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25. Juli 2024

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Das digitale Helferlein

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Bessere Zielorientierung durch Integration von Strategien, Geschäftsprozessen und Technologien.

Als Begriff führt Business Intelligence (BI) leicht in die Irre. Ist mit „Intelligence“ doch schließlich nicht die „Intelligenz“ gemeint, sondern die aus dem Sammeln und Aufbereiten erworbener Informationen gewonnenen Erkenntnisse. Im engeren Sinne bezeichnet BI lediglich die Methodik der Datenfassung. Erweitert fällt unter den Begriff die Gesamtheit von Manage­ment-Grundlagen wie etwa Wissensmanagement oder Customer-Relationship-Management.
Das Institut für Business Intelligence definiert den Begriff als Integration von Strategien, Prozessen und Technologien – mit dem Ziel, aus verteilten und inhomogenen Daten über Unternehmen, Markt und Konkurrenten Schlüsse hinsichtlich Potenzialen und Perspektiven zu generieren. Was die Lösungsanbieter anbelangt, so lässt sich beobachten, dass der Begriff BI oftmals inflationär verwendet wird. Es mangelt also am Markt weniger an Aufklärungsarbeit, sondern an einheitlichen Begriffsdefinitionen beziehungsweise Anbietern, die unter BI auch wirklich nur adäquate Produktlösungen anbieten.

Umfassende Analyse
Hinter dem Konzept der BI steht in der Praxis meist die Automatisierung des Berichtswesens. In den Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Systemen anfallende Unternehmensdaten werden genutzt, um unter unterschiedlichen Aspekten die Unternehmenssituation zu analysieren und entsprechende Schlüsse zu ziehen. Xerox bietet beispielsweise mit Docu-Share eine kollaborative Lösung für Unternehmen mit Funktionen für Dokumentenmanagement, Prüfung, Genehmigung und Web-Publishing. Gekoppelt mit Xe­rox-Multifunktionsgeräten, die über eine Scan-Funktion verfügen, stellt Docu-Share eine komplette End-to-End-Dokumentenmanagement-Lösung eines renommierten Unternehmens dar. Informationen können durch den Einsatz von Xerox-Multifunktionsgeräten darüber hinaus rasch aufbereitet und dargestellt werden. Firmen minimieren ihren Controlling-Aufwand durch den Einsatz von BI-Systemen, senken die Kosten und können Auswertungen dynamisch und ihren Anforderungen entsprechend gestalten. Daraus resultiert eine Produktivitätssteigerung. Ebenso wirken sich Performance und Sicherheit von geschäftsrelevanten Anwendungen auf die Prozesse aus.

Multifunktionale Geräte
Immer mehr Unternehmen aller Branchen und Größen setzen auf IT-basierte Business-Intelligence-Systeme. Xerox bietet zahlreiche Multifunktionsgeräte an, die der Business Intelligence Rechnung tragen.
Die serverbasierten Anwendungen lassen sich über das Bedienfeld des Multifunktionsgerätes aufrufen. „Durch den Einsatz innovativer Methoden ermöglicht Xerox Unternehmen, ihre dokumentenintensiven Prozesse zu vereinfachen und damit in weiterer Folge vorausschauendes Handeln und Planen zu erleichtern“, erklärt Sandra Kolleth, Director Large Accounts & Xerox Global Services Austria.

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Economy Ausgabe 73-05-2009, 29.05.2009

Der Griff in den Steuersäckel

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Die Korrektivkraft des Staates ist in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise das Gebot der Stunde. Welch ein Gegensatz zum finanzwirtschaftlichen Freidenken, das uns diese Misere eingebrockt hat.

Wer hätte das gedacht: Die USA verstaatlichen ihre großen Banken und Kreditinstitute, einflussreiche Riesenkonzerne betteln um Steuergeld, und plötzlich wird die Arbeitslosigkeit mit Deficit Spending der Regierung in Infrastruktur belebt. Eine Infrastruktur, der neoliberale Vorgängerregierungen gleichgültig gegenüberstanden, egal ob Brücken einstürzten, Wasserrohre bleiverseucht waren oder ganze Städte wie New Orleans nach Dammbrüchen absoffen.
Jetzt ist die Stunde des Staates gekommen. Er muss einen Abwehrkampf gegen die übelsten Auswüchse der Finanzkrise führen, bei der nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen wie Arbeitslosigkeit, Firmenzusammenbrüche und Kreditausfälle drastisch genug sind, sondern auch die enormen Folgekosten.
Diese „Reparaturzahlungen“ müssen durch Steuern aufgebracht werden, und die Gefahr der Überspannung der Möglichkeiten ist dabei sehr groß. Wo die Krise sinkende Steuerleistungen, explodierende Sozialkosten und schrumpfende Produktivität bedingt, muss umso mehr öffentliches Geld in die Hand genommen werden, um noch Schlimmeres zu verhindern. Je nach Schuldenlast einzelner Länder kann ein Staat daran auch bankrottgehen, wie man am Beispiel Islands bemerkt hat.
Die Frage ist: Wie weit soll der Staat in seinen Eingriffen gehen? Vor allem die reichsten Unternehmer entdecken jetzt die Annehmlichkeiten staatlicher Hilfen, etwa die deutsche Milliardärin Maria-Elisabeth Schaeffler, die sich mit der Übernahme des Autozulieferers Continental offenbar übernommen hat. Ihre Wunschvorstellung, als sie kürzlich im deutschen Bundeskanzleramt vorstellig wurde: eine Finanzspritze von einigen Mrd. Euro für Continental und dazu eine staatliche Beteiligung. Im Talon hatte sie das Totschlagargument von 200.000 gefährdeten Arbeitsplätzen.
Empörend für viele, nicht zuletzt auch für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Der Staat kann nicht jedes privatwirtschaftliche Fehlverhalten reparieren und die Zeche für riskante Unternehmensentscheidungen zahlen.“ Doch es bleibt nichts anderes übrig, als den Antrag zu „prüfen“, schließlich stehen bald Wahlen bevor. So könne man es als Großindustrieller natürlich auch machen, merken Kritiker süffisant an: eine Firma übernehmen, Tausende Leute anstellen, einen Konkurs riskieren und dann beim Staat die Hand aufhalten. So gesehen komme jenen Leute die Wirtschaftskrise wie gerufen.


Zahltag

Theoretisch handelt es sich bei staatlichen Finanzspritzen allerdings um Kredite oder Anleihen, die aus in Zukunft erwirtschafteten Gewinnen zurückgezahlt werden müssen. Wie das dann aussehen soll, ist meist noch unklar. Auch ist in manchen Fällen nicht auszuschließen, dass Staatsgeld in den Kanälen großer Firmenkonglomerate versickert, ein Grund, warum Merkel zu Recht zögert, die deutsche General-Motors-Tochter Opel mit Steuergeld aufzupäppeln. Es besteht nämlich die Gefahr, dass diese Milliarden umgehend im Detroiter Hauptquartier verpuffen, vor allem, wenn GM tatsächlich in der Insolvenz landen sollte. Aus demselben Grund zögert Schweden mit Staatshilfe für Saab.
Ein ähnlicher Fall ist Land Rover. Der Autohersteller bekam absurderweise mehrere Mio. Pfund von der britischen Regierung hingebuttert, obwohl das Unternehmen sich längst im Besitz der indischen Tata-Gruppe befindet. Diese kann sich nun freuen, dass der britische Steuerzahler die Arbeitsplätze im Land-Rover-Werk Liverpool abgesichert hat.
Zu guter Letzt wird es auch der italienischen Uni-Credit gefallen, dass die Bank Austria 2,7 Mrd. Euro aus dem österreichischen Steuersäckel zugeschossen bekommt. Theoretisch wird diese Staatsanleihe mit acht Prozent verzinst, doch der Verhandlungsspielraum ist bei Transaktionen dieser Größenordnung und den Tausenden Arbeitsplätzen, die auf dem Spiel stehen, zweifelsohne groß.
Die neue Sympathie für Staatshilfen hält vor allem auch die EU auf Trab: Die Brüsseler Behörden, die bislang jeden Zuschuss argwöhnisch unter dem Verdacht der Wettbewerbsverzerrung geprüft haben, kommen jetzt mit dem Bewilligen staatlicher Finanzspritzen gar nicht mehr nach. Zwar sind die Subventionsanleihen kräftig verzinst, sollte aber der Fall eintreten, dass das unterstützte Unternehmen seine Staatshilfen nicht bedienen kann, werden sich die Probleme zuspitzen. Denn die Staatshilfen enthalten in den meisten Fällen die Klausel, dass dem Staat in einem solchen Fall Anteile am Unternehmen übertragen werden, was einer Teilverstaatlichung gleichkommt und nichts anderes bedeutet, als schlechtem Geld weiteres hinterher zu werfen.
Die US-Regierung hat im Falle von General Motors eine Methode ausgearbeitet, um so etwas zumindest teilweise einzudämmen: Ein kontrollierter beziehungsweise „chirurgischer“ Konkurs könnte den Verlust von vielen Steuermilliarden und Arbeitsplätzen abwenden, wenn die nicht lebensfähigen Teile des Unternehmens abgespalten und in den Bankrott geschickt werden und die „gesunden Teile“ ihre staatlichen Kredite zurückzahlen.
Am Ende bleibt natürlich die Frage, wer das alles berappen soll. Schon stehen in Österreich weitere Steuererhöhungen im Raum, etwa in Form einer Vermögenssteuer. Müssen am Ende die Reichen zahlen, um die Misere auf dem Finanzmarkt, der sie reich gemacht hat, wieder auszubügeln? Allein die Vorstellung hat etwas von Gerechtigkeit an sich. Doch das war auf dem Finanzmarkt noch nie eine Kategorie und wird auch nie eine sein.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 26.05.2009

Termine

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• Kunst und Krise. Mit prominenten „Beratern“, dem Filmemacher Erwin Wagenhofer und dem Schriftsteller Ilija Trojanow, hat der Aktionsradius Wien ein Mai-Programm zusammengestellt, das einerseits unsere latente Lust auf Fantasie stimulieren soll und andererseits Nachhilfeunterricht in Sachen Funktionsweise der Marktwirtschaft und Ursachen der Weltwirtschaftskrise gibt.

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Economy Ausgabe 72-04-2009, 22.05.2009

Termine

Termine

• Marketing-Tag. Beim 4. Österreichischen Marketing-Tag am 14. Mai im Wiener Haus der Industrie werden die Begriffe Marketing, Vertrieb und Verkauf im Mittelpunkt stehen. Highlights: Bernd M. Michael, Präsident des Deutschen Marketing-Verbandes, eröffnet mit seinem Statement, dass man für gute Werbung auch gute Preise verlangen kann. Manfred Oschounig, Unternehmensberater, bricht in seinem Vortrag eine Lanze für messbares Marketing.

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Economy Ausgabe 72-04-2009, 12.05.2009

Grenzwertig im Grenzland

Grenzwertig im Grenzland

Wenn die EU ebenfalls das Ziel hat, die Provinzialisierung Europas zu beenden, Xenophobie zu überwinden und ein konfliktfreies, ja bereicherndes Nebeneinander von Kulturen und Nationen zu ermöglichen, dann ist sie an Kärnten grandios gescheitert. Wie die kürzlich abgehaltene Landtagswahl dort gezeigt hat, nehmen sich die Kärntner selbst nicht mehr ernst, und folglich ist ihnen auch die EU und alles andere egal. Das zeigt sich an folgenden erstaunlichen Phänomenen: Die Kärntner haben am 1. März 2009 einen Toten zum Landeshauptmann gewählt, denn der amtierende neue Landeshauptmann, die Ulknudel Gerhard Dörfler, ist ja nur eine Art lebender Platzhalter für den verunglückten Jörg Haider. Die Kärntner weigern sich weiterhin eifrig, ihren Horizont über die Gegend zwischen Alpenhauptkamm im Norden und Karawanken im Süden auszudehnen. So schön ist die Landschaft, dass das allein den Kärntnern genügt. Fast alles Nicht-Kärntnerische bleibt verdächtig, sei es Slowenien, Wien, Brüssel oder die Ostküste der USA. Seltsamerweise gilt Libyen dagegen als befreundetes Land. Misstrauisch, aber letztlich doch, nehmen die Kärntner jedes Jahr das Steuergeld in Empfang, das sie von der Bundesregierung als Finanzausgleich überwiesen bekommen. Denn schließlich muss man sich ja irgendwie solidarisch mit dem Rest der Welt zeigen.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Wohlstand und seine Vernichtung

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Der Finanzcrash hat viele Anleger und Spekulanten ordentlich ramponiert. Doch wo ist das Geld hin? Wurde es nur umverteilt oder bestand es schon vorher ohnehin nur auf dem Papier?

Das Schreckenswort des Jahres heißt „Wohlstandsvernichtung“. Es bedeutet, dass materieller Besitz, Kaufkraft, Anlagen und Ersparnisse durch zerstörerische Kräfte des Marktes an Wert verloren haben. So betrüblich dies für den Einzelnen ist, so schlimm ist es auch für die Gesellschaft. Weniger Wohlstand bedeutet ebenso weniger Steuerleistung, weniger öffentliche Investitionen, einen allgemeinen Rückgang der gesellschaftlichen Entwicklung, mehr Leistungsdruck, mehr Verdruss.
Der Wohlstandsverlust trifft jenen, der sich sein Erspartes ehrlich und eifrig erarbeitet hat, gleichermaßen wie jenen, der ihn sich durch Spekulation zugezogen hat. Dass jedoch der ehrliche Arbeiter nun die gleiche Risikoprämie im Verlust zahlen muss, ist eine weitere absurde Folgewirkung des Finanzcrashs.
Wenn an der Börse von „Wertvernichtung“ gesprochen wird, so ist dieser Begriff im Grunde irreführend. Die Wertfestsetzung von Aktien kommt immer durch konkrete Kauf- und Verkaufshandlungen zustande. Wenn also jemand eine Summe in einem Aktieninvestment verliert, so hat dieses Geld gleichzeitig jener verdient, der die Aktien rechtzeitig verkauft hat. Die Summe des Aktienspekulationsgeldes bleibt also immer gleich.

Refinanzierungen
Schwieriger wird es, wenn es um Buchwerte geht. Dabei handelt es sich um Werteinschätzungen, auf deren Basis andere Investitionsentscheidungen getroffen werden. Das können Beteiligungswerte in einer Unternehmensbilanz sein oder schlicht Immobilien, die für Refinanzierungen benutzt werden – das Übel, von dem alles ausging.
Die Spirale dieser Wohlstandsvernichtung ist bekannt: Jemand (ein US-Mittelständler) kaufte sich in den Boomzeiten des Immobilienmarktes ein Haus und erfreute sich an dem steigenden Immobilienpreis. Die höher bewerteten Häuser wurden häufig zur Refinanzierung (Belehnung eines Kredites) zum Erwerb einer weiteren, teureren Immobilie benutzt – es konnte ja nichts schiefgehen. Dabei wurden konkrete Werte zum Zeitpunkt eines gesunden Immobilienmarktes durch fiktive Buchwerte ersetzt. Das ging so lange gut, bis das System kippte. Die Nachfrage sank plötzlich, Kredite platzten, und Hausbesitzer schlitterten ins sogenannte Negative Equity: Ihre ausstehenden Kredite waren auf einmal weit höher als die geschrumpften Immobilienbewertungen. Käufer blieben auf mehreren fast wertlosen Spekulationsimmobilien sitzen und konnten sich am Ende nicht einmal mehr ihre eigene leisten. Wohlstand war vernichtet.

Monopoly-Kapitalismus
Zu Wohlstandsvernichtung statt der versprochenen Wohlstandsvermehrung hat aber auch der Monopoly-Kapitalismus der letzten Jahrzehnte geführt, dem wir die jetzige Wettwirtschaftskrise zu verdanken haben. Denn die ganzen Folgewirkungen wie höhere Steuerlast zur Reparatur der Staatsfinanzen, für Staatshilfen und Sozialleistungen sowie sinkende Einlagenzinsen beziehungsweise höhere Kreditzinsen sind längst da. Der Teufelskreis beginnt mit sinkender Kaufkraft gepaart mit Deflation und endet in einer neuen Bescheidenheit des Einzelnen.
In dem ganzen düsteren Bild stellt sich aber natürlich die Frage, wie man Wohlstand definiert oder was Wohlstand darstellt. Ist es, wie landläufig angenommen, materieller Besitz auf einem Niveau höher als der Durchschnitt, ist es die Abwesenheit von materiellem Mangel, und wie grenzt man Wohlstand von den Begriffen Lebensstandard und Reichtum ab?
Eine Orientierungshilfe für materiellen Wohlstand ist der sogenannte Engel-Koeffizient des deutschen Statistikers Ernst Engel. Er bemisst den Anteil des Einkommens, der von einem Individuum oder einem Haushalt für Lebensmittel ausgegeben wird. Je geringer dieser Anteil, desto höher der Wohlstand.
Dieser eher einfachen Berechnung stehen andere Indikatoren gegenüber, vom Big-Mac-Index bis zum Human-Development-Index oder zum Bruttonationalglück des Königs von Bhutan.
Im westlichen Wertesystem liegt allerdings immer noch die materielle Stellung im Sinne der persönlichen Kaufkraft als Wohlstandsindikator zugrunde. Das führt mitunter zu seltsamen Folgen wie zu einer Elitebildung der reichen Schichten, die nicht unbedingt einer Elite im gesellschaftlich-soziologisch wünschenswerten Sinne entspricht. Andererseits scheinen sich Menschen im westlichen Kulturkreis derart über Wohlstand zu definieren, dass der Verlust desselben zu Selbstzerstörungshandlungen wie Suiziden führen kann oder – erst kürzlich geschehen – zur Ausrottung von wohlhabenden Familien durch den Vater und Ehemann nach einem Bankrott von dessen Unternehmen.
Wohlstandsvernichtung muss also relativ gesehen werden. In nicht wenigen Religionen ist Anhäufung von Reichtum keineswegs gottgefällig oder einer erfüllten und frommen Lebensführung zuträglich. Buddhismus, Hinduismus und sogar der Islam achten die Armut; auch im Christentum ist Raffgier verpönt.
Im Englischen wird Wohlstand auch eher mit Überfülle (affluence), Prosperität (prosperity) und ökonomischer Vitalität gleichgesetzt als mit dem eher indifferenten, passiven deutschen Begriff.
Schlimm ist es allerdings, wenn auf den Turbokapitalismus der vergangenen Jahre die Turbowohlstandsvernichtung folgt. Denn dann ist der nächste Schritt zu einer Erosion der sozialen Sicherheit nicht mehr weit, und die folgenden Trümmer-Generationen werden sich nur mehr recht vage daran erinnern, was ihren Vätern einmal so vergleichsweise banale Sorgen gemacht hat.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Papa, der Bankomat

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Sparen oder kaufen? Der richtige Umgang mit Geld will gelernt sein.

Taschengeld stellt kein einseitiges Erziehungsmittel für schlechte Schulnoten oder ein unaufgeräumtes Zimmer dar. Vielmehr soll es Jugendlichen ab dem 9. Lebensjahr dazu dienen, den verantwortungsvollen, planenden Umgang mit Geld zu lernen. Die Höhe des Taschengeldes hängt selbstverständlich vom Einkommen der Eltern und der Anzahl der Geschwister ab, obwohl dies unter den Taschengeldempfängern kein wirklicher Diskussionspunkt ist. Sie zeigen sich durchwegs finanziell zufrieden, wie eine kleine Umfrage unter österreichischen Schülern ergab:

Anita Kapeller (14, Gymnasiastin): Ich bekomme sonntags zwei Euro pro Woche Taschengeld. Mein Papa sagt, ich krieg’ mehr, wenn ich mit Geld umgehen kann, aber ich kann es nicht. Wenn ich Geld habe, gebe ich es gleich für Schminksachen, Gewand oder „Converse“ (Markenschuhe, Anm. d. Red.) aus. Seit einem Monat spare ich auf ein neues Handy, aber eigentlich führe ich ein Leben des Wartens. Von Weihnachten bis Ostern. Und danach bis zu meinem Geburtstag. Da dienen mir meine Kärntner Großeltern mit höheren Geldbeträgen als Hauptsponsoren. Und wenn ich zwischendurch mal was fürs Kino benötige, zahlt’s eh auch der Papa.

Leni Nake (13, Gymnasiastin): Ich bekomme seit der 1. Klasse im Gymnasium fünf Euro im Monat und nächstes Jahr in der Oberstufe dann zehn. Das ist bei uns so gestaffelt. Meine studierende Schwester erhält noch mehr. Mein Taschengeld spare ich oder gebe es auch für Geburtstagsgeschenke für meine Freundinnen aus. Wenn ich meinen Opa treffe, gibt er mir meist auch was. Insofern bin ich ganz zufrieden, und wenn ich zusätzlich Geld benötige, muss ich nur meine Eltern fragen.

Luca Marcucci (18, Schüler der Tourismusfachschule): Ich habe bereits ein eigenes Konto, wo meine 30 Euro Taschengeld pro Monat raufgebucht werden. Zudem kriege ich zu Weihnachten und Ostern ebenso Bargeld. In den Ferien verdiene ich während meines drei Monate dauernden Berufspraktikums. Das meiste Geld gebe ich für Konzerte, Kino oder das Fortgehen aus. Da setze ich mir aber ein persönliches Limit, um den Umgang mit meinen Finanzmitteln zu lernen. Allerdings bekomme ich zusätzlich Essensgeld, von dem ich mir ebenfalls ein bisschen was zur Seite legen kann. Der Rest wie Kleidung oder Tennisspielen wird sowieso bezahlt.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Wenn die Gier sich selbst frisst

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Der globale Finanzcrash hat ein Schreckensszenario für alle Jünger des freien Marktes heraufbeschworen: Ist der Kapitalismus am Ende? Dreht sich die Geschichte zurück? Ist Geld am Ende gar ein Fetisch?

Die brennende Frage, wie die Finanzwelt der Zukunft ausse­hen wird, stellen sich heutzutage nicht nur verlustgeplagte Investoren, größenwahnsinnig gewordene Sparkassendirektoren und gerichtsanhängige Investmentbanker voller Sorge. Man ringt nun sogar schon nach Erklärungen abseits der üblichen Wege.
Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte in einer schwachen Minute öffentlich zugegeben, dass die marxsche Krisentheorie wohl doch nicht so gefehlt gewesen sei: „Gewisse Teile der marxistischen Theorie waren doch nicht so verkehrt. Ein maßloser Kapitalismus, wie wir ihn erlebt haben, mit all seiner Gier, frisst sich am Ende selbst auf.“
Steinbrück spielte damit auf den Zusammenbruch der US-Investmentbanken und dessen Folgen an: Die „Finanzarchitektur“ der Welt werde sich in Zukunft drastisch ändern, so Steinbrück. Und weiter: „Man muss aufpassen, dass der aufgeklärte Kapitalismus kein Legitimations-, Akzeptanz- oder Glaubwürdigkeitsproblem bekommt.“
Dass es schon längst so weit ist, zeigen Konsequenzen der Misere wie die ungewohnt gewalttätigen Ausschreitungen kürzlich beim G20-Gipfel in London, die Antikapitalismusdemonstrationen in zahlreichen Industriestaaten oder Einzelaktionen wie Geiselnahmen von Managern durch Angestellte in Frankreich, zuletzt bei Sony, Caterpillar und 3M, schön beschrieben durch das neue Modewort „Bossnapping“.
Auch in Österreich ist nichts mehr, wie es war, seit der ehrwürdige Herr Julius Meinl V. zumindest kurze Zeit gesiebte Luft im Wiener Häf’n atmen musste. Was wohl Marx dazu gesagt hätte?
Im Zeitalter des Neoliberalismus – der nun wirklich zu Ende ist, im Gegensatz zum Kapitalismus – war Marx ziemlich pfui. Abseits von den notorischen Lesezirkeln tauchte er höchstens hin und wieder in Management-Seminaren auf, wenn es um die volkswirtschaftlich-historische Bedeutung von Begriffen wie Produktivkraft (Produktivität) oder Mehrwert (Profit) ging. Ansonsten hatte er ausgedient, hingen doch viele Neoliberale dem dämlichen Diktum vom „Ende der Geschichte“ (dem Sieg des Kapitalismus) von Francis Fukuyama an, das sich im Gegensatz zu Marxens Analysten als atemberaubender Unsinn herausgestellt hat.

System aus den Fugen
Von wegen Ende der Geschichte. Wir erleben heute, was Marx vor rund 150 Jahren – unter anderen Voraussetzungen – vorhergesagt hat. Der Zwang des Kapitalismus zur Produktivität, zu Wachstum kann nur so lange gut gehen, solange genügend Konsumenten Waren und Dienstleistungen auch wirklich konsumieren. Sonst gerät das gesamte System aus den Fugen. Durch Rationalisierungen, technologischen Fortschritt und niedrigere Löhne sind die Konsumenten aber nicht mehr in der Lage, alles zu konsumieren, was die Wirtschaft bereitstellt, und das System kollabiert.
Addiert man zu diesen Bedingungen die heute wesentlich komplexere wirtschaftliche Realität mit ihrem Kreditwesen, der globalisierten Warenwirtschaft und der längst verselbstständigten Finanzwelt, verwundert es nicht, dass es ganz ordentlich kracht, wenn der Bogen einmal überspannt ist. Und wie vor jedem Höhepunkt einer Blase schwemmt es die ganzen übergeschnappten Handlungsträger hervor, die vom überspannten Kapitalismus der letzten Jahre schmarotzten, die Madoffs, die Lehman Brothers und eben auch die vielen Meinls dieser Welt.
Was den frohen Tagen folgt, ist ein Weltwirtschaftsgewitter, ein Zyklus der Reinigung, wie es ihn im Kapitalismus zwangsläufig immer wieder geben muss – auch das wusste Marx. Schlechte Zeiten also für abgehobene „Fat Cats“ wie einen General-Motors-Chef Rick Wagoner, für Heuschreckenfonds wie Cerberus, aber auch schlechte Zeiten für Millionen von Arbeitslosen, Sparern und Kleinanlegern.
Der große Irrglaube der Neo­liberalen war ja, dass die Ausformung einer alles dominierenden Finanzwirtschaft ein Fortschritt war. Das Gegenteil ist aber wahr: Von den Wall-Street-Haien der 1980er Jahre bis zu den modernen zerstörerischen Hedgefonds zog sich als einzige Moral die Gier nach Profit. Das als Fortschritt zu sehen, ist ziemlich banal. Und daraus Sprüche abzuleiten wie „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“, lässt auf die Schlichtheit des Wirtschaftskammer-Marketings blicken.
Wahr ist, dass diese Art von Wirtschaft, die die Welt fast in den Ruin getrieben hat, nur jenen genutzt hat, die schon völlig abgehoben von der produktiven Realität nur mehr mit dem Fetisch Geld jongliert haben. Genützt hat sie den Steuerhinterziehern, den Korrupten, den Selbstdarstellern und den ganz Schlauen. Repariert wird die Misere jetzt von allen Steuerzahlern mithilfe besonnener Ökonomen.

Lange Erholungsphase
Was kommt danach? Die Zyklenforscher des Kapitalismus gehen davon aus, dass sich ein Crash ungefähr in der dreifachen Anzahl der Monate, die es zum Verfall gebraucht hat, wieder erholt. In der derzeitigen Situation nehmen wir also die 18 Monate der Krise mal drei, was eine Erholungsphase von 4,5 Jahren ergibt. Geht man davon aus, dass die Krise Mitte 2009 ihren Boden erreicht, ist die Wirtschaft Ende 2014 wieder auf dem Stand von zuvor.
Doch die Vorzeichen werden nicht mehr dieselben sein: Der ungezügelte, unproduktive und zerstörerische freie Kapitalismus der Hochfinanz wird ein Ende haben, wenn auch nicht gleich. Steueroasen werden ausgedünnt, Kreditsysteme verbessert und Spekulanten gezügelt. Die Rückorientierung zu einer Wirtschaft, deren innerer Wert sich wieder auf Produktion von Waren und das Anbieten von Dienstleistungen besinnt statt auf das Jonglieren mit fiktiven Finanzwerten, wird reinigend wirken. Gleichzeitig verschafft sie den Produktivkräften der Gesellschaft wieder einen höheren Stellenwert, sprich: den Angestellten und Arbeitern und deren Interessen.

Aus für Neoliberalismus
Der Neoliberalismus hat versagt. Jedenfalls in dem Sinne, durch freie Wirtschaft eine freie und gerechte Gesellschaft zu schaffen. Gebracht hat er wirtschaftliche Anarchie, Privilegierung weniger auf Kosten der Mehrheit, die Herrschaft von Konzernen und Kartellen, Hegemonialkriege und soziale Ungleichheit mehr denn je. Neo­liberalismus bringt nicht im Geringsten eine funktionierende Wettbewerbsordnung hervor. Und GM-Boss Rick Wagoner nimmt 20 Mio. Dollar mit in die Rente.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

„Suchen Sie sich eine andere Bank“

„Suchen Sie sich eine andere Bank“Andy Urban

Die aktuelle Finanzkrise, die Rolle von Politik und Banken, eine drohende Konkurs- und Übernahmewelle bei österreichischen Unternehmen und das späte „Outing“ der österreichischen Banken: Klaus Perfall, Experte für Unternehmenssanierungen und -finanzierungen im Gespräch mit economy.

Internationale Ökonomen fantasieren über den Konkurs Österreichs. Heimische Ökonomen verweisen auf einen angespannten, aber grundsätzlich gesunden Staatshaushalt. Banken beteuern, es gebe keinen Rückgang bei Krediten. Unternehmen beklagen eine zunehmende Kreditklemme. economy holte die Erfahrungen von zahlreichen Unternehmen aus verschiedenen Branchen sowie die Sichtweisen der Banken ein und sprach mit Klaus Perfall, der als langjähriger Experte für Unternehmenssanierungen und -finanzierungen beide Seiten kennt.

economy: Herr Perfall, wo sehen Sie die Ursachen für die Finanzkrise?
Klaus Perfall: Ich habe es miterlebt, wie vor einigen Jahren ein hoher Politiker einem Bankvorstand fast wöchentlich vorgab, in den Osten zu investieren, um die einmalige Chance zu nutzen, dort als Erster möglichst viel Geschäft zu binden. Dies geschah so, dass die Kreditvergaben dieser Bank für österreichische Klein- und Mittelbetriebe geringer wurden und man auch die Bemühungen um einen Business-Kunden zurückschraubte. Die Gier im Osten war wichtiger, als die eigenen österreichischen Unternehmen mit deutlich kleineren Renditen ausreichend zu finanzieren. Einige Unternehmen mussten nach 20 Jahren Bankbeziehung ihre Projektkredite eben bei anderen Banken suchen oder konnten Projekte nicht durchführen.

Wie ist die aktuelle Entwicklung?
Jetzt ist Krise. Selbst einem Nichtbanker ist klar, dass das Islandfinanzdesaster viel weniger dramatisch für Banken war als das Ostengagement der Banken. Die Gefahr ist im Osten größer, das wurde aber heruntergespielt und mit der 50 Mrd.- Euro-Geldspritze gelindert.

Und durch die Staatsgarantien?
Ja, die Banken haben natürlich auch die von der Politik zur Verfügung gestellte Staatsgarantie in Anspruch genommen, damit das österreichische Bankensystem nicht instabil wird. Das ist auch für den Wirtschaftsstandort wichtig. Nebenbei sei bemerkt, dass die Staatsgarantie nicht von der Politik, sondern letztendlich von den Österreicherinnen und Österreichern selbst ist und natürlich auch von den Firmen, die aber trotzdem keine Kredite bekommen und weiterhin Arbeitsplätze in Österreich erhalten sollen.

Wie sollten die Bankgarantien gehandhabt werden?
Interessant ist die Frage, warum Banken Staatsgarantien aus Steuergeld erhalten und gleichzeitig Hunderte Beteiligungen halten, die mit dem Bankenwesen so gut wie nichts zu tun haben. Ein Unternehmen, das Liquidität benötigt und Beteiligungen besitzt, wird gezwungen, seine Beteiligungen außerhalb des Kerngeschäfts zu verkaufen. Bei den Banken passiert dies nicht. Es gibt auch keine Forderungen vonseiten der Politik. Steuergelder werden verwendet, noch bevor Banken den Verkauf dieser Beteiligungen heranziehen. Es stellt sich die Frage, ob Banken und Politik einander näher stehen als Banken zu ihren Kunden.

Kommen wir zur Problematik der Kreditklemme. Viele Unternehmen beklagen, dass die Banken trotz Staatsgarantien immer noch kein Geld geben. Die Banken behaupten das Gegenteil. Wer sagt nun die Wahrheit?
Anfangs hat die Politik noch geglaubt, dass mit dem ersten Bankenpaket die erste Kreditklemme im vierten Quartal 2008 gelöst würde – weit gefehlt. Die Kreditklemme ist bis heute nicht gelöst, sie hat sich noch verstärkt.

Aufgrund der Garantien sollte aber das Gegenteil der Fall sein. Also, warum?
Erstens benötigen die Banken die Garantien und die Liquidität selbst. Zweitens hat sich die Krise vom Bankensektor auf viele Wirtschaftssektoren verteilt. Eine Kreditprüfung bei einem durchschnittlichen mittelständischen Unternehmen stellt auf die Höhe des Eigenkapitals und auf die aktuelle und zukünftige Geschäftsentwicklung ab. Bei einer wirtschaftlichen Entwicklung wie in den letzten sechs Monaten ist bei gleichbleibendem Bewertungsmaßstab – zum Beispiel Basel II – automatisch die Konsequenz, dass oft kein Kredit mehr gegeben werden kann. Drittens sind die Risiken von Projektverkäufen gestiegen, weil einfach zu wenig Geld im Markt ist. Viertens ist es für eine österreichische Bank besser, die Moskauer Niederlassung eines österreichischen Unternehmens über ihre russische Banktochter mit 27 Prozent Zinsen zu finanzieren als von Österreich aus mit 8,5 Prozent.

Wie können sich Unternehmen dann helfen?
Wenn Unternehmen mit 30 Prozent Umsatzeinbrüchen kämpfen, ist das Risiko bei der Bewertung so hoch, dass dieses mit dem Eigenkapital des Unternehmens nicht immer abgedeckt werden kann. In der Krise sind Unternehmen zudem Restrukturierungen unter hohem Zeitdruck ausgesetzt, Kapazitäten- und Personalabbau sind Zusatzbelastungen, die neben den teilweise drastisch sinkenden Umsätzen bei sinkenden Margen zu bewältigen sind.

Dann bleibt also nur Konkurs oder die Suche nach privaten Investoren?
Es ist klar, dass nicht jedes Unternehmen diese Bewältigung alleine schaffen wird, die Mitarbeit der Betriebsräte und ein Investor werden dann zum Erhalt des Unternehmens benötigt. Ein Investor hat in Krisenzeiten eine Menge guter Möglichkeiten und kann sich seine Projekte aussuchen. Das Angebot ist sehr hoch, und es gibt nun interessante Unternehmensbeteiligungen zu kaufen, die vorher nie zur Disposition standen.

Übernehmen Investoren somit die Rolle von Banken?
Der Investor wird nur dann investieren, wenn das notwendige Sanierungskonzept und die Redimensionierung machbar sind und die Betriebsräte keine Forderungen stellen, die das Investment infrage stellen. Am Ende ist es doch besser, 70 Prozent des Personals weiterzubeschäftigen, als ein Konkurs des Unternehmens mit Totalverlust der Arbeitsplätze. Solche Investitionen sind deshalb interessant, weil Unternehmen aktuell bis zu 80 Prozent des Vorjahreswertes eingebüßt haben und daher sehr billig sind. Da die Krise nicht ewig dauern wird, ist im Weg aus der Krise eine hohe Unternehmenswertsteigerung mit der damit verbundenen Rendite zu erreichen.

Wie lange dauert die Krise noch?
Ich glaube, dass die Talsohle noch nicht erreicht ist. Die Bilanzen 2008 sind ja nur mit dem letzten Krisenquartal belastet, das 1. Halbjahr 2009 wird hier mehr und genauere Aussage bringen, und genau diese Information warten Investoren ab. Urlaubsgeld und Sommerloch werden ab August noch höheren Druck auf die Unternehmen bringen, sodass ab September 2009 mit einer Konkurs- und Übernahmewelle zu rechnen ist. Hier wird aus meiner Sicht auch der Tiefpunkt der Krise sein.

Kommen wir zurück zu den Banken: Sollte es im Gegenzug zu den Staatshaftungen stärkere Auflagen seitens der Politik geben?
Banken sollten nicht gezwungen werden, Projekte zu finanzieren, die mäßige Erfolgsaussichten zeigen. Es gibt eben in einer Krise in der Anzahl weniger gute Projekte. Es ist aber umso wichtiger, dass Projekte mit hoher Erfolgsaussicht finanziert werden müssen, denn diese Projekte dienen der Stützung der österreichischen Wirtschaft und der Arbeitsplatzsicherung.

Dann passt also doch alles?
Nein. Allen Beteuerungen zum Trotz ist Geld für Unternehmen immer schwieriger zu bekommen. Wenn es gelingt, die Bank zu überzeugen, müssen für Kredite immer höhere Zinsen bezahlt werden. Das geht wiederum auf das Unternehmensergebnis. Die Unternehmen müssen durchwegs mit stark gestiegenen Kreditmargen bei sämtlichen Finanzierungen, mit höheren Erfordernissen für Sicherheiten und mit Druck in Richtung kürzere Laufzeiten kämpfen. Die Konsequenzen sind teils dramatisch: Projekte sind nur bedingt und, wenn überhaupt, mit geringerem Gewinn möglich, geplante Investitionen müssen aufgeschoben werden. Manche Unternehmen haben Aufschläge auf den Marktleitzins Euribor von bis zu fünf Prozentpunkten. Mangels fehlender Alternativen werden dann oft härtere Konditionen akzeptiert, um Projekte überhaupt durchführen zu können.

Wie sollten Staatsgarantien Ihrer Meinung nach gehandhabt werden?
Weitere Garantiepakete des Staates sind unter besonderer Behutsamkeit zu managen. Die Garantien dürfen nicht versickern und zum Löcherstopfen verwendet werden, sondern vorwiegend denen zugutekommen, die Ideen gegen die Krise liefern und umsetzen. Es wäre besser, das 100 Mrd.-Euro-Bankenpaket und das darin enthaltene Zehn-Mrd.-Euro-Industriepaket in eine Staatsholding einfließen und durch unabhängige Prüfer verwalten zu lassen, nicht von derselben Institu­tion, die auch die Banken prüft. Dies würde dem Garantiepa­ket höhere Symmetrie zwischen Industrie und Banken bringen und für einen effizienten Weg aus der Krise führen. Man soll sich halt neben dem Gedanken der Bankenrettung auch mit dem Gedanken tragen, wer Beschäftigung bringt und die vielen Arbeitslosen wiederbeschäftigen wird oder die, die jetzt noch einen Job haben, weiterbeschäftigt.

Nicht kreditwürdig

Aus Gesprächen mit Unternehmen, mit deren Steuerberatern, mit Bankmitarbeitern und mit der Grünen Wirtschaft sind die folgenden Beispiele ausgewählt. Die angeführten Fälle spiegeln ausnahmslos die in allen Gesprächen geschilderte Situation wider. economy hat bewusst Unternehmen ausgewählt, die nicht aus den Risikobranchen (laut Banken Autoindustrie, Zuliefer­industrie und Baubranche) kommen. Jeder Fall betrifft eine inländische Bank, welche die Staatsgarantien in Anspruch genommen hat. Um die Situation für die betroffenen Unternehmen nicht zu verschärfen, führen wir keine Namen an.

• Anna B., freiberufliche Grafikerin
Die Kleinstunternehmerin ist seit 21 Jahren Kundin bei ihrer Bank und seit vier Jahren erfolgreich selbstständig. „Als ich fix angestellt war, hatte ich einen Finanzierungsrahmen von 6000 Euro. Obwohl ich als Unternehmerin von Anfang an deutlich mehr verdient habe und das kontinuierlich steigern konnte, wurde mir der Rahmen nun auf 1500 gekürzt. Begründung sind die schwankenden Eingänge und die Wirtschaftskrise. Manche Kunden zahlen nach zwei Wochen, manche aber erst nach zwei Monaten. Wie ich neue Arbeitsgeräte anschaffen soll oder Vorauszahlungen an Sozialversicherungsanstalt und Finanzamt leisten soll, weiß ich nicht. Mein Bankbetreuer meint, ich sei derzeit nicht kreditwürdig.“

• Modegeschäft mit zwei Mitarbeitern
Der Kleinbetrieb in Salzburg hat einen Jahresumsatz von 250.000 Euro. Zweimal pro Jahr erfolgt der Wareneinkauf, wofür das Unternehmen jeweils rund 40.000 Euro benötigt. Um die Waren fristgerecht bezahlen zu können, wurde von der Hausbank bis dato immer ein Kontokorrentkredit gewährt. Nun wurde der Kreditrahmen um zwei Drittel gekürzt. Die Bank ist der Meinung, dass die Eigenkapitaldecke zu gering ist. Eine unbelastete Eigentumswohnung spielt keine Rolle. Ergebnis: große Probleme bei der Zwischenfinanzierung der Wareneinkäufe.

• Tischlerei mit acht Mitarbeitern
Der Familienbetrieb in zweiter Generation lebt von vielen kleineren Aufträgen und macht seit Jahren Gewinne. Vor drei Jahren wurde modernisiert und neue Maschinen angeschafft. Seitdem läuft ein großer Investitionskredit neben einem Kontokorrentkredit und zwischendurch nötigen Bankgarantien für Lieferanten. Nun wurde das Unternehmen aufgefordert, „das Risiko zu reduzieren“ und sich „zu entscheiden, was am wichtigsten ist.“ Man „könne ja Geld auch bei Verwandten leihen oder diese ersuchen, bei der raschen Rückzahlung des Kredites zu helfen.“ Auch die Kreditversicherung der Tischlerei hat unlängst mitgeteilt, dass das Volumen für die Versicherung größerer Aufträge im Vergleich zum Vorjahr reduziert werden muss.

• Dachspenglerei mit 60 Mitarbeitern
Das mittelständische Unternehmen ist ein Familienbetrieb in zweiter Generation in Wien mit einem Jahresumsatz von 4,5 Mio. Euro und seit 30 Jahren Kunde bei ein und derselben Bank. Auftraggeber sind unter anderem große Gemeinden und Kommunen. Aufgrund sehr langer Zahlungsfristen im öffentlichen Bereich benötigt das Unternehmen regelmäßige Zwischenfinanzierungen. Trotz vorliegender Auftragsbestätigungen wurden nun keine neuen Kreditrahmen gewährt. Die Begründung der Bank: zu geringe Eigenkapitalausstattung, auch öffentliche Auftraggeber können von der Krise betroffen sein, und interne Vorgaben bezüglich Rating und Bewertung im Zusammenhang mit Basel II.

• Franchisebetrieb mit 80 Mitarbeitern
Das mittelständische Unternehmen im Weinviertel ist seit sechs Jahren erfolgreich als Franchisenehmer im Gastronomie- und Restaurantbereich mit einem Jahresumsatz von 4,1 Mio. Euro tätig. Für Umbau und Ausweitung eines bereits eingeführten Standortes wurde von der langjährigen Hausbank nun kein Kredit gewährt, obwohl vom Franchisegeber eine (zeitlich befristete) Förderung für die anteilige Übernahme der Kreditzinsen vorliegt. Begründung: mangelnde Besicherung und Vorgaben der Kreditabteilung.

Banken
In dieser Geschichte war selbstverständlich auch Platz für Reaktionen und Sichtweisen der Banken vorgesehen. Nach Anfragen bei den Pressestellen von Bawag, Bank Austria, Erste, Raiffeisen und Volksbank zeigt sich aber die platzsparende, weil einstimmige Antwort: „Es gibt keine restriktive Kreditvergabe und schon gar keine Kreditklemme.“

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Exzellenzbemühung mit Warteliste

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Der Europäische Forschungsrat vergibt jedes Jahr eine Milliarde Euro für exzellente Grundlagenforschung. Nicht jeder Sieger bekommt Geld. Doch Nutzen zeigen die Preise mitunter auch ohne Finanzierung.

Österreich hat seine Titel- und Preisträger bekanntlich besonders lieb. Das schließt auch Wissenschaftler nicht aus. Wenn jene unter rot-weiß-roter Flagge EU-Gelder nach Hause holen, werden sie bei Galaempfängen geehrt und mit Sonderbriefmarken bedacht.
Auch von Silke Bühler-Paschen, Leiterin des Instituts für Festkörperphysik an der Technischen Universität (TU) Wien, gibt es eine Sonderbriefmarke. Die Physikerin ging bei der Ausschreibung zum Advanced Investigators Grant des Euro­pean Research Council (ERC) siegreich hervor. Die Belohnung: zwei Mio. Euro verteilt auf fünf Jahre, um Teilverhalten am absoluten Nullpunkt und damit zusammenhängend eine neue Ener­gieskala zu erforschen. Über das Ansehen des Preises hierzulande freut sie sich. „Ich weiß aber nicht, ob das auch in anderen Ländern so viel gilt“, lenkt Bühler-Paschen ein.
Falko Netzer, Professor am Institut für Experimentalphysik der Technischen Universität Graz, hat zwei bis drei Monate Arbeit in seinen ARC-Antrag gesteckt. Der erfolgreiche Zuschlag bedeutet für ihn, bis zu sieben Forscher beschäftigen und sein Thema – Nanostrukturen in Reaktion mit Sauerstoff – kräftig vorantreiben zu können. Die Auszeichnung kommt für Netzer einer „Art Wittgensteinpreis“ gleich: „Man ist damit unter den top fünf oder zehn Prozent der europäischen Forscher.“

Wider die Abwanderung
Mit der Schaffung des ERC rang sich die EU erstmals dazu durch, dem Brain Drain, der aussichtsreiche Wissenschaftler insbesondere in Richtung USA treibt, ansehnlich dotierte Forschungsförderungen entgegenzusetzen. Mit den Preisen Starting Independent Researcher Grant und der Version für international etablierte Forscher, dem Advanced Investigators Grant, wurden ausbaufähige Strukturen geschaffen. Bei den Ausschreibungen sind auch Wissenschaftler außerhalb Europas willkommen. Ausgegeben muss das Geld der personenbezogenen Preise freilich in Eu­ropa werden. Erste – wenngleich vorsichtige – Erfolge gibt es bereits zu verzeichnen: Insgesamt sechs Advanced-Gewinner kommen mit ihrem Preis in die EU, drei darunter, so vergisst das ERC nicht herauszustreichen, sind US-Amerikaner.

22 Räte, 27 Staaten
Der Europäische Forschungsrat gilt als Etappensieg gegen den oftmals für typisch gehaltenen Proporz in der Union. Ernst-Ludwig Winnacker, seit Anfang 2007 Generalsekretär des ERC, nennt die Anzahl der wissenschaftlichen Räte als Argument, dass die Exzellenz der Anträge entscheide und sonst nichts: 22 Forschungsräte aus derzeit 16 Ländern gibt es, jedoch 27 EU-Staaten. Ein Schlüssel, wonach etwa EU-Nettozahler mehr bekommen, existiert nicht.
Verteilt wird jährlich eine Mrd. Euro. Bis 2013 sollen es laut Präsident Fotis Kafatos 1,7 Milliarden sein. Danach erwartet er sich eine geradezu sprunghafte Erhöhung, sodass bis 2020 in etwa das Budget der National Institutes of Health (NIH), der größten Forschungsförderungsstelle für Lebenswissenschaften in den USA, erreicht wird. Noch sind die Unterschiede allerdings augenfällig. Immerhin verteilen die NIH derzeit an die 30 Mrd. Dollar pro Jahr.
Das siebente Forschungsrahmenprogramm hält Bühler-Paschen, etwa im Vergleich zu den Ausgaben für Landwirtschaft oder Straßenbau, für unterdotiert. „Größere Sorge bereitet mir aber, dass zu viel Geld in der Administration verschwendet wird“, so die Wissenschaftlerin. Kritik, die viele Forscher ins Treffen führen: Der geradezu berüchtigt hohe Verwaltungsaufwand rund um EU-Projekte lässt die Fördergelder schmelzen.

Exzellente Wartelisten
Die Preise des ERC sind heiß begehrt. Beim ersten Aufruf zu den Starting Grants etwa – derzeit geht die Frist der zweiten Runde zu Ende – gab es mehr als 9000 Einreichungen und vorerst nur Geld, um 200 Zuschläge zu finanzieren. Der hohe Konkurrenzdruck hat dabei nicht immer sein Gutes. „Da ist dann schon ein bestimmtes Maß an Willkür dabei“, sagt Nanoforscher Netzer. Angesichts des großen Andrangs würde es manchmal genügen, wenn einem einzigen Gutachter etwas nicht gefiele. Weitere 229 Jungforscher erfüllten zwar die Exzellenzkriterien, stehen aus Geldmangel aber auf der Warteliste. Einige Staaten sind daher dazu übergegangen, ihre Kandidaten auf nationaler Ebene zu finanzieren, und können auf diese Weise zumindest die Kosten für die wissenschaftlichen Gutachter sparen.
Frank Verstraete, Professor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation an der Universität Wien, steht auf der Warteliste. Die Exzellenzkriterien des Starting Grants erfüllt sein Antrag, Bescheid über eine Finanzierung gibt es noch keinen. Und Österreich ist keines der Länder, das beim ERC leer ausgegangene Sieger automatisch finanziert. Die Tendenz scheint eher umgekehrt.
„Der FWF möchte sich Geld sparen“, vermutet Netzer. So werden Bewerber der mit 1,5 Mio. Euro dotierten Jungforscherförderung „Start“ angehalten, den Antrag auch beim ERC einzureichen. „Im Falle der Zuerkennung beider Förderungen sollen die Start-Preismittel größtenteils zurückgelegt und die Förderung im Rahmen des ERC in Anspruch genommen werden“, führt Mario Mandel vom Wissenschaftsfonds aus.
Trotz allem ist Quantentheoretiker Verstraete überzeugt, dass Finanzierungen derzeit in Europa leichter zu bekommen sind als in den USA. Insgesamt freut sich der Forscher über den „Luxus“, dass überhaupt Geld in Grundlagenforschung investiert würde: „Immerhin handelt es sich dabei um eine längerfristige Verpflichtung“, schmunzelt er. Die Auszeichnung des ERC zeige bereits Nutzen für ihn – trotz fehlender Finanzierung: Der Preis verbessert die Sichtbarkeit innerhalb der wissenschaftlichen Community. Verstraete: „Das ist das Who’s who europäischer Forscher. Und das ist fast noch wichtiger als Geld, weil es gute Studenten anzieht.“

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

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