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25. Juli 2024

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Globale Forschungsstätte

Globale Forschungsstätte IST Austria

Das Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg nimmt zunehmend Gestalt an. Ein hochkarätig besetztes Team internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen sowie eine erstklassige Infrastruktur sollen den Forschungsstandort Österreich in Zukunft nachhaltig stärken.

Die Argumente, die Haim Harari, Olaf Kübler und Hubert Markl in ihrem Bericht für die Gründung eines österreichi­schen Institute of Science and Technology im Juni 2006 hervorbrachten, haben auch fast drei Jahre später nicht ihre Gültigkeit verloren: „Wissenschaftliche Forschung ist seit jeher eine lohnende intellektuelle Tätigkeit. In den letzten Jahrzehnten ist sie darüber hinaus jedoch auch zu einem entscheidenden wirtschaftlichen Vorteil geworden. Die nachhaltige Entwicklung der Menschheit hängt heute von erfolgreichen Forschungsinitiativen ab, die auf Leistungen höchster Qualität in der Grundlagenforschung zurückgehen. Aktuelle Entwicklungen in der europäischen Forschungspolitik, angestrebte Erhöhungen der österreichischen Forschungsausgaben und andere globale Trends, einschließlich der Erweiterung der Europäischen Union in Mittel- und Osteuropa, schaffen eine einzigartige Gelegenheit für die Errichtung eines neuen, führenden österreichischen Instituts für Grundlagenforschung, das auf einer Vielzahl von Forschungsgebieten tätig ist.“

Forschung aufgenommen
Mittlerweile ist das Institute of Science and Technology Austria, kurz: IST Austria, Wirklichkeit geworden. Angesiedelt nahe der Wiener Stadtgrenze im niederösterreichischen Klos­terneuburg, soll die wissenschaftliche Einrichtung künftig ein attraktives Umfeld für herausragende Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt bieten.
Hauptaufgabe ist es, wissen­schaftliche Grundlagenforschung auf höchstem Niveau zu betreiben. Darüber hinaus wird das IST Austria eigene PhD-Programme einrichten und über ein Promotionsrecht verfügen. Bereits im August des Vorjahres wurde der wissenschaftliche Betrieb aufgenommen. Nick Barton, ein international anerkannter Evolutionsbiologe (siehe Seite 9), hat zu diesem Zeitpunkt mit seiner Gruppe Räume auf dem Campus bezogen. Im Februar dieses Jahres veröffentlichte er seine erste Studie als Professor von IST Austria in der renommierten Fachpublikation Genetics.
Im Herbst werden weitere theoretische Wissenschaftler mit ihren Gruppen starten. Entsprechende Werbungsgespräche laufen derzeit erfolgreich, im Sommer 2010, also wenn die Bauarbeiten an den Labors fertiggestellt sein werden, können dann auch experimentelle Gruppen ihre Arbeit aufnehmen. „IST Austria bekennt sich zu einem graduellen Wachsen des wissenschaftlichen Betriebs. Es ist ein Prozess, kein punktueller Start“, erklärt Oliver Lehman, Sprecher von IST Austria, die grundsätzliche Strategie. Geplant ist, Aktivitäten in verschiedensten Forschungsfeldern zu beginnen, wobei diese von Anfang an interdisziplinär ausgerichtet sein sollen und die Zusammenarbeit von Forscherinnen und Forschern verschiedenster Disziplinen bedingen.

Bauphase abgeschlossen
Im Dezember des Vorjahres wurde der erste Präsident des Institute of Science and Technology Austria bestellt. Der Computerwissenschaftler Thomas Henzinger wird darüber hinaus aber auch mit einer eigenen Forschungsgruppe als Wissenschaftler tätig sein. Bis Ende Mai will man die erste Bauphase abgeschlossen haben. Diese begann im Winter 2007 mit dem Abbruch von 17 der insgesamt 33 Gebäude des ehemaligen Landeskrankenhauses. Weiters erfolgten eine Neukonstruktion der Infrastruktur, die Renovierung des Zentralgebäudes mit Büros für Wissenschaftler in theoretischen Fächern und der Administra­tion sowie der Neubau der Vortragshalle.
Anfang Juni wird der Spatenstich für das erste Laborgebäude stattfinden. Im Sommer 2010 soll dieses fertiggestellt und bezogen werden. Finanziert wird das IST Austria aus Mitteln des Landes Niederösterreich und des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (BMWF).
Seitens des BMWF werden bis zum Jahr 2016 in Summe 195 Mio. Euro bereitgestellt, weitere 180 Mio. Euro kommen vom Land Nieder­österreich.

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Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Finanzkrise als Motor für Wissenschaft

Finanzkrise als Motor für WissenschaftAndy Urban

Alexander Stomper: „Es gab eine Menge warnender Stimmen der Wissenschaft vor der Krise. Das Problem ist, dass die Wissenschaftler von den Politikern nicht gehört wurden.“ Der Wiener Finanzwirt sieht die österreichische Situation stark von Osteuropa abhängig, die Auswirkungen lassen sich im Moment noch nicht abschätzen.

Die Finanzwirtschaft steht ganz im Zeichen der weltweiten Finanzkrise. Eine Reihe von Österreichs Finanzinstituten befand sich am Rand des Abgrunds. So entging die Constantia Privatbank nur knapp einer Insolvenz, indem sie von fünf Großbanken aufgefangen wurde. Die Kommunalkredit musste zu ihrer Rettung verstaatlicht werden. Auch die großen heimischen Häuser haben zu kämpfen. Nicht umsonst wurde ein 100-Mrd. Euro-Bankenhilfspaket im Herbst vom Nationalrat verabschiedet. Angesichts der angespannten Lage befragte economy zwei Wiener Finanzwirte über Hintergründe, Auswirkungen und künftige Forschungsschwerpunkte, aber auch die Rolle der Wissenschaft im Vorfeld der Krise sowie den Status der Wiener Finanzwirte.

economy: Herr Dockner, Sie waren 15 Jahre am BWZ, dem Betriebswirtschaftlichen Zentrum der Uni Wien, tätig und sind seit 2008 am Department für Finanzwirtschaft und Rechnungswesen der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Was hat Sie dazu bewogen?
Engelbert Dockner: Einerseits natürlich die Herausforderung, an einem großen Department zu arbeiten. Andererseits die Kollegen, mit denen interessante Forschungskooperationen möglich sind, die auch in der gemeinsam mit dem IHS (Institut für Höhere Studien, Anm. d. Red.) und der Uni Wien geführten Doktoratsschule realisiert werden. Da haben wir im Moment eine Gruppe von 18 Doktoranden.

Ist es nicht so, dass die WU bei Maturanten die erste Wahl ist, wenn es darum geht, Wirtschaft zu studieren?
Alexander Stomper: Ich glaube, es kommt sehr darauf an, über welche Studenten man redet. Viele entscheiden danach, wen sie kennen und wo diese Leute studieren. Am BWZ hat sich eine Gruppe mit einem sehr starken Osteuropa-Fokus gebildet. Das ist sicher eine Stärke des BWZ. Ich selbst habe übrigens auch am BWZ studiert.

Das BWZ erhält mit Gyongyi Loranth im Herbst eine neue Professorin für Finanzwirtschaft, die von der Judge School of Business in Cam­bridge nach Wien wechseln wird. Sehen Sie da eine neue Ära für das BWZ?
Alexander Stomper: Das ist jetzt jedenfalls einmal ein starkes Zugpferd und ein vielversprechender Neuanfang. Es ist auch eine gute Gelegenheit für eine neue Generation nach dem Abgang von Professor Dockner und Professor Zechner. Wenn man sich aber ansieht, wie groß ein Department in Nordamerika ist – und ich habe ja auch eine Stelle am MIT –, muss man sagen, dass keines der Departments in Wien letztlich groß genug ist, um international mitzuspielen. Daher haben wir die Vienna Graduate School of Finance gemeinsam gegründet.

Engelbert Dockner: An unserem kleinen Institut am BWZ konnten wir uns nur auf die betriebliche Finanzwirtschaft, also Corporate Finance, konzentrieren. Das ist nur ein Teil­aspekt der Finanzwirtschaft. An der WU haben wir den Vorteil, neben Corporate Finance auch Schwerpunkte im Asset Management, Banking und bei Versicherungen im Risiko Management setzen zu können.

Alexander Stomper: Am BWZ sehe ich eine gute Chance in der Interaktion zwischen der Finanzwirtschaft und der Ökonomie. In Wien gibt es einen Mangel an Leuten im Bereich Macro Finance. Die Krise demonstriert jetzt ganz deutlich, wie wichtig dieser Bereich ist.

Engelbert Dockner: Ich sehe falsche Anreizsysteme als wesentlichsten Grund, warum die Krise entstanden ist beziehungsweise dieses Ausmaß erreicht hat. Manager haben wegen ihrer Entlohnungssysteme überproportional Risiko genommen, weshalb viele Finanzinstitutionen in dieser Krise sind.

Alexander Stomper: Wobei das auch eine Regulierungsfrage ist. Es war eine Risikokultur da, die unzureichend von der Regulierung begrenzt wurde.

Engelbert Dockner: Verschärft wurde die Situation durch intransparente Produkte wie etwa Kreditderivate.

Hätte die Wissenschaft nicht schon lange die drohende Krise erkennen müssen?
Alexander Stomper: Es gab eine Reihe von Arbeiten, etwa von den beiden Stanford-Professoren DeMarzo und Duffie, die in einer Studie genau dargelegt haben, wie die Sekurisierung (Umwandlung von Hypothekenforderungen in handelbare Kapitalmarktinstrumente, Anm. d. Red.) von Hypothekarkrediten zu erfolgen hat. Es gab auch eine Menge warnender Stimmen. Bob Shiller, Professor an der Yale University, hat lange vor der Krise gesagt, dass die Immobilienpreise in Amerika zu hoch sind.

Wie sehen Sie die Stellung Östereichs in der Krise?
Alexander Stomper: In Österreich kommt die Krise über die Rezession in Osteuro­pa herein. Die Auswirkungen lassen sich im Moment noch sehr schwer abschätzen, daher brauchen wir Makro­ökonomen. Finanzwirtschaftlich sind wir ein Land, das stark über Bankkredite finanziert wird, wo es wenig Eigenkapitalkultur gibt. Das wird sich ändern müssen.

Engelbert Dockner: Was mich an der heimischen Diskussion stört, ist die negative Einstellung gegenüber Kapitalmärkten. Diese Märkte übernehmen zwei wichtige Funktionen. Sie transferieren Risiken und stellen Preise für Risiken in Form von Kursen zur Verfügung. Risikotransfer ist für jeden Unternehmer wichtig. Ein kleiner Tischler, der einen Londoner Auftrag in Pfund fakturieren soll, hat ein Wechselkursrisiko, das er auf dem Kapitalmarkt weitergeben kann.

Führt die Krise zu einer Belebung der Finanzwissenschaft?
Alexander Stomper: Es gibt jetzt sicher viele Papers zur Bankenkrise, zur Liquidität und Regulierung. Wir haben aus der Krise auch gelernt, dass der Informationsaustausch zwischen Banken, Aufsichtsinstitutionen und der Wissenschaft unbedingt verstärkt werden muss.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Ausgezeichneter Partner der Banken

Ausgezeichneter Partner der BankenBilderbox.com

Banken stehen im internationalen Wertpapiergeschäft permanent unter Druck. Hohe Kosten, steigende Transaktionszahlen, wachsende Anforderungen an die Flexibilität bei der Einführung neuer Produkte sowie gesetzliche Rahmenbedingungen und rechtliche Richtlinien erfordern leistungsfähige und hoch integrierte Software-Lösungen.

Der effektive Einsatz moderner Software im Wertpapiergeschäft ist für die angeschlossenen Geldinstitute von strategischer, existenzieller Bedeutung. Der Marktdruck – erzeugt durch die stetig steigende Zahl von Marktteilnehmern und ständig sinkende Margen bei gleichzeitig teils drastisch erhöhtem Transaktionsaufkommen – zwingt zur Rationalisierung. Hierzulande haben Kreditinstitute auf derartige Entwicklungen reagiert, indem sie nicht auf die bis 1998 im Einsatz befindlichen „Insellösungen“ beharrten, sondern unisono auf eine Gemeinschaftslösung setzten.
In Österreich daheim, in Deutschland, Irland und der Schweiz vertreten, schreibt die Software Daten Service (SDS), Tochtergesellschaft der T-Systems Enterprise Services, seit mehr als einer Dekade eine Erfolgsgeschichte und sieht langfristig ihre Wachstumsmärkte in Osteuropa, Südostasien und im arabischen Raum. Das Unternehmen, auf die Entwicklung von Banken-Software, vor allem im Bereich der Wertpapierabwicklung für den internationalen Markt spezialisiert, hat sich mit dem mehrfach und in unterschiedlichen Disziplinen mit dem weltweit renommierten Swift Ready Gold Securities Settlement Label ausgezeichneten Geos (Global Entity Online System) als Marktführer in Österreich und erfolgreicher Marktteilnehmer in Deutschland etabliert. Geos, made in Austria, gilt Kennern in Osteuro­pa, im arabischen Raum und in Fernost als beste Wertpapierabwicklungssoftware überhaupt.

Evolutionäre Entwicklung
Europaweit wickeln derzeit über 600 Privatbanken, Sparkassen, Raiffeisen- und Volksbanken ihr Wertpapiergeschäft über Geos ab. In Österreich beträgt der Marktanteil rund 85 Prozent. Auch in Deutschland laufen jährlich über 50 Mio. Trades über Geos. „Speziell in diesen bewegten Börsenzeiten zeigt sich, dass die Entscheidung für Geos mit seinem hohen Automationsgrad eine zukunftsweisende Lösung für starke Auslastungsschwankungen ist“, erläutert Josef Abentung von der Drei-Banken-Gruppe, bei der Geos erstmals implementiert wurde.
Das Wertpapiergeschäft hat sich in den letzten zehn Jahren wie keine andere Sparte innerhalb der Banken entwickelt. „Bereit sein ist viel, warten können ist mehr, den rechten Augenblick nützen ist alles“, sinnierte Arthur Schnitzler. „Geos entstand zum richtigen Zeitpunkt mit höchster Qualität“, betont Geschäftsführer Helmut Saueregger und verweist auf ein Produkt, in dessen Entwicklung 2000 Mannjahre stecken. In der Tat: Für die Euro-Einführung, die Jahrtausendwende, die EU-Richtlinie Mifid und viele andere Anforderungen mehr wurden von Experten enorme Umstellungskosten prognostiziert und sind vielfach auch tatsächlich entstanden. „Mit Geos“, so Saueregger, „wurden diese Veränderungen mit vergleichsweise moderatem Aufwand gemeistert. Geos ist ein Standardprodukt, das völlig ident an alle Kunden ausgeliefert wird, das heißt, es gibt keine kundenspezifischen Versionen. Wir haben uns 2002/2003 dazu entschieden, keine Versionsbrüche zu haben. Die Entwicklung des Straight-Through-Processing-Produktes ist evolutionär, es ist immer garantiert, dass das nächste Release mit dem davor im Betrieb befindlichen kompatibel ist und unterbrechungsfrei migriert werden kann.“
Die eklatanten Unterschiede in den Prozessen und im Wertpapiergeschäft der Banken werden in Geos, einem Produkt mit außergewöhnlich hoher Einsatzdauer, über Parametrisierung abgebildet. Es werden nicht die Codes, sondern die Einstellungen im System geändert. Das Erfolgsrezept lautet Mandantenfähigkeit. Das bedeutet, die Abbildung einer beliebigen Anzahl von Mandanten, unabhängig von ihrem Standort, inerhalb einer Installation. Die einzelnen Mandanten bilden autonome Einheiten, die über spezielle Funktionalitäten durch einen Servicemandanten mit einer Reihe von Serviceleistungen versorgt werden können.
„Die Krise führt dazu, dass wir viele Chancen haben. Die Banken müssen auf zwei Dinge achten. Erstens die Senkung der Kosten bei der Abwicklung, insbesondere, wenn man international tätig ist. Wir unterstützen das, indem wir mannigfaltige Cross-Border Shared Services erbringen. Und zweitens das Operational Risk. Jede fehlgeleitete Order bedeutet ein gewaltiges Risiko, das man nur durch Automatisierung in den Griff bekommen kann. Und das ist genau, was Geos auszeichnet, es minimiert dieses Operational Risk“, so Saueregger.

Aus Österreich für die Welt
Zur SDS-Kernstrategie gehört die Core-Local-Trennung und Komponentenbildung. Mit Weitblick bauten die 160 Entwickler – insgesamt beschäftigt das Unternehmen 200 Mitarbeiter – zwischen 2004 und 2008 Geos auf Komponententechnologie um und sind heute in der Lage, die Software international als Standardprodukt auszuliefern, das kunden- und länderspezifisch erweitert werden kann. Geos ist Teil einer Gesamtlösung und wird durch Dienstleistungen und ein „Face to the Customer“ vor Ort ergänzt. Die fest fokussierte Internationalisierung wird im aktuellen Release-Jahr mit der Unicode-Zeichenkodierung konsequent forciert. Mit dem Add-on Nostro betreibt SDS im Umfeld von Geos funktionale Diversifizierung. Weiters sind Kooperationen mit Implementierungs- und Solution-Partnern geplant, die bereits über lokale Präsenzen verfügen.
Auch architektonisch hat SDS eine bewegte Geschichte hinter sich: Ehedem hoch im Wiener Millennium Tower, residiert der Software-Spezialist seit 2006 gemeinsam mit T-Systems und T-Mobile Austria standesgemäß in der futuristischen Konzernzentrale am Rennweg. In 20 Meter Tiefe befindet sich dort eines der größten und modernsten Rechenzentren Europas.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Wirtschaftsmotor braucht den Ölwechsel

Wirtschaftsmotor braucht den ÖlwechselPhotos.com

So klar Öl das Schmiermittel der Weltwirtschaft während der letzten Jahrzehnte war, so sehr hat sich die Situation durch die Wirtschaftskrise verändert. Doch die dominante Rolle des Rohstoffs Öl scheint unverrückbar.

Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Außer dem Benzinpreis natürlich, der dank Besteuerung nach wie vor weltweit bis auf wenige Ausnahmen unangenehm hoch ist. Doch abgesehen davon: Die Nachfrage nach Öl, dem bei Weitem tonangebenden Rohstoff der globalen Ökonomie, durchläuft derzeit eine Krise wie noch nie zuvor.
Zum einen hat dies mit der verrückten Preisentwicklung im vergangenen Jahr zu tun. Der absolute Spitzenwert von 147 Dollar pro Barrel im Juli 2008 brachte zwar einen unglaublichen Geldsegen für die Förderstaaten, war jedoch über alle Maßen unzuträglich für die ökonomische Gesundheit der Preisentwicklung.
Verstärkt wurde dies noch dadurch, dass Investment-Häuser wie Goldman Sachs damals einen Anstieg des Ölpreises „in den nächsten zwei Jahren“ auf 200 Dollar prognostizierten. Auch Spitzenmanager wie Wolfgang Ruttenstorfer von der OMV tönten: „Ich glaube nicht mehr, dass der Ölpreis unter die Marke von 80 bis 100 Dollar pro Fass fallen wird“, ganz abgesehen von Matthew Simmons, Ex-Regierungsberater von George W. Bush, der seinen Chef wahrscheinlich damit indirekt in dessen Ölkriege getrieben hat und felsenfest einen Ölpreis von 200 Dollar „für 2009, 2010 oder 2011, so genau kann ich es nicht sagen“ prophezeite.

Opec verhindert Abrutsch
Alles Blödsinn. Öl notiert derzeit je nach Sorte knapp über 50 Dollar und ist damit gegenüber seinem Höhepunkt Mitte vorigen Jahres um fast zwei Drittel gefallen, und nur Interventionen der Opec (Organisation erdölexportierender Länder) verhinderten, dass der Preis weiter bis unter die 30-Dollar-Marke abrutschte.
Die Nachfrage nach dem schwarzen Gold befindet sich heute also in einem völlig neuen Kräfteparallelogramm als noch vor knapp einem Jahr: Einerseits drückt die Weltwirtschaftskrise enorm auf die Nachfrage, andererseits zwingt die wirtschaftliche Situation führende Industrieländer buchstäblich zu Alternativen zum Öl. Überkapazitäten bauen sich in den Lagern auf, die Diskrepanz zwischen Fördermenge und Nachfrage schrumpft deutlich.
Die Internationale Energie­agentur hat in ihrem vor Ostern veröffentlichten Ölmarktbericht darauf hingewiesen, dass die reichen Industrieländer heuer um fast fünf Prozent weniger Öl verbrauchen werden als 2008 und Schwellenländer den ersten Nachfragerückgang seit 15 Jahren verzeichnen. Somit sei mit einer Steigerung des Ölpreises nicht zu rechnen, jedenfalls nicht, bevor die Kontraktion der Weltwirtschaft gestoppt sei und sich die Nachfrage wieder erhole, was sicherlich nicht vor 2010 der Fall sein werde.
Die Energieexperten merkten auch an, dass die Rolle der Opec deutlich geschwächt sei, weil nämlich trotz der „beispiellosen“ Drosselung der Ölförderung seit September 2008 der Preis nicht wie üblich wieder spürbar stieg.
Die Opec, die sich der Problematik zwischen Nachfragerückgang durch die Wirtschaftskrise und einer erzwungenen Steigerung des Ölpreises durch Maßnahmen des Kartells wohl bewusst ist, hat angedeutet, vorläufig keine weiteren drastischen Kürzungen vorzunehmen, um der Weltwirtschaft Zeit zu geben, sich wieder zu erholen. Würde aber weiterhin weniger gefördert, stünden zukünftige Investitionen in die Ölförderung auf dem Spiel, stellt Saudi-Arabiens Ölminister Ali Al Naimi die Rute ins Fenster. Dies würde eine starke Preissteigerung von Öl nur zeitlich verschieben und diese dann schlimmstenfalls mit der Erholung der Weltwirtschaft kollidieren.

Treibstoff für Wachstum
Al Naimi malte ein drastisches Bild: Öl sei auch in Zukunft der Treibstoff für die wachsenden Ökonomien der Welt, und ein Umschwung zu alternativen Energieformen sei „verfrüht und katastrophal“. Verbraucherländer würden die Instabilität der weltweiten Ener­giemärkte provozieren, wenn sie versuchen, ihre Abhängigkeit von Öl zu reduzieren, argumentierte Al Naimi. Sie würden sich „unrealistische Vorstellungen von den Möglichkeiten
alternativer Energieformen“ machen, die sie zumindest in den kommenden Jahren als Ergänzung, aber nicht als Substitut für Öl sehen sollten.
Wenn nämlich für die künftige Ölförderung und -suche keine Investitionen mehr möglich seien, würde man einen Versorgungsengpass bei Öl „eher früher als später“ zu spüren bekommen, und das wäre für eine noch schwächelnde Weltwirtschaft fatal.
Ganz können Marktexperten diese Meinung nicht teilen, da der Nachfragerückgang tatsächlich nachhaltiger sein dürfte, als es der Opec gelingt, ihre Überkapazitäten abzubauen. Im Idealfall, so Energiemanager am Rande der Opec-Konferenz Ende März in Wien, könnte es zu einer sanften beiderseitigen Entspannung über die nächsten Jahre kommen.
Der große Unsicherheitsfaktor ist allerdings jener, der schon im letzten Jahr den Ölpreis in lichte Höhen getrieben hat: Spekulanten, die offenbar in der Hoffnung auf eine gute Wette schon wieder auf den Zug aufspringen, was sich auch daran zeigt, dass die Preise für fast alle wichtigen Rohstoffe seit April wieder anziehen. Das Problem: Eine solche Entwicklung lässt auch die Importpreise der Industrieländer steigen und könnte eine zarte Erholung der Wirtschaft wieder dämpfen.
Um konkrete Prognosen abzugeben, steht die gesamte Weltwirtschaft derzeit aber noch auf zu wackligen Füßen. Die großen Ökonomien brauchen Zeit, um die eingepumpten Milliarden ihrer Nationalbanken in Produktivität umzusetzen.
Erst dann wird man sehen, was der Ölpreis machen wird. Bis jetzt ist der Markt noch von Nervosität geprägt. Allerdings hat sich die Grundstimmung jüngst von Verzweiflung in zarte Hoffnung verwandelt.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Othmar Karas: Verlustbeteiligung für Manager

Othmar Karas: Verlustbeteiligung für ManagerC. Neuhold

Othmar Karas bleibt – trotz Ernst Strasser. Der in Finanzfragen einflussreiche Europaparlamentarier über Julius Meinl V., neue europäische Regeln für Banken und Manager sowie seine privaten Aktienverluste.

„Ich bleibe“, sagt Othmar Karas am Ende eines langen Gespräches über windige Manager, den Umbau des Kapitalismus und neue europäische Kontrollen für den Finanzmarkt. Er wirkt aufgekratzt an diesem Vormittag im Wiener Café Eiles. Es liegt wohl an den Gerüchten, wonach er alles hinschmeißen wollte, nachdem ihm seine Partei für die EU-Wahlen wieder einmal ein „Zugpferd“ vor die Nase gespannt hat. Diesmal wird er also hinter Ernst Strasser die Nummer zwei geben. „Ja, ich hab’ kurz überlegt, wie ich darauf reagiere. Aber ich bin noch nie davon gelaufen“, sagt Karas, grübelt kurz und empfängt den nächsten Interviewpartner.

economy: Ein paar Hundert Meter von uns entfernt kommt Julius Meinl V. gerade gegen eine Kaution von 100 Mio. Euro frei. Was halten Sie von ihm?
Othmar Karas (nach einer langen Pause): Ich kenne ihn, er war nie eine sehr nahbare Person. Ich kenne seine Geschäftspraktiken nicht, aber es ist ein enormer Aufklärungsbedarf gegeben. Wobei es in der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht nur um den Herrn Meinl geht. Es haben sich in der globalen Finanzwelt Dinge entwickelt, Derivate etwa, die nicht kontrolliert und geregelt waren. Es gibt viele weiße Flecken auf der Finanzmarktlandkarte, die wir möglichst rasch erschließen müssen.

Manager wie Meinl werden derzeit geprügelt, aber haben nicht auch Europa-Politiker wie Sie Mitschuld, die rein dem Markt vertraut und auf wirksame Regeln verzichtet haben?
Wenn Sie das so fragen, ist jeder in einer Form mitverantwortlich. Aber fürs EU-Parlament kann ich sagen, dass wir in den letzten Jahren viele Anträge für mehr Regulierung gestellt haben. Vieles wurde noch nicht umgesetzt, weil das Bewusstsein fehlte. Viele haben gemeint, alle offenen Fragen regelt der Markt. Die Sichtweise hat sich geändert.

Ihre Fraktion im EU-Parlament, die Konservativen, war Garant für die neoliberale Politik der letzten zwei Jahrzehnte.
Der neoliberale Kurs ist ein angelsächsischer, nicht ein europäischer. Ich bin Anhänger der sozialen Marktwirtschaft. Es braucht so viel Markt wie möglich und so viel Regelung wie notwendig. Der Markt hat soziale und ökologische Verantwortung, ist Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck. Viele Praktiken und Finanzprodukte, die aus Amerika kamen, haben wir in Europa einfach übernommen. Wir sind selbst maßlos und grenzenlos geworden. Jetzt ziehen wir die Lehren daraus.

Was ist vom Europäischen Parlament zu erwarten?
Ich verhandle gerade über eine europäische Finanzmarktaufsicht. Diese sollte so wie Zentralbanken aufgebaut sein. Das heißt, die nationalen Aufsichtsbehörden arbeiten in einer europäischen Holding zusammen.

Mit eigenem Hauptsitz und Chef wie bei der EZB mit Jean-Claude Trichet in Frankfurt?
Ja, es muss eine letzte Instanz geben, die entscheidet, wenn es Streitigkeiten gibt. Die Aufsicht sollte bis 2011, 2012 stehen.

Bis jetzt haben Aufsichten wenig verhindert.
Es fehlten die Kompetenzen und die Regeln etwa für Hedgefonds und Private Equity (Risikokapital, Anm. d. Red.). Bei den Hedgefonds gibt es 27 verschiedene Regelungen, einheitliche Regeln werden die Transparenz enorm erhöhen. Außerdem haben wir Rating-Agenturen, die nicht registriert und kontrolliert sind.

Wird Spekulation durch diese neue Aufsicht eingedämmt?
Selbstverständlich. Uns sollte nichts mehr durch die Lappen gehen. Jedes Produkt muss kontrolliert und genehmigt werden. Klar ist aber auch, dass nicht alle Finanzprodukte gleich geregelt sein werden. Es wird risikoreichere, sicherere Produkte geben. Der Punkt ist: Wie schaut der Grad an Transparenz aus, wie ist die Information des Kunden?

Wie soll Europa künftig mit seinen Banken umgehen?
Wir legen fest, dass Banken künftig nur Großkredite vergeben dürfen, die maximal 25 Prozent des Eigenkapitals der Bank ausmachen und bei kleinen Banken maximal 150 Mio. Euro pro Kredit. Außerdem muss bei Krediten, die über Verbriefungen innerhalb der Banken weitergegeben werden (Stichwort: Credit Default Swaps, Anm. d. Red.), ein Selbstbehalt von fünf Prozent in den eigenen Büchern behalten werden. Das heißt, ein Teil des Risikos bleibt. Damit setzt man sich intensiver mit dem Risiko auseinander. Ich wollte höhere Selbstbehalte für schlechte Kredite, aber das wäre kompliziert gewesen, deswegen haben wir uns auf einen Einheitssatz von fünf Prozent geeinigt. Manche wollten 15 Prozent. Aber wir wollten den Verbriefungsmarkt, der zu einem funktionierenden Bankensystem gehört, nicht abwürgen. Der ist derzeit ohnedies tot.

Soll es neue Vermögenssteuern zur Finanzierung der Krise geben, etwa eine Devisentransaktionssteuer?
Das sehe ich nicht in der Pipeline. Das muss, wenn, auf globaler Ebene kommen. Österreich fordert die Tobin Tax ja. Aber wir haben hier zwei Probleme: Wird sie in Europa oder global erhoben? Was geschieht mit dem Geld? Die einen sagen, es soll in die Dritte Welt fließen, andere wollen es für die EU-Kasse oder gleich an die Mitgliedsstaaten zurücksenden. Das ist kein konkretes Projekt.

Zu den Manager-Gehältern: Soll deren Höhe begrenzt werden?
In dieser Frage bin ich dagegen, direkt einzugreifen. Das sind privatrechtliche Verträge. Mein Ansatz ist: Dort, wo es Boni gibt, muss es auch eine Verlustkomponente geben. Und die Basis für die Berechnung (von Bonus oder Malus, Anm. d. Red.) muss verlängert und verbreitert werden. Das heißt, es zählt bei der Berechnung nicht nur die Entwicklung des Aktienkurses, sondern auch der Gewinn des Unternehmens. Dann zählt der unternehmerische Wert wieder.

Und der Manager geht, bevor die Zeiten schlechter werden.
Die Verantwortung würde es trotzdem erhöhen. Außerdem kann ich im Vertrag ja ganz auf ein Anreizsystem verzichten.

Letzte Frage: Hatten Sie je Meinl-Aktien?
Nein, ich habe keine Einzelaktien. Ich habe zwei Fonds für die Altersvorsorge, die beide verloren haben.

Clemens Neuhold , Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Der Kredit klemmt, die Konjunktur auch

Der Kredit klemmt, die Konjunktur auchAWS

Unternehmen klagen über eine Kreditklemme, dennoch steigt die Kreditvergabe der Banken. Grund des Paradoxons: Geld von der Börse ist ausgetrocknet, die Großen weichen auf Banken aus, die Kleinen bleiben über.

Es gibt eine Kreditklemme. Es gibt doch keine Kreditklemme. Seit Monaten klagen Unternehmer, dass sie keine Kredite bekommen, Kreditlinien gekürzt, hohe Sicherheiten gefordert, Kreditbedingungen verschärft werden (siehe Interview auf den Seiten 4 und 5).
Doch die österreichischen Banken weisen eine Kreditklemme weit von sich. Eine Statistik der Oesterreichischen Nationalbank scheint den Banken auf den ersten Blick recht zu geben: Kredite für Unternehmen stiegen 2008 um 7,3 Prozent – das ist mehr als 2007, wo sie um 6,5 Prozent zugelegt hatten. Nach den letzten verfügbaren Daten für Februar 2009 betrug das Kreditwachstum noch immer 6,9 Prozent.

Börsenklemme
Doch ein neuer Bericht der Nationalbank zeigt, dass die von Unternehmen „gefühlte“ Kreditklemme tatsächlich existiert. Korrekterweise sollte sie wohl „Finanzierungsklemme“ – oder vielleicht „Börsenklemme“ – heißen. Die Unternehmen haben derzeit einen Finanzierungsengpass, weil andere Finanzierungsmöglichkeiten wie Aktienemissionen oder die Begebung von Unternehmensanleihen aufgrund der Finanzkrise im Vorjahr gegen null tendierten. 2007 hatten sich die Unternehmen (ohne Finanzinstitute) noch 8,4 Mrd. Euro an der Wiener Börse geholt, 2008 waren es nur mehr 0,4 Mrd. Euro. Unternehmen, die in den vergangenen Jahren vielfältige Möglichkeiten der Fremdfinanzierung genutzt hatten, waren 2008 plötzlich wieder auf Bankkredite angewiesen, weil die Börsen eingebrochen waren. Doch die Börsen waren eingebrochen, weil weltweit die Banken angesichts faul gewordener Credit Default Swaps und anderer fantasievoller Finanzinstrumente von Krise zu Krise
torkelten.

Liquiditätsklemme

Als nach dem Zusammenbruch der US-Investment-Bank Lehman Brothers Mitte September 2008 die große Vertrauenskrise unter den Banken ausgebrochen war und der Kreditmarkt daraufhin fast zum Erliegen kam, schnürten Regierungen in aller Welt Bankenpakete und Konjunkturpakete sonder Zahl.
Die österreichische Regierung kündigte im Dezember vergangenen Jahres an, mit einer „Mittelstandsmilliarde“ den Finanzierungsnöten der kleinen und mittleren Unternehmen gegenzusteuern. Eines der Instrumente dazu sollte die staatliche Förderagentur Austria Wirtschaftsservice (AWS) sein, deren diverse Förderinstrumente – etwa zinsgünstige ERP-Kredite und staatliche Kreditgarantien – erweitert wurden. Das Fördervolumen der AWS sollte um 100 Prozent auf 1,8 Mrd. Euro steigen, die Anzahl der Förderfälle von 5300 auf rund 9700 erhöht werden.
Das hat alle Seiten erfreut. Für etwas Aufregung hat allerdings gesorgt, dass das AWS künftig Kredite auch eigenständig vergeben können soll statt ausschließlich in Zusammenarbeit mit Banken. Auch wenn der Betrag von 200 Mio. Euro jährlich, den das AWS an Krediten ausschütten soll, angesichts des gesamten Kreditvolumens von 135 Mrd. Euro von Banken an (nichtfinanzielle) Unternehmen ein Klacks ist. Und diese Direktkredite noch lange nicht fließen. Denn erst muss die Finanzmarktaufsicht die Bankkonzession gewähren, und dann muss sich AWS bei der Europäischen Investitionsbank refinanzieren. Dennoch agierten manche Banken anfangs so, als ob die Förderagentur eine echte Konkurrenz wäre: „Wer bei uns keinen Kredit bekommt, rennt nun zum AWS“, lästerte ein Banker.
Was von AWS-Geschäftsführer Johann Moser sogar bestätigt wird. „In der Anfangsphase war das so“, sagt Moser. „Wenn ein neues Instrument angekündigt wird, sagen sich die Leute: ‚Das probiere ich aus.‘ Doch die Projekte, die bei Banken nichts gekriegt haben, kriegen auch bei uns nichts. Wir prüfen sehr genau.“

Nachfrageklemme
Einen großen Zulauf verzeichnet das AWS bei Mikrokrediten von 10.000 bis 30.000 Euro. Mit 50 Mio. Euro ist dieses Kreditprogramm für kleine Unternehmen dotiert. Drei Monate nach dem Start liegen bereits Anträge für 6,5 Mio. Euro vor.
Für die Finanzierung von Großprojekten gehe das Interesse aber zurück. Moser führt das auf die Probleme im Realsektor zurück, die immer offensichtlicher werden. „Ein gescheiter Unternehmer investiert nicht wegen der Förderung, sondern weil er einen Markt hat. Wenn der Markt aber bis zu 40, 50 Prozent einbricht, dann werden viele geplante Investitionen nicht getätigt, sondern verschoben.“ Moser rechnet damit, dass das bei vielen größeren ERP-Krediten der Fall sein könnte.
Hat nun also das AWS genug Geld zur Kreditgewährung, oder könnte man mehr brauchen? „Wir haben eine zusätzliche Milliarde, die wir unter die Leute bringen können. Ich bin mir aber nicht sicher, ob wir das alles schaffen“, sagt Moser.

Konjunkturklemme
An den Konjunkturmaßnahmen der Regierung findet Moser im Prinzip vieles gut. Doch er würde nicht das ganze Geld in den Finanzsektor pumpen. „Es ist schon richtig, dass der Blutkreislauf aufrechterhalten werden muss. Doch man hat das Gefühl, dass zu viel Geld in die Beseitigung der Blutvergiftung gepumpt wird.“
Konjunkturpolitische Maßnahmen wie etwa die thermische Sanierung von Gebäuden seien jetzt dringend notwendig. Und würden immer noch zu wenig gefördert. 100 Mio. Euro stellt die Regierung dafür pro Jahr an Förderung zur Verfügung. Eine Milliarde jährlich wäre allein für Wien erforderlich, haben die Grünen errechnet.
www.oenb.at/de/img/kreditbericht_060409_tcm14-99535.pdf

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

„Wir sind unsere schlimmsten Feinde“

„Wir sind unsere schlimmsten Feinde“EPA

Michael Davies: „Wenn ich Ihnen ein Gerät mit mehr Funktionen zeige, dann kaufen Sie es. Auch wenn es Sie hinterher unglücklich macht.“ Der Senior Lecturer der MIT Sloan School of Management über unnötig komplizierte Atomkraftwerke, wutschäumende Bell-Labs-Wissenschaftler und die mustergültige Produktstrategie von Apple.

economy: Die Wirtschaft liegt darnieder, und Sie sagen, gerade jetzt sei die beste Zeit für Innovation.
Michael Davies: Genau. Es mag nicht eingängig sein, aber ich glaube, es ist ein exzellenter Zeitpunkt dafür. Vieles, was Unternehmen in der Produktentwicklung machen, ist Akkumulation. Produkte werden genauso angehäuft wie Funktionen. Makroökonomische Schocks wie dieser sind ideal, um solche Entscheidungen zu hinterfragen.

Wie stößt man zwischen Budgetknappheit und Massenfreisetzungen das große Umdenken an?
Zuerst kommt die Interven­tion – wie bei den Anonymen Alkoholikern: Es geht darum, sich das Problem einzugestehen. Danach lässt sich im Portfolio ziemlich schnell feststellen, welche die wirklich guten Produkte sind und welche die schlechten. Und Entscheidungen, ob man es glaubt oder nicht, können buchstäblich über Nacht getroffen werden. Ich habe einen großen Kunden, der in einer Nacht 20 Produkte gestrichen hat. Vier oder fünf Manager setzten sich hin, schauten sich die schwächsten zehn Produkte an und einigten sich darauf, sechs davon einzustellen. Sie riefen spät am Abend noch ihren CEO an, der vielleicht schon ein, zwei Gläser Wein hatte und für den nächsten Morgen ein Meeting anberaumte. Die Diskussion begann also um 18 Uhr, die Entscheidung war um neun Uhr des nächsten Tages getroffen. Jedes der Projekte hatte ein Volumen von 20 bis 40 Mio. Euro. Über Nacht wurden somit 150 Mio. Euro freigemacht.

Sie nennen Apple immer wieder als positives Beispiel. Existiert für jedes Unternehmen ein Apple-Weg?
Ich möchte hier eine klare Trennlinie ziehen. Apple ist einzigartig. Es gibt ein paar Dinge, die sie sehr gut machen. Etwa, was wir „Path Dependance“ nennen. Das heißt, man kann heute nicht Apple sein, ohne auch in der Vergangenheit Apple gewesen zu sein. Allerdings zahlt es sich wirklich aus, weniger Produkte zu führen oder Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen an den Flaschenhälsen zu konzentrieren. Apple erledigt das besonders gut. Andere können das aber auch.

Sie sagen, die Leute schätzen Einfachheit. Ist das eine Reaktion auf die Überfrachtung mit Technologie oder eine generelle Wahrheit?
Wir sind schon eine ganze Weile überwältigt. Die Angst der Menschen vor Technologie reicht bis in die 1970er Jahre zurück. Für Ingenieure ist es einfach, neue Funktionen in Produkte einzubauen. Also wird das auch gemacht. Auf diese Weise entstehen zwar Wahlmöglichkeiten, aber keine Zufriedenheit mit dem Produkt. Wir sind dabei unsere eigenen schlimmsten Feinde. Wenn ich Ihnen ein Gerät mit mehr Funktionen zeige, dann kaufen Sie es. Auch wenn es Sie hinterher unglücklich macht.

Und wie gewöhnt man Kunden, die bisher 50 Funktionen zur Verfügung hatten, daran, mit 25 glücklich zu sein?
Nur mit großer Schwierigkeit. Bauen Sie die Features also am besten gar nicht erst ein. Wenn ich heute eine neue Funktion hinzufüge, kann sich das innerhalb von zwei Jahren rächen. Ein Hersteller von Atomkraftwerken meinte etwa, dass er jedes Mal, wenn er Kunden eine neue Funktionalität präsentiert, nicht mehr davon loskommt. Die Folge ist, dass unglaublich komplizierte Atomkraftwerke ver­kauft werden, deren Benutzung unglücklich macht. Sobald es an den Neukauf geht, wollen schließlich alle ein möglichst simples Kraftwerk.

Es ist also ein Lernprozess.
Und ein Balanceakt. Man kann nicht alle Features wegnehmen, weil sie ja die Wahlmöglichkeit ausmachen. Es geht darum, weniger der richtigen Features zu verbinden und die Vorteile besser zu erklären. Denken Sie an TiVo (eine in den USA angebotene Set-Top-Box mit Videorekorderfunktion, Anm. d. Red.). Es erledigt eine Sache, und das Interface ist sehr einfach. Die Leute werden weiter zuerst lieber komplizierte Produkte kaufen und unglücklich damit sein. Dann erst kaufen sie Ihr Gerät. Aber da haben Sie die Mundpropaganda bereits auf Ihrer Seite.

Mehr Features treiben aber die Verkäufe an. Wie können Unternehmen in Zeiten des Shareholder-Value-Diktats der Versuchung widerstehen?
Sagen Sie Nein, Nein und nochmals Nein. Man muss sich auf die langfristige Sicht konzentrieren. Apple hat auch eine ganze Weile gebraucht, um sein iPod-Geschäft aufzubauen. Sie hätten mit einem Produkt, das mehr Schnickschnack hat, vielleicht höhere Anfangsverkäufe geschafft. Aber es hätte nicht diese Reaktionen gegeben: dass es sich um ein fantastisches Produkt handelt, dessen Benutzung die reinste Freude ist.

Warum tun sich Unternehmen wie Microsoft so schwer mit Innovation?
Zu viel Geld! Wenn man zu viel davon hat, muss man nicht diszipliniert sein. Wenn Microsoft schlank, fies und hungrig wäre, würde so viel mehr dabei herausschauen. Das macht Orte wie das MIT Media Lab so erfolgreich. Wenn man sich mit einer Vielzahl sehr schlauer Leute umgibt und alle mit wenig Geld etwas auf die Beine zu stellen versuchen, keimt Innovation. Es stimmt nicht, dass viel Geld für F&E (Forschung und Entwicklung, Anm. d. Red.) automatisch zu hohen Profiten führt. Es ist vielmehr so, dass ein sehr profitables Unternehmen viel für F&E ausgeben kann. Sie kennen bestimmt die Bell Labs, auf die die Amerikaner so stolz sind. Ich habe bei einem Seminar an der Columbia University über das Erbe der Bell Labs gesprochen. Warum sie die größte Geldverschwendung in der Geschichte amerikanischer Forschung und Technologie seien.

Wie reagierte Ihr Publikum?
Ich dachte, ich würde gelyncht. Sie kennen den Ausdruck Schaum vorm Mund? Ich habe Schaum gesehen (lacht).Die Bell Labs haben zwar ein paar interessante Innovationen geschafft und waren der akademischen Welt auch um Jahre voraus. Allerdings wurden riesige Mengen an Geld verschwendet. Und das bisschen, das dabei herauskam! Unix zum Beispiel war ja bloß ein glücklicher Unfall und nicht das Ergebnis von Forschung.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Zyklus der Krisen

Zyklus der KrisenDPA/Frank Rumpenhorst

Die zyklische Natur der kapitalistischen Wirtschaft hat die Welt mit der gegenwärtigen Krise wie ein Faustschlag getroffen. Doch auf jeden Niedergang folgt eine Erholung, wie die Geschichte lehrt.

Das größte Problem des kapitalistischen Systems, ohne das es gleichzeitig nicht existieren kann, ist das notwendige Übel des Kredits.
Kredite gehören zum Finanzsystem wie das Geld selbst. Erst durch sie wird die Geldmenge definiert und Umlaufvermögen geschaffen. Je höher die Geldmenge, desto höher die Liquidität und desto stärker das Wirtschaftswachstum. Je geringer die Geldmenge – das heißt, je weniger Kredite vergeben werden oder je stärker sie getilgt werden –, desto kleiner das Wachstum. Weniger Kredite sind also schlecht für die Wirtschaft.
So weit, so gut. Die Realität zeigt, dass dieses System nur so lange finanziert als die Volkswirtschaft ausbalanciert ist, das heißt, Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen die Geldmenge dazu nützen, produktiv und wettbewerbsfähig zu sein, die Währungsrelationen in den wichtigsten Märkten stabil sind und keine massiven Spekulationen im Gange sind.
Treten solche Faktoren ein, gerät das System aus dem Gleichgewicht. Ist durch eine Überhitzung der Wirtschaft und des Kreditwesens zu viel Geldmenge im Umlauf, kommt es zur Inflation; das Gegenteil passiert, wenn Geld dem Kreislauf entzogen wird, etwa durch zu hohe Zinsen. Es entsteht dann Deflation, ein untrügliches Zeichen für einen absteigenden Konjunkturzyklus.
Die Geschichte der Weltwirtschaftskrisen zeigt, dass ihr Auslöser fast immer ein Zusammenbruch des Kreditwesens war, wenn auch aus unterschiedlichsten Ursachen. Die massivste Krise in der mittleren Vergangenheit war zweifellos die Weltwirtschaftskrise von 1929, ausgelöst durch einen bis zu jener Zeit ungeahnten Börsenboom in den USA. Der durch einen enormen Wirtschafts- und Konjunkturaufschwung nach dem Ersten Weltkrieg ausgelöste Akien-Run an der Wall Street hatte dazu geführt, dass viele unerfahrene Anleger in Erwartung unaufhörlich steigender Aktien diese zum Großteil auf Kredit kauften. Was dann kam, war nahezu unausweichlich: Kurz nachdem sich eine (normal zyklische) Marktsättigung in Konsum und Export bemerkbar machte, begannen die Kurse der börsennotierten Firmen zu sinken.

Nervöse Anleger

Großinvestoren begannen Gelder abzuziehen, die Kurse sanken, und kleine Anleger wurden nervös. Mit geliehenem Geld gekaufte Aktien wurden plötzlich en gros auf den Markt geworfen, eine rasante Abwärtsspirale nahm ihren Lauf, die noch durch mangelnde Schutzmechanismen der Börsen (etwa Aussetzung der Kurse) verstärkt wurde. Das Ergebnis war der „Schwarze Freitag“ im Oktober 1929. Am Ende stand die US-Wirtschaft vor dem Ruin und zog die gesamte Welt mit in den Abgrund. Firmen­pleiten und Massenarbeitslosigkeit waren die Folge, indirekt auch der nächste Weltkrieg. Es dauerte danach noch drei Jahre, bis die Börsenkurse ihren Boden erreichten. Am Ende stand ein Wertverlust des Dow Jones von 89 Prozent. Der Index brauchte insgesamt 22 Jahre, um wieder auf das Niveau von vor dem Börsenkrach zu kommen.
Die nächsten Börsenkrisen fanden zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und währenddessen statt, gefolgt von einer langen Aufschwungphase an den Märkten. Ein weiteres Mal krachte es 1973 als direkte Auswirkung der Ölkrise mit einem Einbruch des Dow Jones um fast 45 Prozent und einer Erholungsphase von sieben Jahren und 1987, als sich schlechte Wirtschaftsdaten in den USA mit ausufernder Inflation und zu hohen Leitzinsen paarten. Dazu kam, dass die frisch computerisierten Aktien­märkte die Verkaufstrends in kürzester Zeit noch verstärkten. Das Resultat: ein Kurseinbruch des Dow Jones von knapp 25 Prozent, Erholungszeit aber nur 15 Monate.
Der Absturz hätte schlimmer sein können, wäre der Handel an vielen Börsen nicht ausgesetzt worden, was durch die Computertechnik erleichtert wurde. Heute ist diese Maßnahme als Sicherheitsfaktor auf dem Börsenparkett unumgänglich geworden.

Die erste Krise mit einer Charakteristik, die mit der gegenwärtigen vergleichbar ist, fand in den Jahren 1997 und 1998 in Asien statt. Ausgelöst wurde die „Asienkrise“ durch zu große Investitionen und Kreditaufnahmen als Charakteristikum von boomenden Schwellenländern, gepaart mit hohen Staatsschulden und aus­ufernden Handelsbilanzdefizi­ten.
Dazu kamen schwach ausgeprägte Finanzmarktstruk­turen an den asiatischen Märkten, insbesondere in Thailand, von wo die Krise 1997 ihren Ausgang nahm. Der simple, aber teuflische Kreislauf begann nach der Liberalisierung der Märkte mit steigender Liquidität, gestützt von riskanten Fremdwährungskrediten mit geringer Absicherung, wobei das meiste Geld in Aktien und Immobilien floss.
Die Spekulationsblase platzte am Ende – mit massiven Folgen für die Volkswirtschaften in den betroffenen Ländern und letztlich für die Exportwirtschaft im Westen. Das Grundproblem der Asienkrise war, dass vor allem die massiven Fremdwährungskredite kaum durch eigene Währungsreserven abgedeckt waren, der gesamte Wirtschaftsboom somit nur auf dem Papier stattfand.

Boom nur auf dem Papier
Die Folge für die westlichen Börsen waren ein Absturz des Dow Jones um sieben Prozent und des DAX (Deutscher Aktienindex) um 13 Prozent. Infolge des Eingriffs des Internationalen Währungsfonds und zweckmäßiger Interventionen der einzelnen Nationalbanken der Länder erholte sich die asiatische Wirtschaft allerdings relativ schnell von der Krise. Aber erst 2005 konnte wieder ein Wirtschaftswachstum auf dem Niveau von vor der Krise erzielt werden.
Die Angst geht heute um, dass sich die Asienkrise unter den gegebenen Umständen wiederholt. Die Faktoren sind diesmal eine massive Schwächung der stärksten Volkswirtschaft der Region, Japan, sowie das deutliche Nachlassen des Wirtschaftswachstums in China und regionale Probleme wie politische Instabilität in Thailand, das Erlahmen des „wirtschaftlichen Tigers“ Singapur oder schwache Daten aus Südkorea.
Der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan hat bis zu Ende seiner Amtszeit seine Einschätzung ausgedrückt, dass sich die Asienkrise nicht wiederholen werde: „Den asiatischen Ländern stehen heute ausreichende Devisenreserven zur Verfügung, und die Leistungsbilanzen sind wesentlich besser. Die Gefahr einer neuen Asienkrise sehe ich nicht.“
Hoffen wir nur, dass das alte Orakel recht behält. Einige Indizien sprechen dafür: Die asiatischen Schwellen-Wirtschaften sind tatsächlich um einiges stabiler geworden, wobei die starken wirtschaftlichen Lebenszeichen Indiens den Schwerpunkt verlagert haben. Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob Asien in der Lage ist, der gegenwärtigen Weltwirtschaftslage lange genug zu trotzen.
Als sich Asien noch gar nicht erholt hatte, kam der nächste Faustschlag für die Weltwirtschaft: Pünktlich zum Jahr 2000 platzte die Internet-Blase, jene künstlich aufgeblähte New Economy, die alle Regeln der herkömmlichen Wirtschaft außer Kraft setzen wollte.
Plötzlich war „Cash Burning“ große Mode geworden, und Abertausende von Start-up-Firmen rund um die Welt waren der Meinung, den Stein der Weisen in der neuen Informationstechnologie gefunden zu haben. Ein Irrglaube, wie sich bald herausstellte. Als sich die absurden Gewinnversprechen von Unternehmen, die nur aus einer Idee bestanden, nicht einstellten, ging der Schuss nach hinten los, und hoffnungsfrohe Anleger verloren eine Menge Geld.
Aktien von Start-ups verloren insbesondere an der Nasdaq und dem Neuen Markt in Frankfurt binnen weniger Tage mehr als 90 Prozent an Wert.

Erwartungen hinken nach
Goldman-Sachs-Analyst Thomas Mayer begründet die Entwicklung der Internet-Blase, dass es gemäß der volkswirtschaftlichen Theorien von Schumpeter und Hayek in der Wirtschaft „von Zeit zu Zeit zu erheblich gefährlichen Investitionszyklen kommt“. Ein Investitionszyklus beginnt mit technischen Neuerungen, die eine höhere Kapitalrendite versprechen. In der Aufschwungphase hinken die Erwartungen den tatsächlich mit den neuen Technologien erzielten Produktivitätsfortschritten hinterher, so Mayer. Genau dies fand in der Internet-Blase statt, wobei die radikale Auslese in dieser Zeit auch ihr Gutes hatte. Heute sind einige Garagenfirmen von damals die Big Player der Informationsindustrie mit Umsätzen in Abermilliardenhöhe.
Abgesehen von Einbrüchen durch die Al-Qaida-Attacken in New York und die beiden Golfkriege erholte sich die Wirtschaft nach dem Dotcom-Crash bis 2007/08 einigermaßen. Was allerdings dann folgte, wird von vielen schon wieder mit dem Crash von 1929 verglichen, was nicht ganz zutreffend ist: Erstens sind die Indikatoren andere, zweitens die Korrekturmechanismen ausgereifter.
Durch massive und vor allem akkordierte Interventionen der Notenbanken weltweit scheint sich derzeit schon wieder ein leichter Hoffnungsschimmer am Horizont abzuzeichnen. Ganz ohne Opfer wird die Krise allerdings nicht vorbeiziehen: Obwohl ursächlich nicht an dem Kreditdesaster schuld, dürfte es Ikonen der US-Industrie wie General Motors und Chrysler an den Kragen gehen, ganz abgesehen von dem reinigenden Gewitter, das bereits durch die Finanzbranche gezogen ist. So hat die Krise wohl auch ihr Gutes.
Der derzeitige starke Konjunkturabschwung ist bereits 18 Monate im Gange, was im Vergleich zu den historischen Crashes ein Durchschnittswert ist. Gemessen an den Statistiken braucht eine Erholung allerdings immer deutlich länger. Die meisten Bärenmärkte erreichten bisher ihren Boden in einem Zeitraum von drei Jahren oder weniger, zur Erholung brauchten sie dann aber zwischen fünf und zehn Jahren.
Das heißt, auch wenn sich alle Geldpolitiker rund um den Globus auch noch so anstrengen, den schnellen Rebound wird es nicht geben. Das ist den kapitalistischen Kreisläufen einfach systemimmanent. Wer aber Gier einfach durch Geduld ersetzt, wird auch diese schwierigen Zeiten durchstehen.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

„Spekulation ist die Essenz des Lebens“

„Spekulation ist die Essenz des Lebens“Photos.com

Seismologen gab es keine beim Tsunami an den Finanzmärkten. Denn Eliten tun sich naturgemäß schwer im Zugeben von Irrtümern, diagnostiziert Stephan Schulmeister, ohne seinem Namen Vorschub zu leisten.

Die Krise als Ende der Sackgasse. Reiche verlieren durch Spekulation lieber 50 Prozent ihres Vermögens, als dass sie auch nur ein Prozent davon an die Gemeinschaft abführen. Doch zwischen dem, „dass man sagt, so kann’s nicht weitergehen“, und dem Punkt, „bis man was Neues hat, liegen 20 Jahre. Das geht nicht so g’schwind“, prognostiziert weise ein Wirtschaftswissenschaftler.

economy: Halten Sie die beim G 20-Gipfel in London vereinbarten Maßnahmen für ein probates Mittel, um die Ursachen der Krise zu bekämpfen, oder für Placebos, für reinen Aktionismus?
Stephan Schulmeister: An die eigentlichen Ursachen kann man noch nicht gehen, denn dem steht eine gewisse kognitive Dissonanz im Wege.

Was meinen Sie damit?
Wenn man den Verfall der Aktienkurse, der Immobilienpreise, der Rohstoffpreise als eine zentrale, wenn nicht überhaupt die Ursache der Weltwirtschaftskrise ansieht, müsste man sich der Frage stellen, ob die freiesten und bestregulierten Märkte, nämlich die Märkte für börsengehandelte Derivate, nicht systematisch falsche Preissignale setzen. Der gleichzeitige Vermögensverfall war nur möglich, weil es in den Jahren 2003, 2004 bis 2007 zur genau umgekehrten Entwicklung gekommen war.
Primat der Politik ist möglich, aber es ist nur möglich, wenn die Politik weiß, was sie will – sie braucht Leadership, sie muss eine Landkarte haben. Leadership heißt: Ich löse das gesellschaftliche Navigationsproblem. Navigationsproblem heißt: Welchen Pfad bin ich gekommen, was ist die Landkarte, und wo will ich hin? Weder wissen Sie, woher Sie gekommen sind, noch wissen Sie, wo Sie stehen, noch haben Sie eine Landkarte. Aus diesem Grund können Sie auch keine Leadership entfalten. Und am ehesten, so ist meine Meinung, hat noch eine gewisse Grundlandkarte der Herr Obama, während die Europäer völlig durcheinander sind, keinen Dunst haben.

Die Krise wird gerne als unvorhergesehenes Naturereignis dargestellt, das hereingebrochen ist. Gab es keine Indizien dafür, dass alles in einer Sackgasse mündet?
Ja, natürlich gab es Indizien. Aber die konnte nur jemand sehen, der die Weltanschauung der Eliten nicht teilte. Wenn jemand die Weltanschauung, und das Wort Weltanschauung ist hier wirklich sehr präzise, des Neoliberalismus geteilt hat, dann konnte er natürlich nicht erkennen, dass die boomenden Vermögensmärkte ein enormes Krisenpotenzial aufbauen. Eliten sind nicht zuletzt deshalb auch Eliten geworden, weil sie sich im Zugeben von Irrtümern naturgemäß etwas schwer tun, und damit meine ich weniger die politischen Eliten, die ja viel vergänglicher sind, als die wirtschaftswissenschaftlichen Eliten, also die Nobelpreisträger, die Universitätsprofessoren, die Sachverständigen, die Experten. Über 30 Jahre hat sich eine Einheitsherde gebildet.

Also auch Sie lagen falsch?
Ich darf für mich in Anspruch nehmen, dass ich schon vor fünf, sechs Jahren gesagt habe, dass dieser Boom etwa gerade der Aktienkurse in Österreich übel enden wird. Ich habe vergeblich argumentiert, dass die Altersvorsorgeumstellung in der Weise, wie es in Österreich mit der Förderung der kapitalgedeckten Altersversorge gemacht wurde, der falsche Weg ist. Sie hat zwar einen Aktienboom verstärkt, und der ATX ist tatsächlich auf das Fünffache gestiegen, aber jedem mit normalem Hausverstand musste doch klar sein, dass der wahre Wert der österreichischen Aktiengesellschaften in vier Jahren nicht auf das Fünffache gestiegen sein kann. Das ist doch Nonsens. Und davon ausgehend musste man zu der falschen Dia­gnose kommen, dass Einzelne schuld sind: die Gier der Banker oder die Dummheit des Herrn Greenspan, weil er die Zinsen so niedrig gesetzt hat, oder die Kurzsichtigkeit der Politik. Das ist alles eine psychologisch verständliche Reaktion, denn wenn die Hosen immer voller werden, sucht man nach Sündenböcken.

Wen trifft Ihrer Meinung nach die Schuld?
Aus meiner Sicht ist es die Spielanlage. Und wenn eine Spielanlage schlecht ist, dann kann ich einzelne Spieler, die innerhalb der Logik der Spielanlage agieren, nicht beschuldigen. Mit dem Finanzkapitalismus hat sich seit Anfang der 1970er Jahre immer mehr die Losung durchgesetzt: Lassen Sie Ihr Geld arbeiten. Nehmen Sie Trend-Followers wie den österreichischen Superfund oder weltweit Zehntausende Hedgefonds und Hunderttausende Amateure, die alle diese technischen Spekulationssysteme verwenden. Die Performance dieser Hedgefonds war noch nie so hoch wie in den letzten Monaten. Die saßen auf den Abwärts­trends, und weil die Abwärtstrends noch steiler sind als die Aufwärtstrends, haben sie Kasse gemacht – enorm. Das Groteske ist nur: Indem sie das taten, haben sie die Aktienkurse weiter nach unten getrieben. Die Politik wollte das Spekulieren fallender Kurse und Leerverkäufe verbieten. Damit hat sie klar zu erkennen gegeben, dass sie keine Ahnung hatte, wie heute spekuliert wird. Wie nahezu niemand.

Sie sagen, die freien Märkte produzieren Fehlsignale. Das werden sie doch auch in Zukunft tun.
Einzelprobleme sind kein Problem, aber die manisch depressiven Schwankungen der wichtigsten Preise der Weltwirtschaft haben systemischen Charakter.

Sie fordern eine Finanztransaktionssteuer.

Sie wäre die einfachste Steuer der Welt, weil der gesamte Handel elektronisch ist, und könnte innerhalb von sechs Wochen implementiert sein. Das wäre technisch überhaupt kein Problem. Es fehlt der politische Wille. Allerdings ändern sich hier die Einstellungen. Aber ich würde auch bei den Derivatemärkten weitergehen. Ich habe überhaupt nichts gegen Spekulation, denn Spekulation ist die Essenz des Lebens im Kapitalismus. Spekulation ist das Geschäft mit einer ungewissen
Zukunft.

Wie lange wird die Krise dauern?

Solange, bis die Eliten brauchen, umzulernen. Und dieser Lernprozess dauert Jahre.

Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

Krisensicheres Sparen fürs Enkerl

Krisensicheres Sparen fürs EnkerlBilderbox.com

Sie sind die Großeltern der heutigen Investmentklubs. Rüstig und sehr aktiv. Die rund 20.000 Sparvereine Österreichs stellen in der Finanzwelt nur ein Randphänomen dar, vom Aussterben sind sie jedoch weit entfernt.

Sie treffen sich jeden Donnerstagabend um zu plaudern, zu essen, ein Glaserl Wein oder Bier zu trinken und um zu sparen. Karl, Erika und Hermi gehören zum harten Kern eines 35-köpfigen Sparvereines. Wer dabei eine Stammtischrunde in einem rustikalen, ländlichen Wirtshaus vor Augen hat, liegt völlig daneben. Keine rot-weiß karierten Tischtücher, keine Sparvereinskästen, die gefüttert werden. Stattdessen wird die wöchentliche Einzahlung aufs Vereinskonto von Hardrock-Rhythmen und dem Duft von Thunfisch-Tramezzini begleitet.
Dass das Szene- und Veranstaltungslokal „Aera“ in der Gonzagagasse in Wien 1 einen Sparverein beherbergt, hat die Mitarbeiter der economy-Redaktion, die vis-à-vis vom „Aera“ beheimatet ist, belustigt und in ungläubiges Staunen versetzt. Doch jeden Donnerstag­abend kann man sich davon überzeugen: Der „Sparverein Aera“ ist keine aussterbende Kuriosität, sondern eine lebendige Institution, die auf ein langes Bestehen zurückblicken kann.

Vom „31er“ ins „Aera“

Als Vereinspräsident fungiert SPÖ-Bezirksrat Karl Grasser, der sich neben Umwelt- und Verkehrsbelangen der Inneren Stadt auch um den Fortbestand des Sparvereines kümmert. Gemeinsam mit Gattin Erika hat Grasser vor 20 Jahren den „31er-Sparverein“ gegründet, benannt nach dem Gasthaus „Zum 31er“ am Schottenring, wo der Verein ursprünglich beheimatet war. „Wir sind damals von Niederösterreich nach Wien gezogen, und da hat mich die Anonymität der Großstadt schon ein biss’l gestört“, beschreibt Frau Grasser ihre Beweggründe, die zur Gründung des Sparklubs geführt haben. „Für uns war’s eine willkommene Gelegenheit, um Freunde und Nachbarn zu treffen und den Kontakt regelmäßig zu pflegen.“
Ebenfalls seit Beginn mit von der Partie ist Hermi Kavale, die als Vereinskassierin fungiert. „In unseren Glanzzeiten hatte der Verein 77 Mitglieder – heute sind wir noch 35.“ Damals (1988) gab’s von der Bawag, die das Vereinskonto betreut, 3,75 Prozent Zinsen für das Ersparte. Heute ist der „31er“-Wirt im Ruhestand und der Zinssatz von 2,5 Prozent im Jänner auf 1,25 Prozent (März) geplumpst. Ein Umstand, den die buchführende Funktionärin achselzuckend zur Kenntnis nimmt. „Immerhin ist die Verzinsung für jederzeit behebbares Geld bei uns nach wie vor besser als für Einzelpersonen.“
Hermis eigentliches Bedauern gilt dem Mitgliederschwund und der Schließung des „31ers“, ist doch ihrer Meinung nach die derzeitige Location schuld daran, dass nur mehr ein kleiner Teil der Mitglieder regelmäßig zu den Vereinstreffen kommt. „Im ‚31er‘ war die Küche gut, und es war urgemütlich“, betont die Kassierin und wirft einen verächtlichen Blick in Richtung mondän gestylter Bar, wo eine Gruppe junger Menschen lebhaft über Österreichs Bildungsmisere diskutiert. Das Essen sei zwar auch im „Aera“ nicht schlecht, aber das Ambiente ist halt nicht grad das Ihre, gesteht Hermi.

Pleite für Vereinslokal

Dabei ist es ohnehin fraglich, ob die Treffen auch weiterhin im „Aera“ stattfinden können. Denn das Vereinslokal ist pleite, ein Konkursverfahren läuft bereits. Wenn sich kein Käufer für das Wiener Innenstadtlokal findet oder der neue Eigentümer kein Vereinsfreund ist, müssen sich die geselligen Sparefrohs erneut auf Herbergssuche begeben. Aber „wir geben nicht auf, wir sind ja flexibel“, gibt sich die Präsidentengattin optimistisch.
Um auch wirklich flexibel zu bleiben, hat der Verein im Oktober des Vorjahres, also zu Beginn der weltweiten Bankenkrise, ein Lockangebot der Bawag abgelehnt. Die Bank versuchte dem Verein höhere Zinsen schmackhaft zu machen, unter der Bedingung, ein Jahr lang keine Auszahlungen durchzuführen. „Aber das wollten wir nicht. Wir schätzen doch gerade diese unkomplizierte Sparform sehr, bei der man ungebunden ist. Außerdem geht’s uns gar nicht vorrangig um die Zinsen, sondern um den Spaß, den wir bei den Treffen haben“, betonen die Vereinsfunktionäre.
Von der benachbarten Mindestpensionistin, die monatlich 100 Euro fürs Enkerl einzahlt, bis zur jüngeren Tochter des Arbeitskollegen erscheinen die meisten Mitglieder mehr oder weniger regelmäßig zu den Vereinstreffen. Der Rest überweist via Dauerauftrag. Eingezahlt werden im Schnitt zwischen 20 und 100 Euro pro Monat. Der jährliche Auszahlungstag, der bei Mitgliedern und Bank angekündigt werden muss, findet Ende November statt, also rechtzeitig zum Start der Weihnachtseinkäufe. Das Gros der Mitglieder spart, um das Weihnachtsgeld aufzubessern, oder für eine Reise.

Sparen im Betrieb

Einen erheblich höheren Anteil am österreichischen Sparguthaben erarbeiten aber jene Sparvereine, die in Betrieben angesiedelt sind. Eine Tradi­tion, deren Wurzeln in der Arbeiterbewegung zu finden sind und die von der Bawag gehegt und gepflegt wird. 4300 Sparvereine bestehend aus 300.000 Einzelsparern aus Betrieben, Ämtern und Pensionistenklubs zahlen regelmäßig auf ein gemeinsames Konto ein. „Das Sparvolumen war im Vorjahr immerhin 1,15 Milliarden Euro schwer. Die Tendenz ist steigend“, verrät Christian Bammer, Vorstand des Verbands Österreichischer Sparvereine (VÖS), der 1966 als Dachverband aller Sparvereine der Bawag PSK gegründet wurde.
Im Gegensatz zu den kleinen Gasthaussparvereinen erhalten Betriebssparvereine von der Bawag auch einen höheren Zinssatz für ihr Erspartes – derzeit sind es im Schnitt 2,5 Prozent. Diese betriebliche Sparform, die meist von Betriebsräten ins Leben gerufen wird, erfreut sich laut Bammer wieder gro­ßer Beliebtheit. Diesen Trend bestätigt auch Wolfgang Svab, der Betriebsratsvorsitzende von Unilever in Wien. „Viele Kollegen, die sich ihre Bausparverträge oder Lebensversicherungen auszahlen lassen, bringen ihr Geld jetzt zu uns in den Betriebssparverein, weil es dort sicher und angesichts kontinuierlich sinkender Zinsen gar nicht so schlecht zwischengeparkt ist. Da kommen seit Beginn des Jahres immer wieder Beträge rein, die sich durchaus sehen lassen können.“ Bammer erwähnt größere Betriebe, deren Sparvereinskonten ein Sparguthaben von einer Million und mehr aufweisen. Und wer weiß, vielleicht gelingt einem davon ein ähnlicher Coup wie dem im Jahr 1923 gegründeten Spar- und Kreditverein der Freunde und Angestellten der Julius Meinl AG, aus dem Jahre später die noble Privatbank des Julius-Meinl-Clans hervorging.
Astrid Kasparek

Astrid Kasparek, Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009

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