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04. Juli 2024

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Vertrauensbildung für Fortgeschrittene

Vertrauensbildung für FortgeschritteneEPA

Über transparente Geschäftsführung wollen Politiker das Vertrauen der Bürger in sie zurückholen. Dazu zählt auch eine neue Großzügigkeit bei der Veröffentlichung statistischer Daten.

2009 stand als Jahr der Veränderung auf dem Plan. Allen voran sollten sich unter der neuen Regierung Bürger dem Staat wieder näher fühlen. Die Veränderung, die Senator Obama in seinen „Change“-Slogans versprach, holt den Präsidenten Obama inzwischen ein. Unter Zugzwang, seine Versprechen einzuhalten, steht der Vertrauensvorschuss, den ihm die Amerikaner entgegenbrachten, auf dem Spiel.
„In den USA sind Präsident und Senat das Gesicht der Regierung“, erläutert Kurt Dirks, Professor für Organisationstheorie an der Olin Business School der Washington University in St. Louis. Bürger setzen damit weitgehend das Vertrauen in den Staat mit dem Vertrauen in dessen politisches Oberhaupt gleich. Wenn Präsidenten kompetent und integer sind und eine gewisse Gutmütigkeit zeigen, steigt das Vertrauen typischerweise. Kommt es zu Skandalen, sind die Vertrauenseinbußen nur schwer wieder wettzumachen. Dirks nennt Großbritannien und dessen Skandalserien der jüngeren Vergangenheit als Beispiel. Wenn das vorkomme, sei die Wiedergutmachung eine Aufgabe für sich, so Dirks.

Misstrauen in Politik
Laut dem Harvard National Leadership Index, einer Studie, die vom Center for Public Leadership der Harvard Kennedy School regelmäßig erstellt wird, fiel das Vertrauen in staatsführende Politiker in den letzten Jahren dramatisch. Am Beispiel USA stellten die Autoren für 2008 – und damit vor der Präsidentschaftswahl – fest, dass 80 Prozent der Bevölkerung der Regierungsspitze ein Führungsproblem konstatieren. Auch wurden historische Vertrauensrückgänge gegenüber dem Bildungssystem und dem Obersten Bundesgericht verzeichnet.
Die Probleme vieler Staaten weltweit ähneln sich. Bürger erkennen immer weniger den Zusammenhang zwischen ihrer Stimme bei der Wahl und dem, was im öffentlich sichtbaren politischen Alltag passiert. Auf die­se Weise sinkt das Interesse in die Politik und gleichzeitig das Vertrauen in die Führung. Erschwerend kommt hinzu, dass in Zeiten weltwirtschaftlicher Schwierigkeiten ein weiterer vertrauensbildender Faktor fehlt: eine gut funktionierende Wirtschaft.

Gegen Intransparenz
Das Thema Transparenz nimmt die US-Regierung unter anderem mit Websites in Angriff, die Daten unterschiedlichster Herkunft an einer Stelle vereinen und somit eine gewisse Offenheit signalisieren. Die im Mai vorgestellte Site Data.gov etwa stellt für jedermann zugänglich ein Potpourri aus unterschiedlichsten Daten zur Verfügung, die nicht notwendigerweise neu, aber zum ersten Mal in einheitlichen Formaten zusammengefasst sind. Die Auswahl reicht von geologischen Erhebungen bis hin zu Giftmülldaten jedes US-Bundesstaats. Im Juni kam USAspending.gov hinzu, eine Site, die im Rahmen eines Transparenzgesetzes im Jahr 2007 unter Präsident Bush geschaffen wurde und nun einen Relaunch erhielt. Hier lassen sich die Kosten eines gro­ßen Teils von IT-Projekten nachlesen, die vom Staat in Auftrag gegeben wurden. Mit Spannung erwartet wird ein weiteres Informationsportal namens Recovery.gov, auf dem die Ausgaben im Rahmen des Stimuluspakets verfolgt werden können.
Der Trend, Daten sowohl im Unternehmens- wie auch öffentlichen Bereich zugänglich zu machen, hat für Dirks zwei Gründe: Weil politische Skandale zu Misstrauen in der Bevölkerung führen, sind Regierungen interessiert, entweder präventiv oder zur Schadensbegrenzung Offenheit zu demonstrieren. Zum anderen lasse sich die Veröffentlichung von Daten leicht erledigen: „Das Web ist eine hervorragende und kostengünstige Möglichkeit, das umzusetzen“, erklärt Dirks.
Ob die Benutzer mit den Daten auch wirklich etwas anfangen können, steht nach Meinung von Experten auf einem anderen Blatt. „Die meisten Leute schaffen es nicht, Daten ohne Vorurteile zu analysieren“, sagt Dirks. Denn zumeist würden aus den Daten Trends herausgelesen, die sich mit den eigenen Erwartungen decken. Eine objektive Analyse wird damit schwierig.

Daten ohne Deutung
Websites wie USAspending.gov beinhalten auch die Schwierigkeit, dass die Besitzer der Daten gleichzeitig ebenso jene sind, die entscheiden, was an die Öffentlichkeit soll und was nicht. Auf diese Weise entsteht eine Vorselektion, die zwar erklärbar ist, wenn es etwa um die Finanzierung militärischer Projekte geht. Dennoch darf vermutet werden, dass Daten, die als kontroversiell gelten, gar nicht erst den Weg ins Web finden.
Um das Beste aus den zur Verfügung gestellten Daten herauszuholen, bieten sich verschiedene Methoden der Visualisierung an. Grafisch hübsch aufbereitet, können Informationen einem weit größeren Publikum zugänglich gemacht werden. „Daten lassen sich am besten über Krieg und süße Kätzchen kommunizieren“, formuliert es Irene Ros, Leiterin des Forschungsprojekts Many Eyes bei IBM, humorvoll.
Die New York Times etwa ließ in den letzten Jahren mit aufwendigen interaktiven Visualisierungen aufhorchen, die das Zahlengerüst hinter den Storys eindrucksvoll ins Bild setzen. Die Grafiken sind überaus beliebt und besitzen auch einen hohen Wiedererkennungswert. Unklar ist allerdings, ob sich die Betrachter nur an das ansprechende Bild oder auch an die Message hinter den Visualisierungen erinnern.
Computerwissenschaftlerin Ros zeigte im Rahmen der OECD-Konferenz „Statistik in Wissen umwandeln“ die Bandbreite an Visualisierungsmöglichkeiten anhand der Website Many Eyes auf. Besucher können ihre eigenen Daten hochladen und die gewünschte Visualisierung auswählen. Das Ergebnis wird schließlich für alle sichtbar auf die Website gestellt. „Ich bin immer wieder überrascht, wie viel Zeit Leute in das Sammeln von Daten stecken“, sagt Ros. Am Ende eine ansprechende Visualisierung herauszubekommen, sei für viele der Benutzer mit einem kreativen Prozess vergleichbar.
Doch bereits die Auswahl der Visualisierungsmethode be­inhaltet ein gewisses Maß an Interpretation. Hinzu kommt, dass die Wissenschaft noch relativ jung ist. Über psychologische Aspekte, warum Betrachter wie auf Visualisierungen reagieren, ist nicht allzu viel bekannt. Dass Sites wie USAspending.gov nur die rohen Daten zur Verfügung stellen und die Visualisierung anderen überlassen, wird von Experten allerdings positiv gesehen: So wird die Interpretationshoheit im Sinne von Transparenz aus der eigenen Hand gegeben.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Traum und Wirklichkeit der Reisebranche

Traum und Wirklichkeit der ReisebranchePhotos.com

Personalisierte Pauschalreisen sind das Gebot der Stunde. Geld lässt sich damit auch verdienen. Der derzeitige Stand der Technik erlaubt jedoch wenig Spielraum, und neue Lösungen harren der Verbreitung.

Die Welt ist zwar noch nicht zur Gänze online erhältlich, doch die Informationstechnologie spielt eine wesentliche Rolle in jedem Geschäftsleben. Der Tourismus ist davon wohl am stärksten betroffen, denn beinahe jede Reise beginnt mit Google. Welcher Anbieter kann sich da noch leisten, nicht ausfindig, erreichbar und buchbar (eventuell auch stornierbar) zu sein?
Das deutsche Institut für E-Tourismus und der Tourismuskonzern Thomas Cook organisierten ein Workshop zur Zukunft des E-Tourismus, dessen Ergebnis in einem Thesenpapier zusammengefasst wurde. Es definiert die Herausforderungen, vor denen die Touristik steht, und die Probleme, mit denen sich die Branche auseinandersetzen muss.
Die Bedürfnisse der Reisenden werden immer differenzierter. Sie erwarten sehr individuelle, persönlich zugeschnittene Angebote. Um diese zu schnüren, benutzen die Reisevermittler Informationstechnologie, deren Systeme für solche Aufgaben zu starr sind: Die Daten befinden sich in nicht standardisierten Formaten und können nur mit viel Aufwand ausgetauscht werden. Die Schnittstellen sind geschlossen, um weitere, vor allem kleinere, aber speziellere Anbieter anzubinden. Ihre Systeme sind proprietär und teuer. Hier ist wenig Spielraum für Individualisierung offen. Full-Service-Angebote der großen Player und ihrer etablierten Partnerstrukturen sind dadurch nicht sehr flexibel.

Personalisierte Pauschalreise
Die neue Devise heißt daher „Best Service“, auf Kundenwünsche eingehend, individualisiert. In technische Sprache übersetzt heißt Individualisierung Modularisierung. Es sollen in Zukunft modularisierte Services angeboten werden, aus denen der Reisende oder der Reisevermittler frei wählen und individualisierte Angebotspakete schnüren kann.
Zusätzlich zum Hotelzimmer kann auch ein Fahrrad geliehen, ein Taucherkurs gebucht, ein Skipass gekauft oder ein Konzertticket reserviert werden. Die Reiseveranstalter und Vermittler verwenden API (Application Programming Interfaces, deutsch für offene Programmschnittstellen), Widgets, semantische Technologien und Web 2.0-Technologien, um diese bestens zu integrieren. Darin besteht die Möglichkeit – auch für neue Portale –, einen Markt für sich zu finden und neben den großen Playern zu überleben. Seit die These über „Long Tail“, dass Nischenmärkte genauso erfolgreich sind wie der Massenmarkt, von mancher Erfolgsstory bestätigt wurde, könnte eine Vermehrung von Vertriebskanälen für einzelne Serviceanbieter wie auch Reiseveranstalter ein lukratives Geschäft werden.
Eventuell alles nur Zukunftsmusik? Katharina Siorpaes von STI Innsbruck stellte im Rahmen ihrer Studie zur semantischen Ontologie (Daten werden automatisch erfasst und verarbeitet) für die Tourismusbranche fest, dass noch vor Kurzem im Angebot des österreichischen Buchungsportals Tiscover acht von zehn Hotels keine aktuelle Verfügbarkeit ihrer Zimmer lieferten. Rund 73 Prozent der Hotels hatten nicht einmal eine Preisliste angegeben. Wie kann man daraus modularisierte und personalisierte Angebote schnüren? Ebenso angebracht ist die Frage, warum überhaupt so ein Zustand herrscht.
Seekda.com, ein Spin-off der STI Innsbruck, ging diesem Problem nach und stellte fest: Die Kanäle für den Online-Vertrieb der freien Zimmerkontigente sind zeit- und kostenaufwendig. Größere Hotelketten haben dafür teure IT-Lösungen und ausreichend IT-Ressourcen, doch für kleinere und mittlere Unternehmen in der Hotelbranche ist es nicht leistbar, das Internet „im vollen Umfang“ zu nutzen, also als einen vollautomatisierten Vertriebskanal auszubauen. Sollte ein Hotel zehn verschiedene Portale wie Tiscover mit eigenem Angebot beliefern, bräuchte es eine hoch qualifizierte Arbeitskraft, um diverse Schnittstellen zu bedienen und dann täglich mehrere Stunden Arbeit, um die geforderte Akutalität zu warten.

Schlanke Lösung gefragt
Seekda ist wissenschaftlich im Bereich Datenmediation, Servicekomposition und semantische Technologie tätig. So erkannte man in dieser Problematik eine Herausforderung für eigene Technologien und entwickelte eine neuartige Produktpalette, die auf Anhieb vielen „Thesen“ zur Zukunft des Tourismus Fleisch zu geben scheint.
Channel Manager ist ein Produkt für Hoteliers zur Distribution und Aktualisierung von Buchungsinformationen in allen verfügbaren indirekten Online-Vertriebskanälen über ein einziges Web-Interface. Dynamic Shop ermöglicht Hoteliers sowie Anbietern von touristischen Dienstleistungen ihre Palette durch Einbindung zusätzlicher lokaler touristischer Leistungen (zum Beispiel Skipässe, Event-Tickets, Flughafen-Shuttle und Ähnliches) zu erweitern und so ein individualisiertes Angebot aus einer Hand an einem Ort zu bündeln. Dynamic Link ermöglicht jedem Portalbetreiber beziehungsweise Reiseveranstalter die Anbindung diverser vorhandener Tourismusdienste rund um sein Thema oder um seine Region.
Die Chancen für die Entstehung neuer kooperativer Netzwerke rund um den Tourismus, die auch kleinere und kleinste Anbieter integrieren, scheinen gegeben zu sein. Ihnen soll möglich sein, ganz individuelle Reisebedürfnisse zu befriedigen. Ob diese Technologien und ein kleines europäisches Spin-off die Kraft haben, die Karten auf dem Markt neu zu mischen, wird sich noch zeigen.

Irina Slosar, Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Der Weltbürger mit seinem Notizbuch

Der Weltbürger mit seinem NotizbuchEPA

Ryszard Kapuscinski, der herausragendste Reisejournalist des 20. Jahrhunderts, konnte nicht nur beschreiben, er konnte auch erklären. Und das wunderbar. Ein Umstand, der ihn von vielen seiner Zunft unterschied.

Er saß da und rezitierte mit leiser Stimme aus seinem – heute wissen wir es, und er ahnte es wohl auch – letzten Buch zu Lebzeiten, Reisen mit Herodot. Ein kleiner, sympathisch aussehender Mann von zurückhaltendem Wesen, für den schon eine Handvoll Zuhörer im Kellerraum des Wiener Instituts für die Wissenschaften vom Menschen zu viel Rummel um seine Person war. Es war dennoch eine der seltenen Gelegenheiten, Ryszard Kapuscins­ki zu sehen, zu hören und mit ihm zu sprechen. Im Jahr 2004 hielt sich der große polnische Reisereporter für drei Tage in Wien auf, um den „Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch“ in Empfang zu nehmen und allabendlich einen Vortrag zu halten, der vor allem sein neues Buch über Herodot zum Inhalt hatte.
Kapuscinski zeigte sich rüstig, voll warmem Humor, sprach aber nicht viel über seine berühmten Reisen in die Krisengebiete seiner Zeit. Die Hinwendung zum historischen Reiseschriftsteller Herodot zeigte seine Verehrung für eines seiner offensichtlichen Vorbilder, das Buch selbst ist eine biografische Nabelschau des Lebens des großen Griechen, etwas, das weit von den von Kapuscinski bekannten Reisereportagen entfernt ist – als ob sich der alte Mann von den Strapazen derselben ausruhen und auf den Spuren eines anderen wandeln wollte.

Die Waffen gestreckt
Etwa drei Jahre später, am 23. Januar 2007, verstarb Kapuscinski in Warschau, wo er seine letzten Jahrzehnte verbrachte, nach Herzkomplikationen. Er, der Dutzende Staatsstreiche, Revolutionen und Aufstände erlebt hat, oft unter schlimmsten Bedingungen in vergessenen Ländern umherstreifte, unzählige Male verhaftet und mehrmals zum Tode verurteilt wurde, streckte vor seinem Herz die Waffen, mit stattlichen 74 Jahren.
Zu Kapuscinskis Werk gibt es eine Reihe unterschiedlicher Interpretationen. Die einen sehen ihn als ewigen journalistischen Underdog mit einer fabelhaften Fertigkeit zur Dichte der Beschreibung. Die anderen sehen ihn als politischen Reisejournalisten, dem es manchmal am objektiven Urteil mangelte. Andere wiederum sagen, er hatte im Gegensatz zu anderen Journalisten seiner Zeit ein untrügliches, wahrhaft verinnerlichtes Gespür für historische und politische Wendepunkte, denen er unermüdlich auf den Grund ging. Als Beobachter, als Interpret – nie griff er in Handlungen ein.
Während sich seine Journalistenkollegen der großen Agenturen in den Krisenzonen der Welt in den Luxushotels verkrochen, sich gegenseitig Anekdoten an der Bar erzählten und meistens nur für arrangierte Interviews aus ihrer Deckung hervorkrochen, mischte sich Kapuscinski stets unters Volk, traf sich mit windigen Führergestalten, Rebellen, Dissidenten und anderen komischen Käuzen, lebte in Absteigen, war mit Repressalien konfrontiert, durchstand Malaria, Bisse giftiger Tiere, Feindseligkeiten und Kriege.
Er berichtete für die Polnische Nachrichten­agentur PAP in den 50er Jahren aus China, dann aus Afrika, später aus Lateinamerika. Das Spesenkonto der PAP war dünn, schon allein deshalb war er gezwungen, überall wo er war, zu improvisieren, ob er nun im Kugelhagel in einer afrikanischen Stadt zum Hauptpostamt lief und dort den letzten funktionierenden Fernschreiber in Betrieb nahm, um seine „Depeschen“ nach Warschau zu schicken, oder ob er an entlegenen Orten oft wochenlang ausharren musste, weil seinem Arbeitgeber die Mittel fehlten, ihn auszufliegen.
Die PAP verfügte damals im kommunistischen Polen kaum über Devisen, um ihren Reisereporter im Ausland zu unterstützen, ganz im Gegensatz zu den Journalisten der Associated Press, der BBC, der Agence France Presse und sogar der Tass, die die Medien der Welt zu dieser Zeit ziemlich komplett abdeckten.
Erstmals bekannt wurde Kapuscinski im Westen mit seinem 1978 erschienenen Buch mit Reportagen vom dahinsiechenden Hof des äthiopischen Kaisers Haile Selassi, König der Könige. Im gleichen Jahr legte der Autor mit Der Fußballkrieg nach, einer Reportage über einen absurden Krieg zwischen El Salvador und Honduras, ausgelöst durch ein Fußballspiel zwischen den beiden Ländern. Es folgte ein Buch mit einer bisher ungeahnten, sensationellen Tiefe der Beobachtung von der iranischen Revolution, Schah-in-schah (1982). Nach den Reisenotizen Lapidarium (1990), denen in den kommenden Jahren weitere Kompilationen folgten, legte Kapuscinski seine Abrechnung mit der zerfallenen Sowjet­union vor, Imperium (1993), das allerdings aufgrund allzu polemischer Grundtöne als eines seiner schwächeren Werke gilt. Das Buch Afrikanisches Fieber (1998) wiederum gilt als eine der besten Bestandsaufnahmen des Schwarzen Kontinents mit einer exzellenten Beobachtung der undurchsichtigen Machtstrukturen.

Bescheidener Zugang
Was den polnischen Reisejournalisten von anderen seiner Zunft unterscheidet, ist, dass er die Welt, wie er sie erlebte, nicht nur wunderbar beschreiben, sondern sie vor allem auch erklären konnte. Es gibt einige große Namen der Reiseliteratur, einen snobistischen Bruce Chatwin, einen weitschweifigen Paul Theroux, einen zynischen V. S. Naipaul. Aber keiner von ihnen hat den klaren, analytischen und gleichzeitig bescheidenen Zugang wie Kapuscinski. Das könnten sich reisende Schreiberlinge von heute auf die Fahnen heften: Man denke nur an die Reise-Popliteratur eines Christian Kracht oder an die gesammelten Belanglosigkeiten eines Andreas Altmann.
Gerade heute, wo das Internet eine Nachricht aus dem letzten Winkel dieser Welt in Windeseile um den Globus verbreitet, wo gebloggt und getwittert wird und morgen bereits alles wieder Datenmüll ist, wo internationale Nachrichtenagenturen die Wirklichkeiten formen, wie es gerade gebraucht wird, kann man sich nur wieder nach einem Journalisten sehnen, der die Glaubwürdigkeit, die Ehrlichkeit und vor allem den Zorn besitzt, über die Dinge zu schreiben, wie sie sind und nicht wie sie der Nachrichtenapparat haben möchte.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Wenn Jugend forscht

Wenn Jugend forschtAVL

Seit 1998 habe ich die Ehre, innerhalb des Technologie-Symposiums beim Forum Alpbach das Programm „Alpbach Junior“ zu organisieren. Die Jugendlichen, die daran teilnehmen, sind zum einen ganz normale Kinder, zum anderen sind es hoch motivierte junge Menschen, die durch das Begabtenförderprogramm des Bundesministeriums zu uns kommen. Aber beide Gruppen haben viel gemeinsam. Sie sind lustig, neugierig, manchmal tollpatschig, oft sportlich, wissbegierig, eloquent, und sie bringen diese besondere Mischung aus Schmerz, Freude, Ärger und Liebe mit, die die Teenager-Jahre ausmacht. Aber in dem Moment, in dem sie beim Alpbach-Junior-Programm mitmachen, sind sie auch Wissenschaftler, Techniker, Diskussionspartner und Kollegen. Ihre Erfahrungen mit Leuten wie Jean-Marie Lehn (Nobelpreisträger in Chemie), Charles Townsend (Erfinder des Lasers), Anton Zeilinger oder Hildegunde Piza prägen ihr Verständnis von Wissenschaft und von der wissenschaftlichen Community.
Das Alpbach-Junior-Programm verfolgt drei Ziele. Ursprünglich wollten wir den Kindern der Teilnehmer des Technologieforums einen Einblick in die Welt ihrer Eltern ermöglichen, in eine Wissenschaftskultur, in der es respektvollen Wettbewerb ebenso gibt wie gelegentliche Euphorie, wenn es um „wissenschaftliche Durchbrüche“ geht, die nur einigen wenigen wirklich begreiflich sind.
Aber wir meinten auch, dass die Anwesenheit einiger der weltweit wichtigsten Träger der wissenschaftlichen Entwicklung für die jüngere Generation eine günstige Gelegenheit sei, um mitzubekommen, wie das Leben eines Wissenschaftlers oder eines Technologieexperten in der Realität aussieht. Die Jugendlichen haben keine Scheu, harte Fragen zu stellen, und erwarten klare Antworten. Nicht selten dreht sich ihr Interesse um mehr ethische Aspekte des wissenschaftlichen Fortschritts. Im Gespräch mit Jugendlichen werden die hoch angesehenen Experten viel verständlicher. Sie werden zu realen Vorbildern für die Jugendlichen; und sie selbst entwickeln ihren eigenen Lehrerinstinkt.
Letzteres ist das dritte Ziel unseres Programms. Die Gegenwart einer Gruppe junger, interessierter, wenngleich sehr unterschiedlicher Studenten holt aus den Lehrenden das Beste hervor. Um den Weg wissenschaftlicher Erforschung zu beschreiten, braucht es ein tiefes Verständnis der menschlichen Natur. Und wer wäre besser geeignet, unsere Spitzenleute in Wissenschaft und Technologie die überaus wichtige Lektion über die Menschlichkeit zu lehren, wenn nicht die Jugendlichen, die die Welt erben werden, die jene schaffen.
Kathryn List ist Vizepräsidentin des Europäischen Forum Alpbach und Gründerin des Programms „Junior Alpbach“.

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Kathryn List, Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Sicher zahlen im Onlineshop

Sicher zahlen im OnlineshopPaybox

Aktuelle ÖIAT-Studie weist Handy mit paybox als sicherstes Zahlungsmittel aus.

Entspannt einkaufen, ohne das Haus zu verlassen, und bezahlen, ohne die Geldbörse zu zücken – das ist es, was Onlineshopping so populär macht. Der Haken an der Sache: Nicht immer läuft der zunächst virtuelle Handel mit Waren aller Art völlig gefahrlos ab.
Vor allem wenn es um die Bezahlung geht, sehen sich Kunden mitunter mit einigen potenziellen Stolpersteinen konfrontiert. Aber auch Unterschiede bei Benutzerfreundlichkeit, Sicherheit, Service, Akzeptanzstellen und Kosten tragen zu einer Verunsicherung der Konsumenten bei.
Das Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) hat nun erstmals die wichtigsten Online-Zahlungsmittel Österreichs ver­glichen und im Praxistest unter die Lupe genommen. Sein Fazit: Es gibt zwar einige Fallen und Anbieter mit deutlichem Verbesserungsbedarf, grundsätzlich sind elektronische Zahlungsmittel aber durch die Bank besser, als es ihr Ruf vermuten lassen würde.
Vom ÖIAT überprüft wurden folgende Anbieter: „Click and Buy“, die Online-Überweisung „eps“, Kreditkartenzahlungen mit und ohne Online-Sicherheitssystem (am Beispiel von Visa beziehungsweise „Verified by Visa“), die Prepaid-Karte „Paysafecard“, die Handy-Zahlung mittels „Paybox“ sowie der Anbieter „Paypal“. Verglichen wurde dabei in den bereits eingangs genannten Kategorien.

Sichere Handy-Zahlung
Als klarer Testsieger ging in der Kategorie Sicherheit Paybox Austria hervor. Die Gründe dafür, warum eine Zahlung mit dem Handy so sicher ist, sind offensichtlich: Bezahlt man beim Onlineshopping mit dem Handy, werden keine Zahlungsdaten über das Internet übermittelt. Die Zahlungsfreigabe und Identifizierung des Nutzers erfolgt über das Handy-Netz.
Jochen Punzet, CEO von Paybox Austria: „Bei Paybox sind unzulässige Mehrfachbelastungen und Missbrauch durch Phishing, wie sie bei anderen Zahlungsmethoden im Internet immer wieder vorkommen, technisch ausgeschlossen. Das hat uns im Vergleichstest wichtige Punkte gebracht.“ Auch in den Kategorien Kundenservice und Kosten erreichte Paybox ausgezeichnete Bewertungen.
„Das Ergebnis der Studie bestätigt unsere jahrelangen Bemühungen, Onlineshopping durch Bezahlen mit dem Handy sicherer zu machen“, freut sich Punzet über den Erfolg. Gleichzeitig werde man bei Paybox die Anregung der Studienautoren aufnehmen und versuchen, die Zahl der Akzeptanzstellen für das Bezahlen mit dem Handy zu steigern. Mittelfristig seien auch grenzüberschreitende Kooperationen angedacht.

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Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Finanzierungshilfe für Krisenzeiten

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Aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage verlangt der IKT-Markt nach proakti­vem Vorgehen. Ein IT-Leistungsanbieter hilft Firmen mit maßgeschneiderten Mietservices für moderne Technologielösungen.

Wirtschaftlich turbulente Zeiten wie diese lassen wohl kaum jemanden unbeeindruckt. Wenn das Geld knapp wird, besteht aber auch die Gefahr, dringend notwendige Investments in moderne Kommunikationsnetze bis auf Weiteres zu verschieben.
Der Haken daran: Derlei „Sparmaßnahmen“ bringen mitunter erhebliche Wettbewerbsnachteile mit sich. Jutta Hanle, Unternehmenssprecherin von Kapsch Business Com: „Wir kennen aufgrund unserer Marktnähe die Probleme, die derzeit bei vielen Unternehmen mit Investitionsentscheidungen einhergehen. Durch das Beteiligungsunternehmen Kapsch Financial Services sind wir in der Lage, mit einer großen Bandbreite von Finanzierungsmöglichkeiten auf jeden Kunden und dessen spezifische Bedürfnisse einzugehen.“

In Raten planen
Schon heute betreut Kapsch Financial Services rund 5500 Mietkunden von Kapsch Business Com. „Bei Telefonanlagen sind Mietmodelle schon lange üblich, jetzt werden diese auch für Netzwerke und Notebooks interessant“, beschreibt Christian Perger, Geschäftsführer von Kapsch Financial Services, den neuen Trend. Abgesehen von bilanzpolitischen Aspekten spricht oft auch die ehrliche Gesamtkostenbetrachtung dafür. „Wenn Kunden Geräte zu lange verwenden, steigen die Wartungskosten stark an“, so Perger. „Regelmäßige Raten sind auch leichter planbar als einmalige Investitionen.“
Während Leasing-Varianten bei Firmenfuhrparks längst üblich sind, denken noch immer wenige Klein- und Mittelständler an die Möglichkeiten des Technologie-Leasings, etwa für Notebooks. Der Vorteil: Nach drei Jahren werden die Geräte getauscht, das Unternehmen ist so immer auf dem neuesten Stand der Technologie.
Steht bei einem Kunden von Kapsch eine wesentliche Erweiterung oder Erneuerung seines Systems an, können auch Sale-and-Lease-Back oder Lease-Extension-Varianten zum Einsatz kommen. Damit kann einer kurzfristigen zusätzlichen Investitionsbelastung entgegengewirkt werden. Bei Sale-and-Lease-Back wird eine bereits integrierte Lösung von Kapsch in Verbindung mit einer System­erweiterung zurückgekauft und an den Kunden rückvermietet. Dadurch können weitere Finanzmittel frei gemacht werden. Bei der Lease Extension verlängert sich die Leasing-Laufzeit für die gesamte erweiterte Lösung, das heißt bei gleichbleibender oder nur geringfügig höherer monatlicher Belastung kann der Kunde trotzdem seine Erweiterung durchführen. So ist es Firmen möglich, auf dem neuesten Technologiestand zu bleiben. Auf diese Finanzierungshilfe zurückgreifen können auch Unternehmen mit kleinem Budget. 3000-Euro-Projekte werden ebenfalls ohne Bearbeitungsgebühr abgewickelt.

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Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Vor der Reise schnell ein Online-Trip

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Mit etwas Recherche auf Reiseportalen lässt sich Geld sparen – nicht unbedingt zum Schaden der Reisebüros.

Die Bedrohung der klassischen Reisebürobranche durch das Internet wird von dieser nur bedingt wahrgenommen. Zwar ist der Anteil jener Kunden, die per Internet buchen, in den letzten Jahren rasant angestiegen, doch sehen die Reisebüros dies lediglich als erweiterten Vertriebsweg denn als Konkurrenzgeschäft, als E-Commerce sozusagen. Dieser Meinung ist zumindest Edward Gordon, Obmann des Fachverbandes Reisebüros der Wirtschaftskammer und selbst Inhaber eines Reisebüros. Die Branche verzeichne „keine Geschäftseinbrüche“, da das Internet „eine Ergänzung“ zur klassischen Buchung und kein Ersatz sei.
Mag sein. Kunden informieren sich vorher ausgiebig im Internet, viele zögern aber noch – besonders bei teureren Fernreisen –, per Kreditkarte im Web zu buchen. Viele haben auch schlicht keine Zeit, um sich ihre Reise per Mausklick selbst zusammenzustellen, und lassen sich diese Dienste beim Reisebüro auch etwas kosten. Und schließlich sind viele Internet-Angebote auf den Reiseportalen ohnehin Portfolioangebote der Reiseagenturen. Wer etwa auf der Restplatzbörse bucht, macht zwar ein Schnäppchen, pilgert dann aber doch in die Zweigstelle, um sich sein Ticket abzuholen. Und die Reisebüro-Marge bezahlt er auch mit.
Wer allerdings genug Vertrauen in die Internet-Buchung hat, sich die Zeit für ein paar Recherchen nimmt und ausreichend Portale durchforstet, wird von den Schnäppchen begeistert sein, die sich hier offenbaren. Allein aus der Kombination von Billigflügen lässt sich gegenüber Linienangeboten eine gehörige Stange Geld sparen, und wenn man noch dazu sein Hotel direkt per Web bucht, schauen die klassischen Reisebüros völlig durch die Finger.
Ein Beispiel: Ein Linienflug der Austrian Airlines nach Dubai und retour wird in der billigsten Variante (Redticket) um etwa 500 Euro angeboten. Wer allerdings eine Kombination von den Billigfliegern Sky Europe und Air Arabia (mit Umsteigen in Athen oder Istanbul) bucht, kommt mit 160 Euro deutlich billiger weg. Dasselbe gilt für Direktbuchungen für Hotels in der Region, die sich in der momentan eher moderat gehaltenen Buchungslage mit Schnäppchenangeboten nur so überschlagen.

Einfache Eigenrecherche
Kostenbewusste Reisende werden unter Einsatz einer Tiefenrecherche etwa auf Opodo.de, Hotel.de oder Expedia.com sicherlich gute Kombinationen zusammenstellen können, die ihnen ein Reisebüro nicht bieten kann, da es an die Pakete der Reiseveranstalter gebunden ist. Andererseits wiederum gibt es Last-Minute-Angebote im Abverkauf, für die wiederum die Reisebüro-Marge gut investiert ist.
Worauf Reisebüros allerdings keinesfalls verzichten dürfen, ist eine aktive Teilnahme am Buchungs-E-Commerce. Wer das Internet leugnet oder seine Mechanismen und sein Potenzial nicht erkennt, hat schon verloren.

Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Seilbahnkompetenz im Blut

Seilbahnkompetenz im BlutDoppelmayr

Die Faszination Seilbahn liegt Doppelmayr-Mitarbeitern im Blut. Das Vorarlberger Unternehmen musste trotzdem Personal abbauen, wenn auch sozial verträglich. Der Seilbahn- und Liftbauer im Porträt.

Die Marke Doppelmayr, der Seilbahnbauer aus Wolfurt in Vorarlberg, hat in Österreich einen Bekanntheitsgrad, wie ihn sonst wohl nur große Marken weltweit haben. Kaum ein Österreicher ist noch nicht in einer Gondelbahn von Doppelmayr gesessen und hat sich gefragt: „Wie funktioniert das alles so reibungslos, und – vor allem – wie kommt überhaupt das Seil auf die Stützen?“
Genau das scheint eine der meistgestellten Fragen an das Unternehmen zu sein, da sie auf der Website zuvorderst beantwortet wird: „Dieser Vorgang beim Bau einer Seilbahn nennt sich Seilzug. Da man nicht direkt mit dem sehr schweren und dicken Seil beginnen kann, wird zuerst ein dünnes und leichtes Hilfsseil händisch, mit Seilwinden oder auch per Hubschrauber auf die Seilbahn gezogen. Dann wird ein dickeres Seil an das dünnere Seil gespleißt oder geknotet und in weiterer Folge mittels Seilwinde nachgezogen. Dieser Vorgang wird mit immer größeren Seilen so lange wiederholt, bis das endgültige Seil mit dem richtigen Durchmesser auf den Rollenbatterien der Seilbahnstützen liegt.“
Wirtschaftlich steht das Unternehmen laut Unternehmenssprecher Ekkehard Assmann solide da. Da sprechen die Unternehmenszahlen für sich. Bis Ende März kommenden Jahres werden dennoch konzernweit 100 Mitarbeiter abgebaut, davon 65 am Stammsitz in Wolfurt. Die Auftragslage für 2010 und die Prognosen für 2011, besonders für Nord­amerika, seien weiter rückläufig, begründete Assmann die Maßnahme. Betroffen sind Mitarbeiter quer durch alle Bereiche. Bereits im März 2009 baute das Unternehmen 20 Beschäftigte am Hauptsitz ab. „Die Wirtschaftskrise trifft uns stärker als angenommen“, so Assmann. „Wir sind aber aber sehr erfolgreich dabei, unsere Mitarbeiter in anderen Unternehmen oder Zulieferern der Umgebung unterzubringen.“
Zwar sei der österreichische Markt stabil und auch die Märkte in Italien, der Schweiz und Frankreich sollen sich im Rahmen der vergangenen Jahre bewegen, doch gebe es große Probleme in Nordamerika, so Assmann. In den USA und Kanada bremse die Immobilienentwicklung auch jene in den Skigebieten. Man verzeichne starke Rückgänge, eine Erholung sei nicht in Sicht. „2008 haben wir noch um die 15 Seilbahnen im nordamerikanischen Raum gebaut, heuer sind es vier“, verdeutlichte Assmann.
Auch im osteuropäischen Raum, der sich in der Vergangenheit als Wachstumsmarkt erwiesen hatte, gab es Einbrüche. Hier wirke sich das zögerliche Investitionsverhalten negativ aus. Durch die weltweit vorsichtigere Vergabe von Krediten werde die Finanzierung schwieriger. Einige Projekte seien auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Dennoch arbeite man weiter an einigen Großprojekten, etwa an der Standseilbahn im amerikanischen Las Vegas und der Seilbahnaufrüstung im russischen Sotschi für die Olympischen Winterspiele 2014.

Cable Liner für Wien
Aber auch in Wien soll ein sogenannter Cable Liner die fehlende direkte U-Bahn-Anbindung an den zukünftigen Hauptbahnhof (derzeit noch Südbahnhof) wieder wettmachen. Assmann: „Wir haben zwar von den Plänen gehört. An uns ist aber noch niemand herangetreten beziehungsweise ist uns noch keine Ausschreibung bekannt.“ Ob der Bau in Wien sinnvoll ist oder nicht, sei dahingestellt und muss Experten überlassen werden, die noch darüber sinnieren. Das Konzept Cable Liner hat sich aber neben Las Vegas auf vielen Flüghäfen der Welt oder auch in Caracas bewährt.
Doch nicht nur Cable Liner ergänzen die Gondelbahnen, Sessel- und Schlepplifte. Doppelmayr baut mit Rapecon eine Mischung aus Seilbahn und Förderband, mit der beim Transport zum Beispiel auf der Insel Simberi in Papua-Neuguinea Golderz durch den undurchdringlichen Dschungel ins Tal transportiert wird. Der Clou: Durch die Schwerkraft wird Strom erzeugt.
Innovation wird im Hause Doppelmayr großgeschrieben. Einzigartig ist wohl die Tatsache, dass es keine Forschungs- und Entwicklungsabteilung gibt. Assmann: „Unsere Mitarbeiter leben die Innova­tion in den Projekten. Dort werden sie mit jedem Projekt vor neue Herausforderungen gestellt.“ So entstanden in den letzten Monaten und Jahren die Sitzheizung für Sessellifte, der berührungslose Rope Position Detector (RPD), der frühzeitig erkennt, wenn ein Seil aus den Rollen zu gleiten droht, oder „simple“ Dinge wie eine orange Kuppel bei Sesselliften für eine bessere Sicht.
Das alles sei laut Assmann auf die – wenn auch durch die weltweite Wirtschaftslage getrübte – Motivation der Mitarbeiter zurückzuführen: „Doppelmayr-Mitarbeiter sind Seilbahner aus Leidenschaft.“ Weltweit sind dies rund 2600, in Wolfurt 1000. Bleibt diesen in China, Frank­reich, Kanada, Italien, Spanien, Österreich, der Schweiz und den USA Beschäftigten zu wünschen, dass keine weiteren Kündigungen in nächster Zeit ins Haus stehen.

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Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Per Fahrrad in den Urlaub

Per Fahrrad in den UrlaubPhotos.com

Ausgiebige Radtouren zählen mittlerweile zum kostengünstigen, aber anstrengenden Freizeitvergnügen.

„Wir haben insgesamt die Distanz und unsere körperliche Verfassung überschätzt“, erklärt der tschechische Twenty-Something, während er sich den Weg erklären lässt. Ursprünglich wollten Jan und seine drei Freunde die knapp 700 km lange Distanz zum Formel-1-Grand-Prix in Ungarn mit dem Fahrrad bewältigen. Nun suchen sie aber am Vorabend des Starts bereits seit einiger Zeit nach der richtigen Ausfahrt von der Donauinsel, um das Abendquartier in Orth an der Donau zu erreichen. Reisende soll man bekanntermaßen nicht aufhalten, selbst wenn das Unterfangen aussichtslos erscheint. „Ich möchte unser intensives, gemeinsames Erlebnis nicht missen“, meint der etwas gezeichnete, Müsliriegel kauende Pedalritter mit strahlenden Augen. „Morgen werden wir das Rennen irgendwo via Fernsehen miterleben.“
Beinahe im Viertelstundentakt strampeln kleinere Fahrradgruppen an diesem Samstag­nachmittag den Donauradweg entlang. Die Familien, Freunde oder vereinzelt auch Ehepaare, die sich so saumselig fortbewegen, präsentieren sich in sportiver Adjustierung mit vollbepackten Satteltaschen, draufgebundenen Schlafsäcken und gut gefüllten Trinkflaschen, allerdings nur die wenigsten von ihnen mit Helm. Bei den einzelnen Raststätten, die entlang des Radwegs angesiedelt sind, sammeln sie sich und ihre Kräfte. Schließlich bedeuten marathonhafte Radetappen körperliche Belastungen, die nicht nur bei Untrainierten mit Gewichtsverlusten von einigen Kilogramm einhergehen. Die Idylle von Freiheit und Unabhängigkeit weicht relativ rasch der strapaziösen Tortur. Gemächliche Steigungen, störender Gegenwind, die Wetterzustände allgemein und schmerzende Körper bilden das Konglomerat, das in einer Frage gipfelt: Was mache ich da eigentlich?

Radnomade auf Lebenszeit
Der Radnomade und Adventurer Tilmann Waldthaler hat während der letzten 30 Jahre über 420.000 Kilometer radelnd zurückgelegt und 133 Länder bereist. In seinen Berichten bezeichnet er sich als privilegiert, unterwegs sein zu dürfen. Ständig sei er mit den einfachsten Dingen des Lebens konfrontiert, und er könne in der Schönheit der Natur seinen Lebenstraum realisieren. Dieses Abenteurertum erinnert ein wenig an die Erzählungen über schlechte Straßen mit tiefen Löchern, wenige Autos und stundenlang dauernde Anstrengungen, die die heute über 70-Jährigen zu schildern wissen. Für viele stellte das Fahrrad damals oftmals die einzige Möglichkeit einer Urlaubsreise dar.
Zunehmend erkennen Tourismusexperten den Stellenwert und locken Sommertouristen, die heimischen Radwege zu entdecken. Manch jugendlicher Mountainbiker lacht wahrscheinlich über das Tretbootfahren der Landstraße.

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Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

Multikulturelle Innovationspolitik

Multikulturelle InnovationspolitikResearch Studios

Im Mai 1959 unternahm der englische Wissenschaftler C. P. Snow im Senate House der Universität von Cambridge mit seiner viel beachteten Rede „Two Cultures“ eine „Systemanalyse“ der modernen Welt und diagnostizierte den Verlust einer „Common Culture“ und eine sich immer weiter öffnende Kluft zwischen Geisteswissenschaften und Literatur sowie Naturwissenschaften und Technik.
Die vor 50 Jahren aufgestellten Thesen Snows wurden wegen ihrer binären Zuspitzung heftig diskutiert und haben vor allem im angloamerikanischen Wissenschaftsraum zu nachhaltigen Reflexionen bezüglich eines Auseinanderdriftens von Weltsichten in der technologisch-scientistischen Welt geführt. In erster Linie aber wurde die Notwendigkeit von integrativen Anstrengungen für eine wissenschaftsbasierte, offene und demokratische Gesellschaft erkannt. Vor diesem Hintergrund stellt der in Österreich 2007 bis 2008 durchgeführte Forschungsdialog eine besonders markante Initiative dar: Hier wurde an höchster Stelle ein institutioneller Prozess des Diskurses eingeleitet, der grundlegend anerkannte, dass es gänzlich unterschiedliche, wissenschaftlich-disziplinäre Sichten auf und in Wissenschaft und Forschung gibt und dass es für das Funktionieren des Gesamtsystems unerlässlich ist, diese Sichten in einem Dialog zu halten und auch entwicklungssteuernd relevant zu machen.
Der im Mai 2009 von Karl Aiginger vorgelegte Bericht zur Systemevaluierung trägt die Handschrift einer industrieökonomischen Weltsicht und ist unter anderem auch deswegen bemerkenswert, weil er eine „radikale neue Ausrichtung der österreichischen Wissenschafts-, Technologie- und Innovationspolitik“ als notwendig ansieht. Der von Aiginger geforderte radikale Wechsel der Innovationspolitik fordert einen Primat für eine Innovationsorientierung in Politik, Wirtschaft und wissenschaftlichen Institutionen rund um Werte wie Wettbewerb, internationale Offenheit sowie Mobilität und verlangt eine Kohärenz in Vision beziehungsweise Konsistenz im Handeln aller Systemgestalter.
50 Jahre nach C. P. Snows Thesen wissen wir, dass es keine Einheit in der Kultur, sondern nur eine Gemeinsamkeit im Dialog gibt. Das ist auch industrieökonomisch wichtig, da die Interessenlagen und Anreizsysteme der verschiedenen Akteure im Innovationssystem unterschiedlich sind und auch bleiben werden. Die Systemevaluation muss daher im Dialog in einen multikulturellen Ansatz der Innovationspolitik umgesetzt werden.
Peter A. Bruck leitet die Research Studios Austria Forschungsgesellschaft.

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Peter A. Bruck, Economy Ausgabe 75-08-2009, 21.08.2009

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