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04. Juli 2024

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Österreich bekommt ein Kernkraftwerk

Österreich bekommt ein KernkraftwerkPetra Blauensteiner, ÖGUT

Es wird in Niederösterreich, aber nicht in Zwentendorf stehen. Das erste österreichische Kernkraftwerk wird auch kein Plutonium emittieren und keinerlei Abfall produzieren. Der Naturstoffchemiker Hanswerner Mackwitz erklärt economy, wie er mit Obstkernen Wirtschaft und Umwelt nachhaltig verändern will.

Eine halbe Mio. Tonnen Obstkerne fällt jährlich in Europas Obstverwertungsindustrie an und landet als Abfall auf riesigen Haufen, um dort zu vergammeln oder verbrannt zu werden. Für den Wiener Chemiker Hanswerner Mackwitz stellt diese Vorgehensweise eine Verschwendung wertvoller Ressourcen dar. Mit dem Bau des weltweit ersten Obstkernkraftwerkes will er veranschaulichen, dass es in der Natur keinen Abfall gibt. Fast alle Pflanzenteile können genutzt und einer Wertschöpfung zugeführt werden, lautet Mackwitz’ Maxime. Die Realisierung des Kernkraftwerkes ist der praktische Beweis dafür. Und die Wirtschaft reagiert positiv. Das zeigt das Interesse von Investoren, die die benötigten Investitionskosten von sieben bis neun Mio. Euro übernehmen und noch in diesem Sommer den Baubeginn der „Fruit Oil Factory of Tomorrow“ ermöglichen wollen. Der Weg dorthin war zwar hart, aber fruchtbringend.

economy: Sechs Jahre lang haben Sie als Leiter des Wiener Pflanzenforschungsinstitutes Alchemia-Nova in Kooperation mit der FH Wieselburg und der Unterstützung des Innovations- und Technologieministeriums die Bestandteile von Obstkernen erforscht, analysiert und deren Verwertungsmöglichkeiten getestet. Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?
Hanswerner Mackwitz: Aus Steinobstkernen, also aus dem, was andere ausspucken und wegschmeißen, lassen sich hochwertige Edelprodukte sowohl für den Food- als auch den Non-Food-Bereich herstellen. Der weiche innere Kern liefert, wenn man ihn presst, herrlich duftende, schmackhafte Öle, die sowohl im Wellness-Bereich als Massageöle, in der Kosmetik, aber auch in der Gourmet-Küche zur Verfeinerung von Speisen einsetzbar sind. Auch die harte Schale, der äußere Kern, lässt sich vielseitig verwerten. Vor allem der Pfirsichkern weist einen unglaublich ausgereiften Härtegrad auf, er ist härter als Buchenholz. Das geht schon fast in Richtung Eisenholz aus den Tropen.

Das bedeutet, Obstkerne lassen sich auch industriell verwerten?
Richtig. Wir haben uns auch aus Sicht der Materialwissenschaft den Kopf zerbrochen, was man damit machen kann, und haben die Kerne in verschiedene Korngrößen vermahlen. Das Ergebnis zeigte, dass sich das Granulat als hervorragendes Schleifmittel eignet und zum Beispiel Aluminium auf Hochglanz poliert, ohne das Material zu verletzen. Als Anwendungsbereich würde sich hier die Luftfahrtbranche anbieten. Man kann die Turbinenschaufeln der Flugzeuge, die im Laufe der Zeit eine Korrosionsschicht bekommen, in wenigen Minuten reinigen. Dieses Naturmaterial hat noch dazu die großartige Eigenschaft, sich nicht abzunutzen, das heißt, ich kann es x-mal verwenden und es ist noch immer so hart und unverletzt wie am Anfang. Das Hartschalengranulat ist aber genauso gut für die Herstellung von Fußbodenplatten oder als Füllstoff für die Reifenproduktion.

Die Nutzungsmöglichkeiten sind also vielfältig. Sie werden den Fokus aber vorerst auf die Ölproduktion richten. Warum?
In diesem Bereich ist unsere Forschungstätigkeit am weitesten ausgegoren, und wir mussten ja auch wirtschaftlich denken. Also haben wir uns auf den Bereich spezialisiert, in dem man die höchsten Einnahmen erzielt. Wir haben bereits interessierte Abnehmer gefunden, die uns am Anfang das wirtschaftliche Überleben sichern und weitere Forschungsarbeiten ermöglichen.

Können Sie uns potenzielle Abnehmer nennen?
Stark interessiert an den verfeinerten und blanchierten Kernen ist der Schokoladeproduzent Zotter sowie die Biomolkerei Lembach mit ihrem „Besser Bio“-Sortiment. Die deutschen Reformhäuser sind besonders an den hocharomatischen Ölen interessiert. Auch die Firma Manner wäre ein potenzieller Abnehmer. Für die Herstellung von Schnitten oder Müsliriegeln lässt sich nämlich der Pressrückstand – der sogenannte Press-Cake – hervorragend einsetzen. Er besteht aus wertvollem Eiweiß, Kohlenhy­draten, Vitaminen und Phytosterinen, das sind wichtige cholesterinähnliche Stoffe, die auch als Nahrungsergänzung zum Einsatz kommen.

Wird auch schon Interesse aus dem Nonfood-Bereich signalisiert?
Ja, vor allem Naturkosmetikfirmen sind scharf auf unsere Öle. Gespräche gibt’s zum Beispiel mit Weleda, aber auch mit Wellness-Betrieben wie in Bad Waltersdorf und Loipersdorf, die ja Unmengen an Massage­ölen anwenden.

Gibt es Kontakte ins Ausland?
Wichtige Netzwerkpartner sind in Österreich, Deutschland, Schweiz, Ungarn, Griechenland und der Türkei. Darüber hinaus gibt es bereits eine aktuelle Anfrage aus Kambodscha. Dort will man eine große Anlage für das Bio-Cascading von Mangokernen errichten. Es läuft gerade ein Unesco-Projekt an, zu dem Österreich das technologische Know-how liefern soll.


Was ist Ihr persönliches Ziel, Ihre Vision für die Zukunft?

Die Realisierung des Kernkraftwerkes ist der Startschuss für eine Reihe von Inwertsetzungen nachwachsender Rohstoffe. Das Bio-Cascading in einer klug vernetzten Bio-Raffinerie, also die Mehrfachnutzung von pflanzlichen Reststoffen, wird dadurch ins Wirtschaftssystem integriert. Rohstoffe und Materialien so lange wie möglich im Wirtschaftssystem zu belassen, das ist für mich ein wichtiges umweltpolitisches Ziel. Nur so lässt sich nachhaltige Stoffwirtschaft realisieren. Mit dem Kernkraftwerk gehen wir erstmals aus dem Modellversuch raus und mit einem Großbetrieb hinein ins reale Wirtschaftsleben. Die Anlage, die völlig energieautark und CO2-neutral läuft, soll im Sommer 2010 in Betrieb gehen. Ich freue mich. Denn wir bauen für Österreich ein Kernkraftwerk der besonders feinen Art und kein Museum für überflüssige Technologien.

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Astrid Kasparek, Economy Ausgabe 74-06-2009, 26.06.2009

Freie Bahn für das Elektroauto

Freie Bahn für das ElektroautoEPA

Noch nie zuvor gestalteten sich die Visionen und Pläne rund um das Elektroauto so unterschiedlich wie heute. Während VW und AVL den reinen Elektroantrieb noch nicht sehen, preschen Mitsubishi und Co mit ersten serienreifen Modellen vor. Und in Österreich will man vor allem so viel Technik wie möglich für die Industrie liefern.

Die aktuell verbreitete Euphorie in Sachen Elektroantrieb teilen sie zwar nicht. Dass in 20 bis 25 Jahren ein Zehntel der Autoflotte mit E-Motor plus „Range Extender“ ausgestattet sein wird, halten sie aber für wahrscheinlich: VW-Forscher Wolfgang Steiger und AVL-Geschäftsführer Robert Fischer eröffneten Anfang Juni bei einer Veranstaltung der Automotive Open University des AC-Styria in Graz einen Blick auf neue Antriebssysteme und ihre Markteinführung.
Beide Experten glauben, dass der Range Extender nach dem Hybrid, der ja noch dem Verbrennungskraftkonzept zugerechnet wird, die Übergangslösung sein wird: Mithilfe eines 25 Kilowatt (kW)-Verbrennungsmotors als „Notstromaggregat“ (Range Extender) könne die Reichweite des 50 kW-Elektromotors unter Beachtung der Kostentangente weit nach oben geschraubt werden. Würde man hingegen 160 Kilometer rein elektrisch fahren wollen, käme man derzeit auf reine Batteriekosten von nicht akzeptablen 30.000 bis 40.000 Euro. So aber ermögliche ein kleiner konventioneller (Wankel-)Motor eine Zukunftstechnologie, gab sich Fischer zuversichtlich.

Geänderte Mobilität
Laut VW rechnet man im ersten Jahrzehnt mit einer Marktdurchdringung von einem bescheidenen Prozent, im zweiten von zehn und erst im dritten von 50 Prozent. Wobei Steiger auch von einem geänderten Mobilitätsverhalten ausgeht: „Gerade in Städten wird es ein intermodales Mobilitätsangebot geben, das auch das E-Fahrrad und das Zweirad, den öffentlichen Verkehr und Car-Sharing einschließt.“ Dass die Entwicklung des Ölpreises bei der Markteinführung der E-Mobilität eine Rolle spiele, sei nur teilweise richtig – wesentlicher sei die geforderte „Systemsicherheit“. Gerade Batterien seien komplexe Systeme, weshalb VW in eigenes Know-how bis in die Zellen investiere. Allein die Leistungselektronik, die derzeit die Dimension einer Schuhschachtel habe, müsse auf Pocket-Format gebracht werden, nannte Steiger ein Beispiel.
Bedeutsam seien auch die Vorgaben der Politik in Sachen Klimaschutz, so Fischer: Die Verpflichtung zur Abgasnorm Euro-6 ab 2015 sei ein wesentlicher Faktor. Gleichzeitig müssten auch Komfort und Individualität im Auge behalten werden: „Wir müssen den Spagat zwischen den Anforderungen an ein effizientes Fahrzeug und dem Wunsch, ein E-Auto dürfe nicht spaßlos sein, schaffen.“
Dass Elektroautos nich spaßlos sein müssen, beweist Mitsubishi mit dem i-Miev. Der japanische Autobauer verkauft das weltweit erste Elektroauto für den Massenmarkt für umgerechnet 33.300 Euro (4,6 Mio. Yen). Damit ist der i-Miev zwar etwas billiger als ein konkurrierendes Subaru-Modell von Fuji Heavy Industries, jedoch immer noch mehr als doppelt so teuer wie die beliebten Hybridautos. Der Mitsubishi soll ebenso wie der Subaru Plug-In Stella ab Juli an Flottenkunden verkauft werden. Ab April kommenden Jahres soll der i-Miev auch für andere Kunden erhältlich sein. Im laufenden Geschäftsjahr bis Ende März will Mitsubishi 1400 Exemplare verkaufen.
Obwohl das Elektroauto von der Regierung mit Subventionen von bis zu rund 10.100 Euro und Steuererleichterungen von mehr als 900 Euro gefördert wird, dürfte der i-Miev für die meisten Kunden immer noch zu teuer sein. Das Auto solle daher sobald wie möglich für weniger als zwei Mio. Yen (rund 14.500 Euro) angeboten werden, sagte Mitsubishi-Motors-Präsident Osamu Masuko. Einen Termin nannte er jedoch nicht. Voraussichtlich Ende 2010 wird der i-Miev schließlich auch in Österreich erhältlich sein.
Als Speichermodul dient eine Lithium-Ionen-Batterie, die zentral unter dem Fahrzeugboden platziert wurde. Sie hat eine Kapazität von 16 Kilowattstunden (kWh), das reicht pro Ladung für 144 Kilometer (laut Normzyklus). Fünf bis sieben Stunden muss der Elektroflitzer dann wieder an der Steckdose hängen, bis die Batterie wieder voll ist.
Weltweit arbeiten Autohersteller derzeit an der Entwicklung von Elektroautos. Diese stoßen zwar keine Abgase aus, sind in der Herstellung aber deutlich teurer als Hybrid­autos. Deshalb sieht auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) die Zukunft der Elektroautos zuerst im Stadtverkehr. Bis zum breitflächigen Einsatz werde es seiner Meinung nach noch fünf bis sieben Jahre dauern. Österreichs Autozuliefer­industrie sei bei dieser Zukunftstechnologie sehr gut aufgestellt, betonte der Minister bei der Podiumsdiskus­sion „Electric-Mobility-Strategie – Die Zukunft fährt elektrisch“ vor wenigen Wochen im Haus der Industrie in Wien. Gemeinsam mit Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) werde gerade intensiv am österreichischen Energieplan gearbeitet, versicherte Mitterlehner.

Strategieplan gefordert

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) forderte in diesem Zusammenhang die Erstellung eines Strategieplans Elektromobilität nach dem Vorbild von Deutschland. Laut VCÖ beträgt der Kohlendioxid-Ausstoß eines Elektroautos gerade mal ein Fünftel eines herkömmlichen Autos. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Großteil des Stroms aus Wasserkraft kommt. Geht es nach den Kritikern von Elektroautos, dann steht hinter der Kampagne für E-Mobilität die Atomlobby, die sich ein neues Standbein erhofft.
Markus Beyrer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, mahnte daher bei der Podiumsdiskussion einen Ausbau der Wasserkraft in Österreich ein. Dies setze unter anderem eine Verfahrensbeschleunigung voraus. Denn seit den 1980er Jahren fehle die Balance zwischen Umweltschutz und wirtschaftlichen Bedürfnissen.
Laut einer Studie von Pricewaterhouse-Coopers wären aber selbst bei einer massiven Ausbreitung von Elektroautos keine zusätzlichen Kraftwerke nötig. Wenn 20 Prozent der Fahrzeuge mit Strom fahren, erhöhe sich der österreichische Strombedarf lediglich um drei Prozent, was einen Kraftwerksausbau nicht nötig mache. Außerdem wäre auch die bestehende Netzinfrastruktur ausreichend.

Economy Ausgabe 74-06-2009, 26.06.2009

Das lukrative Recht auf Verschmutzung

Das lukrative Recht auf VerschmutzungPhotos.com

Der Handel mit Emissionszertifikaten ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits soll es ein umweltregulatorisches Werkzeug über den freien Markt geben, andererseits liegen gerade darin die Schwächen.

Die Ergebnisse sind düster: In Österreich greift Emissionsrechtehandel offenbar so gut wie gar nicht. Obwohl den Kyoto-Zielen verpflichtet, liegt das Land weit hinter diesen zurück. Trotz gutherziger Beteuerungen des Umweltministeriums und diverser Aktionspläne wurden die Klimaziele auch zuletzt wieder deutlich verfehlt.
Österreich liegt bei den CO2-Emissionen um knapp 20 Mio. Tonnen über dem notwendigen Kyoto-Ziel, wie die Klimabilanz des Umweltministeriums zeigt. In dieser sind die Emissionen für das zuletzt beobachtete Jahr 2007 mit 88 Mio. Tonnen CO2 angegeben. Die Nichterreichung und vor allem die weiter steigende Tendenz der Emissionen könnten ein EU-Verfahren zur Folge haben, in dem Strafzahlungen in der Höhe von bis zu zwei Mrd. Euro fällig werden, eine Summe, die möglicherweise in Klimaschutzmaßnahmen besser investiert wären.

Mangelnde Strategie
Warum tut sich Österreich so schwer? Eines der größten Probleme ist die mangelnde Umsetzung der Klimastrategie, kritisiert Jürgen Schneider, der Klimaexperte des Umweltbundesamtes. Österreich könnte die Klimaziele bis 2020 erreichen, dazu bedürfe es aber „mehr Ehrgeiz und zusätzlicher Anstrengungen“, meint Schneider. Zur Erreichung des Zieles wären über die derzeitige Klimastrategie hinausgehende Aktivitäten notwendig. Setzt Österreich lediglich die Maßnahmen um, die derzeit in der Pipeline sind, werde man die Vorgaben auch beim Herausrechnen des Emissionshandels um zehn Prozent verfehlen, so Schneider.
Besondere Probleme beim Treibhausgasausstoß lokalisieren Experten in Österreich beim Verkehr und bei der Raumwärme. Besonders in diesen beiden Bereichen seien tiefer gehende Maßnahmen erforderlich, die über Biosprit und Landesförderungen von Wärmedämmung hinausgehen.
In Sachen Biosprit ist man beim Umweltbundesamt eher pessimistisch: „Die Emissionsminderungen durch den Einsatz von Biokraftstoffen wurden und werden von der kontinuierlich steigenden Verkehrsleistung aufgezehrt. Eine Erreichung des sektoralen Zieles der Klimastrategie ist trotz des Rückgangs der Emissionen aufgrund des Konjunktureinbruchs nicht absehbar“, sagt Schneider.
Und hier ist die Problematik des Emissionsrechtehandels noch gar nicht berührt. Dieser Rechtehandel ist für die Industrie gedacht, und vom Konzept her stellt er einen marktwirtschaftlich organisierten Prozess des Austausches von Verschmutzungsrechten dar. Der Emissionsrechtehandel geht davon aus, dass Klimaschutz eine wirtschaftliche Last ist, und stellt Mechanismen zur Verfügung, mit dieser Last zu handeln. Die Industrie der einzelnen Staaten bekommt im Rahmen nationaler Aktionspläne eine bestimmte Anzahl an Emissionsrechten zugeteilt, kommt es darüber hinaus zu Emissionen, müssen die Rechte dafür auf dem Markt zugekauft werden.
So weit, so gut. Während die Erfinder des Emissionsrechtehandels den Vorteil darin sehen, dass die Politik die Obergrenze der Emissionen vorgeben und deren Zielerreichung den Marktkräften überlassen kann, sehen Kritiker darin gleich den ersten massiven Strukturfehler. Denn in der Praxis geschieht es, dass jeder Staat dafür lobbyiert, möglichst viele Emissionsrechte zugeteilt zu erhalten, statt dafür zu sorgen, dass seine Industrie die Emissionen reduziert.

Schein und Wirklichkeit
Denn der Verkauf nicht benötigter Emissionsrechte bringt Gewinn, und somit kann es nicht im marktwirtschaftlichen Interesse sein, nationale Emissionen zu senken und dafür weniger Emissionsrechte zugeteilt zu bekommen. Somit wird die Erreichung ehrgeiziger Emissionsziele bloß den „idealistischen Staaten“ aufgebürdet, wie der deutsche Klimaexperte Jürgen Grahl kritisiert. Für die anderen entstehe „ein struktureller Zwang zum Bremsen“ bei der Erreichung der Emissionsziele, womit der Rechtehandel nichts anderes als eine „Scheinalternative“ zum Umweltschutz sei.
Auf internationalen Klimakonferenzen kommt es daher wie auf einem Basar regelmäßig zu einem Tauziehen um die größtmögliche Zuteilung von Rechten, die ja bares Geld wert sind. Dass dabei Strategien zur Umwelt abseits der Formulierung abstrakter Ziele auf der Strecke bleiben, verwundert daher nicht.
Derzeit befindet sich der EU-Emissionsrechtehandel in seiner zweiten Periode (2008–2012). Das Problem ist, dass nach wie vor die Anreize für Industrie und Wirtschaft fehlen, Emissionen über die formulierten Ziele hinaus zu senken. Denn erreicht ein Unternehmen den Rahmen, für den freie Emissionsrechte vergeben worden sind, sinken weitere Investitionsanreize in den Klimaschutz praktisch auf null. Übererfüllt ein Unternehmen seine Emissionsreduktionen, ist der Verkauf überschüssiger Rechte auf der Emissionszertifikatebörse immer noch lukrativer als echte Investitionen in weiterführende Umweltmaßnahmen. Ganz abgesehen davon, dass sich der Emissionsrechtehandel über Börsenstrategien wie den Futures-Handel sowie über den Schwarzmarkt schon von der Realwirtschaft zu entfernen beginnt. 2008 waren im österreichischen Budget 56 Mio. Euro für den Ankauf von Emissionsrechten vorgesehen. Im Doppelbudget von Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) sind es dann als „flexible Reserve“ 52 Mio. für 2009 und 72 Mio. für 2010 plus 89 Mio. „für den Ankauf von Emissionsreduktionen aus dem Ausland“. Bis 2012, prognostiziert die Europäische Umweltagentur, wird Österreich 513 Mio. Euro für Verschmutzungsrechte ausgegeben haben.

Economy Ausgabe 74-06-2009, 26.06.2009

Wenn im Winter die Heizung kalt bleibt

Wenn im Winter die Heizung kalt bleibtPhotos.com

Steigende Energiekosten treffen vor allem arme Menschen. 214.000 Österreicher sind in dieser Situation.

Wenn das Geld fehlt, wird es kalt in der Wohnung. 214.000 Menschen in Österreich kennen laut aktuellem Armutsbericht der Statistik Austria diese Situation. Sie können ihre Wohnung nicht angemessen warm halten und ihre Energiekosten nicht bezahlen.
Energie- und Wohnkosten sind die Probleme, die in den Beratungsstellen der Caritas, Volkshilfe und Diakonie oft thematisiert werden. Beinahe eine Mio. Österreicher ist akut arm oder armutsgefährdet. 64 Prozent davon müssen mehr als ein Viertel ihrer Gesamtkosten für Wohnen und Energie ausgeben. Bei nicht armutsgefährdeten Menschen macht dieser Bereich hingegen nur zwölf Prozent aus. „Vor allem im vergangenen Winter haben viele mit den steigenden Heizkosten zu tun gehabt. Die Probleme in diesem Bereich nehmen definitiv zu. Diejenigen, die gar nicht mehr heizen können, sind die Spitze des Eisbergs“, sagt Ve­rena Fabris, Armutsexpertin der Volkshilfe Österreich.
Menschen mit niedrigem Einkommen leben oft in schlecht isolierten, desolaten Wohnungen. Sie sind auf billige und alte, daher energieintensive Geräte angewiesen, so die Caritas, die gemeinsam mit dem österreichischen Strommarktregulator E-Control und dem Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) in Wien und Niederösterreich ein Pilotprojekt zur Energiearmut ins Leben gerufen hat. Investitionen, die den Energieverbrauch senken könnten, sind nur schwer möglich.

Veraltete Kühlgeräte
58 betroffene Haushalte wurden für das Caritas-Projekt im Herbst 2008 ausgewählt und in einem ersten Schritt von der Arge Energieberatung über Einsparmöglichkeiten aufgeklärt. Dadurch seien Einsparungen von bis zu 25 Prozent – pro Beratungsfall rund 150 Euro – möglich gewesen. Darüber hinaus wurden veraltete Kühl- und Gefriergeräte kostenlos durch neue ersetzt, die von Mitgliedern des Fachverbands der Elektro- und Elektronik­industrie zur Verfügung gestellt wurden. Eine Unterstützung, die sich in dieser Form wohl viele armutsgefährdete Menschen wünschen würden.
„Es geht darum, Strukturen zu ändern, nicht nur das individuelle Energieverhalten. Maßgebliche Schritte gegen Energiearmut können nur gesetzt werden, wenn der Staat finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt“, sagt Verena Fabris. Wer von Energiearmut betroffen ist, dem würde es wenig nützen zu wissen, dass ein neuer Kühlschrank energieeffizienter sei.

Zusätzliche Kosten
Auch die Volkshilfe beschäftigt sich mit der Thematik Ener­gie und Armut und hat bereits Projekte in diesem Bereich durchgeführt. Zwar gebe es in den einzelnen Bundesländern Unterstützung durch Heizkostenzuschüsse, diese seien aber zu wenig. „Auch das ist eine Hürde. Bedürftige müssen Ansuchen stellen, sie müssen Behördenwege überwinden. Für viele ist das stigmatisierend“, sagt Fabris. Auch die Nebengebühren wie Mahnungen, Erlagscheinzahlungen oder Ab- und Anschaltgebühren bei Zahlungsverzug würden von Armut betroffene Menschen zusätzlich belasten, so eines der Ergebnisse des Caritas-Projekts. „Manche zahlen bis zu 40 Prozent mehr pro Kilowattstunde als ein wohlhabender Haushalt, der tendenziell nie abgeschaltet wird“, sagt Walter Boltz, Geschäftsführer des Projektpartners E-Control.

Anna Weidenholzer, Economy Ausgabe 74-06-2009, 26.06.2009

Kundendaten vor Missbrauch schützen

Kundendaten vor Missbrauch schützenPhotos.com

Internationale Kreditkartengesellschaften erarbeiteten umfangreiches Sicherheitspaket für die Datenverarbeitung.

Online-Einkauf ist noch mehr Vertrauenssache als ein Einkauf in der realen Welt. Das gilt einerseits für die Abwicklung, da ja – im Gegensatz zu Einkäufen in der realen Welt – nicht Zug um Zug abgewickelt werden kann, sprich: Ware gegen Geld. Andererseits gilt das auch für die Kartendaten selbst. In Zeiten von „Hacking“ und „Phishing“ ist die Sensibilität der Konsumenten verständlich. Aber auch im Face-to-Face-Business muss es heißen: Obacht auf die Kartendaten!

Hohe Strafen
Im Fall eines Diebstahls von Kreditkartendaten drohen einem Handelsunternehmen unter anderem neben einem schädlichen Imageverlust auch empfindliche Schadenersatzforderungen durch Kreditkartenorganisationen und Acquirer, sollten die­se dem Händler beziehungsweise dessen Service Partner (Payment Service Provider für E-Commerce) nachweisen, dass Sicherheitsanforderungen in der Kreditkartenverarbeitung nicht eingehalten wurden.
Deshalb ist vorgesehen, dass alle, die Kartendaten speichern, technische sowie organisatorische Maßnahmen zum Schutz gegen den Verlust von höchst sensiblen Kartendaten vornehmen. Diese Maßnahmen werden im sogenannten „Payment Card Industry – Data Security Standard“ (PCI DSS) geregelt.
Um das Risiko von Datendiebstählen von vornherein zu minimieren, haben sich die großen internationalen Kreditkartengesellschaften auf diesen Sicherheitsstandard geeinigt, der für die sichere Speicherung und Verarbeitung der Kreditkartendaten sorgen soll. Diesem Standard unterliegen alle Institutionen, wo Daten – auf welche Art und Weise auch immer – verarbeitet und/oder gespeichert werden. PCI Data Security (PCI DSS) stuft Händler in vier verschiedene Levels ein. Je nach Level sind unterschiedliche Schritte seitens des Unternehmens durchzuführen.
Jedes Vertragsunternehmen muss PCI DSS einhalten – Acquirer wie Paylife empfehlen generell, dass keine Kartendaten gespeichert werden, um höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Werden Daten gespeichert, muss sich der Händler regelmäßigen Sicherheitsüberprüfungen unterziehen. Wer die vorgegebenen Maßnahmen erfüllt und die vorgeschriebenen Vorkehrungen trifft, wird im Fall der Kompromittierung teilweise beziehungsweise vollständig von Strafen befreit.
Das gilt auch für alle Webshop-Betreiber, die Kartendaten in ihren Systemen speichern. Da das mit Aufwand verbunden ist, geht der Trend eindeutig dahin, dass Webshops Kreditkartendaten nicht mehr selbst speichern, sondern generell die Zahlung über PSP (Payment Service Provider) abwickeln.

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Economy Ausgabe 74-06-2009, 26.06.2009

Wenn Sicherheit Vorrang hat

Wenn Sicherheit Vorrang hatTelekom Austria

Bei der Erstellung eines wirksamen Sicherheitskonzeptes zum Schutz von Betriebseigentum und Menschen helfen heute keine Einzellösungen mehr, vielmehr bedarf es eines in sich geschlossenen Gesamtpakets.

Die Österreichische Staatsdruckerei ist eine Hochsicherheitszone. Hier werden hochsensi-ble personalisierte Dokumente wie die neuen Sicherheitspässe, Personalausweise im Scheckkartenformat, Führerscheine und Zulassungen entwickelt und produziert. „Als Hochsicherheitsdienstleister müssen wir in allen Belangen beste Sicherheitsstandards vorweisen“, weiß Christian Spörer, Chief Security Officer des Hauses.
Deshalb wurde Telekom Austria als zentraler Ansprechpartner und Generalunternehmer für alle Sicherheitsthemen der Staatsdruckerei beauftragt. Die Sicherheitslösung von Telekom Austria garantiert eine lückenlose Überwachung bei der Abwicklung jedes Auftrags vom Andruck über die Produktion bis zur Lagerhaltung und Archivierung.

Komplettpaket
Im Rahmen ihrer Safety & Security Solutions bietet Telekom Austria ein umfangreiches Leistungsportfolio für die physische Unternehmenssicherheit. Im Fall der Staatsdruckerei wurde eine Komplettlösung für die Überwachung des gesamten Gebäudes ausgearbeitet. Sie umfasst unter anderem eine 24-Stunden-Videoüberwachung, ein komplexes Alarmanlagensystem und eine Zutrittssicherung – alles in allem ein hochmodernes Sicherheitspaket, das auch Wartung, Service und Betreuung umfasst.

Das Hightech-Herzstück
Herzstück der Safety & Security Solutions von Telekom Austria ist das Security Command Center (SCC), die Hightech-Sicherheitszentrale im Wiener Arsenal. Sie ist an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr 24 Stunden lang besetzt. Dort laufen alle bei einem überwachten Objekt erhobenen Informationen zusammen. Wird ein Alarm ausgelöst, geht dieser zuerst als „stiller Alarm“ im SCC ein. Dort entscheidet das professionelle Sicherheitsteam nach einem vordefinierten Interventionsplan, was zu tun ist: Alarm vor Ort auslösen, Inspektionskräfte auf den Weg schicken oder – im tatsächlichen Ernstfall – die Exekutive anfordern.
Wird auch eine Videoüberwachung eingesetzt, werden zusätzlich noch die Bilder der im Überwachungsbereich positio-nierten Kameras übertragen. Mit elektronisch steuerbaren Kameras kann das Sicherheitsteam im SCC das gesamte überwachte Objekt einsehen. Prophylaktisch kann vom SCC aus auch ein virtueller Rundgang gestartet werden, indem alle Kamerabilder der Reihe nach systematisch kontrolliert werden.
Auch die Doppler-Gruppe, mit rund 200 Tankstellen das größte private Tankstellennetz Österreichs, nutzt die Safety & Security Solutions von Telekom Austria. Da die Tankstellenshops immer häufiger Ziel von Einbrüchen wurden, investierte das Unternehmen verstärkt in die Sicherheit vor Ort. Im Alarmfall wird nun vom SCC direkt die nächste Polizeidienststelle verständigt. Und selbst wenn die Strom- oder Datenleitung gekappt werden sollte, haben Einbrecher keine Chance: Die Lösung von Telekom Austria ist mit einer integrierten Notstromversorgung und einer proaktiv überwachten Sicherheitsdatenleitung ausgerüstet.

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Economy Ausgabe 74-06-2009, 26.06.2009

Forschen im Zeichen der Nachhaltigkeit

Forschen im Zeichen der NachhaltigkeitBilderbox.com

Ein interdisziplinäres Projekt will herausfinden, wie viel man mit gesunder Ernährung für die Umwelt tun kann.

Tatsache ist: In unserer westlichen Gesellschaft werden deutlich mehr tierische Nahrungsmittel – also Fleisch, Eier, Milch et cetera – gegessen, als es einer ausgewogenen, gesunden Ernähung entsprechen würde. Zur Produktion von tierischen Nahrungsmitteln werden jedoch etwa fünf- bis sechsmal so viele Ressourcen (zum Beispiel: Fläche, Düngemittel) benötigt wie zur Produktion einer vergleichbaren Menge an pflanzlichen Nahrungsmitteln. Der Verbrauch an Ressourcen in der Landwirtschaft ist darüber hinaus eng an die Umweltbelastung wie etwa die Emission klimarelevanter Gase oder die Gewässerbelastung gekoppelt. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern aus den Bereichen Ernährungswissenschaften, Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Wassergütewirtschaft und Umweltwissenschaften hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Zusammenhang zwischen Gesundheit, Ernährungsgewohnheiten, Anforderungen an die landwirtschaftliche Produktion und Umweltbelastung unter regionalen Gegebenheiten quantitativ zu erfassen und darzustellen.

Zusammenhänge erkennen
Matthias Zessner vom Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der Technischen Universität Wien leitet das Projekt „Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit“: „Unter den vielen Aspekten der Nachhaltigkeit steht im Rahmen dieses Forschungsvorhabens ein zukunftsfähiger Umgang mit Ressourcen und Umwelt im Vordergrund.“
Die wesentliche Innovation des Projekts liegt in der ganzheitlichen Betrachtung der Fragestellung, der Verknüpfung der verschiedenen Fachbereiche und der Kombina­tion der methodischen Ansätze. In einem ersten Schritt wurde der Zusammenhang zwischen Gesundheit, Ernährung, landwirtschaftlicher Produktion, regionalem Wasser- und Stoffhaushalt, Energieumsätzen sowie Umweltbelastungen quantitativ beschrieben und der gegenwärtige Zustand über Gesundheitsauswirkungen, Belastungen von Wasser, Boden, Luft (Klima) und Ressourcenverbrauch bewertet. In einem nächsten Schritt wurden Szenarien definiert, die Grundlage zur Beschreibung und Bewertung der Szenarien geschaffen und anschließend die Szenarien im Vergleich zum Ist-Zustand beschrieben und bewertet.
Basis der wissenschaftlichen Betrachtung ist Österreich. Hier wird geprüft, wie viele Lebensmittel beziehungsweise nachwachsende Rohstoffe im jeweiligen Szenario benötigt, produziert, importiert oder exportiert werden. Auf Basis der in Österreich vorhandenen Kapazitäten der landwirtschaftlichen Produktion wird überlegt, wo was produziert werden kann (regionale Verteilung) und welche Bedeutung Dünger aus sekundären Rohstoffen und Siedlungsabfällen zukommt. Aufbauend auf diesen Überlegungen werden Wasser-, Stoff- und Energiebilanzen berechnet und mögliche Auswirkungen auf Wasser, Boden und Luft ermittelt. Vorgesehen ist, die Erhebung der Grundlagen zu Gesundheit und Ernährung und der landwirtschaftlichen Produktion sowie die Erstellung von Wasser-, Stoff- und Energiebilanzen bis Ende des Jahres 2009 abzuschließen.

proVISION
proVISION ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, mit dem die österreichische Strategie „Forschung für nachhaltige Entwicklung“ (Forne) umgesetzt wird. Gemeinsam mit komplementären Forschungsprogrammen erarbeitet proVISION das wissenschaftliche Fundament der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie.
Konkrete Projekte im Rahmen von proVISION untersuchen die Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme, Raumentwicklung und Lebensqualität. proVISION fördert die Zusammenarbeit mit nationalen, europäischen und internationalen Forschungsprogrammen ähnlicher Ausrichtung und unterstützt österreichische Forschende bei der Beteiligung an internationalen Forschungsprogrammen.

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Economy Ausgabe 74-06-2009, 26.06.2009

Ein heißes Bad per Sonnenkraft

Ein heißes Bad per SonnenkraftPhotos.com

Strom aus der Sonne ist hierzulande unterbelichtet, beim solaren Warmwasser ist Österreich führend.

Der Deutsche nutzt die Sonnenkraft, um Strom zu erzeugen, der Österreicher, um damit sein Wasser zu wärmen. Warum diese Unterschiede bei ähnlichem Klima? Strom aus Sonnenkraft zu erzeugen ist derzeit noch teuer und muss entsprechend gefördert werden, sonst montiert sich kein Häuslbauer die teure Anlage aufs Dach. Die Deutschen leisten sich das, weil sie dadurch eine neue Industrie mit Zigtausenden Arbeitsplätzen „anschieben“ – und weil sie weniger stark auf die Wasserkraft setzen können als die Österreicher.
In Österreich weigern sich Industriebetriebe hartnäckig, die Solarenergie über höhere Strompreise mitzufördern, die Politiker hören diesen Ruf. Ob die Österreicher ihr Wasser per Sonnenkraft wärmen, kratzt die Wirtschaft hingegen wenig, deswegen schieben die Politiker hier kräftig an: Die Wiener bekommen für Neubau und Sanierung nur noch Wohnbauförderung, wenn sie eine Solaranlage fürs Warmwasser installieren. Andere Bundesländer schlagen dieselbe Richtung ein. Beim Kauf der Anlage gibt es eine Förderung vom Bundesland und Steuererleichterungen.
Hans Kronberger, der Chef des Fotovoltaik-Verbandes, ist trotzdem nicht neidisch auf seine Kollegen von der Solarwärme. „Bei der Solarwärme hat Österreich eine Pionierrolle gespielt, das hat die Tür zur Nutzung der Sonnenenergie aufgestoßen.“ 240.000 Haushalte sind bereits mit thermischen Solaranlagen fürs Warmwasser und die Unterstützung der Heizung bestückt, 7500 Menschen sind in Produktion, Handel oder Montage beschäftigt. 80 Prozent der Solaranlagen werden exportiert, schon jede dritte in Europa verkaufte stammt aus Österreich.
Begonnen hat alles in den 1970er Jahren. Den Warnungen des Club of Rome folgend startete Österreich ein ambitioniertes Forschungsprogramm für Solarenergie. 1978 nahm Stiebel Eltron in Spittal an der Drau die damals modernste Fertigung von Solarkollektoren in ganz Europa in Betrieb. Mit sinkenden Ölpreisen Anfang der 1980er Jahre sank auch das Interesse an der Solarwärme, in den 1990er Jahren entfachte die Diskussion über Treibhausgase und Klimaschutz die Nachfrage und Produktion erneut.
Ernüchternd ist der Anteil am Kuchen: Noch immer deckt die Solarenergie nur ein bis zwei Prozent des Warmwassers unter 250 Grad. Bis 2020 soll der Anteil auf 15 Prozent steigen. Und gehen die Eskapaden um das russische Gas so weiter, scheint das nicht utopisch.
„Die Menschen rüsten nicht wegen des Umweltschutzes um, sondern weil sie unabhängiger sein wollen“, meint Roger Hackstock von Austria Solar. Diese Entwicklungen werden auch die Fotovoltaik in Österreich „aus dem Dornröschenschlaf erwecken“, glaubt Kronberger. Die fossilen Brennstoffe werden schon bald so knapp werden, sagt er voraus, dass der Ölpreis nach oben schießen werde.
Österreich ist gerüstet: Auf den Dächern und Fassaden ist genügend Platz für Kollektoren jeglicher Art.

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Clemens Neuhold, Economy Ausgabe 74-06-2009, 26.06.2009

Heizen mit Fön und Fernseher

Heizen mit Fön und Fernseher

Fernsehen bringt Wärme, zumindest im Passivhaus. Das Haus, das ohne Heizkörper auskommt und dennoch nie kalt wird, wärmt sich passiv durch die in ihm abgegebene Energie. Europaweit werden die meisten Passivhäuser pro Kopf in Österreich gebaut. In den vergangenen zwei Jahren ist die Anzahl rasant gestiegen.

Josef Prückl hat keinen Heizkörper, nur zwei Handtuchwärmer. Kalt wird es in seinem Haus dennoch nie. Was im Jahr 2000 als Diplomprojekt an der HTL-Abendschule begann, wurde zum ersten Linzer Passivhaus. Prückls Haus heizt und kühlt sich passiv und verbraucht so kaum Energie. Gebaut wurde es vor acht Jahren: „Damals gab es noch sehr viel mehr Zweifler“, sagt der Passivhausbesitzer heute. Was im Jahr 2001 noch äußerst ungewöhnlich war, könnte in einigen Jahren bereits zum Wohnbaustandard werden.
Die Schallmauer von mehr als 5000 Passivhäusern wurde mit Juni dieses Jahres in Österreich durchbrochen. Vor allem in den vergangenen zwei Jahren ist die Anzahl rasant gestiegen. Das erste Haus wurde vor 13 Jahren in Vorarlberg errichtet, neun Jahre später gab es tausend Häuser nach Passivhausstandard, vor zwei Jahren waren es rund 1700. Die Technik hat sich mit den Jahren weiterentwickelt, Kinderkrankheiten wie laute Lüftungsanlagen gelten als überwunden. „Es geht sehr stark voran. Jede Innovation braucht ihre Zeit und entwickelt sich in Zyklen, aus Schneeflocken wird dann eine Lawine“, sagt Günter Lang, Geschäftsführer der IG Passivhaus.

Immer frische Luft
Was nicht verloren geht, muss auch nicht ersetzt werden, ist das Prinzip der Passivbauweise. Mit einer thermisch optimierten, wärmebrückenfreien und luftdichten Gebäudehülle sowie speziellen Passiv­hausfenstern geht kaum Wärme nach außen. Eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung bringt permanent Frischluft im gesamten Haus, einem Wärmeverlust durch Lüften wird so entgegengewirkt. „Der Energieverbrauch wird geringer, weil im Winter nicht gelüftet werden muss. Ich kann die Fenster natürlich weiterhin öffnen, bei Minusgraden werden das aber die wenigsten tun“, sagt Christof Müller, Vorstandsvorsitzender der IG Passivhaus. Ein weiterer Vorteil, der sich durch die spezielle Bauweise ergibt, ist, dass es durch die ständige Belüftung keine unangenehmen Gerüche, keine Pollenbelastung oder Schimmelgefahr gibt. „Ich müsste jede Stunde die Fenster aufmachen um eine annähernd gute Luftqualität zu erreichen.“
Sonneneinstrahlung, Abwärme von Personen und technischen Geräten reichen aus, um ein Passivhaus warm zu halten. Fernsehen, Haare fönen, kochen – jede Energiezufuhr tragt dazu bei, das Haus zu beheizen. „Wenn wir zu Weihnachten die Christbaumkerzen anzünden, ist das unglaublich, wie warm es wird“, sagt Passivhausbesitzer Prückl. Die Unterschiede zum Wohnen in einem herkömmlichen Haus seien enorm. „Auch wir hatten Zweifel, ob das so ganz ohne Heizung geht. Aber es ist traumhaft, wie schnell mit geringem Aufwand Wärme zugeführt werden kann.“

Weniger Heizkosten
Mit rund 35 Prozent Gesamtanteil zählt der Sektor Hochbau und Raumwärme nach wie vor zu den größten Verursachern von CO2-Emissionen. Der sehr niedrige Energieverbrauch ist nicht nur nach ökologischen Gesichtspunkten sinnvoll, sondern schlägt sich auch bei den Heizkosten nieder. Bei einem Jahresheizwärmebedarf von weniger als 15 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter Wohnfläche reduzieren sich die Energiekosten drastisch. Während ein Niedrigenergiehaus noch 7,5 Liter Heizöl pro Quadratmeter im Jahr verbraucht, sind es beim Passivhaus gerade mal 1,5 Liter. Gegenüber einem herkömmlichen Wohnhaus können so 80 bis 95 Prozent der Ener­giekosten eingespart werden, heißt es. „Wir zahlen jetzt ungefähr ein Fünftel der Heizkosten von unserem alten Haus, das auch gut isoliert war“, ist die Erfahrung von Josef Prückl.
Bei den Anschaffungskosten liegt ein Passivhaus fünf bis sechs Prozent über einem konventionellen Haus, meint Christof Müller von der IG Passivhaus. Teuer kommen vor allem die Fenster, eine Preissenkung sei aber absehbar. „Wenn die Industrie mehr produzieren muss, wird es günstiger.“ Maximal zehn Jahre dauert es bei der aktuellen Preislage, bis sich das Passivhaus im Vergleich zu einem herkömmlichen Haus amortisiert, sagt Günter Lang, Geschäftsführer der IG Passivhaus. „Gibt es Wohnbauförderungen, rechnet es sich aber vom ersten Tag an.“ Vorreiter in Sachen Passivhaus ist das Bundesland Vorarlberg. Seit 2007 müssen dort auch alle Neubauten von gemeinnützigen Wohnbauträgern verpflichtend in Passivhausqualität realisiert werden. „Rechnet man die Passivhausfläche pro Kopf, liegt Vorarlberg mit Abstand an erster Stelle.“

Vorreiter Österreich
Was Vorarlberg in Österreich ist, ist Österreich in Europa. Betrachtet man die Fläche an Passivhäusern pro Einwohner, ist Österreich mit seinen zweieinhalb Mio. Quadratmetern Passivhausfläche absoluter Vorreiter. „Wir haben die fünffache Dichte gegenüber Deutschland und die zwanzigfache gegenüber der drittplatzierten Schweiz“, sagt Lang. Europaweit kommt ein Drittel der gesamten Passivhausfläche aus Österreich. Ab 2011 muss in der EU nach Niedrigenergiestandard gebaut werden, ab 2016 sollen Passivhäuser zur verpflichtenden Bauweise werden.
Ein wachsender Markt ist in den vergangenen Jahren die Altbausanierung nach Passivhaus-Kriterien. Seit vier Jahren werden die Standards auch bei Renovierungen angewandt. Acht Prozent der Passivhausfläche entfallen mittlerweile auf Altbauten. „Leider haben wir momentan noch ein großes Manko an Architekten“, sagt IG Passivhaus-Vorstand Christof Müller. 300 Mitglieder zählt die Interessengemeinschaft bislang – neben Architekten auch Produktentwickler und ausführende Unternehmen. Lehrgänge zum Bau von Passivhäusern werden in Österreich bereits angeboten. Dass das Feld der Passivhäuser ein zukunftsträchtiges ist, ist sich Müller sicher: „Das ist die Zukunft des Bauens, und die wird sich nicht abwenden lassen.“

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Anna Weidenholzer, Economy Ausgabe 74-05-2009, 26.06.2009

Tipps für angehende Stadtradler

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Viele möchten gerne in der Stadt mit dem Rad fahren, trauen sich aber nicht so recht. Grund dafür: viel zu viel und zu schneller motorisierter Verkehr. Wir geben Ihnen Starthilfe, denn Radfahren in der Stadt macht Spaß, bietet einen guten Ausgleich nach der Arbeit oder dem Studium, und man lernt seine Stadt von neuen Seiten kennen.
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Denken Sie vor allem daran, dass die meisten Unfälle im Kreuzungsbereich geschehen, fahren Sie also hier besonders vorsichtig und defensiv.
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Geradlinig und berechenbar fahren: Lassen Sie sich eine eventuelle Unsicherheit nicht anmerken – fahren Sie geradlinig (Parklücken niemals ausfahren), und bleiben Sie auf Ihrer Spur.
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