Österreich bekommt ein Kernkraftwerk
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Es wird in Niederösterreich, aber nicht in Zwentendorf stehen. Das erste österreichische Kernkraftwerk wird auch kein Plutonium emittieren und keinerlei Abfall produzieren. Der Naturstoffchemiker Hanswerner Mackwitz erklärt economy, wie er mit Obstkernen Wirtschaft und Umwelt nachhaltig verändern will.
Eine halbe Mio. Tonnen Obstkerne fällt jährlich in Europas Obstverwertungsindustrie an und landet als Abfall auf riesigen Haufen, um dort zu vergammeln oder verbrannt zu werden. Für den Wiener Chemiker Hanswerner Mackwitz stellt diese Vorgehensweise eine Verschwendung wertvoller Ressourcen dar. Mit dem Bau des weltweit ersten Obstkernkraftwerkes will er veranschaulichen, dass es in der Natur keinen Abfall gibt. Fast alle Pflanzenteile können genutzt und einer Wertschöpfung zugeführt werden, lautet Mackwitz’ Maxime. Die Realisierung des Kernkraftwerkes ist der praktische Beweis dafür. Und die Wirtschaft reagiert positiv. Das zeigt das Interesse von Investoren, die die benötigten Investitionskosten von sieben bis neun Mio. Euro übernehmen und noch in diesem Sommer den Baubeginn der „Fruit Oil Factory of Tomorrow“ ermöglichen wollen. Der Weg dorthin war zwar hart, aber fruchtbringend.
economy: Sechs Jahre lang haben Sie als Leiter des Wiener Pflanzenforschungsinstitutes Alchemia-Nova in Kooperation mit der FH Wieselburg und der Unterstützung des Innovations- und Technologieministeriums die Bestandteile von Obstkernen erforscht, analysiert und deren Verwertungsmöglichkeiten getestet. Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?
Hanswerner Mackwitz: Aus Steinobstkernen, also aus dem, was andere ausspucken und wegschmeißen, lassen sich hochwertige Edelprodukte sowohl für den Food- als auch den Non-Food-Bereich herstellen. Der weiche innere Kern liefert, wenn man ihn presst, herrlich duftende, schmackhafte Öle, die sowohl im Wellness-Bereich als Massageöle, in der Kosmetik, aber auch in der Gourmet-Küche zur Verfeinerung von Speisen einsetzbar sind. Auch die harte Schale, der äußere Kern, lässt sich vielseitig verwerten. Vor allem der Pfirsichkern weist einen unglaublich ausgereiften Härtegrad auf, er ist härter als Buchenholz. Das geht schon fast in Richtung Eisenholz aus den Tropen.
Das bedeutet, Obstkerne lassen sich auch industriell verwerten?
Richtig. Wir haben uns auch aus Sicht der Materialwissenschaft den Kopf zerbrochen, was man damit machen kann, und haben die Kerne in verschiedene Korngrößen vermahlen. Das Ergebnis zeigte, dass sich das Granulat als hervorragendes Schleifmittel eignet und zum Beispiel Aluminium auf Hochglanz poliert, ohne das Material zu verletzen. Als Anwendungsbereich würde sich hier die Luftfahrtbranche anbieten. Man kann die Turbinenschaufeln der Flugzeuge, die im Laufe der Zeit eine Korrosionsschicht bekommen, in wenigen Minuten reinigen. Dieses Naturmaterial hat noch dazu die großartige Eigenschaft, sich nicht abzunutzen, das heißt, ich kann es x-mal verwenden und es ist noch immer so hart und unverletzt wie am Anfang. Das Hartschalengranulat ist aber genauso gut für die Herstellung von Fußbodenplatten oder als Füllstoff für die Reifenproduktion.
Die Nutzungsmöglichkeiten sind also vielfältig. Sie werden den Fokus aber vorerst auf die Ölproduktion richten. Warum?
In diesem Bereich ist unsere Forschungstätigkeit am weitesten ausgegoren, und wir mussten ja auch wirtschaftlich denken. Also haben wir uns auf den Bereich spezialisiert, in dem man die höchsten Einnahmen erzielt. Wir haben bereits interessierte Abnehmer gefunden, die uns am Anfang das wirtschaftliche Überleben sichern und weitere Forschungsarbeiten ermöglichen.
Können Sie uns potenzielle Abnehmer nennen?
Stark interessiert an den verfeinerten und blanchierten Kernen ist der Schokoladeproduzent Zotter sowie die Biomolkerei Lembach mit ihrem „Besser Bio“-Sortiment. Die deutschen Reformhäuser sind besonders an den hocharomatischen Ölen interessiert. Auch die Firma Manner wäre ein potenzieller Abnehmer. Für die Herstellung von Schnitten oder Müsliriegeln lässt sich nämlich der Pressrückstand – der sogenannte Press-Cake – hervorragend einsetzen. Er besteht aus wertvollem Eiweiß, Kohlenhydraten, Vitaminen und Phytosterinen, das sind wichtige cholesterinähnliche Stoffe, die auch als Nahrungsergänzung zum Einsatz kommen.
Wird auch schon Interesse aus dem Nonfood-Bereich signalisiert?
Ja, vor allem Naturkosmetikfirmen sind scharf auf unsere Öle. Gespräche gibt’s zum Beispiel mit Weleda, aber auch mit Wellness-Betrieben wie in Bad Waltersdorf und Loipersdorf, die ja Unmengen an Massageölen anwenden.
Gibt es Kontakte ins Ausland?
Wichtige Netzwerkpartner sind in Österreich, Deutschland, Schweiz, Ungarn, Griechenland und der Türkei. Darüber hinaus gibt es bereits eine aktuelle Anfrage aus Kambodscha. Dort will man eine große Anlage für das Bio-Cascading von Mangokernen errichten. Es läuft gerade ein Unesco-Projekt an, zu dem Österreich das technologische Know-how liefern soll.
Was ist Ihr persönliches Ziel, Ihre Vision für die Zukunft?
Die Realisierung des Kernkraftwerkes ist der Startschuss für eine Reihe von Inwertsetzungen nachwachsender Rohstoffe. Das Bio-Cascading in einer klug vernetzten Bio-Raffinerie, also die Mehrfachnutzung von pflanzlichen Reststoffen, wird dadurch ins Wirtschaftssystem integriert. Rohstoffe und Materialien so lange wie möglich im Wirtschaftssystem zu belassen, das ist für mich ein wichtiges umweltpolitisches Ziel. Nur so lässt sich nachhaltige Stoffwirtschaft realisieren. Mit dem Kernkraftwerk gehen wir erstmals aus dem Modellversuch raus und mit einem Großbetrieb hinein ins reale Wirtschaftsleben. Die Anlage, die völlig energieautark und CO2-neutral läuft, soll im Sommer 2010 in Betrieb gehen. Ich freue mich. Denn wir bauen für Österreich ein Kernkraftwerk der besonders feinen Art und kein Museum für überflüssige Technologien.