neuland, doch eine Aufbruchs­stimmung macht sich bemerkbar.

Auf unkrautbewachsenen Bahngleisen trägt ein alter Albaner seine Einkäufe Richtung Sonnenuntergang, unbekümmert, als wäre der letzte Zug auf dieser Strecke eine Jugenderinnerung. Die Lebensader zwischen dem Süden und der Hauptstadt Tirana liegt ein Stück weiter oben, in den Berg gehauen. Busse mit krachenden Bremsen und überladene Lkws quälen sich über die engen, chronisch verstopften Bergstraßen, dazwischen spielen junge Balkan-Machos mit aufgemotzten Schrottkarren und Neureiche mit Limousinen albanisches Roulette. Für die unzähligen Verlierer errichten die Angehörigen grabsteingleiche Gedenkstätten aus weißem Marmor, die Straßen werden dadurch noch enger und gefährlicher.
Die albanische Straße erzählt nicht nur traurige Geschichten. Lkws mit altmodischen Aufschriften wie „Echt gute Wurst aus Thüringen und Bayern“ oder „A. Mohr – die rollende Landmetzgerei“ entführen deutschsprachige Touristen in die eigene Wirtschafts- und Werbegeschichte. Was auch immer die Aufschriften bedeuten mögen, die Albaner lassen sie nach der Überstellung des ausrangierten Lkw kleben, denn was aus Deutschland kommt, ist gut, vor allem der Mercedes. Die Dichte an Mercedes liegt noch immer bei geschätzten 50 Prozent, zu Zeiten des Kommunistenführers Enver Hoxha (1950 bis 1985) lag sie bei hundert Prozent. Einfachen Albanern war der Autokauf untersagt, und die Staatskarossen zierte ausnahmslos der Mercedes-Stern. „Mercedes, Mercedes, Nicht-Mercedes“, mit diesem Spiel lassen sich Wartezeiten gut überbrücken. Obwohl: Für Reisende, die das Land (empfohle­nerweise) mit dem Bus durchqueren, gibt es kaum Wartezeiten. Denn die passablen Kleinbusse, Furgons genannt, fahren ab, sobald sie voll sind, und das geht schnell. Und es ist billig. Rund einen Euro kostet eine halbstündige Fahrt.
Für umgerechnet einen Euro sind außerdem eine Packung Zigaretten oder ein Bier zu haben. Rund drei Euro kostet ein Aschenbecher in Bunker-Form, ein treffendes Souvenir. 700.000 pilzkopfartige Bunker hat Hoxha in seiner Amtszeit errichten lassen, weil er fürchtete, dass Nato und Warschauer Pakt das 3,5 Mio. zählende Volk gleichzeitig überfallen könnten. „Bunkerschauen“, ein weiteres Spiel, um die Zeit im Furgon zu überbrücken.

Luxus auf dem Teller
Diese so unzerstörbaren wie nutzlosen Dinger stehen an den unmöglichsten Orten. Im südlichen Saranda werden sie von den Einwohnern zum Gartenhügel degradiert, in pazifistischem Weiß bemalt, mit Blumentöpfen umfriedet. Saranda schneidet sich in Form eines Pferdehufes in die südalbanische Küste, von der Promenade aus sind Korfu und die EU zum Greifen nahe. Die Anfahrt nach Saranda und die Stadt selbst erinnern an vieles, an die Amalfi-Küste bei Neapel, an Passagen an der Côte d’Azur, aber sicher nicht an das Stereotyp vom europäischen Armenhaus. Nach den Abenteuern auf der albanischen Straße ist hier Erholung angesagt, etwas außerhalb am kleinen Traumstrand, bei herrlichem Sea Food, und in der Stadt selbst, in komfortablen Hotels (Doppelzimmer: 30 Euro) und Outdoor-Clubs, die den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchen.
Tagestouristen bringen Kunde von Abzockereien auf der griechischen Insel. Sie stellen den Großteil der West-Touristen, denn der Fremdenverkehr ist in Albanien eigentlich Freund-Verkehr. Im Sommer strömen ethnische Albanier aus Mazedonien und dem Kosovo in Scharen ins Land, vor allem in das für sie nahe gelegene Durrës weiter im Norden, nur 30 Kilometer von Tirana gelegen. Auf zehn Kilometer beherbergt die frühere Hauptstadt den „Strand Großalbaniens“. Badegäste aus Skopje oder Priština werden in den Restaurants und Shops umworben wie Österreicher und Deutsche in Jesolo, bei 40 Grad im Schatten trottet ein Braunbär aus den panalbanischen Bergen über den Strand, bereit, für Juxbilder Modell zu stehen. Ins Wasser gehen jene, die verdrängen, dass unweit vom Strand der größte albanische Hafen liegt.
Zwischen Orten wie Durrës, Saranda oder Tirana gibt es neben Mercedes und Bunkern eine weitere Klammer: Raiffeisen. Die österreichische Bank hat das Bankwesen mit über hundert Filialen fest in der Hand, Albanien-Kenner nennen sie auch die geheime Nationalbank, weil sie sogar beim Zinsniveau ein Wörtchen mitzureden haben soll. Der politische Einfluss der „Giebelkreuzler“ liegt auf der Hand, ist doch der albanische Staat zum größten Teil bei Raiffeisen verschuldet.

Land im Baufieber
In der Stromversorgung wird die EVN (Energie Versorgung Niederösterreich) bald eine Schlüsselrolle einnehmen. Sie baut um eine Mrd. Euro ein riesiges Speicherkraftwerk. Wie stark der Energiebedarf im Land noch steigen wird, davon erzählt wiederum die albanische Straße, die gesäumt ist von rohen oder halb fertigen Bauten. Manche von ihnen werden wieder verfallen, weil viele Albaner einfach drauflosgebaut haben, ohne die nötige (teure) Genehmigung, anderen ist durch die Wirtschaftskrise und das fehlende Einkommen aus der Gastarbeit in Italien oder Deutschland die finanzielle Puste ausgegangen.
Trotzdem stehen die Rohbauten im ganzen Land für die Aufbruchsstimmung, die sich die Albaner nicht mehr nehmen lassen. Ausdruck des Selbstvertrauens ist der heuer erfolgte Antrag auf den EU-Beitritt. Der liegt in sehr weiter Ferne. Aber in die Nato hat es das Land immerhin schon geschafft. Die Freude darüber war riesig, ein Restaurant trägt gar den Namen „George W. Bush“, eine weitere albanische Spezialität, von gegrillten Schafsköpfen gar nicht zu reden.

Clemens Neuhold, Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Reiseführer Tripwolf jagt das Papier

Reiseführer Tripwolf jagt das PapierPhotos.com

Vor etwas mehr als einem Jahr hat das österreichische Start-up Tripwolf sein Debüt gefeiert. Heute greifen rund 1,2 Millionen Nutzer auf den Online-Reiseführer zu, der mehr als nur starrer Inhalt ist. Nutzer erweitern die Infos laufend mit eigenen Erfahrungen und Berichten. Seit Kurzem ist Tripwolf auch mobil einsetzbar.

Wer heute eine Reise plant, kommt dabei um das Internet nicht mehr herum: Ob Hotelvergleich, Flugbuchung und Routenplanung – das Web bietet unzählige Möglichkeiten. Nicht immer ist es dabei leicht, den Überblick über die einzelnen Informationen zu behalten. Von der stundenlangen Suche bleiben im Endeffekt oft nur wenige verwertbare Informationen übrig.
Mit der Website Tripwolf.at ging im letzten Jahr ein in Österreich entwickelter Online-Reiseführer ans Netz. Der Investor und Reisebuchverlag Mair Dumont stellt seinen gesamten Content zur Verfügung, diese Inhalte werden um Reisetipps und Fotos anderer User sowie ein soziales Netzwerk ergänzt. In einer nächsten Ausbaustufe sollen ebenfalls Hotel- und Flugbuchungen ermöglicht werden.
Nutzer können sich auf Tripwolf ihren persönlichen Reiseführer zusammenstellen: Im „Guide“-Bereich finden sich zum Start Informationen zu rund 200.000 Destinationen, geografische Daten liefert dazu Google Maps, Fotoeindrücke werden über eine Kooperation mit Lomo bereitgestellt. Nach einer kurzen Einleitung zur gewählten Destination folgt ein Ranking der Top-Highlights, gefolgt von Ergebnissen zu Kultur, Erholung, Sport, Nachtleben, Essen, Unterkunft und Shopping.
Einzelergebnisse, die dem Nutzer zusagen, können per Drag-and-Drop auf einen Notizblock gezogen werden. Ist das Reiseprogramm zusammengestellt, wird auf Knopfdruck eine PDF-Datei mit den Reise-Infos generiert und ausgedruckt – der personalisierte Reiseführer ist fertig.

Social Networking integriert
Über die sozialen Funktionen inklusive der Vernetzung mit Facebook können sich die User ein Netzwerk mit anderen Reisebegeisterten aufbauen und das Angebot mit eigenen Tipps und Empfehlungen erweitern. Die persönlichen Eindrücke können zudem in Fotogalerien und Reisetagebüchern mit der restlichen Tripwolf-Gemeinde geteilt werden. Die Tripwolf-Redaktion überprüft die von Nutzern eingereichten Daten, bevor sie für alle freigeschaltet werden. Über „Trip-Guru“-Nutzer, die freiwillig die Patenschaft für ein Land oder einen Ort übernehmen, soll weiters ein Expertennetzwerk aufgebaut werden, an das man sich bei Fragen zu einzelnen Destinationen wenden kann.
Tripwolf unterscheidet sich im Vergleich zu eingefleischten Plattformen wie etwa Expedia zum einen durch die soziale Komponente. Zum anderen steht hier nicht die Buchung im Vordergrund, sondern der stetig wachsende Infopool, auf den übrigens auch nicht registrierte Nutzer zugreifen können.
Der kostenlose Online-Reiseführer wurde diesen Sommer ein Jahr alt und erreicht heute bereits über eine Mio. User in fünf verschiedenen Sprachen. Die junge Plattform kann mit rund 1,2 Mio. Besuchen, die von der deutschen IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern) für Mai 2009 gemessen wurden, ein gewaltiges Wachstum verzeichnen.
Anfang des Jahres baute Tripwolf sein Angebot aus und startete die Reiseplattform neben Deutsch und Englisch auch in Französisch, Italienisch und Spanisch. Weitere Sprachen sind für die nahe Zukunft ge­plant. „Wir verfügen durch Partnerschaften mit Verlagen wie Mair Dumont oder Footprint über hochwertigen Content, der von unserern Usern begeistert ergänzt wird“, erklärt Geschäftsführer Sebastian Heinzel die Erfolgsstory. „Außerdem haben wir von Anfang an auf Internationalität gesetzt, was das wichtigste Attribut für eine Reiseplattform ist – Reisende wollen sich international austauschen und suchen Kontakt zu Insidern vor Ort.“
Zuletzt wurde das geballte Wissen der Community in eine iPhone-Applikation gepackt: „Jetzt können unsere User auch von unterwegs auf alle Infos zugreifen“, sagt Heinzel. „Durch den iPhone-Launch im Juni sind die Zugriffe weiter angeheizt worden – wir wachsen stetig weiter.“ Und das kommt letztendlich den Nutzern zugute.
Die iPhone-Applikation richtet sich an zwei unterschiedliche Gruppen von Reisenden: einerseits diejenigen, die bereits im Vorhinein Reisepläne schmieden wollen, und andererseits Reisende, die im Rahmen eines Kurztrips Informationen zu Städten und Sehenswürdigkeiten in der jeweiligen Stadt finden wollen.

iPhone als Reiseführerersatz
Durch die „Locate me“-Funktion und die Möglichkeit, bereits auf Tripwolf erstellte Reiseführer mit dem iPhone zu synchronisieren, können vor allem teure Roaming-Kosten vermieden werden: Durch die Offline-Nutzung hat der Reisende bereits den selbst zusammengestellten Content dabei.
Davon ist auch Heinzel begeistert, der bereits die ersten Erfahrungsberichte von Testpersonen einholen konnte: „Bei sämtlichen Testvorführungen konnten wir die User durch die große Menge an Information sowie die Wahl zwischen On- und Offline-Modus beeindrucken. Das Handy, in unserem Fall das iPhone, ist nun mal das persönlichste Kommunikationsmittel, es ist immer dabei und ersetzt durch die Tripwolf-iPhone-App nun sogar unhandliche Reiseführer.“
Die iPhone-Applikation wurde vom Wiener Tripwolf-Team gemeinsam mit der Salzburger Forschungseinrichtung Salzburg Research in mehrmonatiger Arbeit entwickelt. Alexander Trieb, Tripwolf-Co-Geschäftsführer, meint: „Die harte Arbeit unseres Salzburger Entwicklungsteams um Nicolas Göll hat sich bezahlt gemacht. Unsere iPhone-Applikation iWolf ist die logische Weiterführung des klassischen Print-Reiseführers.“

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Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Karriere

Karriere

Karriere

Wolfgang Auf (29) verstärkt ab sofort das internationale Steuerrechtsteam der Anwaltssozietät CMS Reich-Rohrwig Hainz. Auf war zuletzt bei einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft tätig und ist auf steuerrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Kroatien und Slowenien spezialisiert. Foto: CMS

• Der aus Kärnten stammende Jurist Thomas Grabner (37) leitet ab sofort beim internationalen Zahlungsanbieter Paysafecard die Akquisition und Pflege des Retail-Händlergeschäfts in Europa für das Produkt Cash-Ticket. Grabner war davor bei Wirecard, Qenta, Sodexo und der Paylife Bank tätig. Foto: Paysafecard

Natalia Kossinowsky (28) ist neue Bereichsleiterin des Adressverlags Jota Strategic Selling. Die gebürtige Wienerin beschäftigt sich schon ihre gesamte berufliche Laufbahn lang mit Marketing-Beratung. Sie war in den letzten Jahren bei Telebiz als Projektleiterin tätig und gilt als ausgewiesene Callcenter-Expertin. Foto: Jota

Bernd Logar (41) steigt ab sofort in das Executive Board bei Cirquent auf. Logar verstärkte seit 2007 das Wiener IT-Beratungsunternehmen als Mitglied der Geschäftsleitung. In seiner neuen Position zeichnet Logar mit langjähriger SAP-Erfahrung für die Leitung der SAP-Community-Plattform verantwortlich. Foto: Cirquent

• Die Wiener Unternehmensberaterin Carina Palfrader (26) avanciert zum jüngsten Managing Consultant bei Horváth & Partners, wo sie seit 2007 tätig ist. In ihrer neuen Funktion übernimmt die gelernte Betriebswirtin Projektleitungsverantwortung für nationale Projekte im Industriebereich. kl Foto: Roland Berger

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Milliarden für die Wissenschaft

Milliarden für die WissenschaftPhotos.com

Mit dem 7. Rahmenprogramm unterstützt die EU Forschungsprojekte der Mitgliedstaaten.

Mit einem Gesamtbudget von rund 53,5 Mrd. Euro ist das mit 1. Jänner 2007 gestartete 7. EU-Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration das weltweit größte transnationale Forschungsprogramm. Konzipiert für eine Laufzeit von sieben Jahren, umfasst das 7. Rahmenprogramm vier spezifische Bereiche, nämlich „Zusammenarbeit“, „Ideen“, „Menschen“ und „Kapazitäten“.

Schwerpunktthemen
So etwa unterstützt der Bereich „Zusammenarbeit“ ganz konkret Forschungsaktivitäten betreffend „Gesundheit“, „Lebensmittel, Landwirtschaft und Biotechnologie“, „Informations- und Kommunikationstechnologie“, „Nano, Werkstoffe und Produktionstechnologien“, „Ener­gie“, „Umwelt“, „Verkehr“, „Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften“ sowie „Weltraum“ und „Sicherheit“. Die Kategorie „Ideen“ wiederum hat die Förderung von Projekten der Grundlagenforschung zum Ziel. „Menschen“ widmet sich der Förderung von Humanressourcen sowie der internationalen Mobilität von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Und „Kapazitäten“ schließlich soll die Forschungs- und Innovationskapazitäten in Europa verbessern und ihre optimale Nutzung sicherstellen.
Die Forschungsrahmenprogramme werden seit dem Jahr 1984 von der Europäischen Kommission durchgeführt. Deklariertes Ziel der EU ist es, die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Industrie der Gemeinschaft zu stärken und die internationale Wettbewersfähigkeit der Mitgliedstaaten zu fördern.
Bis Mai 2009 wurden für das 7. Rahmenprogramm rund 38.000 Projektvorschläge mit knapp 204.000 Beteiligungen eingereicht, 5903 Projektvorschläge davon wurden von der Europäischen Kommission zur Förderung vorgeschlagen. Das entspricht einer Bewilligungsquote von 15,6 Prozent. Die Summe der beantragten Förderungen beläuft sich auf mehr als 11,3 Mrd. Euro. Knapp zwei Drittel aller bewilligten Beteiligungen kommen aus der Säule „Zusammenarbeit“, wobei die Bereiche „Kommunikations- und Informationstechnlogie“, „Gesundheit“ und „Verkehr“ zu den Spitzenreitern zählen.

Österreich unter Top 10
Ingesamt können derzeit laut Erhebungen von Proviso im 7. Rahmenprogramm 39.749 Beteiligungen aus ganz Europa mit Förderungen rechnen. Mit 1003 bewilligten Beteiligungen liegt Österreich innerhalb der EU 27 an beachtlicher zehnter Stelle, das bedeutet, 2,5 Prozent aller derzeit bewilligten Beteiligungen kommen aus Österreich.
Nummer eins bei den bewillig­ten Beteiligungen ist Deutschland, dicht gefolgt von England. Mit Abstand rangiert Frankreich auf Platz drei.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Wie Wien in Zukunft umflogen wird

Wie Wien in Zukunft umflogen wirdAPA/Robert Jäger

Der US-Luftfahrtstratege und AUA-Kenner Nawal Taneja glaubt, dass Wien als Osteuro­pa-Hub unter Druck kommt. Den Absturz der AUA findet er „dramatisch“, für Sky Europe prognostiziert er eine Übernahme.

Erst 400 Mio., dann 600 Mio., 800 Mio., 900 Mio. Euro – die Kosten für den neuen Terminal Skylink des Wiener Flughafens dürften bald die Milliarden-Marke erreichen. Doch ist der skandal­umwitterte Skylink überhaupt nötig? Hinter dem Ausbau des Flughafens steckt die Strategie, Wien noch stärker als Drehscheibe für den Flugverkehr nach Osteuropa zu positionieren. Genau diese Hoffnung zerstreut der renommierte Luftfahrtstratege Nawal Taneja im Gespräch mit economy. Seit 40 Jahren berät der US-Professor Fluglinien rund um den Globus und war jahrelang auch für das ehemalige Managementduo der Austrian Airlines Herbert Bammer und Mario Rehulka tätig.
Taneja sieht Billigfluglinien weiter im Aufwind. Diese werden, meint der Professor, Verkehrsknotenpunkte wie Wien immer stärker umgehen. Sein Trostpflaster: Er glaubt nicht an einen Bankrott der – für Wien wichtigen – Sky Europe, sondern an eine Übernahme durch einen der großen Billigfluganbieter wie Ryanair, Easy Jet oder Air Berlin.

Wie sehen Sie die Zukunft des Flughafens Wien? Wird er ein bedeutender Knotenpunkt nach Osteuropa bleiben?
In der Ära des Kalten Krieges war der Wiener Flughafen eine extrem wichtige Brücke nach Osteuropa, die Austrian Airlines dadurch exzellent positioniert. Heute, in Folge der Deregulierung der europäischen Luftfahrt, kann jeder überallhin fliegen. Kleine und effiziente Flugzeugtypen wie die Regional-Jets von Bombardier oder Embraer, aber auch moderne Turboprops vom Typ Q-400 (von Bombardier, Anm. d. Red.) ermöglichen den Fluggesellschaften, durchgehend kleinere Destinationen anzufliegen – in Umgehung der großen Verkehrsknotenpunkte. Zusätzlich bieten Billig-Airlines mittlerweile eine bedeutende Zahl an Direktflügen in alle wichtigen Destinationen Osteuropas an.

Apropos Billig-Airlines und Wien: Überlebt Sky Europe?

Es ist schwer vorzustellen, wie die relativ kleine Billig-Airline auf dem heiß umkämpften Markt überleben kann, in Konkurrenz zu starken Marken wie Ryanair, Easy Jet und Air Berlin. Ich denke, dass es zu einer Konsolidierung bei den Billigfliegern kommen und Sky Europe von einer anderen Airline übernommen wird.

Die Lufthansa schluckt die AUA – mit einer staatlichen Mitgift von 500 Mio. Euro. Was sagen Sie zum „Absturz“ der AUA?
Lange Zeit war die AUA gut in ihrer Osteuropa-Nische positioniert. Sie hatte ein effizientes Streckennetz und mit den MD80 eine passende Flotte. Mit Nachtflügen in Touristenziele gelang es ihr, die Flugzeuge optimal auszunutzen. Kurzum: ein gutes Produkt, eine geschätzte Marke. In den letzten Jahren ist die Situation dramatisch gekippt. Die Kosten blieben zu hoch für den deutlich verschärften Wettbewerb, und die Austrian Airlines nahm zu viele Schulden auf, um neue Destinationen zu erobern. Mit alldem übernahm sich das Unternehmen. Was den Lufthansa-Deal betrifft: Die Airline steht unter Druck, die Ausgaben weiter zu dämpfen. Mit der Übernahme von Austrian Airlines steigen zwar die Einnahmen der Lufthansa, aber auch ihre Ausgaben.

Hat die Luftfahrt ihren Gipfel überschritten – mit weniger Anbietern und höheren Preisen in der Zukunft?
Die Luftfahrtindustrie wächst weiter, vor allem in Asien und Lateinamerika, man betrachte nur die Expansion von Airlines in den Golfstaaten oder von Turkish Airlines. Auch Billig-Arlines werden weiter wachsen, aber weniger stark. Billig-Airlines werden sich im Wettbewerb besser behaupten, weil die Fluggäste künftig immer stärker auf niedrige Preise setzen werden. Mit dem Ölpreis werden auch die Flugpreise anziehen, manche Billigfluganbieter werden das aber abfedern können. Steigt der Ölpreis signifikant, steigen die Flugpreise durch die Bank, aber wiederum weniger stark bei den konkurrierenden Billigfliegern.

Wie werden sich die großen Luftfahrtgruppen Europas schlagen? Kommt es zu einem Oligopol von Air France/KLM, Lufthansa und British Airways?
Es wird einen heftigen Wettbewerb auf zwei Ebenen geben: innerhalb der drei Allianzen Star Alliance, Oneworld Alliance sowie Sky Team und nicht so sehr zwischen den einzelnen Airlines. Zweitens, zwischen den drei Allianzen und den drei Herausforderern auf der Billigschiene Ryanair, Easy Jet und Air Berlin.

Wird Ryanair der Hecht im Karpfenteich der Billigflieger?
Ryanair wird nicht durch Übernahmen wachsen. Die Airline nimmt der Konkurrenz lieber Marktanteile weg und zieht neue Passagiere an, die zuvor andere Verkehrsmittel benutzt haben. Ryanair erzielt außerdem wachsende Profite mit Nebengeschäften (wie Hotelvermittlung, Vermittlung von Autovermietungen, Unterhaltungsprogramme bis hin zum Glücksspiel an Bord, Anm. d. Red.).

Zur Person
Nawal Taneja analysiert die weltweite Luftahrtindustrie seit 40 Jahren. Als Luftfahrtstratege beriet er staatliche Luftfahrtbehörden rund um die Welt, von den USA über die Philippinen, Belgien und Saudi-Arabien bis hin zu Australien. Mit zahlreichen Fluggesellschaften entwickelte er neue Strategien, um auf die Umbrüche in der Branche zu reagieren. Mit Österreich verbindet ihn seine Beratertätigkeit bei Austrian Airlines unter dem einstigen Führerduo Bammer/Rehulka. Der Präsident der Abteilung für Luftfahrt an der Ohio State University kennt die Luftfahrt auch aus der Praxis, er war Präsident einer kleinen US-Charter-Airline. Bücher von Taneja: Airline Survival Kit: Breaking Out of the Zero Profit Game, Simpli-Flying: Optimizing the Airline Business Model, Fasten your Seatbelt: The Passenger is Flying the Plane (2005), Flying Ahead of the Airplane (2008).

Clemens Neuhold, Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Von jugendlichem Orientierungs(un)sinn

Von jugendlichem Orientierungs(un)sinnAPA/Techt

KZ-Überlebende werden in Ebensee angegriffen, neben den Gaskammern in Auschwitz fallen Bemerkungen wie „Die Juden gehören vergast“. Die jugendlichen Täter sind nur zwischen 14 und 17 Jahre alt.

Die Hemmschwelle ist bedenklich tief gefallen. Laut einer Studie des Sora-Instituts ist sich eine große Anzahl derjenigen Jungwähler, die bei der letzten Nationalratswahl Rechtsaußen-Parteien gewählt haben, vollkommen des Umstands bewusst, für eine rechtsextreme Partei gestimmt zu haben. Von diesbezüglich schlecht informierten Jungwählern kann also weniger die Rede sein. Laut der Studie sind rund 30 Prozent der 16- bis 19-jährigen FPÖ- und BZÖ-Wähler sogar davon überzeugt, die Juden seien an der Weltfinanzkrise schuld.
Zum Teil glauben viele, auf der Suche nach „festen Werten“ in der rechten Szene fündig zu werden. Dabei spielen auch Neugier und jugendlicher Nachahmungstrieb eine Rolle. Alexander Gaisch, der Leiter des Steirischen Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, merkt an, dass junge Szenemitglieder häufig der Skinhead- oder Hooligan-Szene zuzuordnen seien. Der ideologische Hintergrund sei hier nicht so zwingend gegeben wie in ihrem älteren Szene-Umfeld.
In Oberösterreich sieht das schon wieder anders aus. Hier gilt die aus dem Bund Freier Jugend hervorgegangene Junge Aktion als die am besten organisierte Bewegung der rechten Jugendszene. Vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) wird die Gruppierung als neonazistisch eingestuft. Interessanterweise ist hier nicht nur die Gesinnung recht unmissverständlich, sondern es gibt laut Robert Eiter, dem Sprecher des Oberösterreichischen Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus, auch „Überschneidungen” mit dem Ring Freiheitlicher Jugend.
Zudem unterzieht sich die rechte Szene auch einem Imagewechsel. Neue Gruppierungen wenden sich vom klassischen Erscheinungsbild ab. Bisher typische Merkmale wie Bomberjacken, Springerstiefel und geschorene Glatzen machen Kapuzenpullis, Palästinenserschals und langen Haaren Platz. Sogar linke Szene-Codes wie zum Beispiel Hausbesetzungen werden kopiert. Obgleich sie äußerlich fast nicht von Mitgliedern der linken Szene unterscheidbar sind, so handelt es sich bei dieser in Deutschland entstandenen Bewegung der Autonomen Nationalisten um äußerst gewaltbereite Rechtsextremisten. Zwar ist diese Gruppierung in Österreich noch nicht gleich stark vertreten wie in Deutschland, es gibt in der Szene jedoch dieselbe Tendenz bezüglich Kleidung und Musik, weiß Andreas Preham, Rechts­ex­tremismusexperte des DÖW.

Links und rechts vermischt
In der österreichischen Politik bedient man sich ähnlicher Verwirrspiele. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verteilt T-Shirts, die ihn im Stil der linken Ikone Che Guevara zeigen, mit der Aufschrift „StraCHE“. Des Weiteren verkündet er seine Bewunderung für das linke venezolanische Staatsoberhaupt Hugo Chávez – auch wenn er dessen Namen in ORF-Interviews jedes Mal anders, aber konsequent falsch ausspricht. Die Nationale Volkspartei, der wegen „zu schwerwiegender Verdachtsmomente und Anhaltspunkte im Hinblick auf das Verbotsgesetz“ die Kandidatur bei den Landtagswahlen in Oberösterreich verwehrt blieb, schlägt in dieselbe Kerbe. Auf die Frage, was für sie Faschismus sei, antwortete der damalige Spitzenkandidat in spe: „Das, was die linksgrünen Kommunisten heute betreiben.“
Verschwindet wirklich die Trennlinie zwischen links und rechts? Zum einen ja, da die Bewegung oberflächlich zusehends vom alten Image der Ewiggestrigen ablässt. Bisher trug man mit deren Kennzeichen auch immer eine gewisse Bürde, man wurde eben als Mitglied erkannt. Jetzt wird die Szenekultur nach außen hin „liberalisiert“, um sie für den Nachwuchs attraktiver zu machen. Und selbst in der Politik setzt man auf dieselbe Taktik – da müssen zur Not auch linke Ikonen und Antifaschisten als Ideengeber herhalten, um Jungwähler für sich zu gewinnen.
Der Imagewechsel ist jedoch keineswegs eine bahnbrechende Neuerung, sondern eher ein vergleichsmäßig alter Hut, mit dem gerade Jugendliche hinters Licht und in die Szene geführt werden sollen. „Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus.“ Das erkannte schon der italienische Faschismusgegner Ignazio Silone (1900–1978) und traf damit den Nagel auf den Kopf.
Mit ein Grund für den regen Zulauf, dessen sich die rechte Szene derzeit erfreut, ist wohl einfache Physik: Auf eine Aktion folgt eine Reaktion. In diesem Falle folgt auf die Globalisierungsbewegung ein Erstarken regionaler und nationalistischer Strömungen. Die Angst, Selbstbestimmung und Identität an Brüssel zu verlieren, ist noch präsent. Deshalb lässt sich aus Anti-EU-Slogans auch so viel Potenzial schlagen. Die Weltwirtschaftskrise verstärkt zudem solche Ängste, und das Verlangen nach Sicherheit, klaren Strukturen und einfachen Antworten steigt.
Beide Faktoren wurden zu spät erkannt, und die Einleitung von Gegenmaßnahmen wurde verabsäumt. Wenn man jetzt aus dem Bildungsministerium von Ministerin Claudia Schmied (SPÖ) hört: „Speziell nach der Senkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre ist es wichtig, politische Bildung in Österreichs Schulen zu intensivieren und zu verbessern“, so zeigt dies, dass die hier wirkenden Mechanismen unterschätzt worden sind. Denn logisch wäre freilich die umgekehrte Reihenfolge – zuerst die Bildung und dann die Wahl.

Jugend ohne Halt
So oder so wird man in nächster Zeit aufgrund der Wirtschaftskrise mit einer Zunahme der rechten Kräfte im Land rechnen müssen, sofern keine potenten Gegenmittel gefunden und umgesetzt werden. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit muss dabei sicher mit an erster Stelle stehen.
Auch spielen vor allem hinsichtlich jüngster Ausschreitungen noch andere Faktoren eine wichtige Rolle. Rudolf Gelbard, der das Konzentrationslager Theresienstadt überlebt hat, gibt als potenziellen Grund an, „dass das Wissen über den Holocaust unvollkommen ist.“ Weiters sagt er bezüglich der Aufklärung nach dem Zweiten Weltkrieg: „Ich glaube, in den ersten Jahren war eine sehr scharfe anti-nazistische Stimmung – bis 1948. Durch die Wahlen war es klar, dass man versucht hat, auch diese Wählermassen zu lukrieren – nicht unverständlich, aber das hat die Aufklärung meiner Meinung nach auch sehr behindert.“
Hier besteht also noch enor­mer Nachholbedarf, und die Forderung nach intensiver politischer Bildung an Schulen ist schnellstmöglich umzusetzen. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, speziell mit Verbindungen zur Gegenwart, wäre sicherlich ebenfalls wertvoll. Die Politik muss sich dabei
ihres Einflusses auf die Jugend sowie die rechte Szene bewusst werden.

Emanuel Riedmann, Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

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