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04. Juli 2024

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Wenn Priester sich verlieben

Wenn Priester sich verliebenA. Weidenholzer

Frau oder Amt: Rund 1100 Priester dürfen in Österreich ihren Beruf nicht ausüben, weil sie sich für die Ehe entschieden haben. Martin Zellinger ist einer davon. Vor 23 Jahren hat er seine Frau geheiratet, sie haben drei Kinder. Priester in Beziehungen seien keine Seltenheit, sagt er im economy-Interview.

economy: Sie haben Ihr Amt verloren, Priester sind Sie trotzdem noch.
Martin Zellinger: Richtig. Meine Vorgängergeneration hat in solch einem Fall häufig um Laisierung angesucht. Sie teilten der obersten kirchlichen Autorität also mit, dass ihre Entscheidung, Priester zu werden, ein Irrtum war.

Das hat sich mittlerweile geändert?
In meiner Generation gibt es etliche, die sagen, das mache ich nicht. Da muss ich womöglich ein psychologisches Gutachten beilegen, dass es ein Irrtum war. Das war kein Irrtum. Ich bin nur zur Überzeugung gekommen, dass die Partnerschaft mit dieser Frau zu meinem Leben gehört.

Sie sind mit Ihrer Frau seit 23 Jahren verheiratet.
Ich wurde 1979 geweiht und war sieben Jahre Kaplan. Ich habe meine Frau bei der kirchlichen Arbeit kennengelernt, in meinem Diakonatsjahr gehörte sie zum Führungsteam der Jugend. Wir haben von Anfang an gesagt, das soll nicht in die Richtung gehen, dass wir heiraten, dass ich meinen Beruf verliere. Aber alle Versuche, das zu trennen, sind gescheitert. Das ist auch gut so.

Wenn man sich als Priester entscheidet zu heiraten, ist man da sehr auf sich alleine gestellt?

Nein, in meiner Entscheidungsphase hatte ich Ähnliches schon bei anderen mitverfolgt. Wir wurden zu neunt geweiht, drei von uns sind verheiratet. Wenn man mit anderen Kollegen in Verbindung ist und mehr weiß als Dienstgespräche, dann erfährt man das einfach.

Wie hat Ihr Umfeld auf Ihre Entscheidung reagiert?
Für meine Eltern, die traditionell religiös sind, ist eine Welt zusammengebrochen. Mittlerweile haben wir wieder ein sehr gutes Verhältnis. Aber im Kollegenkreis, die Freundschaft mit Bischof Maximilian Aichern, ist ungebrochen weitergegangen.

Sie bieten Israelreisen an, wo Sie biblische Texte an den Schauplätzen durch Bibliodrama vermitteln. Auch auf Ihrem Hof veranstalten Sie solche Workshops. Was kann man sich darunter vorstellen?
Es geht darum, für sich als Gruppe zu spielen, nicht für ein Publikum. Die Methoden sind simpel: Ich lege ein Seil hin, das ist der Kreuzweg, und dort steht ein Stuhl, das ist der Richterstuhl. Wir gehen das ab und spüren uns hinein. Nach fünf Minuten befrage ich die Leute. Wer bist du hier, was machst du, was löst das bei dir aus?

Unter Ihrer Begleitung finden am Hof auch viele Pfarrgemeinderatsklausuren statt. Kommt da das Gespräch auf Ihre Vorgeschichte?
Wir hatten vor Kurzem eine Klausur, die Abschlussrunde war sehr berührend. Eine Frau sagte: „Martin, es war wunderbar, auch, dass du aus deiner Vorgeschichte keinen Hehl machst.“ Und dann wandte sie den Blick dem Pfarrer und seiner Partnerin zu und sagte: „Wir wünschen euch zwei auch, dass ihr das leben könnt, und wir möchten euch nicht verlieren.“

Das heißt, die Pfarrgemeinde weiß oft Bescheid?
Es sind viele, sehr viele, die in Partnerschaft mit einer Frau leben. Dass sie ihren Beruf weiter ausüben, ist ihre Entscheidung, das kann man ihnen nicht vorwerfen. Das Übel liegt eher an der Kirchenführung und am derzeitigen Kirchenrecht.

Würden Sie Ihr Amt gerne wieder ausüben?
Ja – allerdings würde ich nicht alle Aufgaben an mich binden, sondern meine Aufgabe in der Motivation der Mitarbeiter und in der spirituellen persönlichen Begleitung sehen, nicht als Pfarrer, der Allesmacher.

Vor dem Hintergrund des Priestermangels sind die 150 Priester ohne Amt in Ober­österreich eine große Zahl.
Ja, das ist auch ein Hauptargument der Priester-ohne-Amt­Initiative. Aber nicht alle sind mehr bereit, etwa die Hälfte sagt, in den Verein gehe ich nicht mehr zurück.

Es gibt bei dieser Initiative auch Stimmen für einen heiligen Ungehorsam. Könnten Sie sich vorstellen, Messen zu halten?
Nein. Ein Grund ist: Man verunsichert die Leute. Warum setzt der eine heilige Handlung, die ihm die Kirche nicht erlaubt? Der zweite Grund ist: Ich möchte gar nicht diese Lückenbüßerrolle von bloßer liturgischer Funktion. Ich möchte ja, dass wir davon wegkommen, dass nur die Geweihten heilige rituelle Handlungen durchführen dürfen.

Was wäre eine Alternative?
Die Gemeinden sollten auf eine viel breitere Basis gestellt werden. Eine Frau, die sehr engagiert mitarbeitet, bei der sowieso alle Fäden zusammenlaufen – warum soll die nicht einer Mahlfeier vorstehen und eine heilige Handlung sprechen?

Wird eine Änderung kommen? Wird das Zölibat jemals aufgehoben werden?
Es wird so sein wie der Umbruch in der Sowjetunion. Plötzlich wird ein Michail Gorbatschow da sein, und ein Stein wird ins Rollen kommen. Das wird auch sehr viel Verunsicherung mit sich bringen.

Sie haben 2007 dem Papst ein Exemplar Ihres Jesus-Buches überreicht und ihn dabei auf das Zölibat angesprochen.
Er hat mich gefragt: „Sind Sie Fachtheologe?“ Ich habe gesagt: „Ja, aber ich bin auch Priester, allerdings darf ich den Beruf nicht ausüben, weil ich geheiratet habe, meine Gattin steht neben mir. Da hätte ich ein zweites Anliegen: Zölibat – es liegt in Ihrer Hand, der Kirche Perspektiven zu geben.“

Und die Reaktion?
„Das ist nicht so einfach.“ Er hätte auch sagen können: „Das ist ganz klar, das wird beibehalten.“ Nein, er hat gesagt: „Das ist nicht so einfach.“ Das klingt nach „Ich weiß, da muss es eine Lösung geben, aber ich habe sie nicht und bin dazu nicht in der Lage“.

Ein Zeichen in Richtung Änderung?
Die Änderung kommt sicher, nur nicht unter Papst Benedikt XVI. Und wir wissen nicht, wer der Nachfolger sein wird.

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Anna Weidenholzer, Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Die Reise ins weiße Licht

Die Reise ins weiße LichtMABEL

Dank der modernen Notfallmedizin gibt es heute immer mehr Menschen, die nach einem kurzen Herzstillstand wiederbelebt werden. Nicht selten berichten sie danach, dass sie eine sogenannte Nahtod­erfahrung gemacht haben. Dabei wird oft Ähnliches erlebt: eine außerkörperliche Erfahrung, ein Flug durch einen Tunnel mit einem hellen Licht an dessen Ende, eine Art Lebensrückschau, ein verändertes Gefühl für Raum und Zeit. Die Schulmedizin scheitert mit ihrem Versuch, diese Phänomene als Halluzinationen zu deuten, weil viele Betroffene während ihres Herzstillstands etwas erlebt haben, was weit von ihnen entfernt tatsächlich geschehen ist.
Raum, Zeit, Licht – das sind Begriffe, die auch in Albert Einsteins Relativitätstheorie eine wichtige Rolle spielen. Einstein erkannte vor über 100 Jahren, dass Raum und Zeit nur relativ sind. Wenn sich ein Objekt relativ zu einem Beobachter bewegt, erscheint es für diesen kürzer. Wenn sich eine Uhr relativ zu einem Beobachter
bewegt, läuft sie für diesen langsamer. Im Grenzfall einer Relativbewegung mit Lichtgeschwindigkeit schrumpfen alle räumlichen und zeitlichen Distanzen auf den Wert Null. Die Ewigkeit existiert also tatsächlich – im Licht! Falls unsere Seele beim Sterben Lichtgeschwindigkeit erreicht, könnte sie mit Leichtigkeit riesige Entfernungen überwinden und ein ganzes Menschenleben auf den Bruchteil einer Sekunde komprimieren.
Doch damit nicht genug; auch aus physikalischer Sicht kommt es bei einer Bewegung mit Fast-Lichtgeschwindigkeit zu einer Art Tunnelerlebnis. Der sogenannte Searchlight-Effekt besagt, dass bei derart hohen Geschwindigkeiten das Umgebungslicht gebündelt wie bei einem Scheinwerfer wahrgenommen wird. Es sieht aus wie bei einem Flug durch einen Tunnel mit einem hellen Licht am Ende. Aber der Clou kommt erst noch: Viele Nahtoderfahrene berichten, mit einem Affenzahn durch den Tunnel gerauscht zu sein. Ist es Zufall, dass auch der Searchlight-Effekt nur bei sehr hohen Geschwindigkeiten auftritt? Ist es ein zweiter Zufall, dass am Ende dieses Tunnels Licht ist – also die Ewigkeit? Und ist es ein dritter Zufall, dass Materielles niemals Lichtgeschwindigkeit erreichen kann? Dass es sich folglich lohnen könnte, nach immateriellen Werten wie Liebe und Wissen zu streben?
Das Jenseits ist ein gigantischer Speicher von aller Liebe und allem Wissen. Ein Leben nach dem Tod kann es nicht geben, weil Leben stets Entwicklung bedeutet, die in der Ewigkeit – einem Zustand der Vollkommenheit – nicht mehr möglich ist.
Markolf H. Niemz ist Direktor der Mannheim Biomedical Engineering Laboratories (Mabel) der Universität Heidelberg und der Hochschule Mannheim.

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Markolf H. Niemz , Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Der ausgelagerte Service-Manager

Der ausgelagerte Service-ManagerPhotos.com

Immer mehr Firmen greifen zu technologischen Outsourcing-Lösungen, um effizient und kostengünstig zu agieren.

Proaktive, maßgeschneiderte Dienstleistungen rund um die unternehmenseigene Informationstechnologie (IT), sprich: Managed Services, erfreuen sich seit geraumer Zeit auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen steigender Beliebtheit. Die garantierte Qualität und Verfügbarkeit dieser Dienste zu fix definierten Kosten überzeugt viele.

Gesteigerte Qualität
Bernhard Bauer, Leiter des Bereichs Managed Services bei Kapsch Business Com: „Wir helfen überall dort aus, wo Not am Mann ist. Gerade in wirtschaftlich schwieriegen Zeiten müssen Unternehmen ihre Kosten senken. Im Bereich der IT gibt es eine Menge an Einsparungspotenzial, wenn man die Ser­vicebetreuung auslagert.“
Ein anderer Punkt wäre, so Bauer weiter, dass man vor allem in kleineren Unternehmen zeitlich und auch fachlich damit überfordert wäre, die Hard- und Software auf dem Stand der Technik zu halten: „Wir vereinfachen die komplexe Welt der IT, indem wir ein kompaktes Gesamtpaket an unterschiedlichsten Serviceleistungen anbieten. Welche Dienste Firmen in Anspruch nehmen wollen, hängt von den individuellen Bedürfnissen ab. Wir beraten und analysieren gemeinsam mit unseren Kunden, was sinnvoll ist, wie Kosten gesenkt und gleichzeitig aber auch die Qualität gesteigert werden kann. Die Leistungen sind dabei in Module aufgegliedert, die Unternehmen einzeln oder als Paketlösung wählen können.“
Angeboten werden die Installation und Konfiguration der Server, das tägliche Management der Serverhardware und -betriebssysteme, eine zentrale User-Administration, das Management der Netzwerkdrucker und ein Back-up-Management.

Umfassende Sicherheit
Auch das Thema Sicherheit spielt laut Bauer eine wichtge Rolle. Mit dem Earth-Data-Safe, einem unterirdischen Hochsicherheitszentrum im steirischen Kapfenberg, hat Kapsch einen riesigen Speicher für die Co-Location und den Betrieb von Infrastruktur, Servern, Middleware und Applikationen geschaffen. „Uns ist es ein Anliegen, umfassende Dienstleistungen und höchstmögliche Flexibilität anzubieten. Gerade im Outsourcing-Bereich ist die Konkurrenz recht groß. Da kann man nur mit einer breiten Angebotspalette und vor allem fachlicher Kompetenz punkten.“
Ein Ende des Managed-Services-Booms ist für Bauer vorerst nicht in Sicht: „Dieses Thema wird uns noch längere Zeit beschäftigen, da neben großen auch zunehmend kleine Betriebe erkennen, dass neue Technologien sie auf dem Markt entscheidend weiterbringen können. Die trauen sich immer mehr in IT zu investieren. Für eine Überschaubarkeit der Kosten sorgen unsere Risk-Management-Lösungen. So lässt sich einfach und zuverlässig herausfinden, welche Ansprüche der Kunde tatsächlich hat. Zudem bieten wir eine flexible Abrechnungsform an, sprich: einen monatlichen Fixbetrag pro Mitarbeiter, in dem alles inkludiert ist – von der Serviceline über die Wartung und Instandhaltung bis hin zur Anschaffung von Hard- und Software.“

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Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Alles inklusive ohne Datenverluste

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Managed Services: T-Systems bietet Unternehmen Windows 7 als Teil einer speziellen Arbeitsplatzrechnerlösung an.

Mit dem Vermarktungsstart von Microsoft Windows 7 können die Kunden von T-Systems die Umstellung ihrer Arbeitsplatzrechner auf das neue Betriebssystem beauftragen.Die Telekom-Tochter stellt die Rechnerarbeitsplätze mithilfe automatisierter Abläufe aus der Ferne sowie ohne Datenverlust auf Windows 7 um. Marktforscher von IDC prognostizieren, dass rund 59 Prozent aller großen IT-Unternehmen auf das neue Betriebssystem umstellen werden. T-Systems betreibt weltweit rund 1,5 Mio. Desktop-Arbeitsplätze.

Kosten senken
Windows 7 sollte allerdings nicht ohne vorherigen Check im Hinblick auf die vorhandene Rechnerlandschaft eines Unternehmens aufgespielt werden.
T-Systems hat daher eine Testumgebung aufgebaut, mit der sich die Kompatibilität des Betriebssystems mit der vorhandenen Software prüfen lässt. Experten der Telekom können auf Basis der Testergebnisse Risiken sowie Aufwände einschätzen und Empfehlungen für einen Wechsel aussprechen.
„Unternehmen sollten Windows 7 nicht nur als reines Betriebssystem betrachten, sondern auch als Chance, die bestehende Software-Landschaft auf den Prüfstand zu stellen“, erklärt Olaf Heyden, Geschäftsführer von T-Systems und Leiter von ICT Operations. „Für viele Unternehmen wäre im Zuge der Windows-7-Umstellung ein Aufräumen und Standardisieren sinnvoll, um Kosten zu senken sowie Sicherheit und Verfügbarkeit zu verbessern.“ Windows 7 benötigt deutlich weniger Hardware-Kapazitäten und läuft somit auch auf älteren Computern. Das neue Windows hat weiterhin mit „Bit Locker“ eine Sicherheitsanwendung an Bord, die Daten gegen unerwünschte Lese- und Schreibzugriffe schützt. Sogar eine Datenverschlüsselung für Wechseldatenträger wie USB-Sticks ist möglich. Mit der Anwendung „Direct Access“ loggen sich Mitarbeiter über das neueste Internet-Protokoll (IPv6) in ihr Firmennetzwerk ein. Administratoren steuern mit „App Locker“, welche Programme auf den Arbeitsplatzrechnern gestartet werden dürfen, und schließen somit unerwünschte Anwendungen aus.
Windows 7 wird künftig Teil einer speziellen Arbeitsplatzrechnerlösung von T-Systems sein. Mit diesen Managed-Workplace-Services erhalten Unternehmen eine Rundumbetreuung samt Betriebssystem, Office-Paket, Internet Explorer 8, Virenscanner sowie verschiedenen Hilfsprogrammen wie Adobe Reader, Flash Player oder Java Runtime. Über das Netz werden die PC-Arbeitsplätze automatisch mit aktuellen Updates bespielt und zentral betreut.

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Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Ein paar Meter Minarett

Ein paar Meter MinarettAndy Urban

Die Schweizer haben mit ihrem Minarettverbot eine radikale Entscheidung getroffen. Konflikte um Moscheebauten gibt es auch in Österreich, und das ist nicht immer negativ. Eine Mediation in Bad Vöslau hat zu mehr Integration der Migranten geführt. In Wien schwelt der Konflikt aber weiter.

Zwei alte Schlote einer stillgelegten Kammgarnfabrik weisen den Weg vom Bahnhof zur Moschee in Bad Vöslau. Von Minaretten ist lange nichts zu sehen. Erst wenn man vor dem Gebäude steht und den Blick zum Himmel schweifen lässt, sieht man zwei zierliche Türmchen aus grün schimmerndem Glas. Hier sind sie, die Minarette, das gebaute Manifest islamistischer Eroberungsgelüste – in der Sprache der Minarettgegner.
Selfet Yilmaz deutet in die Höhe, auf die Türme. „Darüber haben wir lang diskutiert.“ Yilmaz nahm als Sprecher des Bauherrn Atib Bad Vöslau, eines türkisch-islamischen Vereins, an einem Mediationsverfahren teil, das den Unmut eines Teils der Bevölkerung beim Bekanntwerden des Bauvorhabens abfangen sollte. Man redete über Kuppel und Minarette, über Integration oder deren Fehlen und ganz grundsätzlich darüber, warum die Muslime überhaupt ein Kulturzentrum – so die offizielle Bezeichnung des Gebäudes – brauchen.

Derwisch trifft Blasmusik
Ende Oktober eröffneten Bürgermeister, zwei Pfarrer, Imam, Blasmusikkapelle und tanzende Derwische das Zentrum. Mit dabei war das Schweizer Fernsehen, das Yilmaz löcherte, wie es denn gelang, die Minarette mit der Akzeptanz der Vöslauer zu bauen. Fünf Wochen später entschied eine Mehrheit der Schweizer in einer Volksabstimmung, den Bau von Minaretten zu verbieten.
Wien, Dammstraße 37. Eine einstöckige Fassade, dahinter ein Hof mit einer ehemaligen Werkstätte, in der der nunmehrige Eigentümer Atib einen Gebetsraum eingerichtet hat. Seit Jahren will Atib die Liegenschaft sanieren. Die Baubehörde zweiter Instanz gab im Februar 2009 grünes Licht für die Renovierung und Erweiterung der Gebäude. Eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Moschee ade“ will das Projekt vereiteln. Vor zwei Jahren organisierte sie einen Protestmarsch im Bezirk, diesen Mai krachten bei einer Demonstration Moscheegegner und Gegner der Moscheegegner aneinander. Der geplante Bau ist minarettlos. An die Stelle der einstöckigen Fassade wird ein fünfstöckiges Büro- und Wohngebäude gebaut, mit einem Veranstaltungssaal, einem Kindergarten, einer Arztpraxis, Büro und Wohnungen.
Der Bau von Moscheen hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten an vielen Orten zu Konfrontationen geführt. Dass sich in Bad Vöslau eine fruchtbare Auseinandersetzung entwickelte, während der Konflikt in Wien weiterschwelt, liegt an der Kompromissfähigkeit der Beteiligten.
Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie hat untersucht, wie Moscheenkonflikte ausgetragen werden. „Unlösbar erscheinen Streitigkeiten, bei denen es ‚ums Ganze‘ geht – um hehre Prinzipien und den Kern der Identität einer Gruppe“, schreibt Leggewie im Buch Moscheen in Deutschland. Wenn es um ein „Entweder-oder“-Prinzip geht, wenn also Fremde grundsätzlich abgelehnt werden nach dem Motto „Entweder sie oder wir“, dann ist der Konflikt unlösbar. Lösbar ist ein Konflikt, wenn man sich auf ein „Mehr oder weniger“ verständigen kann. Auf ein paar Meter mehr oder weniger Minarett beispielsweise.
In Bad Vöslau gelangten im Oktober 2006 erste Meldungen, dass der Bau einer Moschee geplant sei, in die Lokalzeitungen. Als eine Zeitung den Bauplan, der eine klassische Moschee mit Kuppeln und Minaretten zeigte, veröffentlichte, brach der Wirbel los. Der Marketingberater des Bürgermeisters sagte, eine Moschee sei ein „kulturuntypisches Ortssignal“ und mit einer Kurstadt nicht vereinbar – außer man wolle eine Kurstadt für Türken werden. Daraufhin feuerte der Vöslauer Bürgermeister Christoph Prinz seinen Berater. Die FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz ließ Flugblätter gegen die geplante Moschee verteilen, und eine sich „Arbeitsgemeinschaft Europäischer Kultur“ nennende Gruppe sammelte Unterschriften gegen das Projekt. Das Zielpublikum waren, laut Petition, „Menschen, die sich durch die Errichtung eines moslemischen Kultbaues in ihrer Grundauffassung wie Heimat, Stadtbild, Religion und europäischer Leitkultur bedrängt fühlen“. „Unsere kommende Generation wird mit einem Ausmaß an Überfremdung konfrontiert sein, wo unter Umständen eine solche Aktion nicht mehr möglich ist.“ Rund 1600 Unterschriften kamen in der 13.000 Einwohner großen Stadt zusammen.
Der Bürgermeister reagierte sofort auf die wachsende Unruhe. Er stoppte das Genehmigungsverfahren und bat die Beteiligten an den Verhandlungstisch. In einer Mediation sollten Vertreter des Bauherrn Atib Bad Vöslau und die im Gemeinderat vertretenen Parteien den dräuenden Konflikt lösen. Anfangs ging es um die Architektur. Der Plan des türkischen Architekten wurde verworfen und der Bad Vöslauer Baumeister Werner Kosa mit der Umplanung beauftragt. „Wir haben einen offenen, transparenten Zweckbau entworfen“, sagt Kosa. Der Plan wurde 28-mal abgeändert, erzählt Yilmaz, der bei der Mediation als Atib-Sprecher fungierte. „Nach jeder Sitzung haben wir umgezeichnet.“
Im Vordergrund sind eine offene Piazza mit Brunnen, Teestube und Restaurant. Der Gebetsraum ist nach hinten gerückt, daran angelehnt sind zwei gläserne Minarette, die leicht und transparent wirken. Allen Ängsten vor zum Gebet aufrufenden Muezzins wurde die Grundlage entzogen. Doch auf die Minarette verzichtet, wie von den Gegnern gefordert, haben die Bauherrn nicht. Weil das Problem gar nicht dort lag.
„Den Leuten sind die Minarette komplett egal“, meint Kosa. „Eigentlich wollen sie die Türken und die Muslime nicht. Es ist schlichte Ausländerfeindlichkeit, und die Minarette werden vorgeschoben.“
„Die Ängste lagen woanders“, formuliert es Yilmaz. Nach der vierten oder fünften Mediationssitzung sei man auf die realen Probleme gestoßen. „Die Vertreter der Einheimischen meinten, die Türken wollten sich nicht integrieren und beherrschten die Sprache nicht. Ich weiß aber, welchen Effekt die pauschale Kritik am Islam nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte: Die muslimischen Migranten glaubten, dass auch sie mit schiefen Augen angeschaut würden, und zogen sich immer mehr zurück.“

„Ich bin hier, ich bleibe hier“
Die Gespräche rund um das Mediationsverfahren haben die Atmosphäre verbessert. Auch die FPÖ-Vertreter hätten konstruktiv mitgearbeitet, sagt Yilmaz. „Das war eine aufrichtige Auseinandersetzung mit dem Thema, ein ehrlicher Umgang miteinander.“ Lediglich bei der Unterzeichnung des Mediationsvertrags fehlte die FPÖ.
Der Bau wurde mit einem Kredit der Volksbank Bad Vöslau finanziert, den rund 150 Leute in monatlichen Raten abzahlen. Die Nutzer haben das Gebäude großteils in Eigenregie errichtet. Der Bau hat die Menschen verändert, beobachtet Yilmaz. „Wenn man so ein Gebäude errichtet, sagt man damit: ‚Ich bin hier, ich bleibe hier, ich bin Vöslauer.‘“ Diese Selbsterkenntnis und die öffentliche Anerkennung für das schöne Gebäude haben zu einem Wunsch nach mehr Bildung geführt. 40 Frauen besuchen nun Deutschkurse. Früher gingen nur wenige aus der Türkei stammende Migrantenkinder ins Gymnasium, jetzt seien es zehn oder zwölf allein in Vöslau, erzählt Yilmaz.
„Der geheime Sinn von Moscheekonflikten könnte darin bestehen, dass sie unterm Strich zur gesellschaftlichen Integration beitragen“, schreibt Claus Leggewie. „Jeder friedlich ausgetragene und glücklich ausgestandene Konflikt bringt die Gesellschaft weiter.“
Auch in den meisten deutschen Städten ist der Moscheenbau von Konflikten begleitet, einige Male ist er gescheitert. In diesen Auseinandersetzungen spielt die Architektur eine Rolle. Die Einheimischen fordern von den zugewanderten Muslimen häufig, als Beweis für ihre Integration einer klassischen Bilderbuch-Moschee abzu­schwören und einen modernen Bau zu errichten. Geglückt ist das dem bosnisch-deutschen Architekten Alen Jasarevic, der in die bayrische Kleinstadt Penzberg einen aufsehenerregenden Sakralbau hingestellt hat (siehe Bild). Wenn eine Moschee im klassischen Stil gebaut wird, belächeln Architekturkritiker sie häufig als „Heimweh-Architektur“. Doch die an Muslime gestellte Forderung nach moderner Architektur beim Bau ihrer Moschee, mit der sie erstmals provisorische Bethäuser in Hinterhöfen zurücklassen, ist eigentlich eine Überforderung.

Streit um Lärm und Parkplatz
Bei vielen Auseinandersetzungen um Moscheen spielt die Architektur gar keine Rolle. Das zeigt sich am Konflikt um die Dammstraße 37 in Wien. 1996 hat der Verein Atib die Liegenschaft gekauft und die dortige Werkstatt in einen Gebetsraum umgebaut. Bald beschwerten sich die Anrainer – rundherum sind große Wohnbauten – über Lärm. „Im Hof wurden mit Lautsprechern Fußballspiele übertragen. Oder türkische Musik gespielt“, schildert Hannelore Schuster. Sie wohnt nebenan, ist Mietervertreterin in ihrem Gemeindewohnbau und seit zwei Jahren Sprecherin der Bürgerinitiative Moschee ade. „Als Reaktion spielte jemand Tiroler Musik aus seinem Fenster. Es war ein Wahnsinn.“ Wenn es zu laut wurde, ging sie ins Zentrum und redete mit den Leuten. „Ich habe in arabischen Ländern gelebt“, sagt Schuster, „ich habe kein Problem damit, da hineinzugehen.“ Atib hat auf die Beschwerden reagiert, das Gebetshaus abgedichtet, die Lautsprecher abgebaut.
Als 2007 die Pläne von Atib für eine Erweiterung des Zentrums bekannt wurden, formierte sich Widerstand von Anrainern. Schuster nahm mit den Bezirkspolitikern Kontakt auf. Doch nur ÖVP- und FPÖ-Vertreter hätten mit ihr geredet. Beim SPÖ-Bezirksvorsteher habe sie keinen Termin bekommen, und die Grünen wären sowieso auf Seite von Atib. So beschloss die Bürgerinitiative, deren Kern laut Schuster aus 80 Leuten besteht, eine Demonstration. Als FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache mit einer Schar ergebener Anhänger auftauchte, war ihnen mediale Aufmerksamkeit gewiss. Angesichts der Eskalation berief SPÖ-Bezirksvorsteher Karl Lacina Gespräche und Arbeitskreise mit Atib, Anrainern und Experten der Stadtverwaltung ein. Man redete über Verkehr, Parkplätze und Lärm. Doch die Bürgerinitiative wollte längst etwas anderes. Nämlich Moschee ade. Atib sollte sich auf den nahe gelegenen Nordwestbahngründen, die im kommenden Jahrzehnt bebaut werden, ein neues Grundstück suchen. Das kommt für Atib nicht in Frage.
„Wir haben sehr viel mit den Anrainern gesprochen und sind auf ihre Wünsche eingegangen“, sagt Nihat Koca, der für Atib verhandelte. Der Hof werde komplett mit einem Glasdach überdacht, sodass kein Lärm mehr nach außen dringen könne. Parkplatzprobleme gebe es nur beim größten Besucherandrang an Freitagen um die Mittagszeit und an zwei Feiertagen im Jahr. „Wir bitten unsere Leute, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen, wir verschenken Fahrscheine“, sagt Koca. Einige Anrainer hätten sich, als die FPÖ in Erscheinung trat, von der Bürgerinitiative abgewandt. „Doch manchen Leute war egal, was wir gemacht haben – alle unsere Zugeständnisse. Es war ihnen egal“, sagt Koca. Er ist enttäuscht. Die Gegner beharren auf „ade“. Atib hat die Baugenehmigung und wird bauen. Der Konflikt ist nicht lösbar.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Feiern gegen Kulturkonflikte

Feiern gegen Kulturkonflikte

In der Greiseneckergasse in Wien gibt es ein Haus mit der Aufschrift „Islamische Liga der Kulturen“. Tausendmal bin ich daran vorbeigegangen. Nie hineingegangen. In vielen Hinterhöfen gibt es muslimische Gebetsräume. Uneingeladen dort aufzutauchen würde man nicht wagen. Doch warum eigentlich nicht? Bei einer Reise nach Istanbul hatscht man auch in jede Moschee, so sie architektonisch interessant ist.
Wir alle leben in Parallelwelten. Da sind die Rosenkranz-Katholiken, die täglich beten, und die Feiertagskatholiken, die es nur bei der Weihnachtsmette tun. Da sind die sonstwie Spirituellen, die meditieren oder matriarchatsinspirierte Vollmondfeste feiern. Da sind die tiefgläubigen Muslime, die fünfmal am Tag beten, und die anderen Muslime, die es weniger oft tun.
Wir leben im gleichen Land, doch wir kennen einander kaum. Die muslimische Nachbarsfamilie zur Feier am Heiligen Abend einzuladen – seltsamer Gedanke. Mit den Nachbarn nach dem Ramadan gemeinsam Fastenbrechen – auch seltsam. Die von den Religionsoberen ausgerufenen Dialoge, der christlich-islamische oder der christlich-jüdische, haben nicht gegriffen. Deshalb schaukeln sich die Konflikte – im Moment die Minarettkonflikte – so auf.In Malaysia werden alle religiösen Feiertage gefeiert. Von allen. Das chinesische Neujahrsfest, die hinduistischen, die islamischen Feste. Das wäre eine Lösung für unsere Kulturkonflikte.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Alleskönner fürs Office

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Multifunktionsgeräte erleichtern den Arbeitsalltag und helfen Firmen, Geld zu sparen.

Bei den neuen Optimized Print Services (OPS) verbindet Konica Minolta das Design von Dokumentenmanagement-Lösungen mit der Implementierung und dem Betrieb von Soft- und Hardware. Für mittlere und große Unternehmen, die über ein Netzwerk von Druckern und multifunktionalen Produkten (MFP) verfügen, bietet OPS somit ein Portfolio vollständig an die Kundenwünsche anpassbarer Lösungen aus einer Hand.
„Unser Optimized-Print-Services-Programm steht für einheitliche und umfassende Strategien zum Management von Druckerlandschaften, deren Ziel Kostenreduktionen und fehlerfreie Prozesse sind“, erklärt Johannes Bischof, Geschäftsführer von Konica Minolta Business Solutions Austria. „Um die­se Ziele zu erreichen, vereint das OPS-Konzept maßgeschneiderte Lösungen mit professionellem Support und detaillierter Beratung. Zudem ermöglicht ein umfassendes Management während der Umstellung einen sanften Übertritt in das neue System. Dieses Vorgehen vereinfacht Unternehmen nicht nur den Umstieg auf die optimale Drucker-Infrastruktur, sondern erleichtert auch den effizienten Betrieb und die laufende Optimierung der Systeme.“

Zahlreiche Service-Module
OPS fokussiert auf vier essenzielle Bereiche – Gerätepark, Prozesse, Finanzen und Sicherheit – und bietet eine breite Palette an Service-Modulen. Diese können je nach Anforderung des Unternehmens teilweise oder komplett fremdfinanziert werden. Die Experten von Konica Minolta analysieren die Bereiche und entwerfen individuelle Lösungen. Diese umfassen die richtige Dimensionierung der Drucker- und MFP-Flotte an die Anforderungen der Firma, die Optimierung von Workflows zur Verbesserung der Prozessproduktivität und die Entwicklung und Implementierung von Sicherheitslösungen. Eine breite Palette an Finanzierungsangeboten und Vertragsmodellen garantiert Transparenz. Bei der Implementierung erarbeitet Konica Minolta einen Strukturplan, der eine schnelle, unkomplizierte Migration der bestehenden Print-Infrastruktur und -Services in die neue Umgebung ermöglicht. Um Integrationstests zusammen mit einem problemlosen Rollout zu gewährleisten, werden vor Ort umfassende Ressourcen und eine breite Palette an Materialien zur Verfügung gestellt.

Einfache Handhabung
Nach dem Aufbau der neuen Infrastruktur bietet OPS ein skalierbares Portfolio an Services, die den Betrieb der Druckerflotte vereinfachen. Abhängig von den Bedürfnissen des Unternehmens kann dieses Trainings, kontinuierliches Monitoring aller Geräte, automatische Versorgung mit Verbrauchsmaterialien, interne Kommunikation, Fern- oder Vor-Ort-Support, regelmäßige Management-Reports sowie Nachbesprechungen umfassen. Bischof: „Mit unseren Optimized Print Sevices machen wir Drucken für unsere Kunden so unkompliziert wie möglich und ermöglichen es ihnen, sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren.“

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Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Im Zentrum steht die Performance

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Die Optimierung von Geschäftsprozessen muss sich an der betriebswirtschaftlichen Perspektive orientieren.

Das grundsätzliche Ziel eines Business Process Managements (BPM) lautet, messbaren und nachvollziehbaren betriebswirtschaftlichen Nutzen zu stiften. Ein eher technisch angelegtes BPM, wie es die Anbieter von Anwendungslösungen verfolgen, dient dagegen primär der Konfiguration und Steuerung von Enterprise-Resource-Planning-Systemen.
Das ist fraglos eine wichtige Aufgabe, stellt für sich genommen aber noch keinen direkten betriebswirtschaftlichen Mehrwert dar. Erst der Kreislauf von Strategie, Implementierung und Controlling aus fachlicher Prozesssicht befähigt Unternehmen zur kontinuierlichen Anpassung an Marktveränderungen, Technologieentwicklungen und neuen Organisationskonzeptionen.

Unternehmenssteuerung
„In Zukunft wird sich der Prozessgedanke in den Unternehmen noch weiter verankern“, meint Wolfram Jost, Vorstand für die weltweite Produktstrategie und -entwicklung von IDS Scheer. „BPM wird zu einem wichtigen Teil der Unternehmenssteuerung. Die Verbindung von Business Intelligence und BPM erlaubt den Aufbau einer gänzlich neuen Generation von Führungs- und Steuerungssystemen für unterschiedliche Ansprüche der Fachnutzer und ist ein weiterer Beleg für die Innovationskraft, die aus Zusammentreffen von Technik und betriebswirtschaftlicher Organisationskonzeption resultiert.“


BPM für alle Mitarbeiter

Aber Geschäftsprozessmanagement ist nicht nur eine Sache für Experten, sondern muss für jeden Mitarbeiter eines Unternehmens zugänglich und bedienbar sein. Die Adaptierung von Internet-Community- oder Web-2.0-Techniken bietet hier eine große Chance. Ein Beispiel ist das neue Software-Tool Aris Mash Zone von IDS Scheer. Dieses Informationswerkzeug hilft Fachabteilungen, ohne Programmierkenntnisse Daten aus verschiedenen Quellen zu „mashen“ (mischen) und zu analysieren, etwa zur Auswertung von Marketing-Kampagnen.
Ein weiteres Beispiel ist Aris Rocket Search: In dieser webbasierten Suchmaschine für Prozessdaten muss nicht mehr mit dem vollständigen Namen des Suchobjektes gearbeitet werden; es reicht, die Beschreibung des Prozesses einzugeben. Mit jedem eingegebenen Buchstaben wird die Treffermenge weiter eingeschränkt. Aus der Suchmaske kann direkt zum entsprechenden Prozess oder Objekt gesprungen werden.
Mit der ersten kostenfreien BPM-Software Aris Express wiederum erhalten interessierte Fachanwender die Gelegenheit, schnell, einfach und ohne Investment erste Gehversuche in der Prozessmodellierung zu unternehmen. Werden professionellere Funktionalitäten benötigt, lassen sich die Arbeitsergebnisse problemlos an die Aris-Profiwerkzeuge übertragen. Und die neue Software zur Unterstützung der BPM-Governance hilft Fachabteilungen in Organisationen mit hohem BPM-Reifegrad, ohne Hilfe der internen IT die übergeordneten Management-Prozesse unkompliziert und effizient zu steuern. Für Wolfram Jost Beweise genug: „Auch nach 20 Jahren gibt es auf dem Feld des BPM reichlich Platz für Innovation.“

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Wenn es im Klingelbeutel scheppert

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Die Verzahnung von Religion und Wirtschaft ist komplex. Von der Kirchensteuer bis zur Einforderung eines religiös fundierten Wirtschaftsethos spannt sich der Bogen der Religionsökonomie.

Der Kirchenbeitrag, eine leidige Geschichte. Das sogenannte Kirchenbeitragsgesetz, nach wie vor die Haupteinnahmequelle der katholischen und evangelischen Kirche, geht in Österreich auf einen Beschluss der Nationalsozialisten für die „Ostmark“ aus dem Jahre 1939 zurück, der nach 1945 einfach in die österreichische Rechtsordnung überging. Hitlers Erbe also.
Allein für die Erzdiözese Wien betrugen die Einnahmen aus dem Kirchenbeitrag laut „Rechenschaftsbericht“ 2008 rund 93 Mio. Euro, dazu kamen neun Mio. Euro an „Staatsleistungen“ und sieben Mio. an sonstigen Einnahmen. Der reine Gehaltsaufwand für Personal (Priester, Pastoralassistenten und Pfarrpersonal) betrug mehr als ein Drittel davon. Weitere rund zehn Mio. Euro verschlangen Pensionsleistungen, Abfertigungsrückstellungen und Krankenkassenzahlungen. Zum Vergleich: Der Sachaufwand für die Caritas betrug 1,4 Mio. Euro. Steuerleistung der Diözese: null Euro.
Die Finanzierung von Religion ist ein so altes Feld wie die Religion an sich. Zugrunde liegt die Annahme, dass religiöse Handlungen als Dienstleistungen verrechnet werden können, worin sich die Religionsökonomie begründet. Man kann dies nun verwundert zur Kenntnis nehmen oder auch lapidar erkennen, dass es nichts umsonst gibt, nicht einmal das Seelenheil.
Religionsökonomie trieb bekanntlich zu früheren Zeiten ihre Blüten: Mit den sogenannten Ablasszahlungen konnten sich Gläubige von ihren Sünden freikaufen, und eine gierige und korrupte Kirche in der Renaissancezeit trieb dieses System mit dem Handel von Ablasszertifikaten auf die Spitze.
Heute beschreibt Religionsökonomie ein anderes und weitaus interessantes Feld, es handelt sich nämlich um die Verschränkung von Glaubenslehre und Wirtschaftswissenschaft. Der Bogen spannt sich von Grundprinzipien einer protestantischen Arbeitsethik bis hin zu religiös angehauchter Management-Literatur.
Protestantische Arbeits­ethik, das ist der Schweiß der Fleißigen. Die protestantische Arbeitsethik ist gekennzeichnet von der Vorstellung von Arbeit als Pflicht, die man nicht infrage stellen darf. Die Arbeit bildet den Mittelpunkt des Lebens, um den herum Freizeit gestaltet wird – eine Einstellung, die heute als Common Sense angesehen wird. Den Boden für die Auffassung der Arbeit als Selbstzweck führt der Nationalökonom Max Weber auf die Entstehung des Kapitalismus im 16. Jahrhundert zurück, die zeitlich mit dem Aufkommen des Protestantismus zusammenfällt.

Management und Religion
Lebensweisen und Verhaltensdispositionen haben die Mentalität und auf diesem Wege das Wirtschaftsverhalten in einem bestehenden Kulturkontext beeinflusst. Wie stark religiöse Ethik noch immer in Wirtschaftstheorien verankert ist, zeigen etwa bestimmte Ausformungen und Charakteristiken der Management-Lehre. In der Religions­ökonomie werden beispielsweise Definitionen von Managern als „Heilsbringer“, „Weltenordner“ und „Unternehmensretter“ untersucht – und damit ihre sinnstiftende Funktion für eine soziologische Entität, in diesem Fall ein Unternehmen und seine Angestellten.
Eine interessante Untersuchung dazu stammt vom britischen Autor Stephen Pattison, der meint, Manager seien die kulturellen Helden unserer Zeit geworden, die Übermittler von Werten und Ordnung. Er untersucht die Ethik dieser Manager, ihre Anforderungen, ihre Richtlinien und ihre Maßnahmen. Managertum von heute, so Pattison, habe die Formen eines religiösen Glaubenssystems angenommen, das sich in Sprache, Handeln und Führungsstil niederschlägt.
„Religion kann kognitive Orientierungen und emotionale Einstellungen zur Verfügung stellen, die es erlauben, angesichts des Unverfügbaren, des nicht Kontrollierbaren und nicht Steuerbaren doch so etwas wie Sinn und Ordnung in der Welt wahrzunehmen und auf spezifische Weise zu codieren“, versucht der Schweizer Theologe Markus Huppenbauer, den Zusammenhang zwischen Management-Theorie und Religion darzustellen.
Die Wirtschaftskrise hat die Theologen und Religionsvertreter aber nachdenklich gemacht. Eines der Resultate war die –nicht sonderlich folgenreiche –
„Erklärung zu einem globalen Wirtschaftsethos“ auf Betreiben des Theologen Hans Küng.
„Die Erklärung nimmt die Gesetzlichkeiten von Markt und Wettbewerb ernst, will sie aber zum Wohl aller auf eine ethische Grundlage stellen“, so Küng. Sie wurde am 6. Oktober bei einem Symposium im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York vorgestellt.

Eigene Verantwortung
„Globalisierung führt nur dann zu Wohlstand, wenn sich alle Menschen grundsätzlich aufeinander verlassen könnten“, ist eine der Thesen dieser Erklärung. Die Verantwortung für die Umsetzung des Wirtschaftsethos liege allerdings bei jedem Unternehmer, Investor, Kreditgeber, Mitarbeiter und Konsumenten selbst.
Kritiker meinen, dass Küng dabei allerdings im kirchlichen Arbeitsethos stecken bleibe und die Verantwortung, die er von den Wirtschaftsakteuren einfordere, dem immanenten Streben nach Gewinn, Vorteil und Mehrwert widerspreche und daher im Ansatz seines moralisch abstrakten Anspruchs stecken bleibe. Zwar gebe es wohl die Unternehmer mit sozialer Verantwortung alter Schule, dies jedoch von der globalisierten Wirtschaftswelt in all ihrer Komplexität und ihren abstrakten Finanzdienstleistungen einzufordern, bleibe Träumerei. Geist und Moral des Kapitalismus bleibe schlicht und einfach der Gewinn, nichts weiter. Sinn und Verantwortung einzufordern, bleibe vergebens.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

Der Schwindel mit dem Jakobsweg

Der Schwindel mit dem JakobswegPhotos.com

Roland Girtler: „Die katholische Kirche benötigte eine starke katholische Macht im nichtislamischen Teil Spaniens, um den Feind zu verjagen. Dazu bedurfte es eines prominenten Nationalheiligen, der den heiligen Krieg, den Kreuzzug, legitimierte. Einen solchen Heiligen fand man schließlich im Apostel Jakob.“

Jährlich gehen über 100.000 Menschen den Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Sie suchen religiöse, mystische oder auch schlicht nur persönliche Erfahrungen. Der Wiener Soziologe und Ethnologe Roland Girtler jedoch entlarvt den Pilgerweg als Propaganda-Mythos eines Kreuzzuges gegen Mauren, Juden und Ketzer.

economy: Sie üben heftige Kritik am Kult um den Jakobsweg. Warum?
Roland Girtler: Ich sage, dass das reine Geschichtsfälschung ist. Der Apostel Jakobus ist in Jerusalem enthauptet worden, sein Kopf wurde über die Stadtmauer geschleudert. Dubiosen Legenden zufolge soll sein Leichnam nach Spanien gekommen und in Galicien begraben worden sein. Dafür gibt es weder Beweise noch schlüssige Argumente.

Wie kam es dann zu dieser kultigen Pilgerbewegung?
Im Zuge der Völkerwanderung kamen etwa um 400 die Westgoten auf die Iberische Halbinsel. Um 710 kam es zu Thronstreitigkeiten, worauf der entmachtete Thronfolger Attila nach Ceuta an der nordafrikanischen Küste floh und sich Muslime, die kurz zuvor den Maghreb erobert hatten, als Verbündete suchte. 711 setzte ein muslimisches Heer nach Spanien über, schlug Roderich und seine Leute, und in der Folge eroberten die Muslime die gesamte Halbinsel.

Was damals ja ganz Europa in helle Aufregung versetzt hat.
Ja, denn die Mauren kamen bis zur Loire, wo sie allerdings 732 von den Franken entscheidend geschlagen wurden. Auch den Norden Spaniens mussten sie bald räumen, wo die christlichen Königreiche gegen sie mobilmachten. Deren Ziel war es, die Mauren, aber auch die spanischen Juden, die Sephardim, aus dem Land zu vertreiben. Damit begann die sogenannte „Reconquista“, die Rückeroberung des Landes durch die Christen. Aber auch schon dieser Ausdruck ist irreführend, denn niemals zuvor hatten die Christen Herrschaft über dieses Gebiet gehabt. Es war also keine Wiedereroberung, sondern einfach die nächste Eroberungswelle.

Trotzdem blieben die Mauren acht Jahrhunderte im Land.
Sie zogen sich aber bald in den Süden nach Andalusien zurück. Sie pflegten eine Ordnung der Toleranz, der Convivencia, des friedlichen Zusammenlebens aller Religionen. Synagogen und Kirchen blieben bestehen, daneben entstanden neue Moscheen. Alle Religionsgruppen konnten ihre Gesetze und Richter behalten. Die Juden hatten, im Gegensatz zu ihren Glaubensbrüdern im übrigen christlichen Europa, volles Bürgerrecht und konnten gemäß den mosaischen Gesetzen leben.

Und wann kam dann der heilige Jakob ins Spiel?
Die katholische Kirche benötigte eine starke katholische Macht im nichtislamischen Teil Spaniens, um den Feind zu verjagen. Dazu bedurfte es eines prominenten Nationalheiligen, der den heiligen Krieg, den Kreuzzug, legitimierte. Einen solchen Heiligen fand man schließlich im Apostel Jakob, von dessen Verehrung in Spanien man nachweislich bis in das 8. Jahrhundert nichts weiß. Die Figur des heiligen Jakob in Santiago de Compostela ist also mit purem politisch-katholischem Machtstreben verbunden.

Aber Jakob soll ja sogar Karl dem Großen im Traum erschienen sein?
Ausgerechnet Karl dem Großen, dem Verbreiter des Christentums mit kriegerischen Mitteln, soll Jakob im 8. Jahrhundert im Traum eine Sternenstraße gezeigt haben, die von Norddeutschland bis ins spanische Galicien führte; außerdem habe Jakob ihn aufgefordert, diese Sternenstraße und ganz Spanien von den Sarazenen zu befreien. Damit wurde der heilige Jakob zum Symbol des Kampfes gegen die Mauren. Da hat die Propagandamaschine der katholischen Kirche perfekte Arbeit geleistet. Heute wissen wir jedoch, dass alle einschlägigen Schriften, die vorgegeben haben, das zu dokumentieren, Fälschungen späterer Jahrhunderte sind. Tatsächlich benutzten dann Karls Truppen die alten römischen Heerstraßen, die in der Folge die Route des Jakobsweges bestimmten.

Der Apostel und Heilige wurde also gnadenlos in die Kriegspflicht genommen.

Der arme Jakob konnte sich ja nicht wehren. In vielen Propagandaschriften wurde er als Anführer der „militia Christi“ dargestellt, als Ritter, der in Gottes Kriegsdiensten steht. Später erhielt er sogar den Beinamen „Matamoros“, der Maurentöter. Jedenfalls regte diese Reklame die Pilger an, sich auf den Weg nach Santiago de Compostela zu machen und sich unter den Schutz dieses verwegenen Apostels zu stellen. Auf dem Höhepunkt des Jakobskultes, im 12. Jahrhundert, sollen jährlich 400.000 Pilger aus ganz Europa zum vermeintlichen Grab des Apostels gewandert sein.

Und der Kreuzzug hat sein Ziel letztendlich erreicht.
Ja, zwischen 1200 und 1492 ging’s da ziemlich rund. Im Namen des schuldlosen Jakobs wurden neben den Mauren auch gleich die Juden und die Ketzer als Feinde ausgemacht und vertrieben oder ermordet. 1232 wurde dafür eigens die unselige Inquisition geschaffen. Es wurde gegen die Juden gehetzt, es gab Pogrome. 1451 wurden die absolut rassistischen „Statuten der Blutreinheit“ erlassen, um auch die zum Christentum konvertierten Juden diskriminieren zu können. Unglaublich eigentlich, aber diese Statuten wurden in Spanien erst 1865 offiziell abgeschafft. Gleichzeitig massakrierte die Inquisition die Ketzer, die vom „wahren“ christlichen Glauben Abgefallenen. Die, die Glück hatten und nicht auf dem Scheiterhaufen landeten, mussten zur Strafe zum angeblichen Grab Jakobs wallfahrten, um ihre Sünden zu büßen.

Welches Fazit ziehen Sie aus dieser Tragödie?
Die Mauren und Sepharden lebten in Spanien eine großzügige Toleranz und eine hohe Kultur. Ihre Vertreibung bedeutete einen schmerzvollen Aderlass für Wissenschaft und Kunst. Das ist durchaus vergleichbar mit der Aushöhlung des österreichischen Geisteslebens in den 1930er Jahren, als die Juden gezwungen waren, vor ihren Verfolgern aus dem Land zu fliehen. Mit der Geschichte des heiligen Jakobs und des Jakobsweges verbinden sich von Anfang an Gewalt und Intoleranz, ebenso wie die Vertreibung und Vernichtung von Muslimen, Juden und Ketzern. Vielleicht gehen zukünftige Pilger den Jakobsweg auch mit diesen Gedanken.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009

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